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LAG Ham­burg, Ur­teil vom 20.11.2014, 7 Sa­Ga 4/14

   
Schlagworte: Versetzung, Jobcenter, Hartz IV
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamburg
Aktenzeichen: 7 SaGa 4/14
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.11.2014
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Hamburg - 13 Ga 5/14
   

 

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes


In dem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren

Geschäfts­zei­chen:
7 Sa­Ga 4/14

( 13 Ga 5/14 ArbG Ham­burg)

 

- Verfügungskläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -
 


ge­gen

- Verfügungs­be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -


verkündet am:
20.11.2014


JHS
Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le
 


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er­kennt das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg, 7. Kam­mer,
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. No­vem­ber 2014
durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Günther-Gräff als
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Me.
den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herr Vo.
für Recht:


Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 17. Ju­li 2014 (13 Ga 5/14) wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

 

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Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Verfügungskläge­rin zur ge­mein­sa­men Ein­rich­tung „J.“ so­wie ge­gen die Über­tra­gung ei­ner neu­en Tätig­keit.

Die Verfügungskläge­rin (im Fol­gen­den: Kläge­rin) ist seit dem 11.9.2006 An­ge­stell­te der H. (Ar­beits­ver­trag vom 5.9.2006). Der Ar­beits­ver­trag (Anl. B 1, Bl. 34 d.A.) hat aus­zugs­wei­se fol­gen­den Wort­laut:

„Durch den Ar­beits­ver­trag wird kein An­spruch auf Ver­wen­dung auf ei­nen be­stimm­ten Ar­beits­platz, in ei­nem be­stimm­ten Auf­ga­ben­ge­biet oder in ei­ner be­stimm­ten Behörde/Dienst­stel­le in­ner­halb der H. be­gründet. Das Recht der Ar­beit­ge­be­rin H., der An­ge­stell­ten ei­ne an­de­re Tätig­keit zu über­tra­gen, wird durch ei­ne länger währen­de Ver­wen­dung der An­ge­stell­ten auf dem­sel­ben Ar­beits­platz nicht ein­ge­schränkt.“

Auf das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en fin­den die für die Verfügungs­be­klag­te (im Fol­gen­den: Be­klag­te) je­weils gel­ten­den Ta­rif­verträge An­wen­dung, jetzt der TV-L. Die Kläge­rin ist zu­letzt in die Ent­gelt­grup­pe 9 des TV-L ein­grup­piert ge­we­sen.

Die Kläge­rin ist seit dem 1.1.2011 der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J. zu­ge­wie­sen und war dort nach ei­ner zwi­schen­zeit­li­chen Teil­zeit­beschäfti­gung ab dem 1.5.2013 voll­zei­tig beschäftigt tätig.

Seit April 2012 hat­te die Kläge­rin sich u.a. öffent­lich, z.B. über ihr In­ter­net-fo­rum „al.“, ge­gen die Re­ge­lun­gen des So­zi­al­ge­setz­bu­ches II (SGB II), ins­be­son­de­re die Min­de­rung von Ar­beits­lo­sen­geld II oder So­zi­al­geld nach Pflicht­ver­let­zun­gen oder Mel­de­versäum­nis­sen Leis­tungs­be­rech­tig­ter (Sank­tio­nen) gemäß §§ 31 ff. SGB II ge­wen­det. U.a. hat­te sie ein als „Brand­brief“ be­zeich­ne­tes Schrei­ben an die B. A. ver­fasst und veröffent­licht, das mit den Fra­gen be­gann: „Wie vie­le to­te, geschädig­te und geschände­te Hartz-IV-Be­zie­her wol­len Sie noch auf Ihr Kon­to la­den? Wie vie­le dau­er­kran­ke, frus­trier­te und von sub­ti­ler Ge­hirnwäsche ge­prägte Mit­ar­bei­ter wol­len Sie in Ih­rem Kon­strukt „J.- m.“ durch­schleu­sen?“ Des Wei­te­ren hat­te sie am 20.4.2013 ei­nen „of­fe­nen Brief an die Kol­le­gen und Kol­le­gin­nen“ ge­schrie­ben, der aus­zugs­wei­se lau­te­te:
„… war­um han­delt ihr so, wie es der große Auf­schrei durch die leid­ge­prüften

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Leis­tungs­be­rech­tig­ten zeigt. Ist es die rei­ne Ausübung von Wei­sun­gen, ist es die ei­ge­ne Angst vor Re­pres­sa­li­en, ist es ei­ne Ohn­macht, ist es Igno­ranz oder ist es ge­wollt. … Hier möch­te ich noch­mals ganz klar zum Aus­druck brin­gen, dass ich nie­mals von euch al­len als Kol­lek­tiv ge­spro­chen ha­be. Ich spre­che von Kol­le­gen, die Wei­sun­gen ausführen, oh­ne darüber nach­zu­den­ken, was sie tun. … Eben­so ha­be ich auch in mei­ner Ver­gan­gen­heit sank­tio­niert. Den Satz, ich wuss­te es nicht bes­ser und wir müssen es ja, las­se ich al­ler­dings auch bei mir nicht gel­ten. Ei­ne Dumm­heit, die ich heu­te um­so mehr be­reue, als mir klar wur­de, was ich da­mit an­rich­te. … Ja, wir ha­ben Wei­sun­gen. Wir ha­ben aber auch ei­nen ei­ge­nen Kopf und so hof­fe ich ein Herz und ein Ge­wis­sen.“

Im März 2013 bot die Be­klag­te der Kläge­rin die Möglich­keit zur Über­nah­me ei­ner nach Ent­gelt­grup­pe 8 TV-L be­wer­te­ten Stel­le „Sach­be­ar­bei­tung Bil­dung und Teil­ha­be“ im B. E. an, was die Kläge­rin ab­lehn­te.

Mit Schrei­ben vom 22.4.2013 stell­te das J. die Kläge­rin bis auf Wi­der­ruf von der Er­brin­gung der Ar­beits­leis­tung un­ter Fort­zah­lung der Vergütung frei mit der Be­gründung, dass „an ei­ner rechts­kon­for­men Um­set­zung des SGB II zu zwei­feln sei“. Ge­gen die­se Su­s­pen­die­rung wand­te sich die Verfügungskläge­rin im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung und mach­te ih­ren An­spruch auf Beschäfti­gung gel­tend. Mit Ur­teil vom 30.7.2013 - 15 Ga 3/13 - wies das Ar­beits­ge­richt Ham­burg den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück.

Im Rah­men des ent­spre­chen­den Haupt­sa­che­ver­fah­rens beim Ar­beits­ge­richt Ham­burg zum Ak­ten­zei­chen 13 Ca 236/13 er­ging im Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer am 28.2.2014 ein Versäum­nis­ur­teil ge­gen die Kläge­rin. Die­se leg­te Ein­spruch ge­gen das Versäum­nis­ur­teil ein und es wur­de ein Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor der Kam­mer für den 11.7.2014 an­be­raumt. Die­ser wur­de auf­grund der sei­tens der Be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.6.2014 der Kläge­rin ge­genüber mit­ge­teil­ten Be­en­di­gung der Zu­wei­sung zur ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J. zum 30.6.2014 auf­ge­ho­ben.

