HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BVerwG, Ur­teil vom 13.01.2013, 2 C 10.12

   
Schlagworte: Urlaubsageltung, Krankheit, Urlaub
   
Gericht: Bundesverwaltungsgericht
Aktenzeichen: 2 C 10.12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 13.01.2013
   
Leitsätze: Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG begründet nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Beamte einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, den sie krankheits-bedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht nehmen konnten (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688).
Vorinstanzen: Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 21.07.2009, 6 K 1253/08
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.03.2010, 2 A 11321/09
   


BUN­DES­VER­WAL­TUN­GS­GERICHT

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

 

BVerwG 2 C 10.12
OVG 2 A 11321/09

Verkündet
am 31. Ja­nu­ar 2013
Mel­zer
als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäft­stel­le

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che
 

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hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 31. Ja­nu­ar 2013
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Domgörgen, die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Heitz und Dr. von der Wei­den, die Rich­te­rin am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Thom­sen und den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Kennt­ner

für Recht er­kannt:

Der Be­klag­te wird ver­pflich­tet, dem Kläger für 23 2/3 krank­heits­be­dingt nicht in An­spruch ge­nom­me­ne Ur­laubs­ta­ge der Jah­re 2007 und 2008 ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung in Höhe der durch­schnitt­li­chen Be­sol­dung der letz­ten drei Mo­na­te vor Ein­tritt des Klägers in den Ru­he­stand zu gewähren.

Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 30. März 2010 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Ko­blenz vom 21. Ju­li 2009 so­wie der Be­scheid des Po­li­zei­präsi­di­ums ... vom 13. Ju­ni 2008 und des­sen Wi­der­spruchs­be­scheid vom 9. Ok­to­ber 2008 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen. Im Übri­gen wird die Re­vi­si­on zurück­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Ver­fah­rens des ge­sam­ten Rechts­zu­ges tra­gen der Kläger zu 3/5 und der Be­klag­te zu 2/5.

G r ü n d e :

I

Der Kläger er­strebt ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung von krank­heits­be­dingt nicht in An­spruch ge­nom­me­nem Ur­laub.

Der 1953 ge­bo­re­ne Kläger stand zu­letzt als Po­li­zei­haupt­kom­mis­sar im Dienst des be­klag­ten Lan­des. Er war ab An­fang Ju­li 2007 un­un­ter­bro­chen er­krankt. Mit Wir­kung vom 1. Au­gust 2008 hat ihn der Be­klag­te we­gen Dienst­unfähig­keit vor­zei­tig in den Ru­he­stand ver­setzt.

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Der Be­klag­te lehn­te den An­trag des Klägers ab, ihm ei­ne Vergütung für ins­ge­samt 62 Ur­laubs­ta­ge zu zah­len, die er in den Jah­ren 2007 und 2008 we­gen sei­ner Er­kran­kung nicht hat­te an­tre­ten können. Wi­der­spruch, Kla­ge und Be­ru­fung sind er­folg­los ge­blie­ben.

In dem Be­ru­fungs­ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts heißt es: Der Kläger ha­be kei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nach Bun­des- oder Lan­des­recht. Auch Uni­ons­recht be­gründe für Be­am­te in Deutsch­land ei­nen sol­chen An­spruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sei bei der nach Art. 15 RL 2003/88/EG ge­bo­te­nen Ver­gleichs­be­trach­tung des Uni­ons­rechts und des Be­am­ten­rechts un­an­wend­bar: Be­am­te sei­en im Krank­heits­fall er­heb­lich bes­ser ab­ge­si­chert als an­de­re Beschäftig­te, weil sie die vol­len Dienst­bezüge zeit­lich un­be­grenzt er­hiel­ten und das Be­am­ten­verhält­nis nicht we­gen Krank­heit be­en­det wer­den könne.

Hier­ge­gen rich­tet sich die vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on des Klägers, mit der er be­an­tragt,

die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Rhein­land-Pfalz vom 30. März 2010 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Ko­blenz vom 21. Ju­li 2009 so­wie den Be­scheid des Po­li­zei­präsi­di­ums ... vom 13. Ju­ni 2008 und des­sen Wi­der­spruchs­be­scheid vom 9. Ok­to­ber 2008 auf­zu­he­ben und den Be­klag­ten zu ver­pflich­ten, ihm für ins­ge­samt 62 krank­heits­be­dingt nicht in An­spruch ge­nom­me­ne Ur­laubs­ta­ge der Jah­re 2007 und 2008 ei­ne fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung in Höhe der durch­schnitt­li­chen Be­sol­dung der letz­ten drei Mo­na­te vor sei­nem Ein­tritt in den Ru­he­stand zu gewähren.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.

