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Mindestlohn im Vergaberecht und Europarecht
20.11.2015. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge müssen die Bewerber nicht nur fachliche Anforderungen erfüllen und rechtlich "zuverlässig" sein, sondern sie müssen auch soziale Mindeststandards einhalten.
Bei den sozialen Mindeststandards geht es vor allem um Mindestlöhne. Denn der Staat möchte verhindern, dass er einerseits einen sehr kostengünstigen Anbieter beauftragt, andererseits aber draufzahlt, weil dieser "kostengünstige" Anbieter Dumpinglöhne bezahlt und die betroffenen Arbeitnehmer daher staatliche Leistungen in Anspruch nehmen müssen.
In einem aktuellen Urteil hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass es europarechtlich zulässig ist, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge Bewerber auszuschließen, die sich nicht dazu verpflichten wollen, einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn zu zahlen: EuGH, Urteil vom 17.11.2015, Rs. C-115/14 (Regio Post).
- Welche Vorgaben darf die öffentliche Hand Bewerbern bei der Vergabe von Aufträgen machen?
- Der Streitfall: Durfte die Stadt Landau einen Bewerber vom Vergabe-Verfahren ausschließen?
- Europäischer Gerichtshof: Die öffentliche Hand kann von ihren Auftragnehmern die Zahlung eines gesetzlichen und nur für öffentliche Aufträge geltenden Mindestlohns verlangen
Welche Vorgaben darf die öffentliche Hand Bewerbern bei der Vergabe von Aufträgen machen?
Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn von 8,50 EUR brutto pro Stunde gilt in Deutschland erst seit dem 01.01.2015. Bis dahin wurden Mindestlöhne nur durch Mindestlohntarifverträge für einzelne Branchen, aber auch durch Tariftreuegesetze der Länder festgelegt. Solche Tariftreuegesetze gibt es nach wie vor.
So müssen z.B. nach dem Rheinland-pfälzischen Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (Landestariftreuegesetz - LTTG) Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, eine Verpflichtung unterschreiben, dass sie (und ihre Subunternehmer) ihren Mitarbeitern einen Mindestlohn von mehr als 8,50 EUR bezahlen. In den vergangenen Jahren betrug der vorgegebene Mindestlohn 8,70 EUR, aktuell liegt er bei 8,90 EUR. Verweigert ein Bewerber die Abgabe einer solchen Erklärung, wird sein Angebot vom Vergabeverfahren ausgeschlossen.
Bewerben sich ausländische Firmen, kann diese Vorgabe zu Problemen führen. Denn sie zahlen ihren Arbeitnehmern meist Löhne, die unter dem deutschen Lohnniveau liegen, und können damit strukturelle Vorteile deutscher Bewerber ausgleichen. Deswegen dürfen deutsche öffentliche Auftraggeber zwar im Prinzip Mindestlohnvorgaben bei der Auftragsvergabe machen, dürfen diese Vorgaben aber nicht gezielt zur Abwehr ausländischer "Billigkonkurrenz" einsetzen. Das wäre eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung ausländischer Bewerber.
Daher hat der EuGH im Jahre 2008 entschieden, dass die Verpflichtung ausländischer Bewerber zur Zahlung der in Deutschlang geltenden regionalen Tarifverträge nicht zulässig wäre, wenn eine solche Lohnuntergrenze nicht allgemein in Deutschland (sondern nur regional) verbindlich ist und zudem gezielt zur Abwehr ausländischer "Billigkonkurrenz" eingesetzt wird (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-346/06 - Rüffert, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 08/039 Abschied von Tariftreueklauseln im Vergaberecht?). Das bewertete der Gerichtshof als Verstoß gegen die Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen.
Nicht geklärt ist bisher, "wie allgemein" Mindestlohnvorgaben nach europäischem Recht im Vergaberecht sein müssen: Können öffentliche Auftraggeber überhaupt Vorgaben machen, die nur dann gelten, wenn Unternehmen öffentliche Aufträge erfüllt? Müssten vergaberechtliche Mindestlohnvorgaben nicht für die gesamte Wirtschaft gelten, d.h. auch für die Privatwirtschaft? Zu diesen Fragen hat der Gerichtshof in seinem aktuellen Urteil vom 17.11.2015 (Rs. C-115/14 - Regio Post) Stellung genommen.
Der Streitfall: Durfte die Stadt Landau einen Bewerber vom Vergabe-Verfahren ausschließen?
Die Stadt Landau in Rheinland-Pfalz wollte im Jahre 2013 Postdienstleistungen neu vergeben. Den Auftrag schrieb sie europaweit aus. Gemäß dem Rheinland-pfälzischen LTTG sollten alle Bewerber eine Verpflichtung unterschreiben, dass sie ihren Arbeitnehmern bei der Auftragsbearbeitung einen Mindestlohn von 8,70 EUR bezahlen würden.
Damals gab es noch keinen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland und der Mindestlohntarifvertrag für die Postbranche war Anfang 2010 vom Bundesverwaltungsgericht für ungültig erklärt worden (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/028 Kein Mindestlohn für Konkurrenten der Post). Deswegen gab es in Rheinland-Pfalz für die Branche der Briefdienstleistungen keinen anderen Mindestlohn als die 8,70 EUR, die sich aus dem LTTG ergaben. Dieser Mindestlohn galt daher nicht in der Privatwirtschaft, sondern war nur bei der Vergabe und Bearbeitung öffentlicher Aufträge zu beachten, und das auch nur in Rheinland-Pfalz.
