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OLG Ko­blenz, Be­schluss vom 19.02.2014, 1 Verg 8/13

   
Schlagworte: Mindestlohn, Vorabentscheidungsersuchen, Europarecht
   
Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Aktenzeichen: 1 Verg 8/13
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 19.02.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Vergabekammer Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23.10.2013, VK 2-18/13
   

Be­schluss

 

In dem Nach­prüfungs­ver­fah­ren

 

be­tref­fend die Ver­ga­be des Auf­trags „Post­dienst­leis­tun­gen für die Stadt...[X]“
...
hat der Ver­ga­be­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Ko­blenz durch ...
in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 19. Fe­bru­ar 2014 be­schlos­sen:

I. Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird aus­ge­setzt.

II. Dem Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on wer­den zur Vor­ab­ent­schei­dung nach Art. 267 AEUV fol­gen­de Fra­gen vor­ge­legt:

1. Ist Art. 56 Abs. 1 des Ver­tra­ges über die Ar­beits­wei­se der Eu­ropäischen Uni­on in Ver­bin­dung mit Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­steht, die ei­nem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber zwin­gend vor­schreibt, nur Un­ter­neh­men zu be­auf­tra­gen, die und de­ren Nach­un­ter­neh­mer sich bei der An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren mit der Auf­trags­ausführung be­fass­ten Mit­ar­bei­tern ei­nen nur für öffent­li­che, nicht aber pri­va­te Auf­träge staat­lich fest­ge­leg­ten Min­dest­lohn zu zah­len, wenn es we­der ei­nen all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn noch ei­nen die po­ten­ti­el­len Auf­trag­neh­mer und even­tu­el­le Nach­un­ter­neh­mer bin­den­den all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag gibt?

2. Für der Fall, dass die ers­te Fra­ge mit Nein be­ant­wor­tet wird:

- 2 -

Ist das Uni­ons­recht auf dem Ge­biet der Ver­ga­be öffent­li­cher Auf­träge, ins­be­son­de­re Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 über die Ko­or­di­nie­rung der Ver­fah­ren zur Ver­ga­be öffent­li­cher Bau­aufträge, Lie­fer­aufträge und Dienst­leis­tungs­aufträge da­hin­ge­hend aus­zu­le­gen, dass es ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG ent­ge­gen­steht, die den zwin­gen­den Aus­schluss ei­nes An­ge­bots für den Fall vor­sieht, dass sich ein Wirt­schafts­teil­neh­mer nicht be­reits bei An­ge­bots­ab­ga­be in ei­ner ge­son­der­ten Erklärung zu ei­nem Tun ver­pflich­tet, zu dem er im Fal­le der Be­auf­tra­gung auch oh­ne Ab­ga­be die­ser Erklärung ver­trag­lich ver­pflich­tet wäre?

Gründe:

I.

1. Das Ge­setz des Lan­des Rhein­land-Pfalz zur Gewähr­leis­tung von Ta­rif­treue und Min­des­tent­gelt bei öffent­li­chen Auf­trags­ver­ga­ben (LTTG) vom 1. De­zem­ber 2010 enthält Re­ge­lun­gen, die nach der Vor­stel­lung des Ge­setz­ge­bers not­wen­dig sind um si­cher­zu­stel­len, dass Un­ter­neh­men, die öffent­li­che Auf­träge er­hal­ten, ih­ren bei der Auf­trags­ausführung ein­ge­setz­ten Mit­ar­bei­tern ei­nen Min­dest­lohn zah­len, der staat­lich fest­ge­setzt wird und nur gilt, wenn der Auf­trag im Bun­des­land Rhein­land-Pfalz ver­ge­ben wer­den soll.

§ 3 Abs. 1 LTTG lau­tet:

„So­weit nicht nach § 4 Ta­rif­treue ge­for­dert wer­den kann, dürfen öffent­li­che Auf­träge nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die sich bei An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung ein Ent­gelt von min­des­tens 8,50 Eu­ro (brut­to) pro St­un­de zu zah­len (Min­des­tent­gelt) und Ände­run­gen des Min­des­tent­gelts auf­grund Rechts­ver­ord­nung der Lan­des­re­gie­rung nach Ab­satz 2 während der Ausführungs­lauf­zeit ge­genüber den Beschäftig­ten nach­zu­voll­zie­hen.

Satz 1 gilt nicht für die Leis­tungs­er­brin­gung durch Aus­zu­bil­den­de.

Fehlt die Min­des­tent­gel­terklärung bei An­ge­bots­ab­ga­be und wird sie auch nach Auf­for­de­rung nicht vor­ge­legt, so ist das An­ge­bot von der Wer­tung aus­zu­sch­ließen.

Hat die Ser­vice­stel­le nach § 4 Abs. 5 Mus­ter zur Ab­ga­be von Min­des­tent­gel­terklärun­gen öffent­lich be­kannt ge­macht, können die­se ver­wen­det wer­den.“

Auf­grund ei­ner Ände­rungs­ver­ord­nung der Lan­des­re­gie­rung vom 11. De­zem­ber 2012 beträgt das Min­des­tent­gelt in Rhein­land-Pfalz der­zeit 8,70 €/h.

Die Absätze 1 und 2 des in § 3 Satz 1 LTTG an­ge­spro­che­nen § 4 LTTG ha­ben fol­gen­den Wort­laut:

„(1) Öffent­li­che Auf­träge, die vom Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­setz (AEntG) vom 20. April 2009 (BGBl. I S. 799) in der je­weils gel­ten­den Fas­sung er­fasst wer­den, dürfen nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die sich bei An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung ein Ent­gelt zu zah­len, das in Höhe und Mo­da­litäten min­des­tens den Vor­ga­ben des­je­ni­gen Ta­rif­ver­tra­ges ent­spricht, an den das Un­ter­neh­men auf­grund des Ar­beit­neh­mer-Ent­sen­de­ge­set­zes ge­bun­den ist.