II

Die Re­vi­si­on des Klägers hat teil­wei­se Er­folg. Das Be­ru­fungs­ur­teil ver­letzt re­vi­si­bles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 Vw­GO). Die Ab­wei­sung der Kla­ge stellt sich aus an­de­ren Gründen zum Teil als rich­tig dar (§ 144 Abs. 4 Vw­GO).

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1. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat zwar zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass dem Kläger aus na­tio­na­lem Recht kein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch zu­steht. Es gibt für Be­am­te kei­ne nor­ma­ti­ven Re­ge­lun­gen, die ei­nen sol­chen An­spruch be­gründen. Das gilt auch für den Schwer­be­hin­der­ten­zu­satz­ur­laub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Un­recht be­ruft sich der Kläger in­so­weit auf die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat zwar an­ge­nom­men, dass der Schwer­be­hin­der­ten­zu­satz­ur­laub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX eben­so wie der ge­setz­li­che Min­des­t­ur­laub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG nach dem En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­zu­gel­ten ist, wenn der Zu­satz­ur­laub nicht gewährt wer­den kann, weil der Ar­beit­neh­mer ar­beits­unfähig er­krankt war (Ur­teil vom 23. März 2010 - 9 AZR 128/09 - BA­GE 134, 1 ff.; vgl. auch Ur­teil vom 13. De­zem­ber 2011 - 9 AZR 399/10 - NZA 2012, 514 ff.). Die­se Recht­spre­chung kann aber nicht auf Be­am­te über­tra­gen wer­den. Das vom Bun­des­ar­beits­ge­richt her­an­ge­zo­ge­ne Bun­des­ur­laubs­ge­setz, das in § 7 Abs. 4 ei­ne Ur­laubs­ab­gel­tung vor­sieht, ist auf Be­am­te nicht an­wend­bar; de­ren Ansprüche auf Ur­laub und Be­sol­dung rich­ten sich nach den je­wei­li­gen be­am­ten­recht­li­chen Ge­set­zen und Ver­ord­nun­gen, die bis­lang ei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ge­ra­de nicht vor­se­hen.

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (im Fol­gen­den: RL 2003/88/EG) ein An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung sei­nes uni­ons­recht­lich gewähr­leis­te­ten Min­des­t­ur­laubs von vier Wo­chen Er­ho­lungs­ur­laub zu. Ei­nen darüber hin­aus­ge­hen­den An­spruch aus Uni­ons­recht auf Ab­gel­tung von sich aus na­tio­na­lem Recht er­ge­ben­den wei­te­ren Er­ho­lungs­ur­laubs­ta­gen, von sog. Ar­beits­zeit­verkürzungs­ta­gen und des Schwer­be­hin­der­ten­zu­satz­ur­laubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hin­ge­gen nicht.

Der Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH) hat aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ei­nen An­spruch auf Ab­gel­tung von bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses krank­heits­be­dingt nicht ge­nom­me­nem Ur­laub her­ge­lei­tet und auch Vor­aus­set­zun­gen, Um­fang und Gren­zen die­ses An­spruchs be­stimmt. Die­se

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Aus­le­gung des Uni­ons­rechts ist für die na­tio­na­len Ge­rich­te und da­mit auch für das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt bin­dend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

