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BAG, Ur­teil vom 02.09.2009, 7 AZR 291/08

   
Schlagworte: Befristung, Wissenschaft, Forschung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 291/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 02.09.2009
   
Leitsätze: § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (seit 18. April 2007: § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG) ermöglicht es, mit promoviertem wissenschaftlichen Personal im Bereich Medizin befristete Arbeitsverträge bis zur Dauer von neun Jahren abzuschließen. Dies gilt nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen (Medizin, Zahnmedizin, Tiermedizin), nicht für andere in der medizinischen Forschung tätige wissenschaftliche Mitarbeiter.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hannover, 18. Juli 2007, Az: 12 Ca 64/07 Ö, Urteil Landesarbeitsgericht Niedersachsen 8. Kammer, 11. Februar 2008, Az: 8 Sa 1368/07, Urteil
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


7 AZR 291/08
8 Sa 1368/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
2. Sep­tem­ber 2009

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

be­klag­tes, be­ru­fungs­kla­gen­des, be­ru­fungs­be­klag­tes und re­vi­si­ons­kla­gen­des Land,

pp.

Kläger, Be­ru­fungskläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 2. Sep­tem­ber 2009 durch den Vi­ze­präsi­den­ten des Bun­des­ar­beits­ge­richts Dörner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, den Rich­ter
 


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am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Kiel so­wie die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Holz­hau­sen und den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Glock für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 11. Fe­bru­ar 2008 - 8 Sa 1368/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

Das be­klag­te Land hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten in der Re­vi­si­on noch darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis auf­grund Be­fris­tung am 31. De­zem­ber 2007 ge­en­det hat.


Der Kläger ist Di­plom­bio­lo­ge mit dem Aus­bil­dungs­schwer­punkt Bio­che­mie. Er war nach Ab­schluss sei­ner Aus­bil­dung und Be­en­di­gung der Pro­mo­ti­on auf der Grund­la­ge zwei­er be­fris­te­ter Ar­beits­verträge vom 1. Mai 2001 bis zum 31. De­zem­ber 2007 als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der Me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le Han­no­ver (MHH) des be­klag­ten Lan­des beschäftigt. Der letz­te be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag vom 21. Ok­to­ber 2003 lau­tet aus­zugs­wei­se:

„§ 1


Herr Dr. K wird ab 01.01.2004 als wis­sen­schaft­li­cher An­ge­stell­ter nach §§ 57a ff. Hoch­schul­rah­men­ge­setz (HRG) für die Zeit bis zum 31.12.2007 beschäftigt. Die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges gründet sich auf § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (in der ab 23.02.2002 gel­ten­den Fas­sung).


...“

Der Kläger gehörte der Ab­tei­lung Pädia­tri­sche Häma­to­lo­gie und On­ko­lo­gie des Zen­trums Kin­der­heil­kun­de an. Ihm ob­lag es, im Rah­men des von der Deut­schen For­schungs­ge­mein­schaft (DFG) geförder­ten Son­der­for­schungs­be­reichs 566 die Ur­sa­chen sog. an­ge­bo­re­ner Neu­tro­peni­en zu er­for­schen. Da­bei



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hat­te er bio­che­mi­sche Ar­bei­ten und Zell­kul­tur­ar­bei­ten an Leukämie­zel­len durch­zuführen.

Mit der am 20. Fe­bru­ar 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat sich der Kläger ge­gen die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses auf­grund der Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2007 ge­wandt und die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­fris­tung sei nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG ge­recht­fer­tigt, da die zulässi­ge Höchst­be­fris­tungs­dau­er von sechs Jah­ren über­schrit­ten sei. Die bis zu neunjähri­ge Be­fris­tungsmöglich­keit im Be­reich der Me­di­zin gel­te nur für Ärz­te, nicht je­doch für sons­ti­ge wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter.


Der Kläger hat - so­weit für die Re­vi­si­on von Be­deu­tung - be­an­tragt fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de
Ar­beits­verhält­nis nicht am 31. De­zem­ber 2007 auf­grund der Be­fris­tung vom 21. Ok­to­ber 2003 ge­en­det hat.