(2) Öffent­li­che Auf­träge, die vom Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­setz (Mi­ArbG) in der im Bun­des­ge­setz­blatt Teil III, Glie­de­rungs­num­mer 802-2, veröffent­lich­ten be­rei­nig­ten Fas­sung, zu­letzt geändert durch Ar­ti­kel 1 des Ge­set­zes vom 22. April 2009 (BGBl. I S. 818), in der­je­weils gel­ten­den Fas­sung er­fasst wer­den, dürfen nur an Un­ter­neh­men ver­ge­ben wer­den, die sich bei An­ge­bots­ab­ga­be schrift­lich ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung ein Ent­gelt zu zah­len, das in Höhe und Mo­da­litäten min­des­tens den Vor­ga­ben der auf­grund von § 4 Abs. 3 Mi­ArbG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nung ent­spricht, an die das Un­ter­neh­men auf­grund des Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­set­zes ge­bun­den ist.“

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Nach § 5 Abs. 2 LTTG muss ein Bie­ter, der Nach­un­ter­neh­mer ein­set­zen will, si­cher­stel­len, dass auch die­se den Min­dest­lohn nach § 3 Abs. 1 LTTG zah­len und dem Auf­trag­ge­ber da­hin­ge­hen­de Erklärun­gen ei­nes je­den Nach­un­ter­neh­mers vor­le­gen. Ent­spre­chen­des gilt, wenn ein Bie­ter oder ein Nach­un­ter­neh­mer zur Ausführung des Auf­trags sog. Leih­ar­bei­ter beschäftigt.

Nach § 7 LTTG muss der Ver­trag zwi­schen dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber und dem Auf­trag­neh­mer die Ver­ein­ba­rung ent­hal­ten, dass je­der schuld­haf­te Ver­s­toß ge­gen ei­ne Ver­pflich­tung nach § 3 Abs. 1 LTTG ei­ne Ver­trags­stra­fe in Höhe von 1 v. H. des Auf­trags­wer­tes mit dem be­auf­trag­ten Un­ter­neh­men nach sich zieht; bei meh­re­ren Verstößen darf die Sum­me der Ver­trags­stra­fen 10 v. H. des Auf­trags­wer­tes nicht über­schrei­ten. Das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men ist zur Zah­lung ei­ner Ver­trags­stra­fe auch für den Fall zu ver­pflich­ten, dass der Ver­s­toß durch ein Nach­un­ter­neh­men be­gan­gen wird und das be­auf­trag­te Un­ter­neh­men den Ver­s­toß kann­te oder ken­nen muss­te.

§ 3 LTTG und die an die­se Norm an­knüpfen­den wei­te­ren Re­ge­lun­gen fin­den al­ler­dings kei­ne An­wen­dung auf po­ten­ti­el­le Auf­trag­neh­mer, die in ei­ner Bran­che tätig sind, die in § 4 des – der Um­set­zung der Richt­li­nie 96/71 des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen die­nen­den – Bun­des­ge­set­zes über zwin­gen­de Ar­beits­be­din­gun­gen für grenzüber­schrei­tend ent­sand­te und für re­gelmäßig im In­land beschäftig­te Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­neh­me­rin­nen (AEntG) auf­geführt ist und die gemäß § 5 des Ta­rif­ver­trags­ge­set­zes (TVG) bzw. § 7 AEntG ver­pflich­tet sind, ih­re Beschäftig­ten nach ei­nem für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärten Bran­chen­ta­rif­ver­trag zu ent­loh­nen. In die­sen Fällen ist § 4 Abs. 1 LTTG an­wend­bar.

Die Bran­che der Brief­dienst­leis­ter ist in § 4 Nr. 3 AEntG auf­geführt. Ein zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber­ver­band Post­diens­te e. V. und der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft (ver.di) am 29. No­vem­ber 2007 ge­schlos­se­ner Ta­rif­ver­trag über Min­destlöhne für die Bran­che Brief­dienst­leis­tun­gen wur­de zwar durch die Post­min­dest­lohn­VO vom 29. De­zem­ber 2007 gemäß § 7 AEntG in Ver­bin­dung mit § 5 TVG für al­le nicht an ihn ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer für ver­bind­lich erklärt mit der Fol­ge, dass er gemäß § 3 AEntG auch Ar­beits­verhält­nis­se zwi­schen ei­nem Ar­beit­ge­ber mit Sitz im Aus­land und sei­nen in Deutsch­land ein­ge­setz­ten Ar­beit­neh­mern er­fas­sen soll­te. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Post­min­dest­lohn­VO al­ler­dings mit Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2010 (8 C 19/09) für un­wirk­sam erklärt. Man­gels ei­ner Nach­fol­ge­re­ge­lung gibt es der­zeit für Post­dienst­leis­tun­gen kei­nen all­ge­mein ver­bind­li­chen Ta­rif­ver­trag.

Ei­nen all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Min­dest­lohn auf der Grund­la­ge des Min­dest­ar­beits­be­din­gun­gen­ge­set­zes, den Un­ter­neh­men un­abhängig da­von zah­len müssen, ob der Auf­trag­ge­ber ein öffent­li­cher oder ein pri­va­ter ist und der eben­falls zur Un­an­wend­bar­keit des § 3 Abs. 1 LTTG führen könn­te, gibt es in Deutsch­land (noch) nicht.

