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BAG, Ur­teil vom 13.10.2016, 3 AZR 439/15

   
Schlagworte: Schwerbehinderung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 439/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.10.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 22.01.2014, 11 Ca 1524/1
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 08.07.2015, 6 Sa 257/14
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

3 AZR 439/15
6 Sa 257/14
Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
13. Ok­to­ber 2016

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 13. Ok­to­ber 2016 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Zwan­zi­ger, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Spin­ner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ah­rendt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen Busch und Will für Recht er­kannt:

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Auf die Re­vi­si­on des Klägers wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 8. Ju­li 2015 - 6 Sa 257/14 - auf­ge­ho­ben.

Der Rechts­streit wird zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung - auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on - an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Höhe der dem Kläger zu­ste­hen­den be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te.

Der im April 1953 ge­bo­re­ne, als schwer­be­hin­der­ter Mensch mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung von 50 an­er­kann­te Kläger, war vom 1. April 1980 bis zum 30. April 2013 als kaufmänni­scher An­ge­stell­ter bei der Be­klag­ten zu­letzt in Al­ters­teil­zeit beschäftigt. Seit dem 1. Mai 2013 be­zieht er ei­ne vor­zei­ti­ge Al­ters­ren­te für schwer­be­hin­der­te Men­schen aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung und ei­ne Be­triebs­ren­te von der Be­klag­ten.

Die Be­klag­te gewährt ih­ren Ar­beit­neh­mern Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung auf der Grund­la­ge ver­schie­de­ner Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen. Die für die Al­ters­ver­sor­gung des Klägers zunächst maßgeb­li­che Be­triebs­ver­ein­ba­rung über ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung vom 23. De­zem­ber 1992 (im Fol­gen­den BV 1992) be­stimmt ua.:

„§ 1
An­spruchs­vor­aus­set­zung

(1) Die Ar­beit­neh­mer der Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kas­se der Bau­wirt­schaft/der Zu­satz­ver­sor­gungs­kas­se des Bau­ge­wer­bes VVaG er­hal­ten nach Maßga­be die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ne be­trieb­li­che Ver­sor­gung.

(2) Ein An­spruch auf Leis­tung ent­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer spätes­tens am letz­ten Tag des Mo­nats, in dem das 65. Le­bens­jahr voll­endet ist, un­un­ter­bro­chen 10 Jah­re

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in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu den So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft ge­stan­den hat und aus dem Dienst zur Kas­se we­gen Al­ters, Er­werbs- oder Be­rufs­unfähig­keit aus­ge­schie­den ist.

...

§ 2
Leis­tungs­ar­ten

Die Kas­se er­bringt ih­ren Ar­beit­neh­mern und de­ren Hin­ter­blie­be­nen im Ver­sor­gungs­fal­le wie­der­keh­ren­de Leis­tun­gen als

a) Al­ters­ren­te, ...

Zu a) Al­ters­ren­te:

Die­se Be­triebs­ren­te wird gewährt, wenn der Ar­beit­neh­mer aus der Kas­se aus­schei­det und zu die­sem Zeit­punkt An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te in vol­ler Höhe (Voll­ren­te) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung hat oder ha­ben würde, wenn er nicht von der Bei­trags­pflicht be­freit wäre. ...

Macht der Ar­beit­neh­mer von der ge­setz­li­chen Teil­ren­te Ge­brauch, be­steht kein An­spruch auf Be­triebs­ren­te. ... ...

§ 3
Leis­tungshöhe

(1) Die Be­triebs­ren­te beträgt nach 10jähri­ger An­wart­schafts­zeit mo­nat­lich 8 v. H. der letz­ten Ge­halts- bzw. Lohn­zu­sa­ge des Ar­beit­neh­mers (So­ckel­be­trag).

Die Be­triebs­ren­te stei­gert sich für je­des nach der 10jähri­gen An­wart­schafts­zeit voll­ende­te Dienst­jahr um 0,8 v. H. der Be­mes­sungs­grund­la­ge nach Abs. 1. ...“

Am 15. De­zem­ber 1995 schlos­sen die Be­triebs­par­tei­en ei­ne neue Be­triebs­ver­ein­ba­rung über ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung (im Fol­gen­den BV 1995), die aus­zugs­wei­se wie folgt lau­tet:

„§ 1
An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen

(1) Die So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft gewähren ih­ren Ar­beit­neh­mern, mit de­nen bis ein­sch­ließlich 31. De­zem­ber 1995 ein Ar­beits­ver­trag ab­ge­schlos­sen wur­de und die spätes­tens am 31.12.1995 ih­ren Dienst an­ge­tre­ten ha­ben, 

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nach Maßga­be die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ne be­trieb­li­che Ver­sor­gung als wie­der­keh­ren­de Leis­tun­gen (Be­triebs­ren­te).

(2) Ein An­spruch auf Be­triebs­ren­te ent­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer spätes­tens am letz­ten Tag des Mo­nats, in dem das 65. Le­bens­jahr voll­endet ist, un­un­ter­bro­chen 10 Jah­re in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu den So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft ge­stan­den hat (War­te­zeit) und aus dem Dienst we­gen Al­ters, Er­werbs- oder Be­rufs­unfähig­keit aus­ge­schie­den ist.

...

§ 2
Leis­tungs­ar­ten

Die So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft er­brin­gen ih­ren aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mern im Ver­sor­gungs­fall wie­der­keh­ren­de Leis­tun­gen (Be­triebs­ren­ten) im Sin­ne des § 1 Ziff. 1 bei Be­zug

a) ge­setz­li­cher Al­ters­ren­te,

...

Zu a) Be­triebs­ren­te bei Be­zug ge­setz­li­cher Al­ters­ren­te:

Das Be­gin­nal­ter für die­se Be­triebs­ren­te ist grundsätz­lich die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res.

Die­se Be­triebs­ren­te wird gewährt, wenn der Ar­beit­neh­mer bei Vor­lie­gen der An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen gemäß § 1 das 65. Le­bens­jahr voll­endet hat.

Nimmt der Ar­beit­neh­mer bei Vor­lie­gen der An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen gem. § 1 vor Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res Al­ters­ren­te in vol­ler Höhe (Voll­ren­te) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch oder könn­te er die­se in An­spruch neh­men, wenn er nicht von der Bei­trags­pflicht be­freit wäre, wird die gemäß § 4 er­mit­tel­te Be­triebs­ren­te ent­spre­chend § 3 Ziff. 2 gekürzt.

...

§ 3
Leis­tungshöhe

(1) Der Ar­beit­neh­mer er­wirbt für je­des voll­ende­te Jahr tatsäch­li­cher Dienst­zeit zu den So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft ei­ne An­wart­schaft in Höhe von 0,8 v. H., be­zo­gen auf die vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les letz­te Brut­to­ge­halts-/Brut­to­lohn­zu­sa­ge (So­ckel­be­trag).

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...

(2) Nimmt ein Ar­beit­neh­mer die Be­triebs­ren­te gemäß § 2 a) vor Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in An­spruch, wer­den die ab 1. Ja­nu­ar 1996 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten während der ge­sam­ten Lauf­zeit für je­den Mo­nat des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens um 0,4 v. H. gekürzt (Stand der Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur 01. Ja­nu­ar 1995). Die bis zum 31.12.1995 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten blei­ben un­gekürzt. Ändert sich die Kürzungs­größe, hat im Ein­ver­neh­men mit dem Be­triebs­rat ei­ne An­pas­sung zu er­fol­gen, oh­ne daß es ei­ner Kündi­gung die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung be­darf. ...“

Sch­ließlich ver­ein­bar­ten die Be­triebs­par­tei­en nach ei­ner vor­aus­ge­gan­ge­nen Kündi­gung der BV 1995 zum 31. De­zem­ber 2000 am 7. De­zem­ber 2001 ei­ne „Be­triebs­ver­ein­ba­rung über ei­ne Ände­rung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung für Mit­ar­bei­ter mit Ein­tritt bis 31.12.1995“ (im Fol­gen­den BV 2001), in der ua. Fol­gen­des be­stimmt ist:

