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ARBEITSRECHT AKTUELL

04/04d Über­gangs­frist zum Be­reit­schafts­dienst

Die im neu­en Ar­beits­zeit­ge­setz ent­hal­te­nen Über­gangs­fris­ten zum Be­reit­schafts­dienst sind eu­ro­pa­recht­lich frag­wür­dig
Wanduhr Der Be­reit­schafts­dienst soll sich vor­über­ge­hend noch nach dem al­te Recht rich­ten

17.01.2004. Das Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG) in sei­ner neu­en Fas­sung gilt ge­mäß § 25 Arb­ZG nach Maß­ga­be ei­ner Über­gangs­frist von zwei Jah­ren.

Die­se Über­gangs­frist geht auf die er­folg­rei­che po­li­ti­sche Lob­by­ar­beit der Kran­ken­haus­be­trei­ber zu­rück, die wäh­rend die­ser Schon­frist die eu­ro­pa­rechts­wid­ri­ge Pra­xis des ärzt­li­chen Be­reit­schafts­diens­tes vor­über­ge­hend, d.h. bis En­de 2006 wei­ter fort­set­zen kön­nen.

Zum Jah­res­wech­sel 2005/2006 ist ge­plant, die Über­gangs­frist noch­mals zu ver­län­gern, d.h. die eu­ro­pa­rechts­wid­ri­ge Aus­nah­me von dem Prin­zip "Be­reit­schafts­dienst = Ar­beits­zeit" noch­mals zu ver­län­gern.

Da­mit stel­len sich Fra­gen zu den prak­ti­schen Aus­wir­kun­gen die­ser Über­gangs­frist, die im Fol­gen­den nä­her be­trach­tet wer­den.

1. In­halt der Über­g­angs­frist

Gleich­sam in letz­ter Mi­nu­te vor der Ei­ni­gung im Ver­mitt­lungs­aus­schuß am 19.12.2003 über das Re­form­pa­ket zur Agen­da 2010, nämlich am 16.12.2003, emp­fahl der Ver­mitt­lungs­aus­schuß, nach­dem man zu­vor § 25 er­satz­los strei­chen woll­te (Be­schlußemp­feh­lung und Be­richt des Aus­schus­ses für Wirt­schaft und Ar­beit, vom 24.09.2003, BT Drucks. 15/1587, S.16), die letzt­lich Ge­setz ge­wor­de­ne Fas­sung des § 25 (Be­schlußemp­feh­lung des Ver­mitt­lungs­aus­schus­ses, vom 16.12.2003, BT Drucks. 15/2245, S.3). Ei­ne Be­gründung für die­se Ände­rungs­emp­feh­lung fin­det sich in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en nicht. § 25 in der Fas­sung des Arb­ZG 2004 lau­tet:

"§ 25 Über­g­angs­vor­schrif­ten für Ta­rif­verträge
Enthält ein am 01. Ja­nu­ar 2004 be­ste­hen­der oder nach­wir­ken­der Ta­rif­ver­trag ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen nach § 7 Abs. 1 oder 2 oder § 12 Satz 1, die den in den ge­nann­ten Vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Höchst­rah­men über­schrei­ten, so blei­ben die­se ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen bis zum 31. De­zem­ber 2005 un­berührt. Ta­rif­verträgen nach Satz 1 ste­hen durch Ta­rif­ver­trag zu­ge­las­se­ne Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen so­wie Re­ge­lun­gen nach § 7 Abs.4 gleich."

Die Vor­schrift durch­bricht das ar­beits­recht­li­che Prin­zip des Vor­rangs zwin­gen­den Ge­set­zes­rechts vor dem Ta­rif­ver­trag zu­guns­ten von am 01.01.2004 be­ste­hen­den Ta­rif­verträge, die Re­ge­lun­gen gemäß § 7 Abs.1 oder § 12 Satz 1 Arb­ZG ent­hal­ten und die mit die­sen Re­ge­lun­gen den in die­sen Vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Höchst­rah­men über­schrei­ten. Mit "Höchst­rah­men" sind die ge­setz­li­chen Gren­zen gemäß der ak­tu­el­len, ab dem 01.01.2004 gel­ten­den Ge­set­zes­fas­sung ge­meint.