2. Am 23. April 2013 schrieb die Auf­trag­ge­be­rin ei­nen Rah­men­ver­trag über die Ab­ho­lung, Beförde­rung und Zu­stel­lung von Brie­fen, Päck­chen und Pa­ke­ten im of­fe­nen Ver­fah­ren aus. Die Ge­samt­leis­tung ist in zwei Lo­se (Los 1: nichtförm­li­che Zu­stel­lung, Los 2: förm­li­che Zu­stel­lung) auf­ge­teilt. Als Ver­trags­lauf­zeit sind zwei Jah­re vor­ge­se­hen; die Auf­trag­ge­be­rin soll das Recht ha­ben, die Lauf­zeit durch ein­sei­ti­ge Erklärung zwei­mal um je­weils ein Jahr zu verlängern.

Be­reits in der uni­ons­wei­ten Be­kannt­ma­chung wur­den In­ter­es­sen­ten dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich der Auf­trag­neh­mer „den Be­stim­mun­gen des Lan­des­ge­set­zes zur Schaf­fung ta­rif­treue­recht­li­cher Re­ge­lun­gen des Lan­des Rhein­land-Pfalz (Lan­des­ta­rif­treue­ge­setz LTTG vom 1.12.2010)“ un­ter­wer­fen muss.

Die Ver­ga­be­un­ter­la­gen ent­hal­ten als An­la­ge E 6 ei­ne „Mus­ter­erklärung nach § 3 Abs. 1 LTTG“, in dem es u.a. heißt:

„Ich/Wir ver­pflich­te/n mich/uns hier­mit:

1. den Beschäftig­ten bei der Ausführung der Leis­tung min­des­tens das nach der je­weils gülti­gen Lan­des­ver­ord­nung zur Fest­set­zung des Min­des­tent­gelts nach § 3 Abs. 2 Satz 3 des Lan­des­ta­rif­treue­ge­set­zes zu zah­len­de Ent­gelt (brut­to) pro St­un­de zu zah­len. Das gilt nicht für ei­ne Leis­tungs­er­brin­gung durch Aus­zu­bil­den­de.

2. Nach­un­ter­neh­men sorgfältig aus­zuwählen und ins­be­son­de­re de­ren An­ge­bo­te dar­auf­hin zu über­prüfen, ob sie auf der Ba­sis des zu zah­len­den Min­des­tent­gelts kal­ku­liert sein könn­ten;

3. im Fal­le der Auf­trags­ausführung durch Nach­un­ter­neh­mer oder Beschäftig­te ei­nes Ver­lei­hers so­wie Beschäftig­te des Ver­lei­hers des be­auf­trag­ten Nach­un­ter­neh­mens die Ver­pflich­tun­gen nach § 4 Abs. 1 LTTG bzw. § 3 Abs. 1 LTTG si­cher­zu­stel­len und dem öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber Min­des­tent­gelt- und Ta­rif­treue­erklärung der Nach­un­ter­neh­mer der Ver­lei­her vor­zu­le­gen.

-4 -

4. Vollständi­ge und prüffähi­ge Un­ter­la­gen über die ein­ge­setz­ten Beschäftig­ten be­reit­zu­hal­ten, die­se dem Auf­trag­ge­ber auf des­sen Ver­lan­gen hin vor­zu­le­gen und die Beschäftig­ten auf die Möglich­keit von Kon­trol­len durch den Auf­trag­ge­ber hin­zu­wei­sen.“

Die sog. Min­dest­loh­nerklärung soll­te mit dem An­ge­bot vor­ge­legt wer­den. In ei­nem in die Ver­ga­be­un­ter­la­gen ein­ge­ar­bei­te­ten „Merk­blatt für die Ab­ga­be ei­ner Ta­rif­treue­erklärung ...“ heißt es un­ter 2.:

„So­fern kei­ne Ta­rif­treue ge­for­dert wer­den kann, müssen sich die Un­ter­neh­men nach § 3 LTTG ver­pflich­ten, ih­ren Beschäftig­ten...

Hier­von be­trof­fe­ne Un­ter­neh­men können zur Ab­ga­be der Min­des­tent­gel­terklärung die Mus­ter­erklärung 3 ver­wen­den.“

An an­de­rer Stel­le wer­den die Bie­ter auf­ge­for­dert, die An­la­ge E 6 mit dem An­ge­bot ein­zu­rei­chen. In ei­ner Fußno­te heißt es ergänzend:

„Vor­zu­le­gen sind die Ei­gen­erklärun­gen des Bie­ters und der von ihm in der Erklärung zum Un­ter­auf­trag­neh­mer­ein­satz (An­la­ge E1) ge­nann­ten Nach­un­ter­neh­mer. Zur In­for­ma­ti­on der Bie­ter wird auf die Ausführun­gen des Lan­des­am­tes für So­zia­les, Ju­gend und Ver­sor­gung des Lan­des Rhein­land-Pfalz zum LTTG, ab­ruf­bar un­ter: http://www.lsjv.rlp.de/ar­beit-und-qua­li­fi­zie­rung/lan­des­ta­rif­treue­ge­setz-lttg/ ver­wie­sen.“
In dem den Ver­ga­be­un­ter­la­gen bei­gefügten Ver­trags­ent­wurf heißt es u.a., dass die „be­son­de­ren Be­din­gun­gen“ des LTTG zur Min­des­tent­loh­nung Ver­trags­be­stand­teil wer­den.

3. Mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 16. Mai 2013 rügte die An­trag­stel­le­rin die ge­for­der­ten Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 LTTG als ver­ga­be­rechts­wid­rig. Nach­dem die Auf­trag­ge­be­rin der Rüge nicht ent­spre­chend ab­ge­hol­fen hat, leg­te die An­trag­stel­le­rin frist­ge­recht ein An­ge­bot vor. Sie fügte für je­den be­nann­ten Nach­un­ter­neh­mer selbst ver­fass­te Erklärun­gen bei, von de­nen strei­tig ist, ob sie in­halt­lich den An­for­de­run­gen des § 3 LTTG genügen. Ei­ne wie auch im­mer ge­ar­te­te Ta­rif­treue- oder Min­des­tent­gel­terklärun­gen für sich selbst reich­te sie nicht ein.

Mit E-Mail vom 25. Ju­ni 2013 gab die Auf­trag­ge­be­rin der An­trag­stel­le­rin Ge­le­gen­heit, die Mus­ter­erklärun­gen zu § 3 LTTG bin­nen ei­ner Frist von 14 Ta­gen nach­zu­rei­chen. Zu­gleich kündig­te sie an, sie wer­de das An­ge­bot der An­trag­stel­le­rin aus­sch­ließen, soll­te die­se der Auf­for­de­rung nicht Fol­ge leis­ten.

Dar­auf­hin wie­der­hol­te die An­trag­stel­le­rin mit An­walts­schrei­ben vom 27. Ju­ni 2013 ih­ren Rüge­vor­trag und kündig­te für den Fall ei­nes An­ge­bots­aus­schlus­ses die Ein­lei­tung ei­nes Ver­ga­be­nach­prüfungs­ver­fah­rens an. Wei­te­re Erklärun­gen reich­te sie nicht nach.

Mit Vorab­in­for­ma­ti­ons­schrei­ben vom 11. Ju­li 2013 teil­te die Auf­trag­ge­be­rin der An­trag­stel­le­rin mit, ihr An­ge­bot könne we­gen des Feh­lens der Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 LTTG nicht ge­wer­tet wer­den. Gleich­zei­tig kündig­te sie an, den Zu­schlag für Los 1 auf das An­ge­bot der Bei­ge­la­de­nen zu 1) und den Zu­schlag für Los 2 auf das An­ge­bot der Bei­ge­la­de­nen zu 2) zu er­tei­len.

Die An­trag­stel­le­rin be­an­trag­te dar­auf­hin am 15. Ju­li 2013 die Ein­lei­tung ei­nes Ver­ga­be­nach­prüfungs­ver­fah­rens. Ne­ben ih­rem bis­he­ri­gen Vor­brin­gen zur Un­an­wend­bar­keit des § 3 LTTG mach­te sie gel­tend, er­fah­rungs­gemäß bie­te die Bei­ge­la­de­ne zu 2) förm­li­che Zu­stel­lun­gen in wett­be­werbs­wid­ri­ger Wei­se zu Net­to­prei­sen oh­ne Mehr­wert­steu­er an, ob­wohl die Steu­er­be­frei­ung nach § 4 Nr. 11 b UStG in­so­weit nicht grei­fe.

2. Mit Be­schluss von 23. Ok­to­ber 2013 hat die Ver­ga­be­kam­mer den Nach­prüfungs­an­trag zurück­ge­wie­sen: Er sei un­zulässig, so­weit ein wett­be­werbs­wid­ri­ges Ver­hal­ten der Bei­ge­la­de­nen zu 2) be­an­stan­det wer­de, weil die An­trag­stel­le­rin die von ihr an­ge­nom­me­ne Ver­ga­be­rechts­wid­rig­keit der vor­ge­se­he­nen Zu­schlags­er­tei­lung hin­sicht­lich Los 2 auf das An­ge­bot der Bei­ge­la­de­nen zu 2) vor Ein­lei­tung des Nach­prüfungs­ver­fah­rens hätte rügen müssen. Im Übri­gen sei der Nach­prüfungs­an­trag un­be­gründet, weil das An­ge­bot der An­trag­stel­le­rin gemäß § 19 Abs. 2, Abs. 3 lit. a) EG VOL/A zu Recht we­gen des Feh­lens der von der Auf­trag­neh­me­rin zulässi­ger­wei­se ge­for­der­ten Min­des­tent­gel­terklärun­gen aus­ge­schlos­sen wor­den sei. Zu­dem ha­be die An­trag­stel­le­rin mit dem Ein­rei­chen selbst her­ge­stell­ter Ta­rif­treue­erklärun­gen

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die Ver­ga­be­un­ter­la­gen verändert und da­mit ei­nen wei­te­ren Aus­schluss­grund ge­schaf­fen (§ 19 Abs. 3 lit. d) EG VOL/A).

Hier­ge­gen wen­det sich die An­trag­stel­le­rin mit ih­rer so­for­ti­gen Be­schwer­de.

II.

Der Er­folg des zulässi­gen Rechts­mit­tels hängt da­von ab, ob sich die Auf­trag­ge­be­rin bei ih­rer Ent­schei­dung, das An­ge­bot der An­trag­stel­le­rin nicht zu berück­sich­ti­gen, auf § 3 LTTG be­ru­fen kann oder ob die­se Vor­schrift we­gen Un­ver­ein­bar­keit mit dem Uni­ons­recht un­an­wend­bar ist.

1. Das An­ge­bot der An­trag­stel­le­rin ist nicht schon des­halb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG und/oder § 19 Abs. 3 lit. a) EG VOL/A aus­zu­sch­ließen, weil sie selbst er­stell­te Erklärun­gen ein­ge­reicht hat. Nach dem Ge­setz sind Bie­ter und Nach­un­ter­neh­mer „nur“ ver­pflich­tet, die Min­dest­loh­nerklärun­gen als sol­che ab­zu­ge­ben. We­der § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG noch die Ver­ga­be­un­ter­la­gen schrei­ben wi­der­spruchs­frei und un­miss­verständ­lich die Ver­wen­dung der Mus­ter­erklärung zwin­gend vor.