„Vor­be­mer­kung

Zwei ak­tu­el­le Anlässe ma­chen Verände­run­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung not­wen­dig. Zum ei­nen wur­de die mit Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 15.12.1995 neu­ge­fass­te be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung der bis zum 31.12.1995 ein­ge­tre­te­nen Mit­ar­bei­ter von ei­nem Ge­richt im Hin­blick dar­auf be­an­stan­det, dass die­se durch Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge bei vor­ge­zo­ge­ner Al­ters­ren­te ein­sei­tig - d. h. oh­ne ei­ne Kom­pen­sa­ti­on - ver­schlech­tert wur­de. Zum an­de­ren wer­den durch die Ren­ten­re­form 2000 die Leis­tun­gen der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung bei vor­zei­ti­gen Ver­sor­gungsfällen (Wit­wen/Wit­we(r)ver­sor­gung, Er­werbs­unfähig­keits­ver­sor­gung) deut­lich ver­schlech­tert. Mit den nach­fol­gend be­schrie­be­nen Ände­run­gen soll bei­den Anlässen Rech­nung ge­tra­gen wer­den. Aus Gründen der Ver­sor­gungs­ge­rech­tig­keit sol­len Mit­ar­bei­ter, die die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te vor Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in An­spruch neh­men, ei­ne ge­rin­ge­re Leis­tung er­hal­ten als die­je­ni­gen, die bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res die höchstmögli­che Be­triebs­treue er­brin­gen. Da­bei soll die Kürzung der Höhe nach li­mi­tiert wer­den. Vor­zei­ti­ge Ver­sor­gungs­leis­tun­gen sol­len durch die Einführung von sog. Zu­rech­nungs­zei­ten deut­lich ver­bes­sert wer­den. Bei­de Verände­run­gen be­wir­ken, dass der vor In­kraft­tre­ten der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 15.12.1995 gel­ten­de Do­tie­rungs­rah­men, der die Wer­tig­keit der be-

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trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung re­präsen­tiert, wie­der her­ge­stellt ist.

Für ren­ten­na­he Jahrgänge ent­fal­len die vor­ge­se­he­nen ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schläge. Für die­sen Per­so­nen­kreis, der von der Ver­schlech­te­rung der ge­setz­li­chen Leis­tun­gen nicht bzw. nicht er­heb­lich be­trof­fen ist, gel­ten auch nicht die Ver­bes­se­run­gen der vor­zei­ti­gen Ver­sor­gungs­leis­tun­gen.

Dies vor­aus­ge­schickt wird ver­ein­bart:

Die zum 31. De­zem­ber 2000 gekündig­te Be­triebs­ver­ein­ba­rung über ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung vom 15. De­zem­ber 1995 wird mit der Maßga­be wie­der in Kraft ge­setzt, dass die fol­gen­den Ände­run­gen ver­ein­bart wer­den:

Art. 1
Ände­run­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 15.12.1995 ...

§ 3 Ab­satz 2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung erhält fol­gen­de Fas­sung:

(2) Nimmt ein Ar­beit­neh­mer die Be­triebs­ren­te vor Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in An­spruch, wer­den die ab dem 01. Ja­nu­ar 1996 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten während der ge­sam­ten Lauf­zeit für je­den Vor­griffs­mo­nat des vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res um 0,4 v.H. pro Mo­nat gekürzt.

Die bis zum 31.12.1995 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten blei­ben un­gekürzt.

...

Art. 2
Gel­tungs­be­reich

Die Ände­run­gen fin­den mit Aus­nah­me der­je­ni­gen des § 5 auf Mit­ar­bei­ter mit Ge­burts­jahr­gang 1945 und da­vor kei­ne An­wen­dung. Für sol­che Mit­ar­bei­ter ent­fal­len die in § 3 Abs. 2 vor­ge­se­he­nen Ab­schläge, eben­so die be­trieb­li­che Zu­rech­nungs­zeit gemäß § 3 Absätze 3 und 4.

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Art. 3
In­kraft­tre­ten / Kündi­gung

Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung tritt mit so­for­ti­ger Wir­kung in Kraft. ...“

Die Be­klag­te zahlt an den Kläger seit dem 1. Mai 2013 ei­ne vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te iHv. 1.324,41 Eu­ro brut­to. Die­se be­rech­net sich auf der Grund­la­ge ei­ner un­gekürz­ten mo­nat­li­chen Al­ters­ren­te von 1.515,10 Eu­ro brut­to. We­gen der um 60 Mo­na­te vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me wur­de die be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te um 24 vH gekürzt, so­weit sie auf den ab dem 1. Ja­nu­ar 1996 er­ar­bei­te­ten An­wart­schaf­ten iHv. 794,56 Eu­ro be­ruht. Dies er­gab ei­nen Kürzungs­be­trag von 190,69 Eu­ro.

Mit sei­ner Kla­ge hat sich der Kläger ge­gen den ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schlag und da­mit die Kürzung sei­ner vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te um mo­nat­lich 190,69 Eu­ro ge­wandt. Er hat gel­tend ge­macht, die in § 3 Abs. 2 BV 1995 bzw. § 3 Abs. 2 BV 2001 vor­ge­se­he­ne Kürzung sei un­rechtmäßig. Es feh­le an ei­nem sach­li­chen Grund, um den Ein­griff in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge der Be­triebs­ren­te durch An­he­bung der Al­ters­gren­ze zu recht­fer­ti­gen. Sei­ne Ver­sor­gungs­ansprüche würden sich wei­ter­hin nach der BV 1992 rich­ten. Die­se se­he kei­ne ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schläge vor. Die ver­schlech­tern­den Re­ge­lun­gen in der BV 1995 und der BV 2001 ver­stießen ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung. Schwer­be­hin­der­te Men­schen würden durch die Kürzung der Be­triebs­ren­te be­nach­tei­ligt, da sie nicht die Möglich­keit hätten, die vol­len Ansprüche aus der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zu er­wer­ben. Für die Mo­na­te Mai 2013 bis Sep­tem­ber 2013 er­ge­be sich ein Nach­zah­lungs­be­trag iHv. 953,45 Eu­ro brut­to.

Der Kläger hat be­an­tragt, 

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 953,45 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 4. Ok­to­ber 2014 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt und die An­sicht ver­tre­ten, 

durch die Re­ge­lun­gen in der BV 1995 und der BV 2001 sei die Rechts­la­ge für

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Männer und Frau­en ver­ein­heit­licht wor­den. Der An­spruch auf die Be­triebs­ren­te sei an die ge­setz­li­che Ren­te ge­kop­pelt ge­we­sen, die Frau­en mit Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res hätten be­an­spru­chen können, Männer hin­ge­gen mit Voll­endung des 63. Le­bens­jah­res. Durch § 3 Abs. 2 BV 1995 und BV 2001 sei die­se Kop­pe­lung auf­ge­ho­ben wor­den, so­dass sämt­li­che Ar­beit­neh­mer un­abhängig vom Ge­schlecht die un­gekürz­te be­trieb­li­che Ren­te erst mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res be­an­spru­chen könn­ten. Dies stel­le ei­nen sach­lich-pro­por­tio­na­len Grund dar, der ei­nen Ein­griff in zukünf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Zuwächse der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten recht­fer­ti­ge. Für die Einführung ei­nes ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schlags sei­en sach­li­che Gründe nicht er­for­der­lich, da durch ei­ne vor­ge­zo­ge­ne In­an­spruch­nah­me der Al­ters­ren­te das in der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge fest­ge­leg­te Verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung zu­las­ten der Be­klag­ten ver­scho­ben würde. Auf ei­ne et­wai­ge fi­nan­zi­el­le Be­las­tung kom­me es in­so­fern nicht an. Die Neu­re­ge­lung führe auch nicht zu ei­ner un­zulässi­gen Be­nach­tei­li­gung we­gen der Schwer­be­hin­de­rung.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­gehrt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on des Klägers ist be­gründet. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­ge­be­nen Be­gründung durf­te die Kla­ge nicht ab­ge­wie­sen wer­den. Auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len, ob die BV 1992 durch die späte­ren Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen wirk­sam ab­gelöst wur­de oder dem Kläger dem Grun­de nach ein An­spruch auf Gewährung ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te nach der BV 1992 seit dem 1. Mai 2013 zu­steht und die Be­klag­te da­her ver­pflich­tet ist, ihm ab dem 1. Mai 2013 mo­nat­lich ei­ne um 190,69 Eu­ro brut­to höhe­re vor­ge-

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zo­ge­ne Al­ters­ren­te zu zah­len. Dies führt zur Auf­he­bung des Be­ru­fungs­ur­teils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurück­ver­wei­sung der Sa­che an das Lan­des­ar­beits­ge­richt zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung (§ 563 Abs. 1 ZPO).