Das heißt: An sich ge­set­zes­wid­ri­ge, weil ge­gen § 7 Abs.1 und/oder ge­gen § 12 Satz 1 Arb­ZG ver­s­toßen­de ta­rif­ver­trag­li­che Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen blei­ben in Kraft. Dies al­ler­dings "nur" für ei­ne Über­g­angs­zeit bis zum 31.12.2005. Eben­so wie Ta­rif­verträge blei­ben durch (Alt-)Ta­rif­verträge zu­ge­las­se­ne, ge­set­zes­wid­ri­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen so­wie ge­set­zes­wid­ri­ge kirch­li­che AVR gemäß § 7 Abs.4 Arb­ZG vorüber­ge­hend in Kraft.

2. Prak­ti­sche Aus­wir­kun­gen

In Zu­sam­men­hang mit der Über­g­angs­frist stellt sich die Fra­ge, wel­che Möglich­kei­ten Kli­ni­ken ha­ben, die ih­re Ar­beits­verhält­nis­se zum 01.01.2004 oh­ne Ta­rif­verträge und Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ab­wi­ckel­ten, die al­so zu die­sem Stich­tag je­den­falls kei­ne Ar­beits­zeit­re­gu­lie­rung auf Ba­sis von § 7 Arb­ZG 1994 ge­trof­fen hat­ten (die­se set­zen ja stets Ta­rif­verträge vor­aus - ab­ge­se­hen von dem Son­der­fall des § 7 Abs.4 Arb­ZG, der aber über­g­angs­recht­lich kei­ne Pro­ble­me macht).

Ei­ne bis zum 31.12.2003 mögli­che, von § 7 Arb­ZG 1994 un­abhängi­ge Ar­beits­re­ge­lung, al­so et­wa ei­ne Be­reit­schafts­dienst­re­ge­lung al­lein auf Ba­sis von § 3 Satz 2 Arb­ZG so­wie auf Ba­sis von § 5 Abs.3 Arb­ZG 1994, ist nach dem oben Ge­sag­ten nicht mehr möglich, da hier­in ein Ver­s­toß ge­gen § 3 Satz 2 Arb­ZG läge: Be­reit­schafts­dienst ist Ar­beits­zeit. Hier kom­men aus recht­li­cher Sicht im Prin­zip vier Möglich­kei­ten in Be­tracht:

Ers­tens könn­te man dar­an den­ken, die Fort­gel­tung von Ta­rif­verträgen, die mit der Neu­fas­sung von § 7 Abs.1 oder 2 oder von § 12 Arb­ZG un­ver­ein­ba­re Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen ent­hal­ten, durch nachträgli­che bzw. nach dem 01.01.2004 ge­trof­fe­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung in den Ar­beits­ver­trag zu über­neh­men. Ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se könn­te sich for­mal auf § 7 Abs.3 Arb­ZG stützen. Die­se Vor­schrift er­laubt es, im Gel­tungs­be­reich ei­nes Ta­rif­ver­tra­ges, mit wel­chem Re­ge­lun­gen gemäß § 7 Abs.1 und 2 (und jetzt auch nach 2a) ge­trof­fen wur­den, die Über­nah­me die­ses Ta­rif­ver­trags in den Be­trieb ei­nes nicht ta­rif­ge­bun­de­nen Ar­beit­ge­bers ent­we­der durch Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­rung oder, falls ei­ne be­trieb­li­che In­ter­es­sen­ver­tre­tung nicht be­steht, durch schrift­li­che Ver­ein­ba­rung zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer zu ver­ein­ba­ren. Ei­ne sol­che Über­nah­me ist nur im Rah­men des persönli­chen, fach­li­chen und räum­li­chen Gel­tungs­be­reichs des Ta­rif­ver­trags möglich.