2. Ob die von der An­trag­stel­le­rin vor­ge­leg­ten Erklärun­gen der Nach­un­ter­neh­mer in­halt­lich den An­for­de­run­gen des § 3 LTTG genügen, be­darf kei­ner Ent­schei­dung. Selbst wenn dem so wäre, hätte al­lein das Feh­len jed­we­der ei­ge­ner Erklärung der An­trag­stel­le­rin nach § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG zwin­gend den Aus­schluss ih­res An­ge­bots zur Fol­ge. Soll­ten die Erklärun­gen der Nach­un­ter­neh­mer un­zu­rei­chend sein, wäre das An­ge­bot der An­trag­stel­le­rin we­gen des Feh­lens al­ler nach dem Ge­setz vor­zu­le­gen­den Min­des­tent­gel­terklärun­gen nach § 3 Abs. 1 Satz 3 LTTG (in Ver­bin­dung mit § 5 Abs. 2 LTTG) aus­zu­sch­ließen.

3. § 3 Abs. 1 LTTG be­inhal­tet ei­ne zusätz­li­che (so­zia­le) Ausführungs­be­din­gung, die gemäß Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 31. März 2004 über die Ko­or­di­nie­rung der Ver­fah­ren zur Ver­ga­be öffent­li­cher Bau­aufträge, Lie­fer­aufträge und Dienst­leis­tungs­aufträge (im Fol­gen­den kurz: Richt­li­nie 2004/18/EG) nur zulässig ist, wenn sie nicht im Wi­der­spruch zum sons­ti­gen Uni­ons­recht steht. Der Ver­ga­be­se­nat hat er­heb­li­che Be­den­ken ge­gen die Ver­ein­bar­keit des § 3 Abs. 1 LTTG mit dem Uni­ons­recht, sieht sich aber auch an­ge­sichts des Ur­teils des Ge­richts­ho­fes vom 3. April 2008 (C- 346/06 „Rüffert“) nicht in der La­ge, dies selbst fest­zu­stel­len. Viel­mehr hängt der Aus­gang des Ver­fah­rens da­von ab, wie Uni­ons­recht aus­zu­le­gen ist, und zu des­sen Aus­le­gung ist al­lein der Ge­richts­hof be­ru­fen (Art. 267 AEUV).

a) Der Vor­la­ge steht nicht ent­ge­gen, dass es sich bei der An­trag­stel­le­rin um ein inländi­sches Un­ter­neh­men han­delt und auch die übri­gen Bie­ter ih­ren Sitz im In­land ha­ben. Die Fra­ge, ob ei­ne Be­stim­mung des na­tio­na­len Rechts mit dem Uni­ons­recht zu ver­ein­ba­ren ist oder we­gen Un­ver­ein­bar­keit un­an­ge­wen­det blei­ben muss, ist ei­ne Rechts­fra­ge, die sich un­abhängig von der Na­tio­na­lität der am Ver­ga­be- oder Nach­prüfungs­ver­fah­ren Be­tei­lig­ten stellt.

b) Ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung über ein Min­des­tent­gelt, zu des­sen Zah­lung auch ein in Deutsch­land täti­ger Wirt­schafts­teil­neh­mer mit Sitz in ei­nem an­de­ren Mit­glieds­staat der Uni­on ver­pflich­tet wer­den soll, ist ge­eig­net – und wohl auch da­zu ge­dacht–, Un­ter­neh­men aus Mit­glieds­staa­ten mit ei­nem nied­ri­ge­ren Preis- und Lohn­ni­veau le­ga­le Vor­tei­le im Wett­be­werb um öffent­li­che Auf­träge zu neh­men. Die Nut­zung sol­cher Wett­be­werbs­vor­tei­le ist oft un­erläss­lich, um struk­tu­rel­le (Stand­ort-)Vor­tei­le inländi­scher Un­ter­neh­men aus­zu­glei­chen und so über­haupt ei­nen Markt­zu­gang zu fin­den. Dies gilt auch für Wirt­schafts­teil­neh­mer aus den meis­ten Mit­glieds­staa­ten, in de­nen es ei­nen all­ge­mei­nen Min­dest­lohn gibt, weil sich die­ser an den dor­ti­gen Ge­ge­ben­hei­ten ori­en­tiert und in den öst­li­chen Nach­bar­staa­ten Deutsch­lands, aber auch in Südeu­ro­pa weit un­ter 8,70 €/h liegt. Ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung über ein Min­des­tent­gelt stellt des­halb ins­be­son­de­re, aber nicht nur bei per­so­nal­in­ten­si­ven Tätig­kei­ten wie der Brief­zu­stel­lung ei­ne Be­hin­de­rung des Markt­zu­gangs für Wirt­schafts­teil­neh­mer aus an­de­ren EU-Staa­ten dar. Po­ten­ti­el­len Leis­tungs­er­brin­gern, die in ei­nem Mit­glied­staat nie­der­ge­las­sen sind, in dem das all­ge­mei­ne Lohn­ni­veau oder die Min­dest­lohnsätze nied­ri­ger sind als im In­land, wird ei­ne zusätz­li­che wirt­schaft­li­che Be­las­tung auf­er­legt, die ge­eig­net ist, die Er­brin­gung ih­rer Dienst­leis­tun­gen in Deutsch­land zu un­ter­bin­den, zu be­hin­dern oder we­ni­ger at­trak­tiv zu ma­chen. Dies ist grundsätz­lich nicht mit Art. 56 Abs. 1 des Ver­tra­ges über die Ar­beits­wei­se der Eu­ropäischen Uni­on (AEUV) zu ver­ein­ba­ren.