I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zwar zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass die späte­ren Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen durch die Einführung und Auf­recht­er­hal­tung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge bei der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me ei­ner Al­ters­ren­te in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge nach der BV 1992 ein­grei­fen und es dafür sach­lich-pro­por­tio­na­ler Gründe be­darf. De­ren Vor­lie­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt aber mit rechts­feh­ler­haf­ter Be­gründung be­jaht.

1. Die Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge bei der In­an­spruch­nah­me der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res durch die BV 1995 und de­ren Auf­recht­er­hal­tung durch die BV 2001 greift bei gleich­zei­ti­ger Einführung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge nach der BV 1992 ein. Die­ser Ein­griff be­darf zu sei­ner Recht­fer­ti­gung sach­lich-pro­por­tio­na­ler Gründe.

a) Nach den Re­ge­lun­gen der BV 1992 konn­te der Kläger ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ren­te be­an­spru­chen, so­bald er ei­nen An­spruch auf Al­ters­ren­te in vol­ler Höhe aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung hat (Voll­ren­te). Ei­ne ei­genständi­ge fes­te Al­ters­gren­ze für die In­an­spruch­nah­me der Al­ters­ren­te enthält die BV 1992 nicht. Viel­mehr be­steht nach § 2 Buchst. a BV 1992 ein An­spruch auf die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te im­mer dann, wenn der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung als Voll­ren­te hat. Dies er­gibt die Aus­le­gung der BV 1992 (zu den Aus­le­gungs­grundsätzen vgl. BAG 8. De­zem­ber 2015 - 3 AZR 267/14 - Rn. 22; 9. Ok­to­ber 2012 - 3 AZR 539/10 - Rn. 21).

aa) § 2 Buchst. a BV 1992 re­gelt die Vor­aus­set­zun­gen für die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te. Da­nach wird die­se gewährt, wenn der Ar­beit­neh­mer aus der Kas­se - mit­hin aus dem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten - aus­schei­det und zu die-

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sem Zeit­punkt An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te in vol­ler Höhe (Voll­ren­te) aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung hat. Die Be­stim­mung knüpft an die Vor­schrif­ten zum Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung an, oh­ne ei­ne ei­genständi­ge Re­ge­lung zur fes­ten Al­ters­gren­ze zu tref­fen. Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben sich viel­mehr an die Re­ge­lun­gen zur Al­ters­ren­te in § 42 Abs. 1 SGB VI in der am 23. De­zem­ber 1992 gel­ten­den Fas­sung (Ge­setz zur Re­form der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung [Ren­ten­re­form­ge­setz 1992 - RRG 1992] vom 18. De­zem­ber 1989, BGBl. I S. 2261; im Fol­gen­den SGB VI aF) an­ge­lehnt. § 42 Abs. 1 SGB VI aF be­stimm­te, dass ei­ne Al­ters­ren­te, de­ren Vor­aus­set­zun­gen und je­wei­li­ge Al­ters­gren­zen sich aus den §§ 35 bis 41 SGB VI aF er­ga­ben, als Voll­ren­te oder Teil­ren­te in An­spruch ge­nom­men wer­den konn­te. Der Be­griff „Voll­ren­te“ war da­bei nicht als un­gekürz­te, ab­schlags­freie Al­ters­ren­te, son­dern als Ge­gen­satz zu der eben­falls in § 42 Abs. 1 SGB VI aF ge­nann­ten Teil­ren­te zu ver­ste­hen. Die An­knüpfung an die­se so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Be­griff­lich­keit bestätigt auch § 2 Buchst. a Un­terabs. 2 BV 1992, wo­nach kein An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te be­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer von der ge­setz­li­chen Teil­ren­te Ge­brauch macht.

Da­mit ist Vor­aus­set­zung für den Be­zug ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te nach der BV 1992, dass der aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­de­ne Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung als Voll­ren­te hat. Un­er­heb­lich ist hin­ge­gen, wel­che Al­ters­ren­te als Voll­ren­te aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung be­an­sprucht wer­den kann, denn § 2 Buchst. a BV 1992 stellt kei­nen Be­zug zur Re­gel­al­ters­ren­te in § 35 SGB VI aF her.

bb) Auch § 1 Abs. 2 BV 1992 enthält kei­ne ei­genständi­ge Re­ge­lung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze. Zwar ist da­nach Vor­aus­set­zung für ei­nen An­spruch auf Leis­tun­gen nach der BV 1992, dass der Ar­beit­neh­mer spätes­tens am letz­ten Tag des Mo­nats, in dem das 65. Le­bens­jahr voll­endet ist, zehn Jah­re un­un­ter­bro­chen in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zu den So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft ge­stan­den hat und aus dem Dienst zur Kas­se we­gen Al­ters, Er­werbs- oder Be­rufs­unfähig­keit aus­ge­schie­den ist. Die­se Vor­schrift re­gelt je­doch le­dig­lich die

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War­te­zeit von zehn Jah­ren, die der Ar­beit­neh­mer bis zur Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res erfüllt ha­ben muss. Ei­ne fes­te Al­ters­gren­ze ist da­mit nicht be­stimmt.

b) Im Ge­gen­satz da­zu enthält die BV 1995 erst­mals ei­ne fes­te Al­ters­gren­ze. § 2 Buchst. a BV 1995 be­stimmt als fes­te Al­ters­gren­ze die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res. Zu­dem sieht § 3 Abs. 2 BV 1995 vor, dass bei ei­ner vor­zei­ti­gen In­an­spruch­nah­me der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te für je­den Mo­nat, den die­se vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in An­spruch ge­nom­men wird, ein ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schlag iHv. 0,4 vH vor­ge­nom­men wird. Nach der BV 1995 sind die Al­ters­gren­zen der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung da­mit für den An­spruch auf be­trieb­li­che Al­ters­ren­te nicht mehr ent­schei­dend.

2. Durch die Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge für die In­an­spruch­nah­me ei­ner vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te bei gleich­zei­ti­ger Einführung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res wird in die Höhe der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten des Klägers ein­ge­grif­fen. Die­ser Ein­griff be­darf zu sei­ner Recht­fer­ti­gung sach­lich-pro­por­tio­na­ler Gründe im Sin­ne des drei­stu­fi­gen Prüfungs­sche­mas des Se­nats.

a) Re­geln - wie hier - meh­re­re zeit­lich auf­ein­an­der­fol­gen­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen den­sel­ben Ge­gen­stand, gilt zwar das Ablösungs­prin­zip. Da­nach löst ei­ne neue Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ne älte­re grundsätz­lich auch dann ab, wenn die Neu­re­ge­lung für den Ar­beit­neh­mer ungüns­ti­ger ist (st. Rspr., vgl. ua. BAG 29. Ok­to­ber 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BA­GE 103, 187). Das Ablösungs­prin­zip ermöglicht al­ler­dings nicht je­de Ände­rung. So­weit in be­ste­hen­de Be­sitzstände ein­ge­grif­fen wird, sind die Grundsätze des Ver­trau­ens­schut­zes und der Verhält­nismäßig­keit zu be­ach­ten (BAG 10. Fe­bru­ar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 18). Des­halb un­ter­lie­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen, die Ver­sor­gungs­ansprüche aus ei­ner frühe­ren Be­triebs­ver­ein­ba­rung ein­schränken, ei­ner ent­spre­chen­den Rechts­kon­trol­le (vgl. BAG 10. No­vem­ber 2015 - 3 AZR 390/14 - Rn. 16; 29. Ok­to­ber 2002 - 1 AZR 573/01 - aaO; 18. Sep­tem­ber 2001 - 3 AZR 728/00 - zu II 2 c aa der Gründe, BA­GE 99, 75).

