HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 15.10.2013, 3 AZR 294/11

   
Schlagworte: Betriebliche Altersversorgung, Betriebsrente, Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 294/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.10.2013
   
Leitsätze:

1. Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, die den Anspruch auf Witwen-/Witwerrente davon abhängig macht, dass die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen wurde, verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.

2. Macht eine Versorgungszusage den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung davon abhängig, dass die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen wurde, sind nicht nur diejenigen Versorgungsberechtigten von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen, die nach Eintritt des Versorgungsfalls erstmalig eine Ehe schließen. Auch Versorgungsberechtigte, die nach Eintritt des Versorgungsfalls geschieden werden und sich wiederverheiraten, haben keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung. Dies gilt auch dann, wenn sie ihren geschiedenen Ehegatten erneut heiraten.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht München, Urteil vom 30.6.2010 - 19 Ca 13895/09
Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 1.2.2011 - 6 Sa 1078/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


3 AZR 294/11
6 Sa 1078/10
Lan­des­ar­beits­ge­richt

München

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
15. Ok­to­ber 2013

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen


Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­ter, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. Ok­to­ber 2013 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gräfl, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Schlewing, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Spin­ner so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen Knüttel und Dr. Möller für Recht er­kannt:



- 2 -

Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts München vom 1. Fe­bru­ar 2011 - 6 Sa 1078/10 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Kläger hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, beim Ab­le­ben des Klägers an des­sen Ehe­frau B ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung zu zah­len.


Der am 21. Ok­to­ber 1929 ge­bo­re­ne Kläger war vom 1. Ju­li 1976 bis zum 31. De­zem­ber 1992 zunächst bei der M GmbH und später bei de­ren Rechts­nach­fol­ge­rin, der E GmbH beschäftigt. Die M GmbH hat­te dem Kläger Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nach der „Ver­sor­gungs­ord­nung vom 11.02.1974, geändert am 30. Ju­ni 1983, Neu­fas­sung vom 02.06.1992“ (im Fol­gen­den: VO MBB) des Be­klag­ten, ei­ner Un­terstützungs­kas­se, zu­ge­sagt. In der VO MBB heißt es:


Ver­sor­gungs­ord­nung
...
1. Die­se Ver­sor­gungs­ord­nung re­gelt die be­trieb­li­che Al-ters­ver­sor­gung der Begüns­tig­ten (Mit­ar­bei­te­rin­nen/ Mit­ar­bei­ter und Rent­ne­rin­nen/Rent­ner) der Ver­sor­gungs­kas­se der M GmbH e. V. - im fol­gen­den VK MBB ge­nannt - de­nen gemäß Sat­zung Ver­sor­gung zu gewähren ist. ...


§ 1 Leis­tungs­ar­ten

Als be­trieb­li­che Ver­sor­gungs­leis­tun­gen wer­den gewährt:
 

 

- 3 -  

a) an Mit­ar­bei­te­rin­nen/Mit­ar­bei­ter:
Al­ters­ren­ten § 7

In­va­li­den­ren­ten § 8


b) an de­ren Hin­ter­blie­be­ne:
Wit­wen-/
Wit­wer­ren­ten § 9
Wai­sen­ren­ten § 10


...
§ 6
Höhe der Ver­sor­gungs­leis­tun­gen

1. Die Höhe der be­trieb­li­chen Ver­sor­gungs­leis­tung rich­tet sich bei al­len Leis­tungs­ar­ten nach den an­re­chen­ba­ren Dienst­jah­ren (§ 4) und dem ver­sor­gungsfähi­gen Ein­kom­men (§ 5).

...
3. Die Hin­ter­blie­be­nen­ren­ten be­tra­gen:
- als Wit­wen- /Wit­wer­ren­te oder 60 v. H.
...
der Ren­te der Mit­ar­bei­te­rin/des Mit­ar­bei­ters.
...


§ 7
Al­ters­ren­te

1. Al­ters­ren­te wird gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Ge­sell­schaft stand und das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist (Ver­sor­gungs­fall).

2. Al­ters­ren­te wird vor­zei­tig gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter vor Voll­endung ih­res/sei­nes 65. Le­bens­jah­res das Al­ters­ru­he­geld aus der deut­schen ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch nimmt und aus dem Be­ruf aus­schei­det (Ver­sor­gungs­fall); Teil­ren­te wird nicht gewährt.
...

§ 8
In­va­li­den­ren­te

1. In­va­li­den­ren­te wird gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter we­gen Be­rufs-
 


- 4 -


oder Er­werbs­unfähig­keit im Sin­ne der deut­schen ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung aus den Diens­ten der Ge­sell­schaft aus-schei­det (Ver­sor­gungs­fall).
...

1. Wit­wen­ren­te wird beim Tod ei­nes Mit­ar­bei­ters (Ver­sor­gungs­fall) der über­le­ben­den Ehe­frau gewährt, wenn die Ehe bis zum Tod be­stan­den hat. Wit­wen­ren­te wird auch beim Tod ei­nes Rent­ners der hin­ter­las­se­nen Ehe­frau gewährt, wenn die Ehe vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­fal­les ge­schlos­sen wur­de und bis zum To­de be­stan­den hat.

2. Die Wit­wen­ren­te er­lischt mit Ab­lauf des Mo­nats, in dem die Wit­we sich wie­der ver­hei­ra­tet. Bei der Wie­der­ver­hei­ra­tung wird ei­ne Ab­fin­dung von 18 Mo­nats­ren­ten gewährt.

3. Wit­wer­ren­ten wer­den ent­spre­chend Zif­fer 1 und 2 dem über­le­ben­den Ehe­mann ei­ner Mit­ar­bei­te­rin oder ei­ner Rent­ne­rin gewährt.
 


§ 13
Härtefälle

In Härtefällen kann von den Be­stim­mun­gen der vor­lie­gen­den Ver­sor­gungs­ord­nung zu­guns­ten des Begüns­tig­ten ab­ge­wi­chen wer­den.
...“


Der Kläger be­zieht seit dem 1. Ja­nu­ar 1993 vom Be­klag­ten ei­ne Al­ters­ren­te nach der VO MBB iHv. der­zeit 1.052,00 Eu­ro.


Der Kläger und B hat­ten am 12. Sep­tem­ber 1959 ge­hei­ra­tet. Die Ehe wur­de am 7. De­zem­ber 1993 oh­ne Ver­sor­gungs­aus­gleich ge­schie­den. Am 23. Sep­tem­ber 1996 ging der Kläger ei­ne wei­te­re Ehe mit ei­ner an­de­ren Frau ein. Die­se Ehe wur­de am 13. Au­gust 2002 eben­falls oh­ne Ver­sor­gungs­aus­gleich ge­schie­den. Am 18. Ju­ni 2008 hei­ra­te­ten der Kläger und B er­neut.
 