c) Al­ler­dings ist es den Mit­glieds­staa­ten nicht ge­ne­rell un­ter­sagt, ei­ne na­tio­na­le ar­beits­recht­li­che Re­ge­lung auch auf Ar­beit­neh­mer aus an­de­ren Mit­glieds­staa­ten zu er­stre­cken, so­weit die­se im räum­li­chen Gel­tungs­be­reich der na­tio­na­len Re­ge­lung tätig sind. Den uni­ons­recht­li­chen Rah­men dafür bil­det die Richt­li­nie 96/71/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 16. De­zem­ber 1996 über die Ent­sen­dung von Ar­beit­neh­mern im Rah­men der Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen (im Fol­gen­den kurz: Richt­li­nie 96/71/EG). Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71/EG lässt es zu, dass Mit­glieds­staa­ten Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen, die in ih­ren Rechts­vor­schrif­ten oder all­ge­mein­ver­bind­li­chen Ta­rif­verträgen ge­re­gelt sind, auch auf Ar­beit­neh­mer aus­deh­nen, die – sei es auch nur vorüber­ge­hend – in ih­rem Ho­heits­ge­biet tätig sind, selbst wenn ihr Ar­beit­ge­ber in ei­nem an­de­ren Mit­glied­staat ansässig ist.

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d) Da­mit stellt sich die Fra­ge, ob § 3 Abs. 1 LTTG ei­ne Rechts- oder Ver­wal­tungs­vor­schrift im Sin­ne des Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71/EG ist. Der Se­nat neigt zu der An­sicht, dass dies nicht der Fall ist.

Zum ei­nen han­delt es sich bei § 3 Abs. 1 LTTG nicht um ei­ne Rechts­vor­schrift, die Ar­beit­neh­mern ver­bind­lich ein Min­dest­maß an Schutz durch die Fest­le­gung von Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen gewährt. Ins­be­son­de­re gibt sie kei­nem ein­zi­gen in- oder ausländi­schen Ar­beit­neh­mer ei­nen un­mit­tel­ba­ren An­spruch auf Zah­lung ei­nes Min­des­tent­gelts durch sei­nen Ar­beit­ge­ber. Ein­zi­ger Nor­madres­sat ist der öffent­li­che Auf­trag­ge­ber; ihm ist es „nur“ un­ter­sagt, ein Un­ter­neh­men, das sich nicht zur Zah­lung ei­nes Min­des­tent­gelts an die mit der Auf­trags­ausführung be­fass­ten Mit­ar­bei­ter ver­pflich­tet, mit der Durchführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags zu be­trau­en. Erst mit dem Zu­schlag kommt ein Ver­trag zu­stan­de, der auch Drit­ten, nämlich den Ar­beit­neh­mern des Auf­trag­neh­mers, Ansprüche gewährt. Miss­ach­tet ein öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber § 3 Abs. 1 LTTG oder versäumt er es, die For­de­rung nach Zah­lung ei­nes Min­dest­lohns in ei­ner Aus­schrei­bung ver­ga­be­rechts­kon­form um­zu­set­zen, hat ein beim Auf­trag­neh­mer Beschäftig­ter noch nicht ein­mal ei­nen An­spruch auf Zah­lung des Min­des­tent­gelts aus ei­nem Ver­trag zu­guns­ten Drit­ter.

Zum an­de­ren be­trifft § 3 Abs. 1 LTTG den Wett­be­werbs­fak­tor Lohn­kos­ten nur beim Wett­be­werb um öffent­li­che Auf­träge, oh­ne aber ei­nen im In­land all­ge­mein gel­ten­den ar­beits­recht­li­chen Min­dest­stan­dard zu set­zen. Der ge­sam­te Sek­tor der Auf­trags­er­tei­lung durch natürli­che oder ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die kei­ne öffent­li­chen Auf­trag­ge­ber im Sin­ne des Art. 1 Abs. 9 der Richt­li­nie 2004/18/EG sind, wird von der Re­ge­lung über­haupt nicht er­fasst. Ei­ne so­zia­le Recht­fer­ti­gung für die­se Un­gleich­be­hand­lung gibt es nicht, weil ein im Rah­men ei­nes pri­va­ten Auf­trags täti­ger Ar­beit­neh­mer nicht we­ni­ger schutzwürdig ist als je­mand, der zur Ausführung ei­nes öffent­li­chen Auf­trags ein­ge­setzt wird. Zu­dem wird der Auf­trag­neh­mer ei­nes öffent­li­chen Auf­trags auch nicht ver­pflich­tet, al­len sei­nen Beschäftig­ten min­des­tens 8,70 €/h zu zah­len. Ei­ne da­hin­ge­hen­de ver­trag­li­che Ver­pflich­tung be­steht le­dig­lich zu­guns­ten der­je­ni­gen, die auch tatsächlich bei der Ausführung der ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tung ein­ge­setzt wer­den – was im Übri­gen auch des­halb ab­schre­cken­de Wir­kung auf In­ter­es­sen­ten aus Mit­glieds­staa­ten mit nied­ri­ge­rem Preis- und Lohn­ni­veau ha­ben kann, weil ei­ne staat­lich ver­ord­ne­te Un­gleich­be­hand­lung den Be­triebs­frie­den stört.