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b) Die bei Ein­schnit­ten in Be­triebs­ren­ten­an­wart­schaf­ten zu be­ach­ten­den Grundsätze des Ver­trau­ens­schut­zes und der Verhält­nismäßig­keit hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt durch ein drei­stu­fi­ges Prüfungs­sche­ma präzi­siert (st. Rspr. seit BAG 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - zu B II 3 c der Gründe, BA­GE 49, 57). Den ab­ge­stuf­ten Be­sitzständen der Ar­beit­neh­mer sind ent­spre­chend ab­ge­stuf­te, un­ter­schied­lich ge­wich­te­te Ein­griffs­gründe des Ar­beit­ge­bers ge­genüber­zu­stel­len (BAG 9. De­zem­ber 2008 - 3 AZR 384/07 - Rn. 30). Der un­ter der Gel­tung der bis­he­ri­gen Ord­nung und in dem Ver­trau­en auf de­ren In­halt be­reits er-dien­te und ent­spre­chend § 2 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 Be­trAVG er­mit­tel­te Teil­be­trag kann hier­nach nur in sel­te­nen Aus­nah­mefällen ein­ge­schränkt oder ent­zo­gen wer­den. Der Ein­griff setzt zwin­gen­de Gründe vor­aus. Zuwächse, die sich - wie et­wa bei end­ge­halts­be­zo­ge­nen Zu­sa­gen - dienst­zeit­un­abhängig aus va­ria­blen Be­rech­nungs­fak­to­ren er­ge­ben (er­dien­te Dy­na­mik), können nur aus trif­ti­gen Gründen ge­schmälert wer­den. Für Ein­grif­fe in dienst­zeit­abhängi­ge, noch nicht er­dien­te Zu­wachs­ra­ten genügen sach­lich-pro­por­tio­na­le Gründe (vgl. et­wa BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 25, BA­GE 141, 259).

c) Ob ei­ne späte­re Be­triebs­ver­ein­ba­rung in Be­sitzstände ein­greift und des­halb ei­ne Über­prüfung an­hand des drei­stu­fi­gen Prüfungs­sche­mas er­for­der­lich ist, kann nur im je­wei­li­gen Ein­zel­fall und auf das Ein­zel­fal­l­er­geb­nis be­zo­gen fest­ge­stellt wer­den (vgl. BAG 15. Mai 2012 - 3 AZR 11/10 - Rn. 26, BA­GE 141, 259; 21. April 2009 - 3 AZR 674/07 - Rn. 36). Da­zu ist es er­for­der­lich, die Ver­sor­gungs­ansprüche bzw. -an­wart­schaf­ten nach den bei­den un­ter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­ord­nun­gen zu be­rech­nen und ein­an­der ge­genüber­zu­stel­len. Des­halb kann ins­be­son­de­re bei end­ge­halts­be­zo­ge­nen Ver­sor­gungs­zu­sa­gen re­gelmäßig erst beim Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis fest­ge­stellt wer­den, ob mit der ablösen­den Neu­re­ge­lung in be­ste­hen­de Be­sitzstände ein­ge­grif­fen wird. In die­sen Fällen kann re­gelmäßig erst zu die­sem Zeit­punkt be­ur­teilt wer­den, wel­che Ver­sor­gungs­ord­nung sich als güns­ti­ger er­weist (vgl. für ei­nen Ein­griff in die er­dien­te Dy­na­mik BAG 11. De­zem­ber 2001 - 3 AZR 128/01 - BA­GE 100, 105).

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d) Das drei­stu­fi­ge Prüfungs­sche­ma gilt nur bei Ein­grif­fen in die Höhe der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten. Es lässt sich nicht oh­ne Wei­te­res auf an­de­re Ein­grif­fe in Ver­sor­gungs­rech­te oder sons­ti­ge Ände­run­gen zu­ge­sag­ter Ver­sor­gungs­leis­tun­gen über­tra­gen. Für sol­che Ände­run­gen ist un­mit­tel­bar auf die dem drei­stu­fi­gen Prüfungs­sche­ma zu­grun­de lie­gen­den Grundsätze des Ver­trau­ens­schut­zes und der Verhält­nismäßig­keit zurück­zu­grei­fen (vgl. BAG 30. Sep­tem­ber 2014 - 3 AZR 998/12 - Rn. 27 mwN). Da sich ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ab­schläge - so­fern sie im Ein­zel­fall zum Tra­gen kom­men - auf die Höhe der Ver­sor­gungs­leis­tung aus­wir­ken, ist vor­lie­gend das drei­stu­fi­ge Prüfungs­sche­ma an­zu­wen­den. So­weit der Se­nat an­ge­nom­men hat, die Einführung ei­nes ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schlags könne kei­nen Ein­griff in künf­ti­ge, dienst­zeit-abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge dar­stel­len und folg­lich nicht an­hand des drei­stu­fi­gen Prüfungs­sche­mas über­prüft wer­den (BAG 30. Sep­tem­ber 2014 - 3 AZR 998/12 - Rn. 47; 23. Fe­bru­ar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 53), hält er hier­an nicht mehr fest.

e) Durch die Einführung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res für al­le der Ver­sor­gungs­ord­nung un­ter­fal­len­den Ar­beit­neh­mer un­ter gleich­zei­ti­ger Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge durch die BV 1995 wur­de zwar in die Höhe der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten des Klägers nach der BV 1992 ein­ge­grif­fen. Al­ler­dings liegt we­der ein Ein­griff in den er­dien­ten Teil­be­trag noch in die er­dien­te Dy­na­mik vor. Die Neu­re­ge­lun­gen grei­fen je­doch in künf­ti­ge, noch nicht er­dien­te, dienst­zeit­abhängi­ge Zuwächse des Klägers ein.

aa) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat im Er­geb­nis zu Recht an­ge­nom­men, dass die BV 1995 we­der in den er­dien­ten Teil­be­trag noch in die dar­auf auf­bau­en­de vom Kläger er­dien­te Dy­na­mik ein­greift.

(1) Der er­dien­te Teil­be­trag ist - oh­ne dass es auf die Un­ver­fall­bar­keit der An­wart­schaft im Zeit­punkt der Ablösung ankäme (BAG 14. Ju­li 2015 - 3 AZR 517/13 - Rn. 41 mwN) - nach den Grundsätzen des § 2 Be­trAVG zeit­an­tei­lig zu be­rech­nen (st. Rspr. seit BAG 17. April 1985 - 3 AZR 72/83 - zu B II 3 c (1) der Gründe, BA­GE 49, 57). Er verändert sich nach dem Be­rech­nungs­stich­tag (Ab-

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lösungs­stich­tag) nicht mehr, weil späte­re Verände­run­gen der Be­rech­nungs­grund­la­gen nach § 2 Abs. 5 Be­trAVG außer Be­tracht blei­ben (vgl. nur BAG 24. Ja­nu­ar 2006 - 3 AZR 483/04 - Rn. 49). Zur Be­rech­nung des er­dien­ten Teil­be­trags ist in ei­nem ers­ten Re­chen­schritt die fik­ti­ve Voll­ren­te zu er­mit­teln, die dem Ar­beit­neh­mer un­ter Berück­sich­ti­gung der Verände­rungs­sper­re nach § 2 Abs. 5 Be­trAVG zu­ge­stan­den hätte, wenn sein Ar­beits­verhält­nis bis zur fes­ten Al­ters­gren­ze fort­be­stan­den und die bis­he­ri­gen Ver­sor­gungs­re­ge­lun­gen bis da­hin wei­ter ge­gol­ten hätten. In ei­nem zwei­ten Re­chen­schritt er­folgt ei­ne zeit­an­tei­li­ge Kürzung im Verhält­nis der im maßgeb­li­chen Zeit­punkt tatsächlich er­reich­ten zu der bis zur fes­ten Al­ters­gren­ze er­reich­ba­ren Be­triebs­zu­gehörig­keit.