Das be­klag­te Land hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt das be­klag­te Land sei­nen Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag wei­ter. Der Kläger be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.


Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist nicht be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en hat nicht auf­grund der in dem Ar­beits­ver­trag vom 21. Ok­to­ber 2003 ver­ein­bar­ten Be­fris­tung am 31. De­zem­ber 2007 ge­en­det. Die Be­fris­tung ist nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG idF des bis zum 17. April 2007 gel­ten­den Ge­set­zes zur Ände­rung hoch­schul­recht­li­cher Vor­schrif­ten (HdaVÄndG) vom 27. No­vem­ber 2004 (im Fol­gen­den: HRG) ge­recht­fer­tigt. Durch die Beschäfti­gung des Klägers bis zum 31. De­zem­ber 2007 wur­de die zulässi­ge Höchst­be­fris­tungs­dau­er von sechs Jah­ren über­schrit­ten. Die neunjähri­ge

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Be­fris­tungs­dau­er im Be­reich der Me­di­zin gilt nur für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter der me­di­zi­ni­schen Fach­rich­tun­gen, nicht je­doch für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter an­de­rer Fach­be­rei­che, die mit me­di­zi­ni­schen For­schungs­auf­ga­ben beschäftigt sind. Auf ei­ne an­de­re Recht­fer­ti­gung für die Be­fris­tung hat sich das be­klag­te Land nicht be­ru­fen.


1. Die Wirk­sam­keit der in dem Ar­beits­ver­trag vom 21. Ok­to­ber 2003 ver­ein­bar­ten Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2007 rich­tet sich nach § 57b HRG in der Fas­sung des HdaVÄndG.


Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats ist für die Wirk­sam­keit der Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags die im Zeit­punkt ih­rer Ver­ein­ba­rung gel­ten­de Rechts­la­ge maßgeb­lich. Die bei Ab­schluss des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags am 21. Ok­to­ber 2003 in Kraft be­find­li­che Be­stim­mung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG in der ab 23. Fe­bru­ar 2002 gel­ten­den Fas­sung des 5. Ge­set­zes zur Ände­rung der HRG und an­de­rer Vor­schrif­ten vom 14. Fe­bru­ar 2002 (5. HRGÄndG) war vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt für nich­tig erklärt wor­den (27. Ju­li 2004 - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226, 246, 270, 273). Die Vor­schrift wur­de je­doch durch das HdaVÄndG rück­wir­kend wie­der in Kraft ge­setzt. Nach § 57f HRG ist § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG auf Ar­beits­verträge an­zu­wen­den, die in der Zeit vom 23. Fe­bru­ar 2002 bis zum 26. Ju­li 2004 ab­ge­schlos­sen wur­den. Glei­ches re­gelt § 6 Abs. 1 Satz 1 des am 18. April 2007 in Kraft ge­tre­te­nen Ge­set­zes über be­fris­te­te Ar­beits­verträge in der Wis­sen­schaft (Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz - Wiss­Zeit­VG). Da­durch wur­de nachträglich die hoch­schul­rah­men­recht­li­che Rechts­grund­la­ge für die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­trags der Par­tei­en ge­schaf­fen. Die zeit­li­che Rücker­stre­ckung der §§ 57a ff. HRG auf die in der Zeit zwi­schen dem 23. Fe­bru­ar 2002 und dem 27. Ju­li 2004 ab­ge­schlos­se­nen be­fris­te­ten Ar­beits­verträge mit wis­sen­schaft­li­chem und künst­le­ri­schem Per­so­nal an Hoch­schu­len be­ste­hen kei­ne ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken, da hier­durch nur die Rechts­la­ge wie­der­her­ge­stellt wur­de, von der die Par­tei­en bei Ver­trags­schluss am 21. Ok­to­ber 2003 aus­ge­hen muss­ten (vgl. hier­zu ausführ­lich BAG 21. Ju­ni 2006 - 7 AZR 234/05 - BA­GE 118, 290 = AP HRG § 57a Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 620 Hoch­schu­len Nr. 2).
 


