HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/174

Be­fris­tung nach Pro­mo­ti­on

Ket­ten­be­fris­tun­gen für wis­sen­schaft­li­che und künst­le­ri­sche Mit­ar­bei­ter an Hoch­schu­len: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 02.09.2009, 7 AZR 291/08
Sanduhr mit rotem Sand Be­fris­tung von Ar­beits­ver­trä­gen an Hoch­schu­len

24.09.2009. Das Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) hat­te sich vor kur­zem mit der Fra­ge zu be­schäf­ti­gen, ob die ver­län­ger­te Be­fris­tungs­mög­lich­keit von bis zu neun Jah­ren für Ar­beits­ver­trä­ge mit wis­sen­schaflti­chem oder künst­le­ri­schem Per­so­nal an Hoch­schu­len "im Be­reich der Me­di­zin" nur für Ärz­te oder auch für Wis­sen­schaft­ler an­de­rer Be­rei­che gilt.

Dem BAG zu­fol­ge gilt die­se be­son­de­re ge­setz­li­che Be­fris­tungs­mög­lich­keit nur für Ärz­te.

Wis­sen­schaft­ler an­de­rer Fach­rich­tun­gen un­ter­lie­gen da­her die­ser Re­ge­lung auch dann nicht, wenn sie an ei­ner me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät be­schäf­tigt wer­den: BAG, Ur­teil vom 02.09.2009, 7 AZR 291/08.

Be­fris­tun­gen nach dem Tz­B­fG und dem Wiss­Zeit­VG

Be­fris­te­te Ar­beits­verträge müssen ganz be­stimm­te An­for­de­run­gen erfüllen, da­mit sie wirk­sam sind. Dies dient da­zu, ei­ne Um­ge­hung des Kündi­gungs­schut­zes zu ver­hin­dern. Ist ei­ne Be­fris­tung un­wirk­sam, ent­steht ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis (§ 16 Tz­B­fG).

Grundsätz­lich sind die An­for­de­run­gen, die an ei­ne Be­fris­tung zu stel­len sind, im Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­setz (Tz­B­fG) ge­re­gelt. Vor­aus­set­zung ist im all­ge­mei­nen, dass die Be­fris­tung we­gen ei­nes be­stimm­ten, in § 14 Tz­B­fG ge­nann­ten, Grun­des er­folgt, wie et­wa der Ver­tre­tung ei­nes an­de­ren Ar­beit­neh­mers. Oh­ne ei­nen sol­chen Sach­grund ist ei­ne Be­fris­tung nur bis zu ei­ner Höchst­dau­er von zwei Jah­ren zulässig (§ 14 Abs. 2 Tz­B­fG).

Be­fris­te­te Verträge von wis­sen­schaft­li­chem oder künst­le­ri­schem Per­so­nal im Hoch­schul­be­reich un­ter­lie­gen da­ge­gen we­ni­ger stren­gen An­for­de­run­gen. Ne­ben dem Tz­B­fG gilt hier das Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz (Wiss­Zeit­VG) bzw. für bis zum 17.04.2007 ge­schlos­se­ne „Alt-Verträge“ noch das hin­sicht­lich der Be­fris­tungs­re­ge­lun­gen iden­ti­sche Hoch­schul­rah­men­ge­setz (HRG), das den Be­son­der­hei­ten im Wis­sen­schafts­be­reich Rech­nung trägt.

Be­fris­tun­gen sind hier­nach oh­ne Sach­grund zulässig, es gilt le­dig­lich ei­ne zeit­li­che Höchst­gren­ze, die höher liegt als bei sach­grund­lo­sen Verträgen nach dem Tz­B­fG möglich. Ar­beits­verträge können bei wis­sen­schaft­li­chem Per­so­nal nämlich bis zu sechs Jah­re be­fris­tet wer­den. Nach der Pro­mo­ti­on („Post-Doc-Pha­se“) gilt das­sel­be, „im Be­reich der Me­di­zin“ ist so­gar ei­ne Be­fris­tung von bis zu neun Jah­ren zulässig (§ 2 Abs.1 Satz 2 Wiss­Zeit­VG bzw. § 57b Abs.1 Satz 2 HRG).