- 5 -

Mit Schrei­ben vom 18. Ju­li 2008 teil­te die E GmbH dem Kläger mit, dass sei­ne Ehe­frau B bei sei­nem Ab­le­ben kei­nen An­spruch auf ei­ne Wit­wen­ren­te nach der VO MBB ha­be, da die Ehe erst nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Kläger ge­schlos­sen wor­den sei.


Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, sein An­spruch auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nach der VO MBB um­fas­se auch ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau B, wes­halb der Be­klag­te ver­pflich­tet sei, bei sei­nem Ab­le­ben an die­se nach der VO MBB ei­ne Wit­wen­ren­te zu zah­len. Der An­spruch fol­ge aus § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB. Er sei be­reits vor sei­nem Ru­he­stand mit sei­ner jet­zi­gen Ehe­frau ver­hei­ra­tet ge­we­sen. Es sei un­er­heb­lich, dass die ers­te Ehe nach sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand ge­schie­den wor­den sei. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 O MBB kom­me es nicht auf den Zeit-punkt der Wie­der­hei­rat im Jahr 2008, son­dern auf den Zeit­punkt der ers­ten Ehe­sch­ließung im Jahr 1959 an. Mit der Wie­der­hei­rat sei kein neu­es Ver­sor­gungs­ri­si­ko ge­schaf­fen wor­den. Im Übri­gen sei der Aus­schluss von Ehe­gat­ten, die der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­te erst nach dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ge­hei­ra­tet ha­be, von der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung we­gen Ver­s­toßes ge­gen das AGG so­wie ge­gen Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG un­wirk­sam. Je­den­falls sei der Be­klag­te nach § 13 VO MBB ver­pflich­tet, von den Vor­ga­ben des § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ab­zu­wei­chen und sei­ner Ehe­frau B bei sei­nem Ab­le­ben ei­ne Wit­wen­ren­te zu zah­len.

Der Kläger hat zu­letzt sinn­gemäß be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass sein An­spruch auf Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung gemäß der Ver­sor­gungs­ord­nung der Ver­sor­gungs­kas­se der MBB GmbH e. V. auch ei­nen An­spruch auf Wit­wen­ren­te zu­guns­ten sei­ner über­le­ben­den Ehe­frau B um­fasst.


Der Be­klag­te hat Kla­ge­ab­wei­sung be­an­tragt. 


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit der Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen An­trag wei­ter. Der Be­klag­te be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.
 


- 6 -

Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben die Kla­ge zu Recht ab­ge­wie­sen. Die zulässi­ge Kla­ge ist un­be­gründet. Der Be­klag­te ist nicht ver­pflich­tet, beim Ab­le­ben des Klägers an des­sen Ehe­frau B ei­ne Wit­wen­ren­te zu zah­len.


A. Die Fest­stel­lungs­kla­ge ist zulässig. 

Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de.


I. Der Kla­ge­an­trag ist auf die Fest­stel­lung ei­nes zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­den Rechts­verhält­nis­ses iSd. § 256 ZPO ge­rich­tet.


Zwar können nach die­ser Be­stim­mung nur Rechts­verhält­nis­se Ge­gen­stand ei­ner Fest­stel­lungs­kla­ge sein, nicht hin­ge­gen bloße Ele­men­te oder Vor-fra­gen ei­nes Rechts­verhält­nis­ses. Ei­ne Fest­stel­lungs­kla­ge muss sich al­ler­dings nicht not­wen­dig auf ein Rechts­verhält­nis ins­ge­samt er­stre­cken, son­dern kann sich auf ein­zel­ne Be­zie­hun­gen oder Fol­gen aus ei­nem Rechts­verhält­nis, auf be­stimm­te Ansprüche oder Ver­pflich­tun­gen so­wie auf den Um­fang ei­ner Leis­tungs­pflicht be­schränken (BAG 28. Ju­ni 2011 - 3 AZR 448/09 - Rn. 18; 10. Fe­bru­ar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 12). Vor­lie­gend geht es um die Fra­ge, ob der Be­klag­te ver­pflich­tet ist, beim Ab­le­ben des Klägers an des­sen Ehe­frau B ei­ne Wit­wen­ren­te nach der VO MBB zu zah­len. Bei die­ser Ver­pflich­tung han­delt es sich um ein Rechts­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en und nicht um ein Rechts­verhält­nis zwi­schen dem Be­klag­ten und der Ehe­frau des Klägers. Die M GmbH hat­te dem Kläger nicht nur ei­ne Al­ters­ren­te, son­dern auch ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung zu­ge­sagt. Im Hin­blick auf die Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung han­delt es sich bei der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge um ei­nen Ver­trag zu­guns­ten Drit­ter (BGH 27. Fe­bru­ar 1961 - II ZR 60/59 - Rn. 11; BAG 26. Au­gust 1997 - 3 AZR 235/96 - zu A II 1 der Gründe, BA­GE 86, 216; 29. Ja­nu­ar 1991 - 3 AZR
 


- 7 -

85/90 - zu III 2 der Gründe). Empfänger des Ver­sor­gungs­ver­spre­chens ist der Kläger. Des­halb kann er nach § 335 BGB selbst das Recht auf die ver­spro­che­ne Leis­tung gel­tend ma­chen. Sei­ne Hin­ter­blie­be­nen sind le­dig­lich Begüns­tig­te, die erst durch sei­nen Tod ein For­de­rungs­recht er­wer­ben (vgl. BAG 26. Au­gust 1997 - 3 AZR 235/96 - aaO).


II. Der Kläger hat auch ein In­ter­es­se an als­bal­di­ger Fest­stel­lung der Leis­tungs­pflicht des Be­klag­ten, da die­ser ei­ne Ver­pflich­tung zur Er­brin­gung von Wit­wen­ren­te an sei­ne Ehe­frau in Ab­re­de stellt.


B. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Der Be­klag­te ist nicht ver­pflich­tet, beim Ab­le­ben des Klägers an des­sen Ehe­frau B ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ren­te nach der VO MBB zu zah­len. Die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB sind nicht erfüllt, da die für den An­spruch auf Wit­wen­ren­te maßgeb­li­che (zwei­te) Ehe des Klägers mit B erst zu ei­nem Zeit­punkt ge­schlos­sen wur­de, als die­ser be­reits Ver­sor­gungs­leis­tun­gen nach der VO MBB be­zog. Der durch § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­wirk­te Aus­schluss erst während des Ru­he­stan­des ge­hei­ra­te­ter Ehe­gat­ten von der Wit­wen­ver­sor­gung ist wirk­sam. Der Be­klag­te ist auch nicht nach § 13 VO MBB ver­pflich­tet, von der Re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB zu­guns­ten des Klägers und sei­ner Ehe­frau ab­zu­wei­chen.


I. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­steht kein An­spruch des Klägers auf Zah­lung von Wit­wen­ren­te an sei­ne Ehe­frau B. Die ers­te Ehe des Klägers mit B wur­de zwar vor dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls „Al­ter“ beim Kläger ge­schlos­sen. Sie be­steht je­doch nicht bis zu sei­nem Tod, da sie ge­schie­den wur­de. Die zwei­te Ehe des Klägers mit B wur­de erst im Jahr 2008 und da­mit zu ei­nem Zeit­punkt ge­schlos­sen, zu dem der Kläger be­reits ei­ne Al­ters­ren­te nach § 7 VO MBB vom Be­klag­ten be­zog. Ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des Klägers ist § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB nicht da­hin aus­zu­le­gen, dass es im Fal­le der Wie­der­hei­rat des­sel­ben Ehe­part­ners auf die ers­te Ehe­sch­ließung an­kommt. Viel­mehr be­steht ein An­spruch auf Wit­wen­ren­te dann nicht, wenn die Wit­wen­ei­gen­schaft aus ei­ner Ehe herrührt, die nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten ge­schlos­sen wur­de. Mit dem „Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls“ iSd. § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ist - ent­ge­gen der An­sicht des

- 8 -

Klägers - nicht der in § 9 Abs. 1 Satz 1 VO MBB ge­re­gel­te Ver­sor­gungs­fall „Tod des Mit­ar­bei­ters“ ge­meint, son­dern der Ein­tritt ei­nes Ver­sor­gungs­falls iSv. § 1 Buchst. a) VO MBB iVm. §§ 7 und 8 VO MBB beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter.


1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 VO MBB wird Wit­wen­ren­te beim Tod ei­nes Mit­ar­bei­ters (Ver­sor­gungs­fall) der über­le­ben­den Ehe­frau gewährt, wenn die Ehe bis zum Tod be­stan­den hat. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB wird Wit­wen­ren­te auch beim Tod ei­nes Rent­ners der hin­ter­las­se­nen Ehe­frau gewährt, wenn die Ehe vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls ge­schlos­sen wur­de und bis zum To­de be­stan­den hat. Mit der Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen der über­le­ben­den Ehe­frau ei­nes „Mit­ar­bei­ters“ und der hin­ter­las­se­nen Ehe­frau ei­nes „Rent­ners“ un­ter­schei­det § 9 Abs. 1 VO MBB für den An­spruch auf Wit­wen­ren­te da­nach, ob der Ver­sor­gungs­fall „Tod“ während des lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis­ses des Mit­ar­bei­ters (§ 9 Abs. 1 Satz 1 VO MBB) oder erst zu ei­nem Zeit­punkt ein­tritt, zu dem der ver­sor­gungs­be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter be­reits aus dem ak­ti­ven Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den ist und selbst be­trieb­li­che Ver­sor­gungs­leis­tun­gen nach der VO MBB be­zieht (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB). Da der ver­stor­be­ne ver­sor­gungs­be­rech­tig­te Ehe­gat­te nicht gleich­zei­tig „Mit­ar­bei­ter“ und „Rent­ner“ sein kann und die Ehe den­knot­wen­dig vor dem Ab­le­ben des Ehe­gat­ten ge­schlos­sen wor­den sein muss, kann es sich bei dem in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­stimm­ten „Ver­sor­gungs­fall“ nicht um den in § 9 Abs. 1 Satz 1 VO MBB ge­nann­ten Ver­sor­gungs­fall „Tod des Mit­ar­bei­ters“ han­deln. Des­halb kann mit dem Ver­sor­gungs­fall iSv. § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB nur ei­ner der in § 7 Abs. 1 und Abs. 2 so­wie in § 8 Abs. 1 VO MBB ge­re­gel­ten Ver­sor­gungsfälle der „Al­ter“ und „In­va­li­dität“ ge­meint sein. Der An­spruch auf Wit­wen­ren­te setzt da­her vor­aus, dass die Ehe ge­schlos­sen wur­de, be­vor der ver­sor­gungs­be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter selbst Ver­sor­gungs­leis­tun­gen nach der VO MBB be­zog und dass die­se Ehe bis zum Tod des Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten fort­be­steht.


Dies ent­spricht Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB. Die Re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB dient dem Ziel, den Kreis der an­spruchs­be­rech­tig­ten Hin­ter­blie­be­nen auf Per­so­nen zu be­schränken, hin­sicht­lich

- 9 -

de­rer der Ver­sor­gungs­be­darf noch vor dem Be­zug von Ver­sor­gungs­leis­tun­gen durch den ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter an­ge­legt war. Auf die­se Ver­sor­gungs­ri­si­ken sol­len die Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers be­grenzt wer­den (vgl. für den Fall ei­ner auf Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­stel­len­den Späte­hen­klau­sel BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 73 ff., BA­GE 134, 89; vgl. für den Fall ei­ner auf die Voll­endung des 50. Le­bens­jah­res ab­stel­len­den Späte­hen­klau­sel BAG 28. Ju­li 2005 - 3 AZR 457/04 - zu II 2 a bb (1) der Gründe, BA­GE 115, 317). Für nach dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter ge­schaf­fe­ne Ver­sor­gungs­ri­si­ken soll der Ar­beit­ge­ber nicht auf­kom­men. Wird ei­ne Ehe ge­schie­den, kann sich das Ri­si­ko der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung aus die­ser Ehe nicht mehr rea­li­sie­ren. Auch im Fal­le ei­ner Schei­dung und ei­ner er­neu­ten Hei­rat kann sich das in ers­ter Ehe an­ge­leg­te Ver­sor­gungs­ri­si­ko nicht mehr rea­li­sie­ren, son­dern nur das aus der letz­ten Ehe fol­gen­de Ver­sor­gungs­ri­si­ko. Dies gilt auch dann, wenn die er­neu­te Hei­rat mit dem frühe­ren Ehe­part­ner er­folgt. Auch dann kann sich das in der ers­ten Ehe an­ge­leg­te Ver­sor­gungs­ri­si­ko nicht mehr ver­wirk­li­chen. Viel­mehr wird mit der wei­te­ren Ehe ein neu­es Ver­sor­gungs­ri­si­ko be­gründet. Auch die­ses Ri­si­ko soll nach den Be­stim­mun­gen der VO MBB nicht über­nom­men wer­den, wenn die wei­te­re Ehe erst nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter ge­schlos­sen wird.


2. § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB kann nicht da­hin ergänzend aus­ge­legt wer­den, dass ein An­spruch auf Wit­wen­ren­te be­steht, wenn der ver­sor­gungs­be­rech­tig­te Mit­ar­bei­ter sei­ne ge­schie­de­ne Ehe­frau, mit der er während des Ar­beits­verhält­nis­ses ver­hei­ra­tet war, im Ru­he­stand er­neut hei­ra­tet. Ei­ne ergänzen­de Aus­le­gung setzt ei­ne plan­wid­ri­ge Re­ge­lungslücke vor­aus. Dar­an fehlt es. Durch die Re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB sol­len die Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers im Hin­blick auf das Wit­wen­geld auf Ri­si­ken be­grenzt wer­den, die vor dem Ein­tritt ei­nes Ver­sor­gungs­falls iSd. §§ 7 und 8 VO MBB beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten be­reits an­ge­legt wa­ren. Da­mit wer­den al­le Wit­wen aus Ehen, die erst während des Be­zugs von Al­ters- oder In­va­li­den­ren­te durch den Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten ge­schlos­sen wur­den, von der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung aus­ge­nom­men. Des­halb können Ehen, die der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­te



- 10 -

erst während sei­nes Be­zugs be­trieb­li­cher Ver­sor­gungs­leis­tun­gen nach der VO MBB schließt, un­abhängig da­von, ob er die Per­son ehe­licht, mit der er be­reits ein­mal ver­hei­ra­tet war oder ob er die Ehe mit ei­ner drit­ten Per­son ein­geht, von vorn­her­ein kein Ver­sor­gungs­ri­si­ko be­gründen, das von der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung nach der VO MBB ab­ge­deckt wer­den soll.


II. Der durch § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­wirk­te Aus­schluss von der Wit­wen­ver­sor­gung für den Fall, dass die Ehe erst während des Leis­tungs­be­zugs des ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ters ge­schlos­sen wird, ist wirk­sam. Die Be­stim­mung hält ei­ner Über­prüfung an­hand der Maßstäbe des AGG stand. Sie führt auch un­ter Be­ach­tung der grund­recht­li­chen Wer­tun­gen der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG nicht zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung iSv. §§ 307 ff. BGB.


1. Die Aus­schluss­re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ist nicht nach § 7Abs. 2 AGG un­wirk­sam.

a) Das AGG ist an­wend­bar. 


aa) Das AGG gilt trotz der in § 2 Abs. 2 Satz 2 ent­hal­te­nen Ver­wei­sung auf das Be­triebs­ren­ten­ge­setz auch für die be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung, so­weit das Be­triebs­ren­ten­recht nicht vor­ran­gi­ge Son­der­re­ge­lun­gen enthält (BAG 11. De­zem­ber 2007 - 3 AZR 249/06 - Rn. 22, BA­GE 125, 133). Letz­te­res ist nicht der Fall.

bb) Das AGG ist auch in zeit­li­cher Hin­sicht an­wend­bar. Sei­ne An­wen­dung setzt vor­aus, dass un­ter sei­nem zeit­li­chen Gel­tungs­be­reich ein Rechts­verhält­nis zwi­schen dem Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten und dem Ver­sor­gungs­schuld­ner be­stand. Da­bei ist zwar auf den Beschäftig­ten (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG) und nicht auf den Hin­ter­blie­be­nen ab­zu­stel­len. Al­ler­dings ist nicht er­for­der­lich, dass zum maßgeb­li­chen Zeit­punkt noch ein Ar­beits­verhält­nis be­stand. Aus­rei­chend ist viel­mehr, wenn der Ar­beit­neh­mer mit un­ver­fall­ba­rer An­wart­schaft aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­ge­schie­den oder Ver­sor­gungs­empfänger ist und das da­mit be­gründe­te Rechts­verhält­nis bei oder nach In­kraft­tre­ten des AGG noch be­steht


- 11 -

bzw. be­stand. Das Aus­schei­den mit un­ver­fall­ba­rer An­wart­schaft und ein An­spruch auf Be­triebs­ren­te be­gründen ein ver­sor­gungs­recht­li­ches Dau­er­schuld­verhält­nis zwi­schen dem aus­ge­schie­de­nen Ar­beit­neh­mer und dem ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber. Die An­wart­schaft ver­pflich­tet den Ar­beit­ge­ber, nach den Re­geln der Ver­sor­gungs­ord­nung das Ver­sor­gungs­ri­si­ko ab­zu­de­cken. Die­ses ak­tua­li­siert sich mit Ein­tritt des Ver­sor­gungs- oder Nach­ver­sor­gungs­falls. Da der Kläger auch nach In­kraft­tre­ten des AGG am 18. Au­gust 2006 (Art. 4 Satz 1 des Ge­set­zes zur Um­set­zung eu­ropäischer Richt­li­ni­en zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung vom 14. Au­gust 2006 - BGBl. I S. 1897) Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung vom Be­klag­ten be­zieht, mit­hin Be­triebs­rent­ner ist, be­steht das für die An­wend­bar­keit des AGG er­for­der­li­che Rechts­verhält­nis.


b) Der durch § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­wirk­te Aus­schluss erst im Ru­he­stand ge­hei­ra­te­ter Ehe­gat­ten von der Wit­wen­ver­sor­gung verstößt nicht ge­gen das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG und ist des­halb nicht nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Die Re­ge­lung führt we­der zu ei­ner un­mit­tel­ba­ren noch zu ei­ner un­zulässi­gen mit­tel­ba­ren Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters.


aa) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftig­te nicht we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des - ua. we­gen des Al­ters - be­nach­tei­ligt wer­den. Un­zulässig sind un­mit­tel­ba­re und mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gun­gen. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung vor, wenn dem An­schein nach neu­tra­le Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren Per­so­nen we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ge­genüber an­de­ren Per­so­nen in be­son­de­rer Wei­se be­nach­tei­li­gen können, es sei denn, die be­tref­fen­den Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder Ver­fah­ren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel sind zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Be­stim­mun­gen in Ver­ein­ba-


- 12 -

run­gen, die ge­gen das Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG ver­s­toßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam.

bb) Da der in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB vor­ge­se­he­ne Aus­schluss von der Wit­wen­ver­sor­gung für den Fall, dass die Ehe erst nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter ge­schlos­sen wur­de, nicht an das Le­bens­al­ter an­knüpft und auch nicht un­mit­tel­bar auf die­sem Merk­mal be­ruht, schei­det ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters aus. Ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung we­gen des Al­ters iSv. § 3 Abs. 2 AGG liegt eben­falls nicht vor. § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ist durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels sind an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Dies schließt den Tat­be­stand ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung nach § 3 Abs. 2 AGG aus.