e) In Deutsch­land ist um­strit­ten, wel­che Aus­wir­kun­gen das Rüffert-Ur­teil des Ge­richts­hofs auf § 3 Abs. 1 LTTG und ver­gleich­ba­re Re­ge­lun­gen in an­de­ren Bun­desländern hat. Während die ei­nen ei­ne Miss­ach­tung des Ge­richts­hofs durch den Lan­des­ge­setz­ge­ber be­kla­gen, ver­tre­ten an­de­re die Auf­fas­sung, der Ge­richts­hof ha­be mögli­cher­wei­se kei­ne Einwände ge­gen ei­ne lan­des­recht­li­che Re­ge­lung wie § 3 Abs. 1 LTTG, weil zu­min­dest im Er­geb­nis ein Min­dest­lohn durch ei­ne Rechts­vor­schrift fest­ge­legt und da­mit ei­ne „Kern­for­de­rung“ des Ge­richts­ho­fes erfüllt wer­de. Zu­dem wer­den die Ausführun­gen des Ge­richts­ho­fes zu die­ser Fra­ge als „aus­ge­spro­chen kryp­tisch“ und meh­re­ren In­ter­pre­ta­tio­nen zugäng­lich be­zeich­net (sie­he z.B. Bay­reu­ther: Die ver­fas­sungs­recht­li­che Zulässig­keit von par­ti­el­len Ta­rif­treu­e­klau­seln, S. 7 - 9). In ei­nem Gut­ach­ten zu der Fra­ge, ob die Min­dest­lohn­vor­ga­ben des Ta­rif­treue- und Ver­ga­be­ge­set­zes des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len (TVgG-NRW) mit dem Uni­ons­recht zu ver­ein­ba­ren sind, ver­tritt Prof. Dr. Däubler die Auf­fas­sung, auch ein auf öffent­li­che Auf­träge be­schränk­ter par­ti­el­ler Ar­beit­neh­mer­schutz auf ge­setz­li­cher Grund­la­ge sei mit Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71/EG zu ver­ein­ba­ren, weil dort ei­ne All­ge­mein­ver­bind­lich­keit aus­drück­lich nur für Ta­rif­verträge, nicht aber für Rechts­vor­schrif­ten ge­for­dert wer­de.

Der Ver­ga­be­se­nat hat er­heb­li­che Zwei­fel, ob die­se Auf­fas­sung rich­tig ist. Der freie Dienst­leis­tungs­ver­kehr ist ein fun­da­men­ta­ler Grund­satz des Uni­ons­rechts. Er darf nur durch Re­ge­lun­gen be­schränkt wer­den, die durch zwin­gen­de Gründe des All­ge­mein­in­ter­es­ses ge­recht­fer­tigt sind und für al­le im Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats täti­gen Per­so­nen oder Un­ter­neh­men gel­ten (Ge­richts­hof, Ur­teil vom 25.10.2001 - C 49/98 u.a., Rn. 31). Das ge­sam­te Re­ge­lungs­werk der Richt­li­nie 96/71/EG er­gibt nur ei­nen Sinn, wenn die (persönli­chen und räum­li­chen) An­wen­dungs­be­rei­che von Rechts­vor­schrif­ten und ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen de­ckungs­gleich sind, al­so auch Rechts­vor­schrif­ten ge­wis­ser­maßen all­ge­mein­ver­bind­lich sind und eben nicht da­nach un­ter­schei­den, ob ein Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­nes öffent­li­chen oder ei­nes pri­va­ten Auf­trags ein­ge­setzt wird. Es wäre in­kon­se­quent, ei­ner­seits für Ta­rif­verträge zu ver­lan­gen, dass sie flächen­de­ckend Min­dest­stan­dards für die Ar­beits- und Beschäfti­gungs­be­din­gun­gen al­ler (in ei­ner Bran­che täti­gen) Ar­beit­neh­mer schaf­fen, an­de­rer­seits aber bei ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung die Pri­vi­le­gie­rung von Ar­beit­neh­mern aus­rei­chen zu las­sen, wel­che das Glück ha­ben, bei ei­nem Ar­beit­ge­ber beschäftigt zu sein, der ei­nen öffent­li­chen Auf­trag er­hal­ten hat, und auch zu des­sen Ausführung ein­ge­setzt zu wer­den. Viel­mehr lässt sich auch aus Erwägungs­grund 4 der Richt­li­nie 96/71/EG ab­lei­ten, dass dem Uni­ons­recht ei­ne Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen pri­va­ten und öffent­li­chen Auf­trägen fremd ist.

Al­ler­dings ist der Wort­laut des Art. 3 Abs. 1 der Richt­li­nie 96/71/EG in­so­weit nicht ein­deu­tig, son­dern aus­le­gungs­bedürf­tig. Da aber ein na­tio­na­les Ge­richt nicht zur Aus­le­gung von Uni­ons­recht be­ru­fen ist, wird dem Ge­richts­hof die im Te­nor un­ter 1. nie­der­ge­leg­te Fra­ge vor­ge­legt.

5. Die Ant­wort auf die zwei­te Fra­ge wäre von Be­deu­tung, falls der Ge­richts­hof die ers­te Fra­ge ver­nei­nen soll­te.

