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LAG Hamm, Ur­teil vom 18.02.2010, 8 Sa­Ga 3/10

   
Schlagworte: Einstweilige Verfügung: Lohn und Gehalt, Kündigungsschutzprozess
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 8 SaGa 3/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.02.2010
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Münster, Urteil vom 12.01.2010, 3 Ga 58/09
   

8 Sa­Ga 3/10

3 Ga 58/09
ArbG Müns­ter

 

Verkündet am 18.02.2010

Ba­bus­z­ak Reg.-Beschäftig­te Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm

Im Na­men des Vol­kes

Ur­teil

In dem Ver­fah­ren

hat die 8. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 18.02.2010
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Du­den­bos­tel
so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Haa­se und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Herud

f ü r Recht er­kannt :

 

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Un­ter Zurück­wei­sung der Be­ru­fung im Übri­gen wird auf die Be­ru­fung der Verfügungskläge­rin das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Müns­ter vom 12.01.2010 teil­wei­se ab­geändert:

Die Verfügungs­be­klag­te zu 1) wird im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung ver­ur­teilt, an die Verfügungskläge­rin als unpfänd­ba­ren Teil der Ar­beits­vergütung für die Mo­na­te No­vem­ber und De­zem­ber 2009 4.871,-- Eu­ro zu zah­len.

Hin­sicht­lich der Kos­ten des 1. Rechts­zu­ges gilt fol­gen­de Re­ge­lung:
Von den Ge­richts­kos­ten tra­gen die Verfügungskläge­rin und die Verfügungs­be­klag­te zu 1) je die Hälf­te. Die außer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Verfügungskläge­rin und der Verfügungs­be­klag­ten zu 1) wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben. Die außer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Verfügungs­be­klag­ten zu 2) trägt die Verfügungskläge­rin al­lein.

Hin­sicht­lich der Kos­ten des 2. Rechts­zu­ges gilt fol­gen­des:
Von den Ge­richts­kos­ten trägt die Verfügungskläge­rin 1/3, die Verfügungs­be­klag­te zu 1) 2/3. Die außer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Verfügungskläge­rin und der Verfügungs­be­klag­ten zu 1) wer­den ge­gen­ein­an­der auf­ge­ho­ben. Die außer­ge­richt­li­chen Kos­ten der Verfügungs­be­klag­ten zu 2) trägt die Verfügungskläge­rin.

Tat­be­stand

Mit ih­rem An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung be­gehrt die Verfügungskläge­rin die Zah­lung des unpfänd­ba­ren Be­tra­ges an Ar­beits­vergütung für die Mo­na­te No­vem­ber und De­zem­ber 2009 mit der Be­gründung, die von der Verfügungs­be­klag­ten zu 1) aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 31.08.2009 sei of­fen­sicht­lich un­wirk­sam. Zur Ver­mei­dung ei­ner Not­la­ge sei sie auf ent­spre­chen­de Zah­lung an­ge­wie­sen.

 

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Zum Be­leg für die of­fen­sicht­li­che Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung trägt die Verfügungskläge­rin vor, trotz ent­spre­chen­der Auf­la­ge des Ge­richts sei­en bis­lang im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren kei­ne Kündi­gungs­gründe vor­ge­tra­gen wor­den. Statt des­sen ha­be der Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Be­klag­ten be­reits im Güte­ter­min erklärt, man sei an ei­ner ein­ver­nehm­li­chen Re­ge­lung in­ter­es­siert, gg­fls. sol­le die Verfügungskläge­rin ih­re Tätig­keit wie­der auf­neh­men. Nach­dem sie – die Verfügungskläge­rin – dies der Ar­beits­agen­tur mit­ge­teilt ha­be, ha­be die­se die Leis­tung an Ar­beits­lo­sen­geld ein­ge­stellt, wes­we­gen sie dar­auf an­ge­wie­sen sei, zu­min­dest den unpfänd­ba­ren Be­trag der mo­nat­li­chen Ar­beits­vergütung zu er­hal­ten. Er­sicht­lich ge­he es der Ge­gen­sei­te dar­um, die Verfügungskläge­rin „aus­zu­hun­gern", um sie ge­gen un­zu­rei­chen­de Ab­fin­dung aus dem Ar­beits­verhält­nis zu drängen. Dass kei­ner­lei Gründe für die Kündi­gung ge­ge­ben sei­en, wer­de auch aus der im Ter­mins­pro­to­koll vom 12.01.2010 wört­lich wie­der­ge­ge­be­nen Äußerung des Geschäftsführers deut­lich, man wol­le sich von der Kläge­rin ge­gen Ab­fin­dung tren­nen, wenn die An­trag­stel­le­rin das nicht wol­le, wer­de er „die Fri­ka­del­le fin­den".