a) Es ist in der Recht­spre­chung des EuGH seit lan­gem geklärt, dass auch Be­am­te Ar­beit­neh­mer im Sin­ne der RL 2003/88/EG sind. Das gilt grundsätz­lich auch für Po­li­zis­ten, die in­so­weit mit Feu­er­wehr­leu­ten ver­gleich­bar sind, für die der EuGH mehr­fach aus­ge­spro­chen hat, dass sie der Ar­beits­zeit­richt­li­nie un­ter­fal­len (EuGH, Be­schluss vom 14. Ju­li 2005 - Rs. C-52/04 - Slg. 2005, I-7111 Rn. 57 ff.; Ur­teil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Nei­del - ABl EU 2012, Nr. C 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der er­ken­nen­de Se­nat ist dem ge­folgt (vgl. et­wa Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. <zur Veröffent­li­chung in den Ent­schei­dungs­samm­lun­gen BVerw­GE und Buch­holz vor­ge­se­hen>) und hat auch für Po­li­zis­ten be­reits dar­auf hin­ge­wie­sen, dass Art. 2 Abs. 2 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 89/391/EWG, auf den Art. 1 Abs. 3 RL 2003/88/EG zur Be­stim­mung ih­res An­wen­dungs­be­reichs Be­zug nimmt, nach der Recht­spre­chung des EuGH eng aus­zu­le­gen ist und nicht et­wa Streit­kräfte, Feu­er­wehr oder Po­li­zei ge­ne­rell, son­dern nur für be­stimm­te in die­sen Sek­to­ren wahr­ge­nom­me­ne be­son­de­re Auf­ga­ben wie et­wa bei Na­tur- oder Tech­no­lo­gie­ka­ta­stro­phen und schwe­ren Unglücksfällen von der An­wen­dung der Ar­beits­zeit­richt­li­nie aus­nimmt (Ur­teil vom 15. De­zem­ber 2011 - BVerwG 2 C 41.10 - Buch­holz 240 § 50a BBesG Nr. 1 Rn. 20).

b) Nach der Recht­spre­chung des EuGH ist die Be­en­di­gung des Be­am­ten­verhält­nis­ses durch Ein­tritt oder Ver­set­zung in den Ru­he­stand (vgl. § 21 Nr. 4 Be­am­ten­sta­tus­ge­setz, § 30 Nr. 4 BBG) ei­ne Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses im Sin­ne des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG. Dem Ur­teil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.) ist zu ent­neh­men, dass der EuGH der kon­kre­ten na­tio­nal­staat­li­chen Aus­ge­stal­tung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses kei­ne Be­deu­tung bei­misst, son­dern für al­lein maßgeb­lich hält, dass mit der krank­heits­be­ding­ten Be­en­di­gung des ak­ti­ven Be­am­ten­verhält­nis­ses kei­ne Dienst­leis­tungs­pflicht und des­halb auch kei­ne Ur­laubsmöglich­keit mehr be­steht. Des­halb ist es uni­ons­recht­lich oh­ne Be­deu­tung, dass sich nach deut­schem Be­am­ten­recht an das (ak­ti­ve) Be­am­ten­verhält­nis ein Ru­he­stands­be­am­ten­verhält­nis an­sch­ließt.

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c) Ent­ge­gen der Rechts­auf­fas­sung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts hin­dert Art. 15 RL 2003/88/EG die An­wen­dung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG bei deut­schen Be­am­ten nicht.

Nach Art. 15 RL 2003/88/EG bleibt u.a. das Recht der Mit­glied­staa­ten un­berührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Der EuGH hat be­reits zu der in­so­weit wort­glei­chen Vorgänger­richt­li­nie RL 93/104/EG ent­schie­den, dass un­abhängig von güns­ti­ge­ren na­tio­nal­staat­li­chen Re­ge­lun­gen die prak­ti­sche Wirk­sam­keit der durch die Ar­beits­zeit­richt­li­nie ver­lie­he­nen Rech­te in vol­lem Um­fang gewähr­leis­tet wer­den müsse, was not­wen­dig die Ver­pflich­tung im­pli­zie­re, die Ein­hal­tung je­der der in die­ser Richt­li­nie auf­ge­stell­ten Min­dest­vor­schrif­ten zu gewähr­leis­ten (EuGH, Ur­teil vom 1. De­zem­ber 2005 - Rs. C-14/04, Del­las - Slg. 2005, I-10253 Rn. 53).