(1) Der durch § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB be­wirk­te Aus­schluss von der Wit­wen­ver­sor­gung für den Fall, dass die Ehe erst während des Be­zugs be­trieb­li­cher Ver­sor­gungs­leis­tun­gen durch den ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter ge­schlos­sen wur­de, ist durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt.


§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ver­folgt das Ziel, die Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers auf Ri­si­ken zu be­gren­zen, die an­ge­legt wur­den, be­vor der Ver­sor­gungs­be­rech­tig­te selbst Ver­sor­gungs­leis­tun­gen nach § 1 Buchst. a) VO MBB be­zieht. Da­bei han­delt es sich zwar nicht um ein Ziel aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. EG L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S. 16, im Fol­gen­den: RL 2000/78/EG), die durch das AGG in das na­tio­na­le Recht um­ge­setzt wur­de. Das rechtmäßige Ziel, das über das Vor­lie­gen ei­ner mit­tel­ba­ren Dis­kri­mi­nie­rung ent­schei­det, muss je­doch kein le­gi­ti­mes Ziel iSd. Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG sein, son­dern schließt auch an­de­re von der Rechts­ord­nung an­er­kann­te Gründe für die Ver­wen­dung des neu­tra­len Kri­te­ri­ums ein (vgl. EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 66, Slg. 2009, I-1569; BAG 11. De­zem­ber 2012 - 3 AZR 634/10 - Rn. 21 mwN).

- 13 -

Das Ziel, die Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers auf Ri­si­ken zu be­gren­zen, die vor dem Be­zug be­trieb­li­cher Ver­sor­gungs­leis­tun­gen durch den ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter an­ge­legt wa­ren, ist rechtmäßig iSd. § 3 Abs. 2 AGG. Der Ar­beit­ge­ber ent­schei­det bei ei­ner von ihm fi­nan­zier­ten be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung frei über de­ren Einführung. Ent­schließt er sich hier­zu, so ist er frei in der Ent­schei­dung, für wel­che der in § 1 Abs. 1 Be­trAVG ge­nann­ten Ver­sor­gungsfälle er Leis­tun­gen zu­sagt und wie hoch er die ent­spre­chen­de Leis­tung do­tiert. Er kann Leis­tun­gen der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ver­spre­chen, ei­ne Rechts­pflicht hier­zu trifft ihn nicht. Aus die­sem Grund ist er grundsätz­lich auch be­rech­tigt, die Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung von zusätz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen abhängig zu ma­chen und da­mit Per­so­nen, die die­se Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllen, von der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung aus­zu­sch­ließen (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 74 mwN, BA­GE 134, 89).


Ei­ne Be­gren­zung des Krei­ses der an­spruchs­be­rech­tig­ten Drit­ten durch zusätz­li­che an­spruchs­be­gründen­de oder be­son­de­re an­spruchs­aus­sch­ließen­de Merk­ma­le liegt ge­ra­de im Be­reich der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung nah, weil ein da­hin­ge­hen­des Leis­tungs­ver­spre­chen zusätz­li­che Unwägbar­kei­ten und Ri­si­ken mit sich bringt. Die­se be­tref­fen nicht nur den Zeit­punkt des Leis­tungs­falls, son­dern auch die Dau­er der Leis­tungs­er­brin­gung. Vor die­sem Hin­ter­grund hat der Ar­beit­ge­ber ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, die mit der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ver­bun­de­nen zusätz­li­chen Ri­si­ken zu be­gren­zen, um sie kal­ku­lier­bar zu hal­ten. Die Zu­sa­ge ei­ner Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ist Teil ei­ner um­fas­sen­den Ver­sor­gungs­re­ge­lung. Durch die Zu­sa­ge soll der Ar­beit­neh­mer in der Sor­ge um die fi­nan­zi­el­le La­ge sei­ner Hin­ter­blie­be­nen ent­las­tet wer­den. Die Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung nach dem Be­triebs­ren­ten­ge­setz knüpft an das ty­pi­sier­te Ver­sor­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers an. Die­ser hat ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, die von ihm frei­wil­lig ein­geführ­te Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung auf ei­nen Per­so­nen­kreis zu be­schränken, hin­sicht­lich des­sen der Ver­sor­gungs­be­darf be­reits vor dem Leis­tungs­be­zug des ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ters an­ge­legt war. In­so­weit ist der Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls bei dem Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten für den Ver­sor­gungs­schuld­ner ei­ne we­sent­li­che Zäsur und da­mit ein sach­ge­rech­ter An­knüpfungs­punkt für Re­ge­lun­gen der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor-
 


- 14 -

gung. Mit dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls bei dem Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten en­det ty­pi­scher­wei­se das Ar­beits­verhält­nis zum Ar­beit­ge­ber. Hier­von ge­hen auch die §§ 7 und 8 VO MBB aus. Nach § 7 Abs. 1 VO MBB wird Al­ters­ren­te gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter bis zur Voll­endung des 65. Le­bens­jah­res in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zur Ge­sell­schaft stand und das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist (Ver­sor­gungs­fall). Nach § 7 Abs. 2 VO MBB wird Al­ters­ren­te vor­zei­tig gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter vor Voll­endung sei­nes 65. Le­bens­jah­res das Al­ters­ru­he­geld aus der deut­schen ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung in An­spruch nimmt und aus dem Be­ruf aus­schei­det (Ver­sor­gungs­fall). In­va­li­den­ren­te wird nach § 8 Abs. 1 VO MBB gewährt, wenn die Mit­ar­bei­te­rin/der Mit­ar­bei­ter we­gen Be­rufs- oder Er­werbs­unfähig­keit im Sin­ne der deut­schen ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung aus den Diens­ten der Ge­sell­schaft aus­schei­det. Die Le­bens­ge­stal­tung des Ar­beit­neh­mers ab die­sem Zeit­punkt kann der Ar­beit­ge­ber bei der Ab­gren­zung sei­ner Leis­tungs­pflich­ten un­berück­sich­tigt las­sen. Das gilt ins­be­son­de­re des­halb, weil bei der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung - an­ders als bei der Al­ters- und In­va­li­ditäts­ver­sor­gung, bei der der An­spruchs­be­rech­tig­te von vorn­her­ein fest­steht - der Kreis der Begüns­tig­ten in der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge aus­drück­lich fest­ge­legt wer­den muss. War der Ver­sor­gungs­be­darf al­ler­dings durch Ehe­sch­ließung vor dem Ein­tritt des ei­ge­nen Ver­sor­gungs­falls des Mit­ar­bei­ters an­ge­legt, geht es nicht mehr um Ri­si­koüber­nah­me, son­dern dar­um, dafür ein­zu­ste­hen, wenn sich ein über­nom­me­nes Ri­si­ko ver­wirk­licht. Wird die Ehe hin­ge­gen ge­schie­den, entfällt das über­nom­me­ne Ri­si­ko und kann sich nicht mehr ver­wirk­li­chen.