Eine Firma, die RegioPost GmbH & Co. KG, bewarb sich um den Auftrag, weigerte sich aber, eine Verpflichtung zur Zahlung von 8,70 EUR zu unterschreiben. Daraufhin schloss die Stadt Landau sie von dem Vergabeverfahren aus.
Der Fall landete beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, das Zweifel hatte, ob die Pflicht zur Zahlung von 8,70 EUR Mindestlohn gemäß dem LTTG mit dem Europarecht vereinbar ist (Beschluss vom 19.02.2014, 1 Verg 8/13). Das OLG bezog sich dabei auf das EuGH-Urteil in der Angelegenheit Rüffert, bei der der Gerichtshof ja eine verbotene Diskriminierung ausländischer Bewerber angenommen hatte.
Europäischer Gerichtshof: Die öffentliche Hand kann von ihren Auftragnehmern die Zahlung eines gesetzlichen und nur für öffentliche Aufträge geltenden Mindestlohns verlangen
Wie bereits der EuGH-Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen vom 09.09.2015 so kam jetzt auch der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass vergaberechtliche Mindestlohnvorgaben von der Art, wie sie im hier streitigen LTTG gemacht worden waren, mit dem Europarecht vereinbar sind (Urteil vom 17.11.2015, Rs. C-115/14). Im Ergebnis war die Stadt Landau daher berechtigt, die RegioPost von dem Verfahren auszuschließen.
Der Unterschied zur Rechtssache Rüffert bestand hier darin, so der Gerichtshof, dass kein tariflicher, sondern ein gesetzlicher Mindestlohn eingehalten werden sollte. Solche gesetzlichen Mindestlohnvorgaben sind sowohl mit der der Richtlinie 2004/18 als auch mit Art.3 der Richtlinie 96/71/EG (der Entsenderichtlinie) vereinbar. Und das gilt auch dann, wenn solche Mindestlohnvorgaben nur im öffentlichen Sektor zu beachten sind, d.h. lediglich bei der Vergabe und Bearbeitung öffentlicher Aufträge, und nicht in der Privatwirtschaft.
Denn Art.26 der Richtlinie 2004/18 schreibt ausdrücklich vor, dass die öffentliche Hand bei der Auftragsvergabe den Bewerbern auch "zusätzliche Bedingungen" vorschreiben kann, und dass diese Bedingungen insbesondere auch "soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen" können. Von dieser Möglichkeit hatte das Land Rheinland-Pfalz mit seinem LTTG und dementsprechend die Stadt Landau in zulässiger Weise Gebrauch gemacht.
Ergänzend stellt der Gerichtshof klar, dass es nicht zu rechtens ist, Bewerbern um öffentliche Aufträge gesetzliche Mindestlohnvorgaben zu machen, sondern dass es konsequenterweise auch zulässig ist, Bewerber vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn sie sich weigern, entsprechende Verpflichtungserklärungen abzugeben.
Fazit: Die Entscheidung des EuGH ist richtig, denn das Ziel der streitigen Lohnuntergrenze gemäß dem LTTG bestand nicht in der Abwehr ausländischer Bewerber, sondern in der sozialen Sicherheit aller Arbeitnehmer, die in die Bearbeitung öffentlicher Aufträge in Rheinland-Pfalz eingebunden sind.
Ob solche vergaberechtlichen Mindestlohnanforderungen allerdings auch künftig europarechtlich zulässig sind, ist nicht ganz sicher, denn seit Anfang 2015 gilt in Deutschland der einheitliche Mindestlohn von 8,50 EUR. Daher könnte man argumentieren, dass für darüber hinausgehende vergaberechtliche Mindestlohnvorgaben kein Bedürfnis mehr besteht. Andererseits würde die aus Art.26 der Richtlinie 2004/18 folgende rechtliche Befugnis der öffentlichen Hand, "zusätzliche" Vergabebedingungen zu setzen, in Deutschland leerlaufen, wenn die Bundesländer, die keine Gesetzgebungskompetenz für den allgemeinen Mindestlohn haben, keine ergänzenden vergaberechtlichen Mindestlohnvorgaben mehr machen könnten. Diese dürften daher auch nach dem 01.01.2015 EU-rechtlich in Ordnung sein.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 17.11.2015, Rs. C-115/14 (RegioPost)
- Die Vergabe öffentlicher Aufträge kann durch Gesetz davon abhängig gemacht werden, dass ein Mindestlohn gezahlt wird, Pressemitteilung Nr.139/15 des EuGH vom 17.11.2015, Rs. C-115/14 (RegioPost)
- Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi, vom 09.09.2015, Rs. C-115/14 (RegioPost)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-346/06 (Rüffert)
- Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge
- Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 19.02.2014, 1 Verg 8/13
- Rheinland-pfälzisches Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben (Landestariftreuegesetz - LTTG)
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ausländischer Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Mindestlohn
- Arbeitsrecht aktuell: 18/074 Reform der Entsenderichtlinie
- Arbeitsrecht aktuell: 12/302 Aktuelle gesetzliche Mindestlöhne
- Arbeitsrecht aktuell: 10/028 Kein Mindestlohn für Konkurrenten der Post
- Arbeitsrecht aktuell: 08/040 Kaum in Kraft getreten, schon europarechtswidrig?
- Arbeitsrecht aktuell: 08/039 Abschied von Tariftreueklauseln im Vergaberecht?
Letzte Überarbeitung: 27. April 2018
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