Nach der Recht­spre­chung des EuGH ist Art. 15 RL 2003/88/EG so­mit ei­ne Meist­begüns­ti­gungs­klau­sel, die nur den Ein­zel­ver­gleich, nicht aber die vom Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­stell­te struk­tu­rel­le Ge­samt­be­trach­tung zulässt. Er schließt da­mit ei­ne An­wen­dung des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG nur dann aus, wenn die mit­glied­staat­li­chen Re­ge­lun­gen über die Ab­gel­tung krank­heits­be­dingt nicht ge­nom­me­nen Er­ho­lungs­ur­laubs bei Be­en­di­gung der Be­rufstätig­keit über den von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gewähr­leis­te­ten Min­dest­stan­dard hin­aus­ge­hen. Das ist aber bei deut­schen Be­am­ten nicht der Fall, weil sie ge­ra­de - wo­von auch das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt aus­geht - nach na­tio­na­lem Recht man­gels ent­spre­chen­der ge­setz­li­cher Re­ge­lung kei­nen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch ha­ben, al­so auch dann nicht, wenn sie Er­ho­lungs­ur­laub krank­heits­be­dingt nicht vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand neh­men können. Auf die vom Be­ru­fungs­ge­richt her­an­ge­zo­ge­nen, für die Be­am­ten güns­ti­ge­ren Re­ge­lun­gen im Fal­le der zur dau­ern­den Dienst­unfähig­keit führen­den Krank­heit im Ver­gleich zu den Re-ge­lun­gen für an­de­re Beschäftig­te in Deutsch­land kommt es des­halb nicht an.

Bestätigt wird dies durch das Ur­teil des EuGH vom 3. Mai 2012 (a.a.O.). Der

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lich auf Be­am­te er­streckt, ob­wohl das Vor­la­ge­ge­richt die Rechts­auf­fas­sung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts ausführ­lich dar­ge­stellt hat­te.

d) Der Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch be­steht grundsätz­lich auch dann, wenn der Beschäftig­te im Ur­laubs­jahr teil­wei­se ar­beits- bzw. dienstfähig war, in die­ser Zeit den Ur­laub aber nicht oder nicht vollständig ge­nom­men hat. Das gilt so­wohl für das Jahr, in dem die länger­fris­ti­ge Dienst­unfähig­keit be­ginnt, als auch für das Jahr oder für die Jah­re, in dem oder in de­nen der Be­tref­fen­de vorüber­ge­hend wie­der dienstfähig war. In bei­den Fällen kann der Beschäftig­te krank­heits­be­dingt und da­mit un­abhängig von sei­nem Wil­lens­ent­schluss den ihm zu­ste­hen­den (Min­dest)Ur­laub nach Ein­tritt in den Ru­he­stand nicht mehr neh­men. Aus der Recht­spre­chung des EuGH zu Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88 EG gibt es kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne an­de­re Aus­le­gung die­ser Be­stim­mung.

e) Der Um­fang des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ist al­ler­dings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG er­ge­ben­den vier Wo­chen Er­ho­lungs­ur­laub im Jahr be­schränkt. Der EuGH hat im Ur­teil vom 3. Mai 2012 (a.a.O. Rn. 35 ff.) her­vor­ge­ho­ben, dass die Ar­beits­zeit­richt­li­nie sich auf die Auf­stel­lung von Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz be­schränkt; es sei Sa­che der Mit­glied­staa­ten zu ent­schei­den, ob sie den Be­am­ten wei­te­re Ansprüche auf be­zahl­ten Ur­laub gewähren so­wie ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen sie ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den Fall vor­se­hen, dass ei­nem in den Ru­he­stand tre­ten­den Be­am­ten die­se zusätz­li­chen Ansprüche krank­heits­be­dingt nicht ha­ben zu­gu­te kom­men können. Des­halb sind Ur­laubs­ta­ge, die über den nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG uni­ons­recht­lich gewähr­leis­ten Min­des­t­ur­laub hin­aus­ge­hen, nicht vom Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG er­fasst.

Das gilt auch für sog. Ar­beits­zeit­verkürzungs­ta­ge, die der Sa­che nach zusätz­li­che Er­ho­lungs­ur­laubs­ta­ge sind, und für den Schwer­be­hin­der­ten­zu­satz­ur­laub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch ei­ne Pri­vi­le­gie­rung für Ur­laub nach na­tio­na­lem Recht, wo­nach ei­nem Beschäftig­ten bei ei­nem Aus­schei­den aus dem ak­ti­ven Dienst et­wa im Lau­fe der zwei­ten Jah­reshälf­te der Jah­res­ur­laub un­ge­schmälert zu­steht, schlägt nicht auf die uni­ons­recht­li­chen Ur­laubs- und Ur-