(2) Die Vor­aus­set­zung, dass die Ehe vor dem ei­ge­nen Leis­tungs­be­zug des ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ters ge­schlos­sen wor­den sein muss, ist zur Er­rei­chung des Ziels, die Leis­tungs­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers auf Ri­si­ken zu be­gren­zen, die vor dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten an­ge­legt wa­ren, an­ge­mes­sen und er­for­der­lich. Die an­ge­streb­te zulässi­ge Ri­si­ko­be­gren­zung kann durch ei­ne an­de­re Re­ge­lung nicht er­reicht wer­den.


cc) § 9 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 3 VO MBB be­wirkt auch kei­ne un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts.
 


- 15 -

Da das Er­for­der­nis, dass die Ehe vor dem ei­ge­nen Be­zug be­trieb­li­cher Ver­sor­gungs­leis­tun­gen durch die ver­sor­gungs­be­rech­tig­te Mit­ar­bei­te­rin/den ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­ter ge­schlos­sen wor­den sein muss, auch im Hin­blick auf das Merk­mal „Ge­schlecht“ als neu­tra­les Kri­te­ri­um for­mu­liert ist, kommt von vorn­her­ein nur ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung iSd. § 3 Abs. 2 AGG in Be­tracht. Dafür, dass der Aus­schluss­tat­be­stand des § 9 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 3 VO MBB zu ei­ner stärke­ren Be­trof­fen­heit der An­gehöri­gen ei­nes Ge­schlechts führt, gibt es in­des kei­ne An­halts­punk­te. Im Übri­gen schei­det ei­ne mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung aus den un­ter Rn. 29 - 33 dar­ge­leg­ten Gründen be­reits tat­be­stand­lich aus.


2. Da Art. 2 der RL 2006/54/EG und Art. 141 EG (nun­mehr: Art. 157 AEUV) so­wie die das nun­mehr in Art. 21 Abs. 1 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on nie­der­ge­leg­te primärrecht­li­che Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters kon­kre­ti­sie­ren­de Richt­li­nie 2000/78/EG durch das AGG in das na­tio­na­le Recht um­ge­setzt wur­den und die Prüfungs­maßstäbe nach den §§ 7, 3 und 1 AGG die glei­chen sind wie bei den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 82, BA­GE 134, 89), verstößt § 9 Abs. 1 Satz 2 iVm. Abs. 3 VO MBB auch nicht ge­gen Uni­ons­recht.


3. Die Re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ist nicht nach den Vor­schrif­ten der §§ 307 ff. BGB un­wirk­sam. Es kann da­hin­ste­hen, ob die­se Re­ge­lun­gen auf die Be­stim­mun­gen der VO MBB über­haupt an­wend­bar sind, was vom Be­klag­ten in Ab­re­de ge­stellt wird. Der in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ent­hal­te­ne Aus­schluss von der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung für den Fall, dass die Ehe erst nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer ge­schlos­sen wur­de, hält - auch un­ter Be­ach­tung der grund­recht­li­chen Wer­tun­gen der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG - ei­ner Über­prüfung an­hand der Maßstäbe der §§ 307 ff. BGB stand.


a) § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB ist nicht nach § 308 Nr. 4 BGB un­wirk­sam. Da­nach ist in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen ins­be­son­de­re un­wirk­sam die Ver­ein­ba­rung ei­nes Rechts des Ver­wen­ders, die ver­spro­che­ne Leis­tung zu ändern oder von ihr ab­zu­wei­chen, wenn nicht die Ver­ein­ba­rung der Ände­rung
 


- 16 -

oder Ab­wei­chung un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ver­wen­ders für den an­de­ren Ver­trags­teil zu­mut­bar ist.

§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB gibt we­der dem Ar­beit­ge­ber noch dem Be­klag­ten die Möglich­keit, ei­ne ver­spro­che­ne Wit­wen­ren­te ein­sei­tig ab­zuändern oder von dem Ver­sor­gungs­ver­spre­chen ab­zu­wei­chen. Die Be­stim­mung schränkt viel­mehr von vorn­her­ein den Kreis de­rer, die ei­nen An­spruch auf Wit­wen­ver­sor­gung er­wer­ben können, auf die­je­ni­gen Per­so­nen ein, die die Ehe be­reits vor Be­ginn des Leis­tungs­be­zugs des ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mers ge­schlos­sen ha­ben und legt da­mit den In­halt der ver­spro­che­nen Leis­tung im Hin­blick auf den Kreis der mögli­chen An­spruchs­be­rech­tig­ten erst fest (vgl. auch BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 58, BA­GE 134, 89).

b) Der Kläger wird durch § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB - auch un­ter Be­ach­tung der grund­recht­li­chen Wer­tun­gen der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG - nicht un­an­ge­mes­sen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB be­nach­tei­ligt.


aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen un­wirk­sam, wenn sie den Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders ent­ge­gen Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gen. Un­an­ge­mes­sen ist je­de Be­ein­träch­ti­gung ei­nes recht­lich an­er­kann­ten In­ter­es­ses des Ar­beit­neh­mers, die nicht durch be­gründe­te und bil­li­gens­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ge­recht­fer­tigt oder durch gleich­wer­ti­ge Vor­tei­le aus­ge­gli­chen wird. Bei der da­nach er­for­der­li­chen wech­sel­sei­ti­gen Berück­sich­ti­gung und Be­wer­tung der recht­lich an­zu­er­ken­nen­den In­ter­es­sen der Ver­trags­par­tei­en ist ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der, vom Ein­zel­fall los­gelöster Maßstab an­zu­le­gen (vgl. BAG 13. De­zem­ber 2011 - 3 AZR 791/09 - Rn. 22). Da­bei sind auch grund­recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen zu be­ach­ten (vgl. BAG 20. März 2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 29).


bb) Da­nach führt § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB nicht zu ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung des Klägers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
 


- 17 -

Die Re­ge­lung in § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB trägt dem be­rech­tig­ten In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers Rech­nung, die be­son­de­ren Ri­si­ken, die mit der Zu­sa­ge ei­ner Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ver­bun­den sind, zu be­gren­zen, um sie bes­ser kal­ku­lier­bar zu ma­chen. Da­zu wird der Kreis der an­spruchs­be­rech­tig­ten Hin­ter­blie­be­nen auf Per­so­nen be­schränkt, hin­sicht­lich de­rer der Ver­sor­gungs­be­darf vor dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten an­ge­legt war und bis zu des­sen Tod fort­be­stand. Da­durch wer­den auch die In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer an­ge­mes­sen berück­sich­tigt.