(2) Bei der er­dien­ten Dy­na­mik folgt der Wert­zu­wachs der An­wart­schaft al­lein der künf­ti­gen Ent­wick­lung va­ria­bler Be­rech­nungs­fak­to­ren. Der Zweck ei­ner sol­chen dienst­zeit­un­abhängi­gen Stei­ge­rung (Dy­na­mik) be­steht nicht dar­in, fort­dau­ern­de Be­triebs­zu­gehörig­keit des Ver­sor­gungs­anwärters pro­por­tio­nal zu vergüten und zum Maßstab der Ren­ten­be­rech­nung zu ma­chen. Viel­mehr geht es dar­um, ei­nen sich wan­deln­den Ver­sor­gungs­be­darf fle­xi­bel zu er­fas­sen. Ei­ne sol­che Dy­na­mik ist im Zeit­punkt der Verände­rung ei­ner Ver­sor­gungs­zu­sa­ge be­reits im Um­fang der bis da­hin ge­leis­te­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit an­tei­lig er-dient, denn in­so­weit hat der Ar­beit­neh­mer die von ihm ge­for­der­te Ge­gen­leis­tung be­reits er­bracht (vgl. BAG 12. Fe­bru­ar 2013 - 3 AZR 636/10 - Rn. 64 mwN). Die er­dien­te Dy­na­mik baut da­bei auf dem er­dien­ten Teil­be­trag auf. Sie be­rech­net sich da­her eben­falls ent­spre­chend § 2 Abs. 1 Be­trAVG un­ter Berück­sich­ti­gung der Verände­rungs­sper­re nach § 2 Abs. 5 Be­trAVG zeit­an­tei­lig; al­ler­dings greift im Hin­blick auf den va­ria­blen Be­rech­nungs­fak­tor der Fest­schrei­be­ef­fekt nach § 2 Abs. 5 Be­trAVG nicht ein (vgl. BAG 23. Fe­bru­ar 2016 - 3 AZR 960/13 - Rn. 42; 10. März 2015 - 3 AZR 56/14 - Rn. 42; 30. Sep­tem­ber 2014 - 3 AZR 998/12 - Rn. 32).

(3) Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt kei­ne Fest­stel­lun­gen zum ver­sor­gungsfähi­gen Ver­dienst des Klägers am Ablösungs­stich­tag 31. De­zem­ber 1995 ge­trof­fen. Dies ist je­doch unschädlich, weil be­reits un­ter Zu­grun­de­le­gung des letz­ten Ver­diens­tes des Klägers vor der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis-

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ses En­de April 2013 kein Ein­griff in die vom Kläger er­dien­te Dy­na­mik vor­liegt. Auch ein Ein­griff in den er­dien­ten Teil­be­trag ist da­nach aus­ge­schlos­sen.

(a) Nach der BV 1992 konn­te der Kläger vom Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zur Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res 38 vol­le Jah­re in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zurück­le­gen und des­halb nach § 3 Abs. 1 BV 1992 ei­ne Be­triebs­ren­te iHv. 30,4 vH (8 vH + 28 x 0,8 vH) sei­ner letz­ten Ge­halts­zu­sa­ge er­rei­chen. Bis zum Zeit­punkt der Ablösung der BV 1992 am 31. De­zem­ber 1995 hat­te der Kläger be­reits 189 Mo­na­te in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten ge­stan­den. Bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res konn­te er höchs­tens 456 Mo­na­te Be­triebs­zu­gehörig­keit er­rei­chen. Dem­nach hat der Kläger zum Zeit­punkt der Ablösung ei­ne Dy­na­mik iHv. 12,6 vH (30,4 vH x 189 Mo­na­te ./. 456 Mo­na­te) sei­ner letz­ten Ge­halts­zu­sa­ge er­dient. Die Vergütung des Klägers beim Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis be­lief sich auf 5.739,00 Eu­ro. Dar­aus er­gibt sich ei­ne er­dien­te Dy­na­mik iHv. 723,11 Eu­ro.

(b) Seit dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls be­zieht der Kläger ei­ne mo­nat­li­che vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te iHv. 1.324,41 Eu­ro. Die­ser Be­trag über­steigt den Be­trag der er­dien­ten Dy­na­mik und da­mit auch den er­dien­ten Teil­be­trag.

(bb) Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt je­doch ei­nen Ein­griff der BV 1995 in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge be­jaht. 

Der Ver­gleich der Leis­tun­gen nach den bei­den Ver­sor­gungs­ord­nun­gen hat be­zo­gen auf den kon­kre­ten Ein­zel­fall des Klägers zu er­fol­gen und zwar un­ter Berück­sich­ti­gung der in sei­nem Fall tatsächlich an­fal­len­den ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schläge. In­so­weit ist es un­er­heb­lich, dass die vom Kläger nach der BV 1992 und der BV 1995 er­reich­ba­re Al­ters­ren­te für den Fall ei­ner Be­triebs­zu­gehörig­keit bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res we­gen der in­so­weit nicht veränder­ten Be­rech­nungs­for­mel gleich­bleibt. Durch die vor­ge­zo­ge­ne In­an­spruch­nah­me vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res muss der Kläger nach der BV 1995 erst­mals ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ab­schläge hin­neh­men, die da­zu führen, dass sei­ne nach dem Ablösestich­tag er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten ge­rin­ger an­stei­gen.

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Die vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te nach der BV 1995 beträgt nach den von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­nen und vom Kläger nicht in Zwei­fel ge­zo­ge­nen Be­rech­nun­gen mo­nat­lich 1.324,41 Eu­ro. Auf der Grund­la­ge der BV 1992 stünde dem Kläger ab dem 1. Mai 2013 hin­ge­gen ei­ne mo­nat­lich um 190,69 Eu­ro höhe­re be­trieb­li­che Al­ters­ren­te iHv. ins­ge­samt 1.515,10 Eu­ro zu.

(cc) Für die­sen Ein­griff in die Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten sind sach­lich-pro­por­tio­na­le Gründe er­for­der­lich. De­ren Vor­lie­gen hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt mit rechts­feh­ler­haf­ter Be­gründung be­jaht.

(1) Die An­wen­dung des un­be­stimm­ten Rechts­be­griffs der sach­lich-pro­por­tio­na­len Gründe ist grundsätz­lich Sa­che des Be­ru­fungs­ge­richts. Die­se Ent­schei­dung kann in der Re­vi­si­on nur be­schränkt dar­auf über­prüft wer­den, ob der Rechts­be­griff selbst ver­kannt, bei der Sub­sum­ti­on des fest­ge­stell­ten Sach­ver­halts un­ter den Rechts­be­griff Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze ver­letzt oder bei der ge­bo­te­nen In­ter­es­sen­abwägung nicht al­le we­sent­li­chen Umstände berück­sich­tigt wor­den sind oder ob das Er­geb­nis in sich wi­dersprüchlich ist (vgl. BAG 10. No­vem­ber 2015 - 3 AZR 390/14 - Rn. 33; 2. Sep­tem­ber 2014 - 3 AZR 951/12 - Rn. 56 mwN).

(2) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die BV 1992 ha­be un­ter­schied­li­che Al­ters­gren­zen für Männer und Frau­en vor­ge­se­hen. Durch die Ver­ein­heit­li­chung der Al­ters­gren­zen für al­le Ar­beit­neh­mer sei die Ent­gelt­gleich­heit von Männern und Frau­en ver­wirk­licht wor­den. Die An­he­bung der Al­ters­gren­ze auf die Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res ha­be zur Fol­ge, dass sich ei­ne In­an­spruch­nah­me der Be­triebs­ren­te nach § 6 Be­trAVG als vor­ge­zo­ge­ne Be­triebs­ren­te er­ge­ben könne. Die­se führe zu ei­ner Ver­schie­bung des in der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge fest­ge­leg­ten Verhält­nis­ses von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung. Auf die­se Störung hätten die Be­triebs­par­tei­en mit der Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge re­agie­ren dürfen. Auch sei es nicht zu be­an­stan­den, dass die Be­triebs­par­tei­en mit der Ver­ein­heit­li­chung der Al­ters­gren­zen für Männer und Frau­en zu­gleich die Al­ters­gren­ze für schwer­be­hin­der­te Men­schen an­ge­ho­ben ha­ben.

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(3) Die­se Be­gründung des Lan­des­ar­beits­ge­richts hält ei­ner recht­li­chen Prüfung nach dem ein­ge­schränk­ten Über­prüfungs­maßstab nicht stand.

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat über­se­hen, dass der Grund­satz der Ent­gelt­gleich­heit der Ge­schlech­ter zwar die Fest­le­gung ei­ner ein­heit­li­chen fes­ten Al­ters­gren­ze für Männer und Frau­en, nicht je­doch die erst­ma­li­ge Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge für al­le Ar­beit­neh­mer im Fall der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te recht­fer­ti­gen kann. Der da­mit ein­her­ge­hen­de erst­ma­li­ge Ein­griff in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge steht in kei­nem Zu­sam­men­hang mit der Ent­gelt­gleich­heit von Männern und Frau­en. Nach der BV 1992 hing die Höhe der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te al­lein vom Ge­halt und der bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls er­reich­ten Be­triebs­zu­gehörig­keit ab. So­weit Männer vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te in An­spruch ge­nom­men ha­ben, führ­te dies zu kei­nen Un­ter­schie­den bei der Be­rech­nung der Al­ters­ren­te im Ver­gleich zu Frau­en. We­der Männer noch Frau­en hat­ten ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ab­schläge hin­zu­neh­men.