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laubs­ab­gel­tungs­ansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG durch. Dies folgt aus dem Cha­rak­ter die­ser Ansprüche als Min­dest­stan­dard und fin­det außer­dem ei­nen nor­ma­ti­ven An­halts­punkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 24. Ju­ni 1970 über den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub. Da­nach ist der Ur­laubs­an­spruch „im Verhält­nis zur Dau­er der Dienst­zeit während die­ses Jah­res“ ge­ge­ben; nach dem sechs­ten Erwägungs­grund der RL 2003/88/EG hat die­se Richt­li­nie den Grundsätzen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on hin­sicht­lich der Ar­beits­zeit Rech­nung ge­tra­gen.

f) Der Ur­laubs­an­spruch nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG verfällt, wenn er über ei­nen zu lan­gen Zeit­raum nach Ab­lauf des je­wei­li­gen Ur­laubs­jah­res nicht ge­nom­men wird. Wenn der Über­tra­gungs­zeit­raum ei­ne ge­wis­se zeit­li­che Gren­ze über­schrei­tet, kann der Ur­laub sei­nen Zweck als Er­ho­lungs­zeit ty­pi­scher­wei­se nicht mehr er­rei­chen (vgl. EuGH, Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011 - Rs. C-214/10, KHS - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs ist die Ent­ste­hung ei­nes Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs aus­ge­schlos­sen.

Ein Ver­fall des Ur­laubs­an­spruchs mit Aus­wir­kun­gen auf den uni­ons­recht­li­chen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch tritt zum ei­nen dann ein, wenn na­tio­nal­staat­lich ein hin­rei­chend lan­ger Über­tra­gungs­zeit­raum ge­re­gelt ist und die­ser ab­ge­lau­fen ist. Hin­rei­chend lang ist nach der Recht­spre­chung des EuGH ein Über­tra­gungs­zeit­raum, wenn er deut­lich länger als das Ur­laubs­jahr, al­so deut­lich länger als ein Jahr ist; ein Über­tra­gungs­zeit­raum muss den Beschäftig­ten, die während meh¬re­rer Be­zugs­zeiträume in Fol­ge ar­beits- bzw. dienst­unfähig sind, ermögli­chen, bei Be­darf über Er­ho­lungs­zeiträume zu verfügen, die länger­fris­tig ge­staf­felt und ge­plant so­wie verfügbar sein können, und er muss die Dau­er des Be­zugs­zeit­raums, für den er gewährt wird, deut­lich über­schrei­ten (EuGH, Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011 a.a.O. Rn. 41). Ei­nen Über­tra­gungs­zeit­raum von 15 Mo­na­ten hat der EuGH ge­bil­ligt (Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2011 a.a.O. Rn. 40 ff.).

Gibt es kei­ne aus­rei­chend lan­gen na­tio­nal­staat­li­chen Ver­falls­re­ge­lun­gen, dann tritt auf der Grund­la­ge der Recht­spre­chung des EuGH ein Ver­fall des Ur­laubs­an­spru­ches 18 Mo­na­te nach dem En­de des Ur­laubs­jah­res ein. Der EuGH lei­tet

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aus dem Um­stand, dass die RL 2003/88/EG nach ih­rem sechs­ten Erwägungs­grund den Grundsätzen der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on hin­sicht­lich der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung Rech­nung ge­tra­gen hat, her, dass bei der Be­rech­nung des Über­tra­gungs­zeit­raums der Zweck des An­spruchs auf Jah­res­ur­laub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übe­r­ein­kom­mens Nr. 132 der In­ter­na­tio­na­len Ar­beits­or­ga­ni­sa­ti­on vom 24. Ju­ni 1970 über den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub er­gibt, berück­sich­tigt wer­den muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übe­r­ein­kom­mens ist der un­un­ter­bro­che­ne Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs spätes­tens ein Jahr und der übri­ge Teil des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs spätes­tens 18 Mo­na­te nach Ab­lauf des Jah­res, für das der Ur­laubs­an­spruch er­wor­ben wur­de, zu gewähren und zu neh­men. Die­se Vor­schrift be­ruht nach der Recht­spre­chung des EuGH auf der Erwägung, dass der Zweck der Ur­laubs­ansprüche bei Ab­lauf der dort vor­ge­se­he­nen Fris­ten nicht mehr vollständig er­reicht wer­den kann (Ur­teil vom 22. No-vem­ber 2011 a.a.O. Rn. 41 f.). Das recht­fer­tigt die An­nah­me, dass der Ur­laubs­an­spruch 18 Mo­na­te nach En­de des Ur­laubs­jah­res verfällt.

