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Kaum in Kraft getreten, schon europarechtswidrig?
18.04.2008. Ab dem 30.03.2008 gilt in Berlin ein neues Vergabegesetz. Die Gesetzesänderung erweitert den Kreis der Unternehmen, die bestimmte Auflagen erfüllen müssen, um in Berlin Aufträge der öffentlichen Hand zu ergattern.
Die Mindestlohnregelunen das bisher geltenden Berliner Vergabegesetz (VgG Bln) vom 09.07.1999 (GVBl 1999, S 369) galten nämlich nur für die Vergabe von Bauleistungen und von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Gebäuden und Immobilien. Nur Bauunternehmen und Anbieter immobilienbezogener Dienstleistungen mussten daher für einen öffentlichen Auftrage nachweisen, dass sie bei der Auftragsausführung ihre Arbeitnehmer nach den in Berlin geltenden Entgelttarifen bezahlen und dass sie das auch von ihren Subunternehmern verlangen (§ 1 Abs.1 VgG Bln alte Fassung).
Die ab dem 30.03.2008 geltende Erweiterung der Mindestlohnanforderungen müssen wohl, kaum dass sie in Kraft getreten sind, schon wieder geändert werden, da sie gegen das Europarecht verstoßen.
- In welchen Punkten wurde das Berliner Vergabegesetz geändert?
- Bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Novellierung des Vergabegesetzes?
- Könnten einzelne Arbeitnehmer eines Betriebs von dem Mindestlohn von 7,50 EUR ausgenommen werden?
- Ist die Reform des Berliner Vergabegesetzes europarechlich zulässig?
In welchen Punkten wurde das Berliner Vergabegesetz geändert?
Aufgrund des Ersten Gesetzes zur Änderung des Vergabegesetzes Berlin, vom 19.03.2008 (GVBl S.80), gilt die Tariftreuepflicht ab dem 30.03.2008 in erweiterter Form, indem nunmehr sämtliche öffentlichen Aufträge - und nicht mehr nur wie bisher die Beauftragung von Bauleistungen und gebäude- bzw. immobilienbezogenen Dienstleistungen - mit der Auflage zur Zahlung der einschlägigen Tariflöhne vergeben werden müssen (§ 1 Abs.2 VgG Bln n.F.).
Zur Begründung der Gesetzesnovelle heißt es in der Gesetzesvorlage des Berliner Senats vom 05.02.2008 (Abgeordnetenhaus Berlin Drucks. 16/1155), es sei über den Bereich des Baugewerbes hinaus ein zunehmender Einsatz von Billiglohnkräften bei der Ausführung öffentlicher Aufträge zu beobachten. Mit der bevorstehenden Ausweitung der Freizügigkeit von Arbeitskräften innerhalb der EU komme es zu starken Wettbewerbsverzerrungen zwischen heimischen Unternehmen und solchen, die an die in Berlin geltenden Tariflöhne nicht gebunden seien.
Darüber hinaus sieht die Gesetzesnovelle vor, dass Aufträge künftig nur mit der Auflage zur Zahlung eines Mindestlohnes von 7,50 EUR brutto pro Stunde vergeben werden dürfen, falls für einzelne Branchen in Berlin keine Entgelttarife bestehen oder zwar bestehen, aber ein Entgelt von weniger als 7,50 EUR vorsehen (§ 1 Abs.3 VgG Bln n.F.).
Gerechtfertigt wird diese Verschärfung der Vergabespielregeln in der Gesetzesbegründung mit der Überlegung, es solle den Beschäftigten bei Vollzeittätigkeit ein „existenzsicherndes Einkommen“ verschafft werden.
Diese Zielsetzungen mögen standort- und sozialpolitisch sinnvoll sein, begegnen aber in ihrer Umsetzung rechtlichen Bedenken.
Bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber der Novellierung des Vergabegesetzes?
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 11.07.2006 (1 BvL 4/00) die im VgG Bln bislang enthaltene eingeschränkte Fassung der Tariftreueregelung für verfassungsgemäß erklärt, da die in der vergaberechtlichen Tariftreuepflicht liegende eingriffsgleiche Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der Auftragsbewerber (Art.12 Grundgesetz - GG)) durch die mit ihr verbundenen wirtschafts- und sozialpolitischen Zwecksetzungen gerechtfertigt sei.
Trotzdem bleibt die Frage, inwieweit der Wettbewerb unter den potentiellen Anbietern verzerrt oder gar unterbunden wird. Unterhalb der Tariflöhne bzw. der hilfsweise eingreifenden 7,50 EUR-Grenze kann ein Preiswettbewerb nicht stattfinden. Damit sind kleinere Unternehmen, die sich die Zahlung der jeweils gültigen Tariflöhne oder auch nur eines Stundenlohns von 7,50 EUR nicht leisten können, von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen.
Zwar sollte die Zahlung eines Lohns von 7,50 EUR zumindest dann möglich sein, wenn das Land Berlin die Vergütung für den öffentlichen Auftrag zahlt, doch müsste sich das Unternehmen dann aus praktischen und rechtlichen Gründen dazu entscheiden, seine Stundenlöhne allgemein auf das vom VgG Bln geforderte Niveau anzuheben.