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2. Die in dem Ar­beits­ver­trag vom 21. Ok­to­ber 2003 ver­ein­bar­te Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2007 ist nicht nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG (jetzt: § 2 Abs. 1 Satz 2 Wiss­Zeit­VG) ge­recht­fer­tigt.


a) Nach § 57b Abs. 1 Satz 1 HRG ist die Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen mit wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­tern, die nicht pro­mo­viert sind, bis zur Dau­er von sechs Jah­ren zulässig. Nach ab­ge­schlos­se­ner Pro­mo­ti­on ist ei­ne Be­fris­tung nach § 57b Abs. 1 Satz 2 1. Halbs. HRG bis zur Dau­er von sechs Jah­ren, im Be­reich der Me­di­zin bis zur Dau­er von neun Jah­ren zulässig. Nach § 57b Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. HRG verlängert sich die zulässi­ge Be­fris­tungs­dau­er nach der Pro­mo­ti­on in dem Um­fang, in dem Zei­ten ei­ner be­fris­te­ten Beschäfti­gung vor der Pro­mo­ti­on und Pro­mo­ti­ons­zei­ten oh­ne Beschäfti­gung nach Satz 1 zu­sam­men we­ni­ger als sechs Jah­re be­tra­gen ha­ben. Auf die in § 57b Abs. 1 HRG be­stimm­te Be­fris­tungs­dau­er sind al­le be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­se mit mehr als ei­nem Vier­tel der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit, die an ei­ner deut­schen Hoch­schu­le ab­ge­schlos­sen wur­den, an­zu­rech­nen (§ 57b Abs. 2 Satz 1 HRG).


b) Der Aus­nah­me­tat­be­stand, der für den Be­reich der Me­di­zin ei­ne bis zu neunjähri­ge be­fris­te­te Beschäfti­gung nach der Pro­mo­ti­on zulässt, gilt nur für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter der me­di­zi­ni­schen Fach­rich­tun­gen, nicht je­doch für Wis­sen­schaft­ler an­de­rer Fach­rich­tun­gen, die mit For­schungstätig­kei­ten auf me­di­zi­ni­schem Ge­biet beschäftigt sind. Dies lässt sich zwar nicht un­mit­tel­bar dem Ge­set­zes­wort­laut des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG ent­neh­men, der die länge­re Be­fris­tungsmöglich­keit „im Be­reich der Me­di­zin“ ge­stat­tet. Die­se For­mu­lie­rung er­laubt so­wohl ei­ne Aus­le­gung da­hin­ge­hend, dass da­mit die An­gehöri­gen der wis­sen­schaft­li­chen Fach­rich­tun­gen der Me­di­zin ge­meint sind, als auch die­je­ni­ge, dass hier­von al­le wis­sen­schaft­li­chen Mit­ar­bei­ter er­fasst wer­den, die in der me­di­zi­ni­schen For­schung tätig sind un­abhängig da­von, wel­chem wis­sen­schaft­li­chen Fach­be­reich sie an­gehören. Aus der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik so­wie aus Sinn und Zweck der Re­ge­lung er­gibt sich je­doch, dass die neunjähri­ge Be­fris­tungsmöglich­keit nur für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter der me­di­zi­ni­schen Fach­rich­tun­gen, dh. der Be­rei­che Me­di­zin, Zahn­me­di­zin und
 