Die Be­klag­te teil­te der Kläge­rin in dem zu­vor ge­nann­ten Schrei­ben vom 23.6.(Anl. B 3, Bl. 49 ff d.A.) fol­gen­des mit:

„Be­en­di­gung der Zu­wei­sung zur ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J. zum 30.6.2014

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Sehr ge­ehr­te Frau Ha.,

Sie sind der­zeit der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J.nach § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II zu­ge­wie­sen. Die­se Zu­wei­sung wird nach § 44g Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB II aus dienst­li­chen Gründen zum 30.6.2014 be­en­det.
Die dienst­li­chen Gründe lie­gen dar­in, dass die H. Ih­ren wei­te­ren Ein­satz beim J. nicht mehr als sinn­voll an­sieht. Es ist zwi­schen Ih­nen und t. zu ei­nem in­ten­si­ven, in­zwi­schen ge­richt­lich und Ih­rer­seits öffent­lich aus­ge­tra­ge­nen Kon­flikt darüber ge­kom­men, wie Sie im Rah­men Ih­rer Tätig­keit ein­zel­ne Vor­schrif­ten des SGB II voll­zie­hen. Als Ba­sis ei­ner sinn­vol­len Tätig­keit in ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on ist ein grundsätz­li­ches Ver­trau­en der Lei­tung der Or­ga­ni­sa­ti­on er­for­der­lich, dass das Per­so­nal sei­ne Tätig­keit im Sin­ne der Zie­le der Or­ga­ni­sa­ti­on ausübt. Die­ses Ver­trau­en der Lei­tung von t. ist Ih­nen ge­genüber nicht mehr vor­han­den und es ist nicht vor­stell­bar, dass es sich nach al­lem wie­der her­stel­len lässt.
t. ver­zich­tet auf die Ein­hal­tung der Frist von drei Mo­na­ten nach § 44g Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Des­halb wird die Zu­wei­sung zum 30.6.2014 be­en­det. Sie sind da­mit ab dem 1.7.2014 wie­der ver­pflich­tet, Ih­re Ar­beits­leis­tung bei ei­ner Stel­le der H. zu er­brin­gen. Sie er­hal­ten mit glei­cher Post ein ge­son­der­tes Schrei­ben zu den De­tails Ih­res wei­te­ren Ein­sat­zes.“

Mit wei­te­rem Schrei­ben vom 23.6.2014 (Anl. B 5, Bl. 52 ff d.A.) über­trug die Be­klag­te der Kläge­rin ei­ne neue Tätig­keit:

„Über­tra­gung ei­ner Tätig­keit – Ein­set­zungs­verfügung

Sehr ge­ehr­te Frau Ha.,

hier­mit möch­ten wir Ih­nen mit­tei­len, dass Sie ab dem 1.7.2014 auf un­be­stimm­te Zeit als Voll­beschäftig­te im Re­fe­rat In­te­gra­ti­ons­amt (XXX) als Sach­be­ar­bei­te­rin „Ver­wen­dung der Aus­gleichs­ab­ga­be im Be­reich In­di­vi­du­alförde­rung“ ein­ge­setzt wer­den. Sie er­hal­ten das Leit­zei­chen XXXX, ei­ne Stel­len­be­schrei­bung fin­den Sie an­lie­gend.
Die neue Tätig­keit ent­spricht der Ent­gelt­grup­pe 9 TV-L. Die­se Maßnah­me löst kei­ne wei­te­ren Ansprüche aus.

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Der Per­so­nal­rat wur­de par­al­lel be­tei­ligt. Die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung wur­de zeit­gleich über den Ein­satz im In­te­gra­ti­ons­amt in­for­miert.
Ne­ben den im Ar­beits­ver­trag ge­nann­ten Ta­rif­verträgen und den die­se er­set­zen­den und ergänzen­den Ta­rif­verträge sind auch die in der Beschäfti­gungs­stel­le gel­ten­den Dienst­ver­ein­ba­run­gen gemäß § 83 Ham­bur­gi­sches Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­setz (Hmb­Pers­VG), die gemäß § 94 Hmb­Pers­VG mit den Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ge­werk­schaf­ten und Be­rufs­verbände ge­schlos­se­nen Ver­ein­ba­run­gen und die sons­ti­gen, im Be­reich der Ar­beit­ge­be­rin gel­ten­den und auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den­den Vor­schrif­ten maßge­bend. …
Bit­te kom­men Sie am 1.7.2014 um 09:00 Uhr in die ……. zu Frau R. und tre­ten dort Ih­ren Dienst an.
Die­ses Schrei­ben gilt als Nach­weis im Sin­ne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, 5 und 10 Nach­weis­ge­setz vom 20.7.1995 in der je­wei­li­gen Fas­sung (BGBl. I S. 946).“

Mit der beim Ar­beits­ge­richt am 8.7.2014 ein­ge­gan­ge­nen An­trag­schrift hat sich die Kläge­rin so­wohl ge­gen Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Verfügungskläge­rin zur ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J. so­wie ge­gen die Über­tra­gung der Tätig­keit als Sach­be­ar­bei­te­rin „Ver­wen­dung der Aus­gleichs­ab­ga­be im Be­reich In­di­vi­du­alförde­rung“ im Re­fe­rat In­te­gra­ti­ons­amt ge­wandt.

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, dass die Auf­he­bung der Zu­wei­sung rechts­un­wirk­sam sei. Die Verfügungs­be­klag­te hätte die 3-Mo­nats-Frist des § 44g Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB II trotz ent­spre­chen­den Ver­zichts des J. ein­hal­ten müssen. Fer­ner se­he § 44g Abs. 1 Satz 1 SGB II die Zu­wei­sung für ei­nen Zeit­raum von fünf Jah­ren (ab dem 1.1.2011) vor. Die Be­klag­te hätte so­mit grundsätz­lich die Kläge­rin min­des­tens bis zum 31.12.2015 in der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung J. be­las­sen müssen. Die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung er­fol­ge fer­ner zu dem Zweck, der Kläge­rin die Möglich­keit der Fort­set­zung des anhängi­gen Rechts­streits ge­gen das J. u.a. um die Pflich­ten ei­ner Ar­beits­ver­mitt­le­rin zur Um­set­zung des SGB II zu neh­men, was rechts­miss­bräuch­lich sei. Die von der Be­klag­ten ins Feld geführ­ten „dienst­li­chen Gründe“ sei­en of­fen­sicht­lich nur vor­ge­scho­ben. Auch die von der Be­klag­ten er­folg­te Ein­set­zungs­verfügung sei rechts­un­wirk­sam. Selbst wenn man da­von aus­ge­he, dass die Be­klag­te im Rah­men ih­res Di­rek­ti­ons­rechts zulässi­ger­wei­se agie­ren würde, wäre ihr Han­deln rechts­miss­bräuch­lich, da es of­fen­sicht­lich nur da­zu die­ne, den Rechts­streit mit dem J. zu be­en­den. Die über­tra­ge­ne Stel­le sei nur da­zu ge­schaf­fen wor­den, um die Kläge­rin zu schi­ka­nie­ren und aus dem J. als „per­so­na non gra­ta“ zu ent­fer­nen. Auch sei zu bemängeln, dass die Kläge­rin ei­ne den An­for­de­run­gen der über­tra­ge­nen Tätig­keit ent­spre­chen­de Qua­li­fi­ka­ti­on nicht auf­wei­se. Die Kläge­rin sei über­haupt nicht in der La­ge,