(4) Sons­ti­ge Gründe für die Recht­fer­ti­gung des Ein­griffs hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht ge­prüft. Sie sind auf der Grund­la­ge des bis­he­ri­gen Sach­vor­trags der Be­klag­ten auch nicht er­sicht­lich.

II. Der Rechts­feh­ler des Lan­des­ar­beits­ge­richts führt zur Auf­he­bung des an­ge­foch­te­nen Ur­teils und zur Zurück­ver­wei­sung des Rechts­streits an das Lan­des­ar­beits­ge­richt.

1. Das an­ge­foch­te­ne Ur­teil stellt sich nicht aus an­de­ren Gründen als rich­tig dar (§ 561 ZPO). Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist es dem Kläger nicht des­halb nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ver­wehrt, sich auf die Un­wirk­sam­keit der Ablösung zu be­ru­fen, weil er als langjähri­ger Vor­sit­zen­der bzw. stell­ver­tre­ten­der Vor­sit­zen­der des Be­triebs­rats an den ablösen­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen mit­ge­wirkt, die­se un­ter­zeich­net und über Jah­re nicht in­fra­ge ge­stellt hat.

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Das Ver­hal­ten des Klägers in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­vor­sit­zen der oder stell­ver­tre­ten­der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der kann ihn bei der Ausübung und Gel­tend­ma­chung sei­ner ihm persönlich zu­ste­hen­den Rechts­po­si­tio­nen nicht bin­den. Dies gilt um­so mehr, als der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de nach § 26 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG den Be­triebs­rat im Rah­men der von die­sem ge­fass­ten Be­schlüsse ver­tritt (vgl. BAG 3. Ju­li 2013 - 4 AZR 138/12 - Rn. 50).

2. Auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen ist die Sa­che nicht zur End­ent­schei­dung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Es steht noch nicht fest, ob sich die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te nach den Re­ge­lun­gen der BV 1992 rich­tet oder ob die­se wirk­sam durch die BV 2001 ab­gelöst wur­de.

a) Ob­schon die Ablösung der BV 1992 durch die BV 1995 auf der Grund­la­ge der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen nicht wirk­sam er­folg­te, rich­tet sich die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te des Klägers nur dann nach der BV 1992, wenn die­se nicht durch die BV 2001 wirk­sam ab­gelöst wur­de. Die BV 2001 greift zu dem für sie maßgeb­li­chen Ablösungs­zeit­punkt De­zem­ber 2001 zwar we­der in den er­dien­ten Teil­be­trag noch in die vom Kläger bis da­hin er­dien­te Dy­na­mik ein. Ob der durch sie er­folg­te Ein­griff in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge durch sach­lich-pro­por­tio­na­le Gründe ge­recht­fer­tigt ist, kann der Se­nat aber nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len.

aa) Durch die Einführung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res für al­le der Ver­sor­gungs­ord­nung un­ter­fal­len­den Ar­beit­neh­mer un­ter gleich­zei­ti­ger Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge durch die BV 2001 wur­de zwar in die Höhe der Ver­sor­gungs­an­wart­schaf­ten des Klägers nach der BV 1992 ein­ge­grif­fen. Al­ler­dings liegt we­der ein Ein­griff in den er­dien­ten Teil­be­trag noch in die er­dien­te Dy­na­mik vor. Die Neu­re­ge­lun­gen grei­fen aber in künf­ti­ge, vom Kläger noch nicht er­dien­te, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge ein.

(1) Die BV 2001 greift we­der in den im De­zem­ber 2001 er­dien­ten Teil­be­trag noch in die dar­auf auf­bau­en­de, vom Kläger er­dien­te Dy­na­mik ein. Zwar hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt - von sei­nem Rechts­stand­punkt aus fol­ge­rich­tig - kei-

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ne Fest­stel­lun­gen zum Ver­dienst des Klägers zum Zeit­punkt der Ablösung der BV 1992 durch die BV 2001 im De­zem­ber 2001 ge­trof­fen. Dies ist je­doch unschädlich, weil be­reits un­ter Zu­grun­de­le­gung des Ver­diens­tes bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses En­de April 2013 kein Ein­griff in die vom Kläger er­dien­te Dy­na­mik vor­liegt. Ein Ein­griff in den er­dien­ten Teil­be­trag ist da­nach eben­falls aus­ge­schlos­sen.

Nach der BV 1992 konn­te der Kläger vom Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses bis zur Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res 38 vol­le Jah­re in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten zurück­le­gen und des­halb nach § 3 Abs. 1 BV 1992 ei­ne Be­triebs­ren­te iHv. 30,4 vH (8 vH + 28 x 0,8 vH) sei­ner letz­ten Ge­halts­zu­sa­ge er­rei­chen. Bis zum Zeit­punkt der Ablösung der BV 1992 durch die BV 2001 im De­zem­ber 2001 hat­te der Kläger 261 Mo­na­te in ei­nem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten ge­stan­den. Bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res konn­te er höchs­tens ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keit von 456 Mo­na­ten er­rei­chen. Dem­nach hat­te er zum Zeit­punkt der Ablösung ei­ne Dy­na­mik iHv. 17,4 vH (30,4 vH x 261 Mo­na­te ./. 456 Mo­na­te) sei­ner letz­ten Ge­halts­zu­sa­ge er­dient. Die Vergütung des Klägers beim Aus­schei­den aus dem Ar­beits­verhält­nis be­lief sich auf 5.739,00 Eu­ro. Dar­aus er­gibt sich ei­ne er­dien­te Dy­na­mik iHv. 998,59 Eu­ro. Die­ser Be­trag ist ge­rin­ger als die von der Be­klag­ten seit dem 1. Mai 2013 ge­zahl­te vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te.

(2) Die BV 2001 greift je­doch - eben­so wie die BV 1995 - in die künf­ti­gen, dienst­zeit­abhängi­gen Stei­ge­rungs­beträge ein. Die vor­ge­zo­ge­ne Al­ters­ren­te nach der BV 2001 beträgt - wie bei An­wen­dung der BV 1995 - mo­nat­lich 1.324,41 Eu­ro. Auf der Grund­la­ge der BV 1992 stünde dem Kläger ab dem 1. Mai 2013 je­doch ei­ne mo­nat­lich um 190,69 Eu­ro höhe­re be­trieb­li­che Al­ters­ren­te iHv. ins­ge­samt 1.515,10 Eu­ro zu.

bb) Zur Recht­fer­ti­gung die­ses Ein­griffs be­darf es sach­lich-pro­por­tio­na­ler Gründe. Ob die­se ge­ge­ben sind, kann der Se­nat nicht ab­sch­ließend be­ur­tei­len.

(1) Die Be­klag­te hat im Rechts­streit - gestützt auf die Präam­bel der BV 2001 - vor­ge­tra­gen, die BV 2001 die­ne da­zu, den Do­tie­rungs­rah­men wie­der

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her­zu­stel­len, wie er vor In­kraft­tre­ten der BV 1995 be­stan­den ha­be. Trotz der Einführung ei­ner fes­ten Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res un­ter gleich­zei­ti­ger Einführung ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schläge und der da­mit ver­bun­de­nen Kos­ten­ein­spa­run­gen sol­le der Do­tie­rungs­rah­men da­durch er­hal­ten blei­ben, dass die Leis­tun­gen bei vor­zei­ti­gen Ver­sor­gungsfällen (In­va­li­dität und Tod) ver­bes­sert würden. Dies sol­le da­durch er­fol­gen, dass Zu­rech­nungs­zei­ten für die Be­triebs­zu­gehörig­keit bis zur Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res ge­schaf­fen wer­den. Da­mit ha­be auf ver­schlech­tern­de Re­ge­lun­gen in der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung re­agiert wer­den sol­len.