Durch Ur­teil vom 12.01.2010 (Bl. 34 ff. d.A.), auf wel­ches we­gen des wei­te­ren Sach­ver­halts Be­zug ge­nom­men wird, hat das Ar­beits­ge­richt den ver­folg­ten An­trag ab­ge­wie­sen. Mit ih­rer recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und be­gründe­ten Be­ru­fung ver­folgt die Verfügungskläge­rin ihr Be­geh­ren in der Sa­che un­verändert wei­ter. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Verfügungskläge­rin den ge­gen die Verfügungs­be­klag­te zu 2) ge­rich­te­ten An­trag mit de­ren Zu­stim­mung zurück­ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Verfügungskläge­rin hat – so­weit sich der An­trag zu­letzt al­lein noch ge­gen die Verfügungs­be­klag­te zu 1) rich­tet – mit Aus­nah­me des Zins­an­spruchs Er­folg.

 

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Zur Ver­mei­dung ei­ner wirt­schaft­li­chen Not­la­ge war der Verfügungskläge­rin im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes der unpfänd­ba­re Teil der Ar­beits­vergütung für die Mo­na­te No­vem­ber und De­zem­ber 2009 zu­zu­spre­chen.

1. Der für ei­ne Ent­schei­dung im Eil­ver­fah­ren er­for­der­li­che Verfügungs­an­spruch er­gibt sich aus der Tat­sa­che, dass die von der Verfügungs­be­klag­ten zu 1) aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung of­fen­sicht­lich un­wirk­sam ist und der Kläge­rin aus die­sem Grun­de ein An­spruch auf Zah­lung von Ar­beits­vergütung un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zu­ges zu­steht.

a) Wie der ge­genwärti­ge Stand des Kündi­gungs­rechts­streits zeigt, hat die Verfügungs­be­klag­te zu 1) we­der bis zum Ab­lauf der ge­richt­lich ge­setz­ten Frist noch bis zum Ta­ge der Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren Gründe für die Kündi­gung ge­nannt. Darüber hin­aus kann die aus dem Pro­to­koll des Ar­beits­ge­richts er­sicht­li­che Äußerung des Geschäftsführers, im Fal­le feh­len­der Ei­ni­gung wer­de man „die Fri­ka­del­le fin­den", nur in dem Sin­ne ver­stan­den wer­den, über­zeu­gen­de Kündi­gungs­gründe sei­en nicht vor­han­den.

b) We­gen der Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung kann die Verfügungskläge­rin Ar­beits­vergütung auf der Grund­la­ge des § 615 BGB un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zu­ges be­an­spru­chen. Durch den Aus­spruch der un­wirk­sa­men Kündi­gung hat sich die Verfügungs­be­klag­te zu 1) selbst in Ver­zug ge­setzt, in­dem sie die er­for­der­li­che Mit­wir­kungs­hand­lung im Sin­ne des § 296 BGB – nämlich die Beschäfti­gung der Verfügungskläge­rin – ver­wei­gert.