Ei­ne der­ar­ti­ge Vor­ge­hens­wei­se be­geg­net aber recht­li­chen Be­den­ken. Zwar gel­ten die gemäß § 7 Abs.3 Arb­ZG über­nom­me­nen Ta­rif­verträge gemäß § 25 Arb­ZG vorläufig wei­ter­hin, so daß ei­ne Über­nah­me kon­struk­tiv möglich wäre. An­de­rer­seits würde man durch ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se den An­wen­dungs­be­reich ei­ner Aus­nah­me­vor­schrift (§ 25 Arb­ZG) aus­wei­ten, was im all­ge­mei­nen für recht­lich un­zulässig ge­hal­ten.

Zwei­tens be­steht die Möglich­keit, über den Weg des § 7 Abs.3 Arb­ZG Ta­rif­verträge, die mit der Neu­fas­sung von § 7 Abs.1 oder 2 oder von § 12 Arb­ZG ver­ein­ba­re Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen ent­hal­ten, in die Ar­beits­verhält­nis­se durch Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­rung bzw. durch Ein­zel­ab­ma­chun­gen ein­zu­be­zie­hen. Die prak­ti­sche Fra­ge lau­tet hier al­ler­dings schlicht, ob es sol­che, d.h. mit dem neu­en Arb­ZG zu ver­ein­ba­ren­de ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen der­zeit be­reits gibt.

Drit­tens wer­den Kli­nik­be­trei­ber wohl oder übel darüber nach­den­ken müssen, be­ste­hen­de Ar­beits­zei­ten­sys­te­me ins­ge­samt der neu­en Rechts­la­ge an­zu­pas­sen. Aus Ar­bei­teg­ber­sicht kom­men hier der weit­ge­hen­de Ver­zicht auf Be­reit­schafts­diens­te und der verstärk­te Ein­satz von Ruf­be­reit­schaft in Be­tracht.

Die Ruf­be­reit­schaft ist durch die No­vel­lie­rung des Arb­ZG nicht tan­giert wor­den, so daß sich die prak­tisch bzw. or­ga­ni­sa­to­ri­sche Fra­ge stellt, ob bzw. in wel­chem Um­fang ärzt­li­che Diens­te, die bis­lang als Be­reit­schafts­diens­te bzw. un­ter An­we­sen­heit des Arz­tes an ei­nem vom Ar­beit­ge­ber fest­ge­leg­ten Ort (zu­meist die Kli­nik), auch in Form ei­ner Ruf­be­reit­schaft bzw. als Hin­ter­grund­dienst durch­geführt wer­den könn­ten. An­ge­sichts der da­mit ver­bun­de­nen or­ga­ni­sa­to­ri­schen bzw. prak­ti­schen Pro­ble­me dürf­te der Ein­satz die­ser spe­zi­el­len Dienst­form aber in den meis­ten Fällen eher "un­in­ter­es­sant" sein.

Vier­tens wird von ei­ni­gen er­wo­gen, bei der Ge­wer­be­auf­sicht ei­ne Son­der­ge­neh­mi­gung gemäß § 15 Abs.1 Nr.1 für länge­re tägli­che Ar­beits­zei­ten zu er­rei­chen. Die­se Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung greift al­ler­dings nur dann ein, wenn in "kon­ti­nu­ier­li­chen Schicht­be­trie­ben" zusätz­li­che Frei­schich­ten ermöglicht wer­den sol­len. Ob die Ge­wer­be­auf­sichtsämter die­se Vor­aus­set­zung bei Kli­nik­be­trie­ben für ge­ge­ben er­ach­ten, ist frag­lich. Vor al­lem aber ist die­se Aus­nah­me­vor­schrift ei­ne bloße Kann-Vor­schrift, d.h. die Behörde kann, muß aber kei­ne Ge­neh­mi­gung er­tei­len. Aus wel­chen Gründen ei­ne "Re­du­zie­rung des Er­mes­sens auf Null" (hier muß die Behörde aus­nahms­wei­se von ei­ner Kann-Vor­schrift Ge­brauch ma­chen) ge­ge­ben sein könn­te, ist nicht er­sicht­lich.