g) Bei der Be­rech­nung der dem Beschäftig­ten zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge im Rah­men der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 RL 2003/88/EG kommt es nach dem Zweck die­ser Norm nur dar­auf an, ob und wie viel Ur­laub der Be­tref­fen­de im kon­kre­ten Jahr ge­nom­men hat. Un­er­heb­lich ist, ob es sich da­bei um neu­en oder um al­ten, al­so aus dem vor­an­ge­gan­ge­nen Ur­laubs­jahr über­tra­ge­nen Ur­laub ge­han­delt hat.

h) Bei der Be­rech­nung des Be­trags, der dem Be­am­ten für je­den nicht ge­nom­me­nen Ur­laubs­tag als Ur­laubs­ab­gel­tung zu­steht, ist auf die Be­sol­dung ab­zu­stel­len, die der Be­am­te in den letz­ten drei Mo­na­ten vor Ein­tritt in den Ru­he­stand er­hal­ten hat.

Nach der Recht­spre­chung des EuGH ist An­knüpfungs­punkt für die Höhe des Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruchs aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG das gewöhn­li­che Ar­beits­ent­gelt. Dies ist bei Be­am­ten die Be­sol­dung (vgl. § 1 Abs. 2 BBesG; EuGH, Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 2009 - Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff - Slg. 2009, I-179 Rn. 61). Der Beschäftig­te soll al­so das­je­ni­ge be­kom­men, was er be­kom­men hätte, wenn er den Ur­laub während sei­ner ak­ti­ven Dienst­zeit ge-

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nom­men hätte. Das ist im Fal­le ei­nes Be­am­ten die Be­sol­dung, die während des Ur­laubs wei­ter­ge­zahlt wor­den wäre. Für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch aus Art. 7 RL 2003/88/EG ist an­ge­sichts der Recht­spre­chung des EuGH un­er­heb­lich, dass die Be­sol­dung Ali­men­ta­ti­ons­cha­rak­ter hat und da­her während der Krank­heit zeit­lich un­be­grenzt wei­ter­ge­zahlt wird.

Im Hin­blick dar­auf, dass die fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG erst nach der „Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses“ ge­zahlt wer­den darf und der während der Krank­heit auf­ge­lau­fe­ne, nicht verjähr­te Min­dest­jah­res­ur­laub im Fall der Ge­sun­dung noch hätte ge­nom­men wer­den dürfen, die fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung des Ur­laubs mit­hin erst am En­de der ak­ti­ven Dienst­zeit ein­tritt, ist auf die Be­sol­dung vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ab­zu­stel­len. Da­bei er­scheint es sach­ge­recht, auf die letz­ten drei Mo­na­te vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand als hin­rei­chend lan­gen Re­fe­renz­zeit­raum (vgl. auch EuGH, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2011 - Rs. C-155/10, Wil­liams - ABl EU 2011 Nr. C 319, 7 Rn. 21 ff.), ab­zu­stel­len, um die Aus­wir­kun­gen zufälli­ger Schwan­kun­gen der Be­sol­dung zu ver­rin­gern.

i) Ein An­trags­er­for­der­nis für den uni­ons­recht­li­chen Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG be­steht nicht. Ein An­trags­er­for­der­nis wäre mit dem Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz des Uni­ons­rechts nicht ver­ein­bar. Das hat der Se­nat im An­schluss an die Recht­spre­chung des EuGH (Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167) für den uni­ons­recht­li­chen Staats­haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit ent­schie­den (Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 <zur Veröffent­li­chung in den Ent­schei­dungs­samm­lun­gen BVerw­GE und Buch­holz vor­ge­se­hen>). Für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nach Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts an­de­res.

j) Der uni­ons­recht­li­che Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG un­ter­liegt der re­gelmäßigen Verjährungs­frist von 3 Jah­ren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jah­res be­ginnt, in dem der An­spruch ent­stan­den ist, § 199 Abs. 1 BGB.