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die ihr über­tra­ge­ne Tätig­keit aus­zufüllen. Hier wol­le die Be­klag­te of­fen­sicht­lich das Schei­tern der Verfügungskläge­rin in der über­tra­ge­nen Tätig­keit vor­be­rei­ten. Ei­ne Gleich­wer­tig­keit zu der über­tra­ge­nen Stel­le mit der jet­zi­gen Tätig­keit der Kläge­rin sei kei­nes­falls ge­ge­ben. Des Wei­te­ren ha­be die Be­klag­te ihr Di­rek­ti­ons­recht nicht nach bil­li­gem Er­mes­sen aus­geübt, da es an sach­li­chen Gründen feh­le. Der Be­klag­ten ge­he es über­haupt nicht dar­um, die Kläge­rin an­ge­mes­sen zu beschäfti­gen. Die Be­klag­te über­schrei­te die Gren­zen des Di­rek­ti­ons­rechts.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1) der Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, die von der Verfügungs­be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.6.2014 an die Verfügungskläge­rin erklärte Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Verfügungskläge­rin als Ar­beits­ver­mitt­le­rin zur Um­set­zung des SGB II am Stand­ort der Verfügungs­be­klag­ten in H.-A. an die ge­mein­sa­me Ein­rich­tung J. zum 30.6.2014 bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren des sel­ben Ru­brums zwi­schen den Par­tei­en vor dem er­ken­nen­den Ge­richt aus­zu­set­zen;
2) der Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, die von der Verfügungs­be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.6.2014 an die Verfügungskläge­rin erklärte Über­tra­gung ei­ner Tätig­keit - Ein­set­zungs­verfügung als Sach­be­ar­bei­te­rin „Ver­wen­dung der Aus­gleichs­ab­ga­be im Be­reich In­di­vi­du­alförde­rung“ im Re­fe­rat In­te­gra­ti­ons­amt - bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren des sel­ben Ru­brums zwi­schen den Par­tei­en vor dem er­ken­nen­den Ge­richt aus­zu­set­zen.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Anträge zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, es lie­ge we­der ein Verfügungs­an­spruch noch ein Verfügungs­grund vor. Rechts­grund­la­ge für die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung sei § 44g Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Hier sei ge­re­gelt, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Be­en­di­gung ei­ner Zu­wei­sung nach Abs. 1 vor Ab­lauf der 5-Jah­res-Frist möglich sei. Die Kläge­rin ha­be kei­nen An­spruch dar­auf, min­des­tens bis zum 31.12.2015 dem J. zu­ge­wie­sen zu blei­ben. Nach § 44g Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 SGB II könne die Zu­wei­sung aus dienst­li­chen Gründen

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be­en­det wer­den. Im vor­lie­gen­den Fall lägen aus­rei­chen­de dienst­li­che Gründe für die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung vor. Aus­weis­lich des Schrei­bens der Be­klag­ten vom 23.6.2014 sei die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Verfügungskläge­rin aus dienst­li­chen Gründen er­folgt. Grund für die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung sei nicht das beim Ar­beits­ge­richt Ham­burg un­ter dem Ak­ten­zei­chen 13 Ca 236/13 geführ­te Klag­ver­fah­ren zwi­schen der Kläge­rin und dem J.. Viel­mehr sei die Zu­wei­sung be­en­det wor­den, weil das Ar­beits­verhält­nis bei Auf­recht­er­hal­tung der Zu­wei­sung sinn­ent­leert wäre: Die Kläge­rin er­brin­ge seit über ei­nem Jahr kei­ne Ar­beits­leis­tung mehr für das J.. Selbst wenn die Kläge­rin vom J. wie­der ein­ge­setzt wer­den soll­te, wo­von nicht aus­zu­ge­hen sei, sei ei­ne kon­flikt­freie Fort­set­zung der Tätig­keit der Verfügungskläge­rin beim J. nicht denk­bar. Das J. hätte als Teil der an Rech­te und Ge­set­ze ge­bun­de­nen Ver­wal­tung die Vor­schrif­ten des SGB II ein­sch­ließlich der §§ 31 ff. SGB II an­zu­wen­den. Die Kläge­rin sei hier­zu aber nicht be­reit.
Auf­grund der Wei­ge­rung der Kläge­rin, die Sank­ti­ons­vor­schrif­ten der §§ 33 ff. SGB II zur An­wen­dung zu brin­gen, sei ei­ne kon­flikt­freie Fort­set­zung der Tätig­keit der Verfügungskläge­rin beim J. nicht denk­bar. Das für ei­ne Fort­set­zung der Tätig­keit der Verfügungskläge­rin beim J. er­for­der­li­che Ver­trau­en in die ord­nungs­gemäße Erfüllung der Ar­beits­auf­ga­ben ei­ner Ar­beits­ver­mitt­le­rin sei zerstört und könne auch nicht mehr her­ge­stellt wer­den. Auch schei­te­re die Wirk­sam­keit der Zu­wei­sung nicht an der Nicht­ein­hal­tung der 3-Mo­nats-Frist gemäß § 44g Abs. 5 Nr. 1 SGB II. Die Be­en­di­gungs­frist die­ne nur da­zu, zwi­schen­zeit­lich ei­nen an­de­ren ge­eig­ne­ten Mit­ar­bei­ter zu iden­ti­fi­zie­ren und ihm Tätig­kei­ten in der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung zu­zu­wei­sen. Es han­de­le sich um ei­ne Frist, durch die aus­sch­ließlich die Funk­ti­onsfähig­keit der ge­mein­sa­men Ein­rich­tung gewähr­leis­tet wer­den sol­le. Die Ein­hal­tung der Frist sei im vor­lie­gen­den Fall nicht er­for­der­lich, weil die Kläge­rin be­reits seit über ei­nem Jahr nicht mehr für das J. tätig sei und des­sen Funk­ti­onsfähig­keit durch die Be­en­di­gung der Zu­wei­sung nicht tan­giert wer­de. Da­her ha­be das J. ge­genüber der Be­klag­ten auf die Ein­hal­tung der Frist ver­zich­tet. Der Ver­zicht sei recht­lich zulässig. Die Ein­set­zungs­verfügung sei rechts­wirk­sam. Die neue Tätig­keit ent­spre­che der Ent­gelt­grup­pe 9 TV-L und da­mit der­je­ni­gen Ent­gelt­grup­pe, in die die Kläge­rin ein­grup­piert sei. Die Be­haup­tung der Kläge­rin, die Über­tra­gung der Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt die­ne nur da­zu, den Rechts­streit zwi­schen der Kläge­rin und dem J. zu be­en­den, ent­spre­che nicht der Wahr­heit. Glei­ches gel­te für die Be­haup­tung der Kläge­rin, die Über­tra­gung der Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt sei über­haupt nicht ge­wollt und die über­tra­ge­ne Stel­le sei nur da­zu ge­schaf­fen wor­den, um die Kläge­rin zu schi­ka­nie­ren und