Die grund­recht­li­chen Wer­tun­gen der Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG er­for­dern kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung.


Die aus § 9 Abs. 1 VO MBB fol­gen­de un­ter­schied­li­che Be­hand­lung von Wit­wen da­nach, ob die Schei­dung der Ehe und die Wie­der­hei­rat mit dem Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten während des­sen ak­ti­ver Beschäfti­gungs­zeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1 VO MBB) oder nach Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mer (§ 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB) er­folgt sind, ist durch das be­rech­tig­te In­ter­es­se des die Ver­sor­gung ver­spre­chen­den Ar­beit­ge­bers, den Kreis der an­spruchs­be­rech­tig­ten Hin­ter­blie­be­nen auf Per­so­nen zu be­schränken, hin­sicht­lich de­rer der Ver­sor­gungs­be­darf vor dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten an­ge­legt war, sach­lich ge­recht­fer­tigt. So­weit der Kläger Un­gleich­be­hand­lun­gen rügt, die an verpönte Merk­ma­le iSd. § 1 AGG an­knüpfen, enthält Art. 3 Abs. 1 GG kei­ne wei­ter­ge­hen­den An­for­de­run­gen als § 3 AGG (BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 84, BA­GE 134, 89).


Die An­for­de­rung, dass die Ehe vor dem Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten ge­schlos­sen wor­den sein muss, wi­der­spricht auch nicht dem Ver­bot des Art. 6 Abs. 1 GG, die Ehe zu schädi­gen oder sonst zu be­ein­träch­ti­gen. Ehe­part­nern ent­steht durch die­se Ein­schränkung kein Nach­teil, den sie oh­ne die Hei­rat nicht ge­habt hätten. Das Aus­blei­ben ei­nes er­hoff­ten Vor­teils ist kein recht­li­cher Nach­teil (vgl. BAG 20. April 2010 - 3 AZR 509/08 - Rn. 83, BA­GE 134, 89). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt kei­ne Pflicht, dem über­le­ben­den Ehe­gat­ten ei­nen An­spruch auf ei­ne Hin­ter­blie­be­nen­ren­te ein­zu-

- 18 -

räum­en (BVerfG 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 - Rn. 18 mwN, BVerfGK 17, 120).

Aus Art. 14 Abs. 1 GG er­gibt sich nichts an­de­res. Zwar schützt die Ei­gen­tums­ga­ran­tie nicht nur ding­li­che oder sons­ti­ge ge­genüber Je­der­mann all-ge­mein wir­ken­de Rechts­po­si­tio­nen, son­dern auch schuld­recht­li­che Ansprüche und so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Ren­ten­ansprüche und Ren­ten­an­wart­schaf­ten, die im Gel­tungs­be­reich des Grund­ge­set­zes er­wor­ben wur­den (vgl. BVerfG 8. Mai 2012 - 1 BvR 1065/03, 1 BvR 1082/03 - Rn. 41 mwN, BVerfGE 131, 66). Des­halb sind grundsätz­lich auch un­ver­fall­ba­re An­wart­schaf­ten auf ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung so­wie Be­triebs­ren­ten­ansprüche der Ver­sor­gungs­empfänger ei­gen­tums­recht­lich geschützt (BVerfG 17. De­zem­ber 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 - Rn. 22; BAG 19. Ju­ni 2012 - 3 AZR 464/11 - Rn. 32 mwN). Die­ser Schutz reicht je­doch nur so weit, wie Ansprüche be­reits be­ste­hen; er ver­schafft die­se nicht (BVerfG 17. De­zem­ber 2012 - 1 BvR 488/10, 1 BvR 1047/10 - aaO). Wie weit der Ei­gen­tums­schutz reicht, hängt da­mit vom In­halt der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge ab. Bloße Chan­cen und Er­war­tun­gen wer­den nicht geschützt. Über die Aus­ge­stal­tung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung ent­schei­den die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en, Be­triebs­part­ner oder Ta­rif­ver­trags­par­tei­en. Ei­ne über die ein­geräum­ten Ansprüche hin­aus­ge­hen­de Rechts­po­si­ti­on gewähr­leis­tet Art. 14 Abs. 1 GG nicht (BAG 24. Fe­bru­ar 2004 - 3 AZR 10/02 - zu B II 1 c der Gründe; 22. Fe­bru­ar 2000 - 3 AZR 108/99 - zu I 5 b der Gründe). Vor­lie­gend ist der Wit­wen­geld­an­spruch nach dem In­halt der Ver­sor­gungs­zu­sa­ge auf die Fälle be­schränkt, dass die zur Wit­wen­ei­gen­schaft führen­de Ehe vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls beim Ver­sor­gungs­be­rech­tig­ten ge­schlos­sen wur­de. Nur in­so­weit und nicht darüber hin­aus­ge­hend un­terfällt der An­spruch da­mit dem Schutz­be­reich des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfG 1. März 2010 - 1 BvR 2584/06 - Rn. 20, BVerfGK 17, 120 zur be­rufsständi­schen Hin­ter­blie­be­nen­ren­te; 18. Fe­bru­ar 1998 - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 97, 271 zur Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung aus der ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung).
 


- 19 -

III. Der Be­klag­te ist nicht gemäß § 13 VO MBB ver­pflich­tet, von den Be­stim­mun­gen der VO MBB zu­guns­ten des Klägers ab­zu­wei­chen und beim Ab­le­ben des Klägers an des­sen Ehe­frau B die be­gehr­te Wit­wen­ver­sor­gung zu zah­len.