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Der EuGH hat mehr­fach aus­ge­spro­chen, dass die Aus­ge­stal­tung von Ver­fah­ren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Ge­mein­schafts­recht er­wach­se­nen Rech­te gewähr­leis­ten sol­len, Sa­che der in­ner­staat­li­chen Rechts­ord­nung der ein­zel­nen Mit­glied­staa­ten ist, so­weit ge­mein­schafts­recht­li­che Re­ge­lun­gen nicht vor­han­den sind. Al­ler­dings dürfen die Ver­fah­ren nicht we­ni­ger güns­tig ge­stal­tet sein als bei nur in­ner­staat­li­ches Recht be­tref­fen­den Ver­fah­ren (Äqui­va­lenz­grund­satz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Ge­mein­schafts­rechts­ord­nung ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch unmöglich ma­chen oder übermäßig er­schwe­ren (Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz). Zum Ef­fek­ti­vitäts­grund­satz hat der EuGH ent­schie­den, dass die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit mit dem Ge­mein­schafts­recht ver­ein­bar ist (vgl. EuGH, Ur­tei­le vom 17. No­vem­ber 1998 - Rs. C-228/96, Apri­le - Slg. 1998, I-7164 Rn. 19 und vom 11. Ju­li 2002 - Rs. C-62/00, Marks & Spen­cer - Slg. 2002, I-6348 Rn. 35, je­weils m.w.N.). Auch der Se­nat be­jaht die Möglich­keit der Verjährung bei sich aus Uni­ons­recht er­ge­ben­den Ansprüchen und hat bei­spiels­wei­se für den uni­ons­recht­li­chen Staats­haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit die re­gelmäßige Verjährungs­frist von drei Jah­ren an­ge­nom­men (Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 a.a.O. Rn. 41 f.). Für den Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG gilt nichts an­de­res.

k) Nach der Recht­spre­chung des EuGH kann der Ein­zel­ne un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen und mit be­stimm­ten Maßga­ben un­mit­tel­bar aus Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG ei­nen An­spruch auf Ur­laubs­ab­gel­tung gel­tend ma­chen.

Richt­li­ni­en bedürfen zwar grundsätz­lich der Um­set­zung durch den dafür zuständi­gen na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber, um in­ner­staat­li­che Ver­bind­lich­keit für den Bürger zu er­lan­gen. Für den Fall der nicht frist­ge­rech­ten oder un­vollständi­gen Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie durch den Mit­glied­staat hat nach der ständi­gen Recht­spre­chung des EuGH der Ein­zel­ne das Recht, sich vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten ge­genüber dem Staat trotz ent­ge­gen­ste­hen­dem na­tio­na­len Recht auf durch die Richt­li­nie auf­er­leg­te Ver­pflich­tun­gen zu be­ru­fen, wenn die­se klar und un­be­dingt sind und zu ih­rer An­wen­dung kei­nes Ausführungs­akts mehr bedürfen (stRspr; EuGH, Ur­tei­le vom 5. Ok­to­ber 2004 - Rs. C-397/01, Pfeif­fer - Slg. 2004, I-08835 Rn. 103 m.w.N. und vom 24. Ja­nu­ar 2012 - Rs. C-282/10,

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Do­m­in­guez - ABl EU 2012, Nr. C 73, 2 Rn. 33; BVerfG, Be­schluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - BVerfGE 75, 223 <239 ff.>). Bei ei­ner nicht frist­ge­rech­ten Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie sind Behörden und Ge­rich­te auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be-fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des na­tio­na­les Recht un­an­ge­wen­det zu las­sen (stRspr; vgl. nur BVerwG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 a.a.O. Rn. 19).

Die­se Vor­aus­set­zun­gen hat der EuGH für Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG be­jaht.

Nach der bin­den­den Recht­spre­chung des EuGH räumt die­se Norm al­len Beschäftig­ten, d.h. auch Be­am­ten un­ter den dar­ge­leg­ten Vor­aus­set­zun­gen Ur­laubs­ab­gel­tungs­ansprüche ein, die die Mit­glied­staa­ten in ih­rem na­tio­na­len Recht ver­an­kern müssen. So­lan­ge sie die­se Um­set­zungs­pflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG die un­mit­tel­ba­re An­spruchs­grund­la­ge dar.