Pro­ble­ma­tisch ist, wel­che pro­mo­vier­ten Hoch­schul­mit­ar­bei­ter im „Be­reich der Me­di­zin“ ar­bei­ten, d.h. ob hier­un­ter nur Ärz­te fal­len oder al­le pro­mo­vier­ten Mit­ar­bei­ter, die an ei­ner me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le wis­sen­schaft­lich ar­bei­ten. Mit die­ser Fra­ge be­fasst sich ein Ur­teil des BAG vom 02.09.2009 (7 AZR 291/08), das der­zeit nur in Form ei­ner Pres­se­mit­tei­lung (88/09) be­kannt ist.

Der Fall: Ein Bio­che­mi­ker als "Me­di­zi­ner"?

Der Kläger ist Di­plom-Bio­lo­ge der Fach­rich­tung Bio­che­mie. Er war nach Be­en­di­gung sei­ner Pro­mo­ti­on auf­grund zwei­er be­fris­te­ter Ar­beits­verträge in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis zum 31. De­zem­ber 2007 an ei­ner me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le des be­klag­ten Lan­des beschäftigt, ins­ge­samt al­so sechs Jah­re und acht Mo­na­te.

Der Di­plom-Bio­lo­ge ist der Auf­fas­sung, dass die­se (letz­te) Be­fris­tung un­wirk­sam ist, weil sie über die Höchst­gren­ze von sechs Jah­ren hin­aus­geht und die Möglich­keit ei­ner neunjähri­gen Be­fris­tung im Be­reich der Me­di­zin nicht auf ihn son­dern nur auf Ärz­te zu­tref­fe. Sei­ne Ar­beit fließe gar nicht di­rekt in den kli­ni­schen Be­reich ein. Das sah der Ar­beit­ge­ber an­ders.

Der Bio­che­mi­ker er­hob des­we­gen kurz vor Ab­lauf der letz­ten Be­fris­tung Kla­ge, die so­wohl vor dem Ar­beits­ge­richt Han­no­ver (Ur­teil vom 18.07.2007, 12 Ca 64/07 Ö) als auch in der zwei­ten In­stanz vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Nie­der­sach­sen (Ur­teil vom 11.02.2008, 8 Sa 1368/07) Er­folg hat­te.

Das be­klag­te Land leg­te dar­auf­hin Re­vi­si­on beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein.

BAG: Be­fris­tung darf bei Bio­lo­gen nicht mehr als sechs Jah­re be­tra­gen

Das BAG gab dem Di­plom-Bio­lo­gen eben­falls Recht. Für ihn, so das BAG, gilt die Höchst­gren­ze ei­ner Be­fris­tung von sechs Jah­ren. Die neunjähri­ge Be­fris­tungsmöglich­keit für wis­sen­schaft­li­ches Per­so­nal „im Be­reich der Me­di­zin“ ist nach Auf­fas­sung des BAG auf den Di­plom-Bio­lo­gen nicht an­wend­bar.

Das BAG schließt sich da­mit ver­mut­lich der Auf­fas­sung des LAG an. Das LAG hat­te ar­gu­men­tiert, dass die Möglich­keit, „im Be­reich der Me­di­zin“ länger be­fris­te­te Verträge ab­zu­sch­ließen der lan­gen Fach­arzt­aus­bil­dung von Ärz­ten Rech­nung tra­gen soll. Dem­ent­spre­chend ist, nach den Über­le­gun­gen des LAG, ei­ne Be­fris­tung von bis zu neun Jah­ren auch nur für Ärz­te, nicht für sons­ti­ges an ei­ner me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le täti­ges wis­sen­schaft­li­ches Per­so­nal an­wend­bar., das ei­ne Fach­arzt­aus­bil­dung gar nicht durchläuft.

Fa­zit: Wis­sen­schaft­li­che und künst­le­ri­sche Mit­ar­bei­ter an Hoch­schu­len ha­ben Chan­cen, ge­gen be­fris­te­te Ar­beits­verträge er­folg­reich vor­zu­ge­hen, auch wenn die­se we­ni­ger „feh­ler­anfällig“ sind als be­fris­te­te Ar­beits­verträge nach dem Tz­B­fG. 

Ge­ra­de bei Ket­ten­be­fris­tun­gen mit ei­ner lan­gen Ge­samt­dau­er lohnt sich ei­ne Über­prüfung, denn Hoch­schu­len, die auf­grund der Re­ge­lun­gen im HRG bzw. des Wiss­Zeit­VG be­fris­te­te Verträge zu­meist oh­ne Sach­grund ab­sch­ließen, ver­rech­nen sich nicht sel­ten bei den zulässi­gen Höchst­gren­zen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 21. Juni 2017

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Bewertung:

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de