c) Der An­spruch der Kläge­rin auf Zah­lung von Ver­zugs­lohn ist auch nicht da­durch in­fra­ge ge­stellt, dass die Kläge­rin – of­fen­bar vor­ei­lig – ge­genüber der Ar­beits­agen­tur die er­war­te­te Fortführung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit­ge­teilt hat, wor­auf die Zah­lung von Ar­beits­lo­sen­geld ein­ge­stellt wor­den ist. Da Ar­beits­lo­sen­geld nicht ge­zahlt wor­den ist, schei­det ei­ne An­rech­nung gem. § 11 Nr. 3 KSchG aus. Eben­so we­nig kommt ei­ne An­rech­nung un­ter­las­se­nen Ver­diens­tes gem. § 11 Nr. 2 KSchG in Be­tracht. Al­lein die un­ter­las­se­nen Mel­dung bei der Ar­beits­agen­tur als

 

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„ar­beits­su­chend" stellt kein böswil­li­ges Un­ter­las­sen zu­mut­ba­rer Er­werbsmöglich­kei­ten dar (BAG 16.05.2000, EzA § 615 BGB Nr. 99).

2. Der Verfügungskläge­rin steht auch ein aus­rei­chen­der Verfügungs­grund zur Sei­te. Die Kam­mer teilt nicht den Stand­punkt des ar­beits­ge­richt­li­chen Ur­teils, die gel­tend ge­mach­te Not­la­ge der Verfügungskläge­rin be­ru­he vor al­lem dar­auf, dass sie die Wei­ter­gewährung von Ar­beits­lo­sen­geld nicht be­an­tragt ha­be. In An­be­tracht der of­fen­sicht­li­chen Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung braucht sich die Verfügungskläge­rin von der Verfügungs­be­klag­ten nicht dar­auf ver­wei­sen las­sen, sie könne ih­re wirt­schaft­li­che Not­la­ge be­sei­ti­gen, in­dem sie die Wie­der­auf­nah­me der Ar­beits­lo­sen­geld­zah­lung be­an­tra­ge. Die Verfügungs­be­klag­te schul­det die Ar­beits­vergütung nicht nach­ran­gig, son­dern auf der Grund­la­ge des fort­be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses. Fehlt es schon nach dem ei­ge­nen Vor­trag des Ar­beit­ge­bers an ei­nem Kündi­gungs­grund und sind auch sonst kei­ne An­halts­punk­te dafür er­kenn­bar, wel­che dem Vergütungs­an­spruch aus An­nah­me­ver­zug ent­ge­gen­ste­hen könn­ten, be­darf es zur Wah­rung der In­ter­es­sen der Verfügungs­be­klag­ten kei­ner be­son­de­ren An­for­de­run­gen an die Dar­le­gung des Verfügungs­grun­des. Dass die Verfügungskläge­rin zur De­ckung des Le­bens­un­ter­halts auf die Zah­lung des unpfänd­ba­ren Teils der Ar­beits­vergütung an­ge­wie­sen ist, leuch­tet oh­ne wei­te­res ein. Berück­sich­tigt man wei­ter, dass in der Äußerung des Geschäftsführers über die „ge­such­te Fri­ka­del­le" ei­ne be­wuss­te Auf­leh­nung ge­gen die Re­geln der Rechts­ord­nung liegt, in­dem trotz Kennt­nis feh­len­der Kündi­gungs­gründe Beschäfti­gung und Vergütungs­zah­lung ver­wei­gert wer­den, ist der Er­lass ei­ner Ent­schei­dung im Eil­ver­fah­ren auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Gewährung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes ge­bo­ten.

4. Der ver­folg­te Zins­an­spruch wird dem­ge­genüber nicht vom ge­for­der­ten Not­be­darf um­fasst.

II

Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens berück­sich­tigt die Tat­sa­che, dass die Verfügungskläge­rin mit ih­rem Be­geh­ren ge­genüber der Verfügungs­be­klag­ten

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zu 2) nicht durch­ge­drun­gen ist, son­dern ih­ren An­trag erst in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ge­nom­men hat.

III

Gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG ist die Re­vi­si­on ge­gen das vor­lie­gen­de Ur­teil nicht zulässig.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben.

 

Dr. Du­den­bos­tel 

Haa­se 

Herud

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