(2) Aus­ge­hend von die­sem bis­lang nicht ver­tief­ten und vom Lan­des­ar­beits­ge­richt nicht gewürdig­ten Vor­brin­gen, ist es nicht aus­ge­schlos­sen, dass die Be­triebs­par­tei­en, de­nen bei der Be­ur­tei­lung der dem Ein­griff zu­grun­de lie­gen­den tatsächli­chen Ge­ge­ben­hei­ten und der fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen der er­grif­fe­nen Maßnah­men ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve zu­steht und die hin­sicht­lich der Aus­ge­stal­tung des Ge­samt­kon­zepts ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum ha­ben (vgl. BAG 9. De­zem­ber 2014 - 3 AZR 323/13 - Rn. 37, BA­GE 150, 147), vor­lie­gend zulässi­ger­wei­se ei­ne neue ge­stal­ten­de Ver­tei­lungs­ent­schei­dung ge­trof­fen ha­ben. Da­mit könn­te ein sach­lich-pro­por­tio­na­ler Grund ge­ge­ben sein.

Zwar lie­gen in ei­nem sol­chen Fall we­der wirt­schaft­li­che Gründe für den Ein­griff noch ei­ne Fehl­ent­wick­lung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung vor (vgl. da­zu BAG 10. No­vem­ber 2015 - 3 AZR 390/14 - Rn. 35 ff., 39). Bei lang­fris­tig wir­ken­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen über die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung kann sich die Si­tua­ti­on er­ge­ben, dass die­se späte­ren Ge­ge­ben­hei­ten und veränder­ten Wert­vor­stel­lun­gen nicht mehr ent­spre­chen. Die Be­triebs­par­tei­en, de­nen durch § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 Be­trVG ein Ge­stal­tungs­auf­trag er­teilt wur­de, müssen da­her die Möglich­keit ha­ben, auf sol­che Ände­run­gen für die Zu­kunft zu re­agie­ren. Vor­aus­set­zung ist je­doch, dass der Do­tie­rungs­rah­men im We­sent­li­chen zu­min­dest gleich hoch bleibt und der Ein­griff für die nach­tei­lig be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer­grup­pe zu­mut­bar ist.

b) Der Rechts­streit ist auch nicht zu­guns­ten des Klägers ent­schei­dungs­reif.

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aa) Die Neu­re­ge­lun­gen des Ver­sor­gungs­wer­kes durch die BV 1995 und die BV 2001 sind nicht des­halb un­wirk­sam, weil die Höhe des vor­ge­se­he­nen ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schlags un­an­ge­mes­sen wäre.

(1) Nach § 3 Abs. 2 BV 1995 wie auch nach § 3 Abs. 2 BV 2001 wer­den die ab dem 1. Ja­nu­ar 1996 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten während des ge­sam­ten Be­zugs der vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te für je­den Mo­nat der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me um 0,4 vH gekürzt. Die bis zum 31. De­zem­ber 1995 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten blei­ben hin­ge­gen un­berührt.

(2) Nach der Recht­spre­chung des Se­nats ent­spre­chen die Re­geln zur Be­rech­nung der vor­ge­zo­ge­nen Al­ters­ren­te bil­li­gem Er­mes­sen, wenn sie ei­ne auf­stei­gen­de Be­rech­nung oder zeitra­tier­li­che Kürzung ei­ner­seits und ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ab­schläge in Höhe von ma­xi­mal 0,5 vH für je­den Mo­nat der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me vor­se­hen (BAG 17. Ju­ni 2008 - 3 AZR 783/06 - Rn. 23 mwN). Vor­lie­gend ha­ben die Be­triebs­par­tei­en die­sen Rah­men ein­ge­hal­ten, zu­mal sie die vor dem 1. Ja­nu­ar 1996 er­wor­be­nen An­wart­schaf­ten von der Kürzung aus­ge­nom­men ha­ben.

bb) Die Neu­re­ge­lun­gen in der BV 1995 und der BV 2001 sind - ent­ge­gen der An­sicht des Klägers - auch nicht des­halb un­wirk­sam, weil sie ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­ner Be­hin­de­rung nach §§ 1, 7 AGG oder ei­ner Schwer­be­hin­de­rung nach § 81 Abs. 2 SGB IX iVm. dem All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­setz ver­s­toßen. Die Re­ge­lun­gen der ablösen­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen führen nicht da­zu, dass der Kläger un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf­grund sei­ner Be­hin­de­rung oder Schwer­be­hin­de­rung an­ders oder schlech­ter be­han­delt wird als nicht be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer.

(1) Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 AGG ent­hal­te­nen Ver­wei­sung auf das Be­triebs­ren­ten­ge­setz auch für die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung, so­weit das Be­triebs­ren­ten­recht nicht vor­ran­gi­ge Son­der­re­ge­lun­gen enthält (vgl. BAG 15. Ok­to­ber 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 30; 11. De­zem­ber 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BA­GE 125, 133). Letz­te­res ist hier nicht der Fall.

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(2) Das Ge­setz fin­det auch in zeit­li­cher Hin­sicht An­wen­dung, ob­wohl die ablösen­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen vor sei­nem In­kraft­tre­ten ab­ge­schlos­sen wur­den. Das Ar­beits­verhält­nis des Klägers be­stand bei In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes am 18. Au­gust 2006 (Art. 4 des Ge­set­zes zur Um­set­zung eu­ropäischer Richt­li­ni­en zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung vom 14. Au­gust 2006, verkündet am 17. Au­gust 2006, BGBl. I S. 1897); das führt zur An­wend­bar­keit des Ge­set­zes (vgl. BAG 15. Ok­to­ber 2013 - 3 AZR 653/11 - Rn. 31; 15. Sep­tem­ber 2009 - 3 AZR 294/09 - Rn. 28 und 37).

(3) Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung des Klägers we­gen der Be­hin­de­rung iSv. § 3 Abs. 1 AGG, das der Um­set­zung der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. EG L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S. 16; im Fol­gen­den RL 2000/78/EG) dient, liegt nicht vor. Da­mit schei­det auch ein Ver­s­toß ge­gen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, der ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­hin­de­rung ver­bie­tet, aus.

(a) Ei­ne un­mit­tel­ba­re Un­gleich­be­hand­lung ist nicht nur ge­ge­ben, wenn die we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung aus­drück­lich we­gen ei­nes in § 1 AGG auf­geführ­ten Grun­des er­folgt. Von § 3 Abs. 1 AGG wird viel­mehr auch ei­ne sog. ver­deck­te un­mit­tel­ba­re Un­gleich­be­hand­lung er­fasst. Ei­ne sol­che liegt vor, wenn nach ei­nem schein­bar ob­jek­ti­ven, nicht dis­kri­mi­nie­ren­den Kri­te­ri­um un­ter­schie­den wird, das je­doch in un­trenn­ba­rem Zu­sam­men­hang mit ei­nem in § 1 AGG ge­nann­ten Grund steht und da­mit ka­te­go­ri­al aus­sch­ließlich Träger des Dis­kri­mi­nie­rungs­merk­mals trifft (vgl. BAG 10. De­zem­ber 2014 - 7 AZR 1002/12 - Rn. 43, BA­GE 150, 165; 19. De­zem­ber 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 46, BA­GE 147, 60; 12. No­vem­ber 2013 - 9 AZR 484/12 - Rn. 14; BT-Drs. 16/1780 S. 32; da­zu auch BVerfG 28. April 2011 - 1 BvR 1409/10 - Rn. 54, BVerfGK 18, 401; EuGH 12. Ok­to­ber 2010 - C-499/08 - [An­der­sen] Rn. 23, Slg. 2010, I-9343).

(b) Da­nach lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner un­mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­hin­de­rung oder Schwer­be­hin­de­rung nicht vor.

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We­der die BV 1995 noch die BV 2001 knüpfen un­mit­tel­bar an die Be­hin­de­rung oder Schwer­be­hin­de­rung an. In bei­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen wur­de ei­ne ein­heit­li­che fes­te Al­ters­gren­ze mit der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res und ein ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­scher Ab­schlag un­ter­schieds­los für al­le Ar­beit­neh­mer ein­geführt, die vor dem Er­rei­chen der fes­ten Al­ters­gren­ze aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­den und ei­ne vor­ge­zo­ge­ne be­trieb­li­che Al­ters­ren­te in An­spruch neh­men. Der Kläger erfährt we­gen sei­ner Be­hin­de­rung oder Schwer­be­hin­de­rung kei­ne an­de­re Be­hand­lung als ein ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on. Auch der nicht be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer, der vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te in An­spruch nimmt, muss ei­ne Kürzung sei­ner Be­triebs­ren­te auf­grund der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te hin­neh­men.