1. Nach § 13 VO MBB kann in „Härtefällen“ von den Be­stim­mun­gen der Ver­sor­gungs­ord­nung zu­guns­ten des Begüns­tig­ten ab­ge­wi­chen wer­den. Der­ar­ti­ge Härte­fall­klau­seln sol­len ver­hin­dern, dass die An­wen­dung der Ru­he­geld­re­ge­lun­gen in be­son­ders ge­la­ger­ten und nicht vor­her­seh­ba­ren Ein­z­elfällen zu Er­geb­nis­sen führt, die un­an­ge­mes­sen er­schei­nen und nicht dem Sinn der Re­ge­lung ent­spre­chen (vgl. zu § 28 Satz 1 Hmb­ZVG BAG 20. Au­gust 2013 - 3 AZR 333/11 - Rn. 41). Da­bei geht es nur um die Ab­mil­de­rung der Rechts­fol­gen in Grenzfällen (BAG 29. März 1983 - 3 AZR 26/81 - zu I 2 der Gründe). Härte­fall­klau­seln sind nicht da­zu be­stimmt, ei­ne ge­ne­rel­le Kor­rek­tur der Ver­sor­gungs­grundsätze oder gar ei­ne Ände­rung des Re­ge­lungs­zwecks zu ermögli­chen. Da­nach kommt ein Härte­fall in Be­tracht, wenn je­mand über das an­ge­streb­te Re­ge­lungs­ziel hin­aus­ge­hend er­heb­lich nach­tei­lig von ei­ner be­schränken­den Re­ge­lung be­trof­fen wird, weil er auf­grund be­son­de­rer Umstände aus­nahms­wei­se die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllt (vgl. BAG 27. Ju­ni 2006 - 3 AZR 352/05 (A) - Rn. 20, BA­GE 118, 340). Ob von der in ei­ner Härte­fall­klau­sel vor­ge­se­he­nen Möglich­keit zur Aus­nah­me­ent­schei­dung Ge­brauch ge­macht wird, steht nicht im frei­en Be­lie­ben des Ver­pflich­te­ten, son­dern un­ter­liegt als Er­mes­sens­ent­schei­dung ei­ner Bil­lig­keits­kon­trol­le nach § 315 BGB (vgl. BAG 25. April 1995 - 3 AZR 365/94 - zu II 4 a der Gründe; 9. No­vem­ber 1978 - 3 AZR 784/77 - zu III 1 der Gründe). Da­bei ist das Verhält­nis von Re­gel und Aus­nah­me zu be­ach­ten (BAG 25. April 1995 - 3 AZR 365/94 - zu II 4 a der Gründe mwN).

2. Da­nach ist die Ent­schei­dung des Be­klag­ten, nicht gemäß § 13 VO MBB von den Be­stim­mun­gen der VO MBB zu­guns­ten des Klägers ab­zu­wei­chen, nicht un­bil­lig iSv. § 315 BGB. Es fehlt an ei­nem Härte­fall im Sin­ne die­ser Be­stim­mung.


- 20 -

a) Ein Härte­fall ist nicht des­halb zu be­ja­hen, weil der Kläger mit B be­reits während sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses und auch noch zu Be­ginn sei­nes Ru­he­geld­be­zugs in ers­ter Ehe ver­hei­ra­tet war. Die­se ers­te Ehe wur­de am 7. De­zem­ber 1993 auf­gelöst. Mit der Rechts­kraft des Schei­dungs­ur­teils ist auch das in der Ehe an­ge­leg­te Ver­sor­gungs­ri­si­ko ent­fal­len, be­vor es sich ver­wirk­licht hat­te. Zum Zeit­punkt der Wie­der­hei­rat während des Ru­he­geld­be­zugs soll­te das Ri­si­ko, ei­ne Wit­wen­ren­te zah­len zu müssen, nach dem Re­ge­lungs­plan von § 9 Abs. 1 Satz 2 VO MBB nicht mehr ein­ge­gan­gen wer­den. Hier­durch sol­len die mit der Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung ver­bun­de­nen zusätz­li­chen Ri­si­ken be­grenzt wer­den. Da­mit wird der Kläger nicht über das Re­ge­lungs­ziel hin­aus­ge­hend er­heb­lich nach­tei­lig be­trof­fen.

b) Auch der Um­stand, dass die ers­te Ehe mit B während des Ar­beits­verhält­nis­ses mehr als 16 Jah­re be­stan­den hat und B in die­ser Zeit „mit­tel­bar ei­nen Bei­trag zum Wohl­er­ge­hen des Un­ter­neh­mens“ ge­leis­tet ha­ben mag, be­gründet kei­nen Härte­fall, der ei­ne Aus­nah­me­ent­schei­dung er­for­dert. Zu­dem hängt die Wit­wen­ren­te nach dem Re­ge­lungs­plan der VO MBB ge­ra­de nicht von ei­ner be­stimm­ten Dau­er der Ehe während des Ar­beits­verhält­nis­ses ab.

c) Ein Härte­fall läge auch dann nicht vor, wenn der Kläger bis zu sei­nem Ab­le­ben den Le­bens­un­ter­halt für sich und sei­ne Ehe­frau er­wirt­schaf­ten soll­te. Hier­bei han­delt es sich nicht um ei­nen be­son­ders ge­la­ger­ten, nicht vor­her­seh­ba­ren Ein­zel­fall.


IV. Ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung durch den Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on nach Art. 267 Abs. 3 AEUV be­darf es nicht. Es stel­len sich kei­ne Fra­gen der Aus­le­gung des Uni­ons­rechts, die noch nicht geklärt wären. Die Aus­le­gung des uni­ons­recht­li­chen Grund­sat­zes des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ein­sch­ließlich des Rück­griffs auf die Richt­li­nie 2000/78/EG zu des­sen Kon­kre­ti­sie­rung ist durch die Ent­schei­dung des Ge­richts­hofs in der Sa­che „Kücükde­ve­ci“ (EuGH 19. Ja­nu­ar 2010 - C-555/07 - Slg. 2010, I-365) geklärt, so dass ei­ne Vor­la­ge­pflicht entfällt (vgl. EuGH 6. Ok­to­ber 1982 - C-283/81 - [C.I.L.F.I.T.] Slg. 1982, 3415; vgl. auch BAG 28. Mai 2013 - 3 AZR 635/11 - Rn. 28). Eben­so ist geklärt, dass die­je­ni­gen Vor­schrif­ten, Kri­te­ri­en oder

- 21 -

Ver­fah­ren, die mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­run­gen be­wir­ken können, der Qua­li­fi­ka­ti­on als Dis­kri­mi­nie­rung ent­ge­hen, so­fern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569). Die Fra­ge, ob un­ter dem le­gi­ti­men Ziel iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der RL 2000/78/EG nur Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, hat der EuGH be­reits da­hin geklärt, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) der RL 2000/78/EG ei­ne sol­che Ein­schränkung nicht enthält (EuGH 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Con­cern Eng­land] Rn. 66, aaO).


C. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. 

Gräfl 

Schlewing 

Spin­ner

Knüttel 

Möller

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 3 AZR 294/11