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aus dem J. als „per­so­na non gra­ta“ zu ent­fer­nen. Rich­tig sei, dass ei­ne Mit­ar­bei­te­rin des In­te­gra­ti­ons­am­tes im nächs­ten Jahr al­ters­be­dingt aus dem Ar­beits­verhält­nis mit der Be­klag­ten aus­schei­de und hier­durch die Stel­le beim In­te­gra­ti­ons­amt va­kant wer­de. Um den er­for­der­li­chen Wis­sens­trans­fer im In­te­gra­ti­ons­amt si­cher zu stel­len und ei­ne sorgfälti­ge Ein­ar­bei­tung der Kläge­rin in die neue Tätig­keit zu gewähr­leis­ten, ha­be die Über­tra­gung der Tätig­keit be­reits ab dem 1.7.2014 er­fol­gen sol­len. Die Kläge­rin wer­de zunächst ein­ge­ar­bei­tet und er­hal­te aus­rei­chend Ge­le­gen­heit, sich mit den tatsächli­chen und recht­li­chen Grund­la­gen der Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt, ins­be­son­de­re mit den Re­ge­lun­gen des SGB IX ver­traut zu ma­chen. Die bis­her zu­ge­wie­se­ne Stel­le und die neue Stel­le sei­en auch gleich­wer­tig, was sich be­reits dar­an zei­ge, dass bei­de Tätig­kei­ten der­sel­ben Ent­gelt­grup­pe EG 9 entsprächen. Die Be­klag­te ha­be bei der Über­tra­gung der Tätig­keit bil­li­ges Er­mes­sen ge­wahrt und die­se sei durch ihr Di­rek­ti­ons­recht ge­deckt. Sie ha­be we­der schi­kanös noch rechts­miss­bräuch­lich ge­han­delt. Die Über­tra­gung der Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt ent­spre­che auch dem In­ter­es­se der Kläge­rin, weil sie hier­durch die Möglich­keit er­hal­te, wie­der ver­trags­gemäß beschäftigt zu wer­den. Das von der Kläge­rin in ih­rer An­trag­schrift in den Vor­der­grund ge­stellt In­ter­es­se, ein be­stimm­tes Ver­fah­ren bis zum Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on zu führen, sei kein Um­stand, der im Rah­men der Er­mes­sens­ausübung zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis führen könne, da Rechts­schutz­ziel in die­sem Ver­fah­ren die ver­trags­gemäße Beschäfti­gung sei, die durch die Über­tra­gung der Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt ge­ra­de ermöglicht wer­den sol­le. Darüber hin­aus feh­le es an dem für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung not­wen­di­gen Verfügungs­grund. Die Kläge­rin ha­be ei­nen sol­chen we­der schlüssig dar­ge­legt noch glaub­haft ge­macht. Ein Verfügungs­grund be­ste­he auch des­halb nicht, weil die Kläge­rin seit dem 30.6.2014 ar­beits­unfähig er­krankt sei und schon des­halb der­zeit kein Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung in Be­zug auf die Tätig­keit der Kläge­rin er­for­der­lich sei.

Mit Ur­teil vom 17. Ju­li 2014 hat das Ar­beits­ge­richt die Anträge ab­ge­wie­sen. Es hat im We­sent­li­chen aus­geführt, dass es an ei­nem Verfügungs­grund für den Er­lass der be­gehr­ten einst­wei­li­gen Verfügung feh­le. We­sent­li­che Nach­tei­le, die durch die be­gehr­te Re­ge­lung ab­zu­wen­den sei­en, ha­be die Kläge­rin nicht dar­ge­legt. Auch sei nicht er­kenn­bar, dass die Be­klag­te rechts­miss­bräuch­lich ge­han­delt ha­be.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten der Ur­teils­be­gründung wird auf das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 17. Ju­li 2014 ver­wie­sen (Bl. 75 ff d.A.).

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Das Ur­teil ist der Kläge­rin am 31.7.2014 zu­ge­stellt wor­den. Sie hat hier­ge­gen am 27.8.2014 Be­ru­fung ein­ge­legt und ih­re Be­ru­fung mit Schrift­satz vom 8.9.2014, am 10.9.2014 per Fax vor­ab beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­gen, be­gründet.

Die Kläge­rin trägt vor, das Ar­beits­ge­richt ha­be zu Un­recht den Er­lass der be­gehr­ten einst­wei­li­gen Verfügung ab­ge­lehnt. Sie wie­der­holt in­so­weit zunächst ih­ren erst­in­stanz­li­chen Sach­vor­trag. Ergänzend trägt die Kläge­rin vor, die Be­klag­te ha­be ei­ne Stel­le mit „der­sel­ben Vor­aus­set­zung be­tref­fend das Stu­di­um“ aus­ge­schrie­ben. Dort sol­le aber ei­ne Ein­grup­pie­rung nach E 11 TV-L er­fol­gen. Die Kläge­rin ge­he da­her da­von aus, dass die ihr zu­ge­wie­se­ne streit­ge­genständ­li­che Stel­le ih­rer Ta­rif­grup­pe an­ge­passt wor­den sei, ob­wohl sie ei­gent­lich bes­ser zu do­tie­ren wäre. Des Wei­te­ren ver­weist die Kläge­rin auf ein ärzt­li­ches Gut­ach­ten, das bei der A. H. be­an­tragt wor­den sei. Auf­grund von Band­schei­ben­vorfällen so­wie Mor­bus Bech­te­r­ew könne sie ei­ne länger an­dau­ern­de Sitz­hal­tung nicht ein­neh­men. Bei der nun über­tra­ge­nen Tätig­keit müsse sie aber den gan­zen Tag sit­zen. Im J. sei sie des­we­gen auch nur in Teil­zeit tätig ge­we­sen. Der Wech­sel in Voll­zeit sei nur ein Ver­such ge­we­sen. Eben­so ha­be sie im J. ei­ne wech­seln­de Tätig­keit mit Sit­zen, Lau­fen und Ste­hen ge­habt, da sie auch im Außen­dienst tätig ge­we­sen sei. Schon 6 St­un­den sit­zen sei ihr nicht möglich. Eben­so sei­en ihr 8 St­un­den am PC we­gen ei­nes Schul­ter­scha­dens und Fin­ger­po­ly­ar­thro­se nicht möglich. Das ha­be die Kläge­rin im J. nicht ge­wusst, da rund 50 % der Tätig­keit Gespräche ge­we­sen sei­en. Der an­ge­bo­te­ne Job schei­ne ei­ne rei­ne PC-Tätig­keit zu be­inhal­ten. Der Be­klag­ten sei be­kannt, dass die Kläge­rin zu Hau­se kom­plett be­hin­der­ten­ge­recht ein­ge­rich­tet sei mit Stuhl, Tisch und Sprach­pro­gramm. Aber selbst hier können sie nur ma­xi­mal 3 St­un­den sit­zen.

Die Kläge­rin be­an­tragt:

1. Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 17.7.2014 wird ab­geändert,
2. Der Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, die von der Verfügungs­be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.6.2014 an die Verfügungskläge­rin erklärte Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Verfügungskläge­rin als Ar­beits­ver­mitt­le­rin zur Um­set­zung des SGB II am Stand­ort der Verfügungs­be­klag­ten in H.-A. an die ge­mein­sa­me Ein­rich­tung J. . zum 30.6.2014 bis zur rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren des­sel­ben Ru­brums zwi­schen den Par­tei­en vor dem er­ken­nen­den Ge­richt aus­zu­set­zen.