Im Zu­sam­men­hang mit der Über­g­angs­frist ist auch das be­reits ein­lei­tend erwähn­te Ur­teil des BAG vom 18.02.2003 von Be­deu­tung (1 ABR 2/02, NAZ 2003, S.742 ff.). In die­sem Ur­teil wird nämlich zu­tref­fend fest­ge­hal­ten, daß an­ge­sichts der be­reits im No­vem­ber 1996 ab­ge­lau­fe­nen Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie die­je­ni­gen Ar­beit­neh­mer, die beim deut­schen "Staat" beschäftigt sind, aus be­stimm­ten Vor­schrif­ten der Richt­li­nie un­mit­tel­ba­re Rech­te ge­gen ih­ren Ar­beit­ge­ber her­lei­ten können, so­weit die Um­set­zung der Richt­li­nie in Deutsch­land un­zu­rei­chend ist und so­weit die Richt­li­nie ab­sch­ließen­de und un­be­ding­te Re­ge­lun­gen enthält.

Das be­deu­tet, daß sich beim "Staat" beschäftig­te Ar­beit­neh­mer (al­so zum Bei­spiel Ärz­te in städti­schen oder lan­des­ei­ge­nen Kli­ni­ken) nicht auf die lan­ge Über­g­angs­frist des § 25 Arb­ZG ver­wei­sen las­sen müssen, son­dern die vol­le An­wen­dung des geänder­ten bzw. der Richt­li­nie ent­spre­chen­den Rechts be­reits jetzt for­dern können, so daß im Er­geb­nis ein ge­spal­te­ner Rechts­zu­stand ein­ge­tre­ten ist.

3. Verlänge­rung der Über­g­angs­frist

Der Sinn der Über­g­angs­vor­schrift be­steht wie ge­sagt dar­in, die Be­trei­ber von Kran­kenhäusern und Pfle­ge­ein­rich­tun­gen von dem Prin­zip "Be­reit­schafts­dienst ist Ar­beits­zeit" für zwei Jah­re, d.h. bis zum 31.12.2005 aus­zu­neh­men, da die in der Über­g­angs­vor­schrift ge­nann­ten "be­ste­hen­den oder nach­wir­ken­den Ta­rif­verträge" nämlich ty­pi­scher­wei­se an­ord­nen, daß "ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen nach § 7 Abs. 1 oder 2" gel­ten sol­len. An­ders ge­sagt: Die in der Über­g­angs­vor­schrift ge­nann­ten Ta­rif­verträge ent­hal­ten (bis zum 31.12.2005 fort­gel­ten­de) Re­ge­lun­gen, nach de­nen über 10 St­un­den hin­aus ge­ar­bei­tet wer­den kann, falls "in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und in er­heb­li­chem Um­fang Ar­beits­be­reit­schaft oder Be­reit­schafts­dienst fällt" (§ 7 Abs.1 Nr.4 a) Arb­ZG).

Mit die­sem Zu­stand hat es aber am 31.12.2005 ein En­de.

Vor die­sem Hin­ter­grund gibt es ei­ne in den Bun­des­rat ein­ge­brach­te Ge­set­zes­in­itia­ti­ve des Frei­staa­tes Bay­ern (vom 28.10.2005, BT-Drucks. 778/05), die ei­ne Verlänge­rung der in der der­zei­ti­gen Fas­sung von § 25 Arb­ZG ge­nann­ten Über­g­angs­frist zum In­halt hat, d.h. die­se Über­g­angs­frist um zwei Jah­re bis zum 31.12.2007 verlängern möch­te. Der Ko­ali­ti­ons­ver­trag der neu­en Bun­des­re­gie­rung von SPD und CDU/CSU sieht ei­ne Verlänge­rung bis le­dig­lich zum 31.12.2006 vor. Wel­che die­ser bei­den Ände­rungs­vor­schläge um­ge­setzt wird, ist der­zeit nicht ab­seh­bar.

Ein­zel­hei­ten zur Re­form des Arb­ZG und zu der Um­set­zung der Ar­beits­zeit­richt­li­nie in Deutsch­land können Sie hier nach­le­sen:

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 30. Dezember 2013

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