a) Art. 26 Satz 1 der Richt­li­nie 2004/18/EG wen­det sich nur an den Auf­trag­ge­ber. Er be­rech­tigt ihn, zusätz­li­che Ausführungs­be­din­gun­gen auf­zu­stel­len und ver­pflich­tet ihn, die­se den am Auf­trag in­ter­es­sier­ten Wirt­schafts­teil­neh­mern spätes­tens mit den Ver­din­gungs­un­ter­la­gen (Ver­ga­be­un­ter­la­gen) mit­zu­tei­len. Wei­ter­ge­hen­de Re­ge­lun­gen feh­len, ins­be­son­de­re ist in der Richt­li­nie 2004/18/EG in die­sem Zu­sam­men­hang kei­ne Re­de von ei­nem Aus­schluss­grund. Das ist kon­se­quent, weil es kei­nen wei­ter­ge­hen­den ver­ga­be­recht­li­chen Re­ge­lungs­be­darf gibt. Bei den zusätz­li­chen Ausführungs­be­din­gun­gen han­delt es sich we­der um Eig­nungs- noch um Zu­schlags­kri­te­ri­en. Viel­mehr wird von dem Aus­schrei­bungs­ge­win­ner ein Tun oder Un­ter­las­sen ver­langt, das zur Be­frie­di­gung des Be­schaf­fungs­be­darfs des Auf­trag­ge­bers nicht er­for­der­lich ist, aber mit der Auf­trags­ausführung ein­her­ge­hen soll. Es geht so­mit um Ver­trags­ele­men­te (Ver­trags­be­din­gun­gen), de­ren Erfüllung der Auf­trag­ge­ber erst nach Zu­schlags­er­tei­lung – al­so erst nach Be­en­di­gung des Ver­ga­be­ver­fah­rens – ver­lan­gen kann. Da zu ei­nen frühe­ren Zeit­punkt völlig of­fen ist, ob und wie der Auf­trag­neh­mer sei­nen ver­trag­li­chen Pflich­ten nach­kommt, be­steht auch kei­ne Möglich­keit, de­ren Erfüllung bei der Ent­schei­dung über die Auf­trags­ver­ga­be zu berück­sich­ti­gen. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Ver­ga­be­se­nat er­heb­li­che Zwei­fel, ob es das Uni­ons­recht über­haupt zulässt, dass ein na­tio­na­ler Ge­setz­ge­ber Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG, wie in § 3 Abs. 1 LTTG ge­sche­hen, um ei­ne mit ei­ner Aus­schluss­an­dro­hung ver­bun­de­ne Ver­pflich­tung der Bie­ter zur Ab­ga­be ei­ner be­stimm­ten Erklärung er­wei­tert.

b) Die Be­den­ken des Ver­ga­be­se­nats wer­den noch durch den Um­stand verstärkt, dass die nach § 3 Abs. 1 LTTG ge­for­der­te Min­dest­loh­nerklärun­gen nur de­kla­ra­to­ri­sche Be­deu­tung hat. Trotz­dem soll die Nicht­vor­la­ge mit ei­nem An­ge­bots­aus­schluss sank­tio­niert wer­den. Je­der An­ge­bots­aus­schluss ist aber auch ei­ne wett­be­werbs­be­schränken­de Maßnah­me, die nur dann mit den Grund­prin­zi­pi­en des Rechts der öffent­li­chen Auf­trags­ver­ga­be zu ver­ein­ba­ren ist, wenn es ei­nen trif­ti­gen Grund dafür gibt. Ei­nen sol­chen ver­mag der Se­nat nicht zu er­ken­nen.

Die Um­set­zung des Art. 26 der Richt­li­nie 2004/18/EG in na­tio­na­les Recht er­folg­te in § 97 Abs. 4 Satz 2 des Ge­set­zes ge­gen Wett­be­werbs­be­schränkun­gen (GWB); da­nach sind die zusätz­li­chen Ausführungs­be­din­gun­gen in die Leis­tungs­be­schrei­bung (als we­sent­li­cher Be­stand­teil der Ver­ga­be­un­ter­la­gen) auf­zu­neh­men. Hat der Auf­trag­ge­ber der­ar­ti­ge be­son­de­re Ver­trags­be­din­gun­gen ord­nungs­gemäß in die Ver­ga­be­un­ter­la­gen auf­ge­nom­men, wer­den sie von je­dem Wirt­schafts­teil­neh­mer, der ein un­be­ding­tes An­ge­bot ab­gibt, als ver­bind­lich an­er­kannt. Mit dem Zu­schlag wer­den sie ver­bind­li­che Be­stand­tei­le des ab­ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges, auf de­ren Erfüllung der Auf­trag­ge­ber ei­nen An­spruch hat. Die Ab­si­che­rung kann mit dem dafür vor­ge­se­he­nen In­stru­men­ta­ri­um des Zi­vil­rechts er­fol­gen, z.B. mit der in § 7 LTTG vor­ge­ge­be­nen Ver­trags­stra­fe. Erklärt ein Wirt­schafts­teil­neh­mer hin­ge­gen, er leh­ne es ab, sich auf be­stimm­te Ver­trags­be­din­gun­gen ein­zu­las­sen, fehlt es an ei­nem aus­schrei­bungs­kon­for­men zu­schlagsfähi­gen An­ge­bot.

Dar­aus folgt, dass die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 LTTG zu for­dern­de Min­des­tent­gel­terklärung zum ei­nen un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung des Zu­schlags steht, zum an­de­ren im Grun­de ge­nom­men überflüssig ist. Es ver­steht sich von selbst, dass sie für al­le er­folg­lo­sen Bie­ter ins Lee­re geht. Der Aus­schrei­bungs­ge­win­ner wird mit dem Zu­schlag Ver­trags­part­ner und muss al­lein des­halb künf­tig al­le ihn tref­fen­den ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen ein­sch­ließlich der zusätz­li­chen Ausführungs­be­din­gun­gen erfüllen. Dass gleich­zei­tig auch die ihm ab­ver­lang­te Min­des­tent­gel­terklärung durch Be­din­gungs­ein­tritt zum Tra­gen kommt, ist recht­lich ir­re­le­vant, denn der Ver­trag käme auch oh­ne die­se Erklärung mit ei­nem ihr ent­spre­chen­den In­halt zu­stan­de.

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