(4) Die Kürzung der be­trieb­li­chen Al­ters­ren­te um ei­nen ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­schen Ab­schlag be­wirkt auch kei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung iSd. § 3 Abs. 2 AGG we­gen ei­ner Be­hin­de­rung oder Schwer­be­hin­de­rung.

(a) Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt ei­ne un­zulässi­ge mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ge­genüber an­de­ren Per­so­nen in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Rechtmäßiges Ziel im Sin­ne von § 3 Abs. 2 AGG ist je­des le­gi­ti­me Ziel, das von ei­nem be­rech­tig­ten In­ter­es­se ge­tra­gen wird. Ge­eig­net ist die Dif­fe­ren­zie­rung, wenn durch sie das an­ge­streb­te Ziel er­reicht wer­den kann. Er­for­der­lich ist sie, wenn es bei glei­cher Er­folgs­ge­eig­net­heit kein mil­de­res Mit­tel gibt. An­ge­mes­sen ist die Dif­fe­ren­zie­rung, wenn auf­grund ei­ner Zweck-Mit­tel-Re­la­ti­on die Schwe­re des Ein­griffs im Verhält­nis zur Be­deu­tung des Ziels zurück­tritt (BAG 22. Ju­ni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 38, BA­GE 138, 166). Rechtmäßige Zie­le iSd. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b RL 2000/78/EG können al­le von der Rechts­ord­nung an­er­kann­ten Gründe sein, die nicht ih­rer­seits dis­kri­mi­nie­rend sind (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 59 ff.,

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Slg. 2009, I-1569; BAG 10. De­zem­ber 2014 - 7 AZR 1002/12 - Rn. 50, BA­GE 150, 165; 18. Sep­tem­ber 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 23, BA­GE 149, 125).

§ 3 Abs. 2 AGG enthält zwar - an­ders als § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG - nach sei­nem Wort­laut nicht aus­drück­lich das Er­for­der­nis „ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on“. Da al­ler­dings das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG der spe­zi­fi­sche Aus­druck des all­ge­mei­nen Gleich­heits­sat­zes ist und die Grundsätze der Gleich­be­hand­lung und der Nicht­dis­kri­mi­nie­rung ge­ne­rell ver­lan­gen, dass glei­che Sach­ver­hal­te nicht un­ter­schied­lich und un­ter­schied­li­che Sach­ver­hal­te nicht gleich be­han­delt wer­den, es sei denn, dass ei­ne der­ar­ti­ge Be­hand­lung ob­jek­tiv ge­recht­fer­tigt ist (vgl. ua. EuGH 20. Sep­tem­ber 2007 - C-116/06 - [Ki­iski] Rn. 54, Slg. 2007, I-7643; 26. Ju­ni 2001 - C-381/99 - [Brunn­ho­fer] Rn. 28, Slg. 2001, I-4961), ist auch bei ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung die Fra­ge nach ei­ner „ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on“ bzw. ei­ner „ver­gleich­ba­ren La­ge“ von Be­deu­tung (vgl. ua. EuGH 28. Ju­ni 2012 - C-172/11 - [Er­ny] Rn. 39 ff.; 16. Ju­li 2009 - C-537/07 - [Gómez-Limón] Rn. 54 ff., Slg. 2009, I-6525; 12. Ok­to­ber 2004 - C-313/02 - [Wip­pel] Rn. 56 f., Slg. 2004, I-9483; BAG 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 21). Die Si­tua­tio­nen müssen nicht iden­tisch, son­dern nur ver­gleich­bar sein. Dies ist nicht all­ge­mein und abs­trakt, son­dern spe­zi­fisch und kon­kret von den na­tio­na­len Ge­rich­ten im Ein­zel­fall an­hand des Zwecks und der Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung der frag­li­chen Leis­tun­gen fest­zu­stel­len (EuGH 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 52, Slg. 2011, I-3591).

(b) Dar­an ge­mes­sen führt der ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ab­schla­ge­ben­falls nicht zu ei­ner mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung des Klägers. Auch dem nicht be­hin­der­ten Ar­beit­neh­mer, der vor der Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res die be­trieb­li­che Al­ters­ren­te in An­spruch nimmt, wird sei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ren­te auf­grund der vor­ge­zo­ge­nen In­an­spruch­nah­me nur gekürzt gewährt. An­de­re nicht be­hin­der­te Ar­beit­neh­mer, die - wie der Kläger - be­reits mit der Voll­endung des 60. Le­bens­jah­res ei­ne Al­ters­ren­te aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung als Voll­ren­te be­zie­hen können, gibt es nicht. Da­her fehlt es in­so­weit an ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on nicht be­hin­der­ter Ar­beit­neh­mer.

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Ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung ent­steht auch nicht des­halb, weil schwer­be­hin­der­te Men­schen er­fah­rungs­gemäß auf­grund ih­rer Be­hin­de­rung eher von den Möglich­kei­ten ei­ner In­an­spruch­nah­me ih­rer ge­setz­li­chen Ren­te Ge­brauch ma­chen als an­de­re. Men­schen, die wei­ter ar­bei­ten und des­halb bei Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls ei­ne länge­re Be­triebs­zu­gehörig­keit auf­wei­sen, ha­ben auch ei­ne höhe­re Ge­gen­leis­tung für ih­re Be­triebs­ren­te er­bracht. Das schließt die An­nah­me ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on aus. Der Kläger ver­langt letzt­lich auf­grund sei­ner Schwer­be­hin­de­rung ei­ne ihn begüns­ti­gen­de Be­hand­lung, mit­hin ei­ne po­si­ti­ve Maßnah­me. Das ist nach § 5 AGG zulässig; ei­ne da­hin­ge­hen­de Rechts­pflicht be­steht je­doch nicht.

Et­was an­de­res folgt auch nicht aus der RL 2000/78/EG. Die­se sieht in ih­rem Art. 5 ei­ne Pflicht zu an­ge­mes­se­nen Vor­keh­run­gen für be­hin­der­te Men­schen nur vor, so­weit es um den Zu­gang zur Beschäfti­gung, die Ausübung ei­nes Be­ru­fes, den be­ruf­li­chen Auf­stieg und die Teil­nah­me an Aus- und Wei­ter­bil­dungs­maßnah­men geht. Vor­keh­run­gen bei der Be­rech­nung der Be­triebs­ren­te, die der Ab­si­che­rung nach dem Aus­schei­den aus dem Er­werbs­le­ben dient, sind hier­von nicht er­fasst.

(5) Im Hin­blick auf den kla­ren Wort­laut der RL 2000/78/EG und die durch die her­an­ge­zo­ge­ne Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on be­reits er­folg­te Aus­le­gung des Uni­ons­rechts be­darf es kei­nes Vor­la­ge­ver­fah­rens an den Ge­richts­hof nach Art. 267 AEUV (vgl. zu den Vor­la­ge­vor­aus­set­zun­gen EuGH 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415).

III. Im neu­er­li­chen Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu prüfen ha­ben, ob für den Ein­griff in künf­ti­ge, dienst­zeit­abhängi­ge Stei­ge­rungs­beträge durch die BV 2001 sach­lich-pro­por­tio­na­le Gründe vor­lie­gen. Da­bei wird es - so­weit der von den Par­tei­en, ins­be­son­de­re der von der Be­klag­ten zu er­war­ten­de Sach­vor­trag hier­zu An­lass gibt -, zu prüfen ha­ben, ob durch die BV 2001 der ursprüng­li­che Do­tie­rungs­rah­men, wie er der BV 1992 zu­grun­de lag, wie­der her­ge­stellt wur­de und die Be­triebs­par­tei­en in­so­weit ei­ne neue ge­stal­ten­de Ver­tei­lungs­ent­schei­dung ge­trof­fen ha­ben. Die Wirk­sam­keit der Ablösung der BV 1992 durch die BV 1995 wird das Lan­des­ar­beits­ge­richt nur dann noch­mals

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zu prüfen ha­ben, wenn die Be­klag­te hier­zu neu­en berück­sich­ti­gungsfähi­gen Vor­trag zum Vor­lie­gen sach­lich-pro­por­tio­na­ler Gründe hält.

IV. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt wird auch über die Kos­ten der Re­vi­si­on zu ent­schei­den ha­ben.

Zwan­zi­ger
Spin­ner
Ah­rendt
Busch
A. Will

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