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3. Der Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, die von der Verfügungs­be­klag­ten mit Schrei­ben vom 23.6.2014 an die Verfügungskläge­rin erklärte Über­tra­gung ei­ner Tätig­keit - Ein­set­zungs­verfügung als Sach­be­ar­bei­te­rin „Ver­wen­dung der Aus­gleichs­ab­ga­be im Be­reich In­di­vi­du­alförde­rung“ im Re­fe­rat In­te­gra­ti­ons­amt - bis zu ei­ner rechts­kräfti­gen Ent­schei­dung im Haupt­sa­che­ver­fah­ren des sel­ben Ru­brums zwi­schen den Par­tei­en vor dem er­ken­nen­den Ge­richt aus­zu­set­zen.

Die Be­klag­te be­an­tragt:

Die Be­ru­fung wird zurück­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts und trägt vor, sie ha­be be­reits erst­in­stanz­lich durch ei­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung glaub­haft ge­macht, dass die der Kläge­rin neu zu­ge­wie­se­ne Tätig­keit der Ent­gelt­grup­pe E 9 ent­spre­che. Die­ser Um­stand wer­de auch da­durch be­legt, dass meh­re­re Stel­len mit die­ser Funk­ti­on im In­te­gra­ti­ons­amt vor­han­den sei­en und auch die an­de­ren Sach­be­ar­bei­ter mit die­ser Tätig­keit in die Ent­gelt­grup­pe E 9 ein­grup­piert sei­en. Die Be­klag­te ver­weist in­so­weit auf ei­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung der Lei­te­rin der Ab­tei­lung „Per­so­nal, Or­ga­ni­sa­ti­on, Öffent­lich­keits­ar­beit“ bei der Behörde für A. (Anl. B 9, Bl. 143 ff d.A.). Zu­tref­fend sei, dass im Se­na­to­renbüro ei­ne Stel­le für Ta­rif­beschäftig­te in der Ent­gelt­grup­pe 11 TV-L aus­ge­schrie­ben wor­den sei, die eben­so wie die der Kläge­rin über­tra­ge­ne Stel­le ein mit ei­nem Ba­che­l­or­grad ab­ge­schlos­se­nes Stu­di­um oder ei­nen gleich­wer­ti­gen Ab­schluss oder ent­spre­chen­de gleich­wer­ti­ge Fähig­kei­ten und Er­fah­run­gen ver­lan­ge. Hier­aus las­se sich aber kein Rück­schluss auf die Zu­ord­nung der Ent­gelt­grup­pe zie­hen. Die Be­klag­te ver­lan­ge im all­ge­mei­nen Ver­wal­tungs­dienst für die Wahr­neh­mung von Auf­ga­ben der Ent­gelt­grup­pe E 9 bis E 12 oft­mals ei­nen Fach­hoch­schul- oder Ba­che­l­or­ab­schluss oder nach­ge­wie­se­ne ver­gleich­ba­re Kennt­nis­se und Er­fah­run­gen. Letz­te­re würden an­ge­nom­men, wenn – wie die Kläge­rin – der Beschäftig­te be­reits in ei­ner der ge­nann­ten Ent­gelt­grup­pen ein­grup­piert sei. Die Ein­grup­pie­rung der Tätig­keit rich­te sich so­dann aber nicht nach den ge­for­der­ten Kennt­nis­sen und Er­fah­run­gen, son­dern nach dem In­halt der wahr­zu­neh­men­den Auf­ga­be. Die der Kläge­rin über­tra­ge­ne Auf­ga­be ent­spre­che den Vor­aus­set­zun­gen der Ent­gelt­grup­pe E 9. Die im Se­na­to­renbüro aus­ge­schrie­be­ne Stel­le hin­ge­gen sei darüber hin­aus da­durch ge­kenn­zeich­net, dass sie ei­ne „be­son­ders ver­ant­wor­tungs­vol­le Tätig­keit“ mit „be­son­de­rer Schwie­rig­keit und Be­deu­tung“ sei, was E

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11 ent­spre­che. So­weit die Kläge­rin un­ter ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen lei­de, die die Ein­rich­tung ei­nes lei­dens­ge­rech­ten Ar­beits­plat­zes er­for­de­re, sei die ent­spre­chen­de Ein­rich­tung des Ar­beits­plat­zes der Kläge­rin für die Be­klag­te selbst­verständ­lich. Die Kläge­rin ha­be ei­ne lei­dens­ge­rech­te Aus­stat­tung mit Schrei­ben vom 12.9.2014 be­an­tragt (Anl. B 10, Bl. 145 d.A.). Sie ha­be am 22.10.2014 ei­nen Ter­min beim Ar­beits­me­di­zi­ni­schen Dienst ge­habt. So­fern der AMD ei­nen ent­spre­chen­den Be­darf (z.B. höhen­ver­stell­ba­rer Schreib­tisch) bestäti­ge, er­fol­ge die Ar­beits­platz­aus­stat­tung un­verzüglich. Da­mit wer­de ei­ne wech­seln­de Tätig­keit der Kläge­rin ermöglicht. Oh­ne­hin sei der Ar­beits­platz im In­te­gra­ti­ons­amt kein 8stündi­ger PC-Ar­beits­platz. Zum Ar­beits­all­tag gehörten auch wech­seln­de körper­li­che Tätig­kei­ten, z.B. Be­schaf­fung von Ak­ten und an­de­ren Ar­beits­grund­la­gen, Be­ra­tungs­ter­mi­ne, Dienst­be­spre­chun­gen usw. Nach Rück­mel­dung aus der Dienst­stel­le be­tra­ge die rei­ne PC-Tätig­keit un­ter 50 % (Anl. B 9, Bl. 143 ff d.A.). So­fern not­wen­dig, wer­de auch der ver­blei­ben­de An­teil an klas­si­scher PC-Tätig­keit durch ei­ne lei­dens­ge­rech­te Aus­stat­tung des Ar­beits­plat­zes so be­schaf­fen, dass die Tätig­keit so­wohl im Sit­zen als auch im Ste­hen möglich sein wer­de.

In der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20.11.2014 hat die Kläge­rin vor­ge­tra­gen, dass der Ter­min beim me­di­zi­ni­schen Dienst statt­ge­fun­den ha­be. Un­strei­tig ist, dass für den Ar­beits­platz der Kläge­rin ein höhen­ver­stell­ba­rer Schreib­tisch vor­han­den ist so­wie ei­ne den Bedürf­nis­sen der Kläge­rin an­ge­pass­te Maus und Tas­ta­tur. Eben­so sei ein ent­spre­chen­der Stuhl be­stellt wor­den. Das Pro­blem, so die Kläge­rin, sei aber das lan­ge Sit­zen.

Der al­te Ar­beits­platz der Kläge­rin war bzw. ist nicht lei­dens­ge­recht aus­ge­stat­tet.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stands wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Schriftsätze der Par­tei­en, die Pro­to­kol­le so­wie den ge­sam­ten Ak­ten­in­halt Be­zug ge­nom­men.

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Ent­schei­dungs­gründe:

I.

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts ist zulässig, aber nicht be­gründet.

Gemäß §§ 935, 940 ZPO war die von der Kläge­rin be­an­trag­te einst­wei­li­ge Verfügung zurück­zu­wei­sen, da es an ei­nem Verfügungs­grund fehlt.