Könnten einzelne Arbeitnehmer eines Betriebs von dem Mindestlohn von 7,50 EUR ausgenommen werden?
Eine Unterscheidung bei der Bezahlung von Arbeitnehmern desselben Betriebs je nachdem, ob sie für einen Auftrag des Landes oder für einen Privatkunden tätig werden, wäre bereits aufgrund daraus folgender Konflikte in der Belegschaft kaum durchführbar. Außerdem würde eine solche Differenzierung wohl auch gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz steht einer einer verschieden hohen Vergütung von Arbeitnehmern allein in Abhängigkeit vom jeweiligen Auftraggeber nämlich deshalb entgegenstehen, weil dies kein ausreichender Sachgrund für eine unterschiedliche Vergütung ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) müssen Sachgründe für Schlechterstellungen bei der Bezahlung zumindest an der Leistung, Qualifikation und Tätigkeit des Arbeitnehmers anknüpfen (BAG, Urteil vom 15.05.2001, 1 AZR 672/00), d.h. eine unterschiedliche Vergütung z. B. je nach Wohnsitz des Arbeitnehmers wäre ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung wäre eine Lohndifferenzierung je nach Auftraggeber arbeitsrechtlich als "sachfremd" einzuordnen und damit unzulässig.
Ist die Reform des Berliner Vergabegesetzes europarechlich zulässig?
Schließlich dürften sich Kritiker der Berliner Vergaberechtsnovelle durch eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bestätigt sehen, in der dieser eine ähnliche Regelung des niedersächsischen Landesvergaberechts für europarechtswidrig erklärt hat (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, C-346/06 - Rüffert).
Grundlage der EuGH-Entscheidung ist die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie) und außerdem auch Art.49 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Mit diesen Vorgaben, so der EuGH, ist das niedersächsische Vergabegesetz nicht zu vereinbaren.
Das Landesvergabegesetz Niedersachsen schreibt nämlich die Verpflichtung der Auftragnehmer der öffentlichen Hand - einschließlich ihrer Subunternehmer - auf die Zahlung der am Ort der Leistungserbringung geltenden Tariflöhne im Baubereich vor.
Da Art.3 der Entsenderichtlinie eine rechtliche Verpflichtung ausländischer Dienstleistungsanbieter auf die im Inland am Arbeitsort geltenden arbeitsrechtlichen Mindeststandards, insbesondere auf Mindestlöhne, nur im Rahmen von Gesetzesbestimmungen oder von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorsieht und eine weitergehende Absicherung von entsandten Arbeitnehmern nur aus sozialpolitischen, nicht aber aus standortpolitischen Gründen erlaubt, entsprechen Tariftreueregelungen wie die im Landesvergabegesetz Nds. enthaltenen nicht den Vorgaben der Entsenderichtlinie und der Dienstleistungsfreiheit (Art.49 EGV).
Denn die niedersächsischen Tariftreueregelungen verlangen vom Auftragnehmer weder die Beachtung eines allgemeinen (Mindestlohn-)Gesetzes noch eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags, sondern vielmehr die Zahlung des örtlich und fachlich jeweils einschlägigen Tariflohns, und sie verfolgen keine oder jedenfalls keine primäre soziale Sicherungsfunktion zugunsten der Gastarbeitnehmer, sondern wollen in erster Linie heimische Unternehmen vor ausländischer Billiglohnkonkurrenz schützen.
Da das Berliner Vergabegesetz weder in seiner bisherigen noch (erst recht) in seiner novellierten Fassung die aus dem Urteil des EuGH vom 03.04.2008 abzuleitenden europarechtlichen Vorgaben erfüllt und da die Frist für die Umsetzung der Entsenderichtlinie abgelaufen ist, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch die Berliner Regelungen gerichtlich überprüft und - ggf. nach einer Vorlage zum EuGH - verworfen werden.
Der Senat von Berlin hat daraufhin in seiner Sitzung vom 15.04.2008 beschlossen, dass das Vergabegesetz hinsichtlich der „Tariftreue- und Mindestentlohnungserklärungen“ nicht angewendet werden darf. Eine Gesetzesnovellierung soll jedoch für künftige Auftragsvergaben sicherstellen, „dass die Auftragnehmer ihren Arbeitskräften zumindest den nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz festgelegten Mindestlohn zahlen“.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Folgerungen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Tariftreue, Pressemitteilung des Landes Berlin, 15.04.2008
- Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (Entsenderichtlinie)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.04.2008, C-346/06 (Rüffert)
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.07.2006 (1 BvL 4/00)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2001, 1 AZR 672/00
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 18/074 Reform der Entsenderichtlinie
- Arbeitsrecht aktuell: 15/326 Mindestlohn im Vergaberecht und Europarecht
- Arbeitsrecht aktuell: 08/039 Abschied von Tariftreueklauseln im Vergaberecht?
Letzte Überarbeitung: 27. April 2018
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