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Tier­me­di­zin, gilt (eben­so ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 57b HRG Rn. 7; KDZ/Däubler KSchG 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 13; Hail­bron­ner/Geis-Wal­dey­er HRG Stand De­zem­ber 2008 § 57b Rn. 13; aA KR/Lip­ke 8. Aufl. § 57b HRG Rn. 29; Reich HRG 9. Aufl. § 57b Rn. 3). Die für den Be­reich der Me­di­zin um drei Jah­re verlänger­te Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se soll er­kenn­bar den Er­for­der­nis­sen der Fach­arzt­aus­bil­dung, die je nach Fach­rich­tung fünf oder sechs Jah­re in An­spruch nimmt, Rech­nung tra­gen (ErfK/Müller-Glöge 7. Aufl. § 57b HRG Rn. 7; KDZ/Däubler KSchG 6. Aufl. § 57b HRG Rn. 13; Hail­bron­ner/Geis-Wal­dey­er HRG Stand De­zem­ber 2008 § 57b Rn. 13). Dies er­gibt sich aus der Ge­set­zes­sys­te­ma­tik des 5. HRGÄndG (im Fol­gen­den: HRG aF), durch das § 57b HRG mit dem hier maßgeb­li­chen In­halt erst­mals in Kraft ge­setzt wur­de.


aa) § 47 HRG aF re­gel­te die Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen für Ju­ni­or­pro­fes­so­ren. Nach § 47 Satz 2 HRG aF soll­ten Ju­ni­or­pro­fes­so­ren mit ärzt­li­chen, zahnärzt­li­chen oder tierärzt­li­chen Auf­ga­ben zusätz­lich zu den sons­ti­gen Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen die An­er­ken­nung als Fach­arzt nach­wei­sen. Nach § 47 Satz 4 HRG aF soll­ten die Zei­ten der Pro­mo­ti­on und der Beschäfti­gung als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter oder wis­sen­schaft­li­che Hilfs­kraft zu­sam­men nicht mehr als sechs Jah­re, im Be­reich der Me­di­zin nicht mehr als neun Jah­re be­tra­gen ha­ben. § 48 HRG aF be­stimm­te, dass ei­ne Ju­ni­or­pro­fes­sur auf zwei mal drei Jah­re be­fris­tet sein konn­te. Die Er­brin­gung wis­sen­schaft­li­cher Leis­tun­gen im Rah­men ei­ner Ju­ni­or­pro­fes­sur soll­te nach § 44 Abs. 1 Nr. 4a HRG aF in der Re­gel Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zung als Pro­fes­sor sein.

Die in § 47 Satz 4 HRG aF be­stimm­te Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se vor ei­ner Ju­ni­or­pro­fes­sur wur­de im Be­reich Me­di­zin auf neun Jah­re aus­ge­dehnt, weil der Ge­setz­ge­ber ei­nen zeit­li­chen Rah­men von sechs Jah­ren für die Pro­mo­ti­ons-und Post­dok­to­ran­den­pha­se we­gen der für ei­ne selbständi­ge Ver­tre­tung des Fachs Me­di­zin in der Leh­re er­for­der­li­chen ab­ge­schlos­se­nen Fach­arzt­aus­bil­dung nicht für aus­rei­chend hielt (BT-Drucks. 14/6853 S. 28). Die verlänger­te Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se „im Be­reich der Me­di­zin“ in § 47 Satz 4 HRG aF be­traf da­her die in § 47 Satz 2 HRG aF ge­nann­ten Ju­ni­or­pro­fes­so­ren mit ärzt­li­chen, zahnärzt­li­chen oder tierärzt­li­chen Auf­ga­ben. Für die­se Ju­ni­or­pro­fes­so­ren er­gab


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sich da­her ei­ne Ge­samt­qua­li­fi­zie­rungs­zeit von fünf­zehn Jah­ren. Die­ser Zeit-raum soll­te durch die Re­ge­lung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG aF auch für die Nach­wuchs­wis­sen­schaft­li­cher zur Verfügung ge­stellt wer­den, die als wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter im Be­reich der Me­di­zin beschäftigt wur­den und die nicht ei­ne Pro­fes­sur an ei­ner Uni­ver­sität, son­dern zB ei­ne lei­ten­de ärzt­li­che Funk­ti­on in ei­ner außer­uni­ver­sitären Kli­nik an­streb­ten (BT-Drucks. 14/7336 S. 11). Die Aus­deh­nung des Qua­li­fi­zie­rungs­zeit­raums auf neun Jah­re „im Be­reich der Me­di­zin“ in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG aF be­ruh­te da­her - eben­so wie bei Ju­ni­or­pro­fes­so­ren - auf dem Er­for­der­nis der Fach­arzt­aus­bil­dung und be­traf des­halb nur wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter mit ärzt­li­chen, zahnärzt­li­chen oder tierärzt­li­chen Auf­ga­ben.