3. In An­wen­dung die­ser Grundsätze gilt für den Kläger Fol­gen­des:

Für das Jahr 2007 stan­den dem Kläger bei ei­nem Min­des­t­ur­laubs­an­spruch von vier Wo­chen nach Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EG und ei­ner 5-Ta­ge-Wo­che 20 Ur­laubs­ta­ge zu. In die­sem Jahr hat der Kläger sie­ben Ur­laubs­ta­ge und den sog. Ar­beits­zeit­verkürzungs­tag nach der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung RP ge­nom­men. Ei­ne Frei­stel­lung nach der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung steht funk­tio­nal ei­nem Ur­laubs­tag nach der Ur­laubs­ver­ord­nung (Url­VO RP) gleich. Des­halb ist sie im Rah­men des Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG wie ein Ur­laubs­tag zu be­han­deln. Da­mit hat der Kläger acht Ur­laubs­ta­ge ge­nom­men und stan­den ihm für 2007 noch 12 Ta­ge Min­des­t­ur­laub zu.

Für das Jahr 2008 stan­den dem Kläger 20 Min­des­t­ur­laubs­ta­ge zu. In die­sem Jahr ist er aber zum En­de des Mo­nats Ju­li in den vor­zei­ti­gen Ru­he­stand ver­setzt wor­den. Des­halb stand ihm der uni­ons­recht­li­che Min­des­t­ur­laub nur an­tei­lig, d.h. für 11 2/3 Ur­laubs­ta­ge zu; die Pri­vi­le­gie­rung des § 9 Satz 3 Url­VO RP, wo­nach der Jah­res­ur­laub voll gewährt wird, wenn der Be­am­te we­gen Dienst­unfähig­keit in der zwei­ten Jah­reshälf­te in den Ru­he­stand ver­setzt wird, er­streckt sich nicht auf den uni­ons­recht­li­chen Ur­laubs- und Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch nach Art. 7 RL 2003/88/EG. Der Bruch­teil ei­nes Ur­laubs­ta­ges ist in die Ur­laubs-

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ent­gelt­be­rech­nung ein­zu­be­zie­hen. Die Her­an­zie­hung ei­ner na­tio­nal­staat­li­chen Re­ge­lung, wo­nach ein bei der Ur­laubs­be­rech­nung ver­blei­ben­der Teil ei­nes Ta­ges als Gut­ha­ben auf die Ar­beits­zeit an­ge­rech­net wird (vgl. § 8 Abs. 6 Url­VO RP), kommt je­den­falls des­halb nicht in Be­tracht, weil Ur­laubs­ab­gel­tung vor­aus­setzt, dass der Be­am­te nicht mehr im Dienst ist, so dass man­gels Ar­beits­pflicht auch ei­ne An­rech­nung auf ein Ar­beits­zeit­gut­ha­ben nicht möglich ist.

Ins­ge­samt steht dem Kläger des­halb ein Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­spruch für 23 2/3 Ta­ge zu, der auf der Ba­sis der Be­sol­dung der letz­ten drei Mo­na­te vor Ein­tritt in den Ru­he­stand zu be­rech­nen ist.

Im Hin­blick auf den Vor­trag des Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren weist der Se­nat dar­auf hin, dass ei­ne An­rech­nung der Ur­laubs­ab­gel­tung bei den Ver­sor­gungs­bezügen nach den Re­ge­lun­gen des Vor­teils­aus­gleichs, § 53 Be­amt­VG, nicht in Be­tracht kommt.

4. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Vw­GO.

Domgörgen 

Dr. Heitz 

Dr. von der Wei­den

Ri’in­BVerwG Thom­sen ist we­gen Ur­laubs ver­hin­dert zu un­ter­schrei­ben.

Domgörgen

Dr. Kennt­ner 

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B e s c h l u s s

Der Wert des Streit­ge­gen­stan­des wird für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren auf 9 980 € fest­ge­setzt (§ 47 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG).

Domgörgen 

Dr. von der Wei­den Ri’in­BVerwG Thom­sen ist
we­gen Ur­laubs ver­hin­dert zu un­ter­schrei­ben.

Domgörgen

 

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