1.

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 b) ArbGG statt­haft und wur­de gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 S. 1 und 5 ArbGG, 33 519, 520 ZPO frist- und form­ge­recht ein­ge­legt und hin­rei­chend be­gründet.

2.

Das Rechts­mit­tel hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Der gemäß §§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 935, 940 ZPO statt­haf­te An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung ist un­be­gründet. Das Ar­beits­ge­richt hat die Anträge der Kläge­rin im Ver­fah­ren auf einst­wei­li­gen Rechts­schutz zu Recht zurück­ge­wie­sen.

Die im We­ge der einst­wei­li­gen Verfügung ge­stell­ten Anträge der Kläge­rin sind nicht be­gründet. Das gilt so­wohl für den An­trag auf „Aus­set­zung“ der Be­en­di­gung der Zu­wei­sung der Kläge­rin zum J. als auch der An­trag auf „Aus­set­zung“ der Zu­wei­sung der neu­en Tätig­keit bis zu ei­ner Ent­schei­dung in der Haupt­sa­che.

Es fehlt bei­den Anträgen je­den­falls an dem für den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung not­wen­di­gen Verfügungs­grund, wor­auf be­reits das Ar­beits­ge­richt zu Recht hin­ge­wie­sen hat. Auch der neue Vor­trag der Kläge­rin in der Be­ru­fungs­in­stanz recht­fer­tigt kei­ne an­de­re Be­ur­tei­lung. Im Ein­zel­nen:

Nach den gemäß § 62 Abs. 2 ArbGG ent­spre­chend an­zu­wen­den­den Vor­schrif­ten des 8. Buchs der Zi­vil­pro­zess­ord­nung kann ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung er­las­sen wer­den, wenn zu be­sor­gen ist, dass durch ei­ne Verände­rung des be­ste­hen­den Zu­stands die Ver­wirk­li­chung des Rechts ei­nes Be­tei­lig­ten ver­ei­telt oder we­sent­lich er­schwert wer­den könn­te (§ 935 ZPO) oder wenn die Re­ge­lung ei­nes strei­ti­gen Rechts­verhält­nis­ses zur Ab­wehr we­sent­li­cher Nach­tei­le nötig er­scheint (§ 940 ZPO). Die Gefähr­dung des Rechts

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bzw. die Not­wen­dig­keit ei­ner Re­ge­lung, d.h. der Verfügungs­grund, und der Verfügungs­an­spruch sind glaub­haft zu ma­chen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Vor­aus­set­zung für den Er­lass der be­gehr­ten einst­wei­li­gen Verfügung ist al­so u.a. das Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­grun­des gem. §§ 935, 940 ZPO.

Ein Verfügungs­grund kann nur dann an­ge­nom­men wer­den, wenn die be­gehr­te Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stan­des not­wen­dig ist, um an­sons­ten dro­hen­de we­sent­li­che Nach­tei­le des An­trag­stel­lers ab­zu­wen­den. Es muss ei­ne be­son­de­re Eil­bedürf­tig­keit ge­ge­ben sein, wel­che es er­for­der­lich macht, zur Ab­wen­dung we­sent­li­cher Nach­tei­le be­reits vor ei­ner Klärung strit­ti­ger Rechts­fra­gen im re­gulären ar­beits­ge­richt­li­chen Haupt­sa­che­ver­fah­ren vor­ab im We­ge ei­ner sum­ma­ri­schen Prüfung im Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes ei­ne vorläufi­ge Re­ge­lung zu tref­fen. Soll ei­ne so ge­nann­te Leis­tungs­verfügung ge­trof­fen wer­den, dürfen an das Vor­lie­gen ei­nes Verfügungs­grun­des je­den­falls kei­ne zu ge­rin­gen An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den (LAG Rhein­land-Pfalz, 14.5.2013, 6 Sa­Ga 2/13; 20.4.2011, 7 SaGa1/11; LAG Schles­wig-Hol­stein, 10.11.2011, 5 Sa­Ga 12/11; zit. nach iuris).

We­sent­li­che Nach­tei­le sind bei der sum­ma­ri­schen Über­prüfung von Ver­set­zungs­an­ord­nun­gen des Ar­beit­ge­bers - wie sie vor­lie­gend ge­ge­ben sind – nur in Aus­nah­mefällen an­zu­neh­men. Al­lein der Um­stand, dass ei­ne mögli­cher­wei­se ver­trags­wid­ri­ge Beschäfti­gung des Ar­beit­neh­mers nicht mehr rückgängig ge­macht wer­den kann, reicht hierfür nicht aus (LAG Rhein­land-Pfalz, 14.5.2013, 6 Sa­Ga 2/13; LAG Köln, 14.8.2009, 9 Ta 264/09; zit. nach iuris). Die Be­ja­hung ei­nes Verfügungs­grun­des für ei­ne einst­wei­li­ge Verfügung ge­gen Wei­sun­gen des Ar­beit­ge­bers zu In­halt, Ort und Art der Ar­beits­leis­tung er­for­dert ein deut­lich ge­stei­ger­tes Ab­weh­rin­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers, wie es al­len­falls bei er­heb­li­chen Ge­sund­heits­ge­fah­ren, ei­ner dro­hen­den ir­re­pa­ra­blen Schädi­gung des be­ruf­li­chen An­se­hens oder bei schwe­ren Ge­wis­sens­kon­flik­ten be­ste­hen kann (LAG Schles­wig-Hol­stein, 10.11.2011, 5 Sa­Ga 12/11, zit. nach iuris). Ei­nem Ar­beit­neh­mer ist es in der Re­gel zu­zu­mu­ten, ei­ner Ver­set­zungs­an­ord­nung oder ar­beits­ver­trag­li­chen Wei­sung zunächst Fol­ge zu leis­ten und so­dann den Um­fang des Di­rek­ti­ons­rechts in ei­nem Haupt­sa­che­ver­fah­ren klären zu las­sen. Ne­ben ei­nem ge­stei­ger­ten Ab­weh­rin­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers er­kennt die Recht­spre­chung le­dig­lich in Fällen ei­ner of­fen­kun­di­gen Rechts­wid­rig­keit der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Maßnah­me das Be­ste­hen ei­nes Verfügungs­grun­des an (LAG Rhein­land-Pfalz, 14.5.2013, 6 Sa­Ga 2/13; LAG Schles­wig-Hol­stein, 10.11.2011, 5 Sa­Ga 12/11; LAG Hamm, 5.2.2008, 11 Sa­GA 4/08; LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, 12.5.2009, 5 Sa­Ga 4/08; zit. nach iuris).

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Ge­mes­sen hier­an ist die Kläge­rin ge­hal­ten, der Wei­sung der Be­klag­ten, die Tätig­keit im J. zu be­en­den so­wie die Tätig­keit als Sach­be­ar­bei­te­rin im In­te­gra­ti­ons­amt auf­zu­neh­men, zunächst nach­zu­kom­men. Die Fra­ge, ob die Be­klag­te die Zu­wei­sung zum J. – vor­zei­tig – tatsächlich be­en­den und der Kläge­rin die neue streit­ge­genständ­li­che Tätig­keit beim In­te­gra­ti­ons­amt über­tra­gen durf­te, ist im Haupt­sa­che­ver­fah­ren zu klären.