bb) Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat das 5. HRGÄndG zwar we­gen feh­len­der Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des für die Neu­re­ge­lun­gen der Per­so­nal­ka­te­go­ri­en, ins­be­son­de­re der Ju­ni­or­pro­fes­sur, ins­ge­samt für nich­tig erklärt (BVerfG 27. Ju­li 2004 - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226). Die hier maßgeb­li­che Re­ge­lung in § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG wur­de aber durch das HdaVÄndG rück­wir­kend und gleich­lau­tend wie­der in Kraft ge­setzt. Sie gilt da­her mit dem­sel­ben In­halt wie zu­vor.

cc) Im Übri­gen ist nicht er­kenn­bar, wel­che an­de­ren Gründe als die Fach­arzt­aus­bil­dung zu ei­ner Verlänge­rung der Qua­li­fi­zie­rungs­pha­se „im Be­reich der Me­di­zin“ An­lass ge­ge­ben ha­ben könn­ten. Es ist nicht er­sicht­lich, wes­halb al­lein ei­ne wis­sen­schaft­li­che Tätig­keit in der me­di­zi­ni­schen For­schung un­abhängig da­von, ob sie in me­di­zi­ni­schen oder an­de­ren Fach­rich­tun­gen er­folgt, ei­ne länge­re Qua­li­fi­zie­rungs­zeit er­for­dern soll als in an­de­ren For­schungs­be­rei­chen. Dies gilt auch in An­be­tracht des Um­stands, dass in der kli­ni­schen For­schung Ver­net­zun­gen mit an­de­ren Fach­be­rei­chen, zB der Bio­lo­gie und der Che­mie, be­ste­hen (aA KR/Lip­ke 8. Aufl. § 57b HRG Rn. 29). Zur wis­sen­schaft­li­chen Qua­li­fi­zie­rung in die­sen Fach­be­rei­chen ist re­gelmäßig kei­ne ei­ner Fach­arzt­aus­bil­dung von der Dau­er her ver­gleich­ba­re zusätz­li­che Wei­ter­bil­dung er­for­der­lich. So­fern pro­mo­vier­te wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter über ei­ne Dop­pel­qua­li­fi­ka­ti­on, zB als Arzt und Che­mi­ker, verfügen, können mit ih­nen be­fris­te­te Ar­beits­verträge
 


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bis zur Dau­er von neun Jah­ren ab­ge­schlos­sen wer­den, wenn sie in me­di­zi­ni­schen Fach­rich­tun­gen tätig sind. Ent­spre­chen­des gilt für die Beschäfti­gung wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an außer­uni­ver­sitären For­schungs­ein­rich­tun­gen iSv. § 57d HRG (aA KR/Lip­ke aaO).


b) Nach die­sen Grundsätzen sind die Vor­aus­set­zun­gen des § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG für die in dem Ar­beits­ver­trag vom 21. Ok­to­ber 2003 ver­ein­bar­te Be­fris­tung zum 31. De­zem­ber 2007 nicht erfüllt. Der Kläger war nach sei­ner Pro­mo­ti­on auf­grund zwei­er be­fris­te­ter Ar­beits­verträge in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis zum 31. De­zem­ber 2007 als wis­sen­schaft­li­cher Mit­ar­bei­ter an der Me­di­zi­ni­schen Hoch­schu­le des be­klag­ten Lan­des beschäftigt. Da­mit war die für ihn als Di­plom­bio­lo­gen mit der Fach­rich­tung Bio­che­mie nach § 57b Abs. 1 Satz 2 HRG zulässi­ge Höchst­be­fris­tungs­dau­er von sechs Jah­ren über­schrit­ten.

II. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 

Dörner 

Gräfl 

Kiel

Holz­hau­sen 

M. Glock

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