Die Verfügungskläge­rin hat kei­ne Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die dafür spre­chen würden, dass ihr die Auf­nah­me der neu­en Tätig­keit im In­te­gra­ti­ons­amt un­zu­mut­bar wäre. Dro­hen­de we­sent­li­che Nach­tei­le der Kläge­rin, die die Not­wen­dig­keit der be­gehr­ten Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stan­des be­gründen könn­ten, sind nach wie vor nicht er­sicht­lich (hier­zu Punkt a)). Auch be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te für ei­ne of­fen­sicht­li­che Rechts­wid­rig­keit der streit­ge­genständ­li­chen Maßnah­men (hier­zu Punkt b)).

a)

Der Kläge­rin dro­hen kei­ne we­sent­li­chen Nach­tei­le, die die Not­wen­dig­keit der Re­ge­lung ei­nes einst­wei­li­gen Zu­stan­des be­gründen könn­ten.

Das In­ter­es­se der Kläge­rin dar­an, den Rechts­streit mit dem J. (ArbG Ham­burg zum Ak­ten­zei­chen 13 Ca 236/13) über die Su­s­pen­die­rung der Verfügungs-kläge­rin (wo es u.a. um die Pflich­ten ei­ner Ar­beits­ver­mitt­le­rin zur Um­set­zung des SGB II geht) fort­zu­set­zen, be­gründet kei­nen we­sent­li­chen Nach­teil und kein aus­rei­chen­des Ab­weh­rin­ter­es­se im Sin­ne der Norm. Ins­be­son­de­re ist der vor­ge­nann­te Rechts­streit nur aus­zu­set­zen bis zur Ent­schei­dung über die Fra­ge der Rechtmäßig­keit der Ver­set­zungs­maßnah­me der Be­klag­ten und noch nicht er­le­digt.

Auch die ge­sund­heit­li­chen Pro­ble­me der Kläge­rin, die sie im Rah­men der Be­ru­fungs­in­stanz vor­ge­tra­gen hat, recht­fer­ti­gen nicht den Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung, denn auch in­so­weit sind kei­ne we­sent­li­chen Nach­tei­le zu Las­ten der Kläge­rin zu befürch­ten:

Zunächst ist nicht er­kenn­bar, dass die Kläge­rin bei der neu zu­ge­wie­se­nen Tätig­keit den gan­zen Tag über sit­zen muss, was ihr zu­ge­ge­be­ner­maßen auf­grund ih­rer Er­kran­kung (Mor­bus Bech­te­r­ew) nicht möglich sein dürf­te. Un­strei­tig ist ein Schreib­tisch vor­han­den, der höhen­ver­stell­bar ist – im Ge­gen­satz zum bis­he­ri­gen Ar­beits­platz der Kläge­rin im J.. Die Kläge­rin kann dem­gemäß die Schreib­tisch­ar­beit im Sit­zen und im Ste­hen ab­sol­vie­ren. Fer­ner hat die Be­klag­te hat hier­zu vor­ge­tra­gen und die­sen Vor­trag durch Über­rei­chen ei­ner ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung glaub­haft ge­macht, dass es sich bei dem neu über­tra­ge­nen Ar­beits­platz nicht um ei­nen achtstündi­gen PC-Ar­beits­platz han­del­te. Zum

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Ar­beits­all­tag gehören hier­nach ge­nau­so wech­seln­de Tätig­kei­ten, z.B. durch die Be­schaf­fung von Ak­ten und an­de­ren Ar­beits­grund­la­gen. Auch die We­ge zu Be­ra­tungs­ter­mi­nen und Dienst­be­spre­chun­gen usw. sor­gen für ei­ne Ab­wechs­lung zur sit­zen­den oder ste­hen­den Tätig­keit am Schreib­tisch. Die rei­ne PC-Tätig­keit liegt – nach dem glaub­haft ge­mach­ten Vor­trag der Be­klag­ten – bei un­ter 50 %. Das ent­spricht dem An­teil, den die Kläge­rin auch zu­vor zu bewälti­gen hat­te. Eben­so wird es der Kläge­rin möglich sein, sich an ih­rem Ar­beits­platz bzw. in ih­rem Büro zu be­we­gen.

Des Wei­te­ren ist zu be­ach­ten, dass die Kläge­rin auch bis­her ei­nen „Schreib­ti­sch­job“ hat­te – an ei­nem nicht lei­dens­ge­reicht ein­ge­rich­te­ten Ar­beits­platz. Zwar be­haup­tet die Kläge­rin, durch ih­re Außen­diensttätig­keit ha­be sie aus­rei­chend körper­li­che Ab­wechs­lung ge­habt, d.h. sich hin­rei­chend be­we­gen können. Al­ler­dings hat sie die kon­kre­ten Umstände zu ih­rer bis­he­ri­gen Tätig­keit we­der dar­ge­legt noch glaub­haft ge­macht. Die be­haup­te­ten wech­seln­den Tätig­kei­ten bei ih­rer Ar­beit im J. (sit­zen, lau­fen, ste­hen), ins­be­son­de­re die je­wei­li­gen Zeit­an­tei­le im Ver­gleich zu ih­rer neu­en Tätig­keit, hat die Kläge­rin nicht sub­stan­ti­iert. Es ist aus ih­rem Sach­vor­trag nicht er­kenn­bar, wie lan­ge sie an ih­rem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz ma­xi­mal am Stück hat sit­zen müssen und wie lan­ge sie sich, z.B. im Rah­men der Außen­diensttätig­kei­ten, hat be­we­gen können. Zu berück­sich­ti­gen ist in­so­weit auch, dass die Kläge­rin ir­gend­wie zu ih­ren Ter­min hat ge­lan­gen müssen und da­bei ggf. auch wie­der hat sit­zen müssen (Au­to, Bahn, Bus). Nähe­res war der Kam­mer nicht mit­ge­teilt wor­den – auch nicht, ob sie sich bei der Wahr­neh­mung der Außen­dienst­ter­mi­ne hat be­we­gen können. Sch­ließlich war nicht er­sicht­lich, wie oft sol­che Ter­mi­ne statt­ge­fun­den ha­ben (täglich?). Im Er­geb­nis konn­te nicht be­ur­teilt wer­den, dass die Kläge­rin zu­vor ei­nen körper­lich we­ni­ger be­las­ten­den Ar­beits­platz hat­te, der we­ni­ger Be­ein­träch­ti­gun­gen mit sich brach­te als der neu über­tra­ge­ne Ar­beits­platz, der durch die lei­dens­ge­rech­te Aus­stat­tung ih­rer Er­kran­kung ent­ge­gen kommt und hier eher für ei­nen Aus­gleich sor­gen kann als der bis­he­ri­ge Ar­beits­platz.

Die Kläge­rin hat fer­ner nicht vor­ge­tra­gen, wel­che kon­kre­ten ge­sund­heit­li­chen Be­ein­träch­ti­gun­gen er­fol­gen, wenn sie länge­re Zeit über sit­zen muss. Darüber hin­aus fehlt es an ei­ner ent­spre­chen­den Glaub­haft­ma­chung.

Ins­ge­samt war so­mit nicht er­kenn­bar, dass mit der Über­tra­gung der neu­en Tätig­keit ei­ne we­sent­lich nach­tei­li­ge Verände­rung droht, die die Kläge­rin körper­lich bzw. ge­sund­heit­lich mehr be­las­tet als die bis­he­ri­ge Ar­beit.

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b)


Sch­ließlich ist auch nicht von der of­fen­kun­di­gen Rechts­wid­rig­keit der ar­beit­ge­ber­sei­ti­gen Maßnah­me, was eben­falls ei­nen Verfügungs­grund be­gründen könn­te, aus­zu­ge­hen. Rechts­grund­la­ge der Maßnah­men ist § 44 g SGB II auf der ei­nen und § 106 Ge­wO i.V.m. § 1 des Ar­beits­ver­trags der Par­tei­en auf der an­de­ren Sei­te.

Nach § 106 Ge­wO kann der Ar­beit­ge­ber In­halt, Ort und Zeit der Ar­beits­leis­tung nach bil­li­gem Er­mes­sen näher be­stim­men, so­weit die­se Ar­beits­be­din­gun­gen nicht durch Ar­beits­ver­trag, Be­triebs­ver­ein­ba­rung, Ta­rif­ver­trag oder ge­setz­li­che Vor­schrif­ten fest­ge­legt sind. Die Gren­zen die­ses ar­beits­recht­li­chen Di­rek­ti­ons­rechts er­ge­ben sich aus § 315 Abs. 3 BGB. Nach ständi­ger Recht­spre­chung wird in­so­fern ver­langt, dass die we­sent­li­chen Umstände des Fal­les ab­ge­wo­gen und die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wer­den. Dies un­ter­liegt der ge­richt­li­chen Kon­trol­le (vgl. BAG, 24.4.1996, 5 AZR 1031/94; zit. nach iuris). In­so­fern ist der Ar­beit­ge­ber auch nicht ver­pflich­tet, stets das mil­des­te Mit­tel an­zu­wen­den. Es ist sei­ne Sa­che, wie er auf Kon­flikt­la­gen re­agie­ren will und zwar un­abhängig von ei­nem mögli­chen Streit über die Ur­sa­chen (BAG, a. a. O.).

Dass die Be­klag­te mit ih­rer Ver­set­zungs­maßnah­me ge­gen die­se Vor­aus­set­zun­gen und Grundsätze of­fen­sicht­lich ver­s­toßen hat, ist nicht er­kenn­bar. Von ei­ner of­fen­sicht­li­chen Rechts­wid­rig­keit der streit­ge­genständ­li­chen An­ord­nun­gen ist nicht aus­zu­ge­hen.

Ins­be­son­de­re ist ein rechts­miss­bräuch­li­ches Vor­ge­hen der Be­klag­ten, die Kläge­rin mit den Maßnah­men nur schi­ka­nie­ren und sie als „per­so­na non gra­ta“ aus dem J. ent­fer­nen zu wol­len, nicht er­sicht­lich. Die Be­klag­te hat ei­ne ei­des­statt­li­che Ver­si­che­rung vor­ge­legt und da­durch glaub­haft ge­macht, dass die Zu­wei­sung zum J. des­halb be­en­det wor­den sei, weil das Ar­beits­verhält­nis auf­grund der be­reits et­wa ein Jahr währen­den Su­s­pen­die­rung der Kläge­rin durch das J. als sinn­ent­leert be­ur­teilt wor­den ist. Denn die Kläge­rin hat seit über ei­nem Jahr kei­ne Ar­beits­leis­tun­gen mehr (bei Fort­zah­lung der Vergütung) er­bracht. Des Wei­te­ren hat die Be­klag­te das Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen der Kläge­rin und dem J. auf­grund des öffent­lich aus­ge­tra­ge­nen Kon­flikts als zerrüttet an­ge­se­hen und ein Auf­recht­er­hal­ten der Zu­wei­sung an das J. auch des­halb als nicht sinn­voll er­ach­tet. Im

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Rah­men ei­ner sum­ma­ri­schen Prüfung er­scheint das nach­voll­zieh­bar, zu­min­dest nicht auf den ers­ten Blick un­zu­tref­fend und vor­ge­scho­ben.

Sch­ließlich gibt es im In­te­gra­ti­ons­amt demnächst ei­ne zu be­set­zen­de Stel­le, weil ei­ne Kol­le­gin in den Ru­he­stand ge­hen wird. Für die­se Stel­le soll die Kläge­rin be­reits jetzt ein­ge­ar­bei­tet wer­den. Die Kläge­rin hat dies­bezüglich nicht zu befürch­ten, über­for­dert zu wer­den, da sie aus­rei­chend Ge­le­gen­heit er­hal­ten soll, sich mit der maßgeb­li­chen Ma­te­rie ver­traut zu ma­chen.

Die­se glaub­haft ge­mach­ten Umstände spre­chen ge­gen ein of­fen­sicht­lich rechts­miss­bräuch­li­ches Vor­ge­hen der Be­klag­ten und da­mit ge­gen ei­ne of­fen­sicht­li­che Rechts­wid­rig­keit der streit­ge­genständ­li­chen Ver­set­zungs­maßnah­men.

Glei­ches gilt im Hin­blick auf den Um­stand, dass die Kläge­rin sich für die Wahr­neh­mung der neu­en Auf­ga­ben für nicht hin­rei­chend qua­li­fi­ziert hält und befürch­tet, die Be­klag­te wol­le dies aus­nut­zen, um ihr Schei­tern vor­zu­be­rei­ten. Zum ei­nen ist fest­zu­stel­len, dass ih­re bis­he­ri­ge Stel­le und die neu zu­ge­wie­se­ne Stel­le mit der Ent­gelt­grup­pe 9 TV-L vergütet wer­den und so­mit – nach sum­ma­ri­scher Prüfung – als gleich­wer­tig an­zu­se­hen sind. Ent­ge­gen­ste­hen­de An­halts­punk­te hat die Kläge­rin nicht hin­rei­chend dar­ge­legt, wo­hin­ge­gen die Be­klag­te mit der ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­rung vom 20.10.2014 glaub­haft ge­macht hat, dass meh­re­re Stel­len mit der Funk­ti­on „Ver­wen­dung der Aus­gleichs­ab­ga­be im Be­reich In­di­vi­du­alförde­rung“ im In­te­gra­ti­ons­amt vor­han­den sind und dass die Sach­be­ar­bei­ter die­ser Stel­len je­weils – wie die Kläge­rin – mit E 9 TV-L vergütet wer­den. Das spricht für die Gleich­wer­tig­keit der bis­he­ri­gen und der der Kläge­rin neu zu­ge­wie­se­nen Stel­le und so­mit grundsätz­lich auch für ei­ne aus­rei­chen­de Befähi­gung der Kläge­rin, die neu­en Auf­ga­ben wahr­neh­men zu können. Zum an­de­ren weist die Be­ur­tei­lung der Kläge­rin vom 15.8.2012 ein Po­ten­ti­al der Kläge­rin auf, das sie da­zu befähigt, neue und auch er­wei­ter­te, höher­wer­ti­ge Auf­ga­ben wahr­neh­men zu können.

Sch­ließlich sind die Maßnah­men der Be­klag­ten auch nicht des­halb of­fen­kun­dig rechts­wid­rig, weil ge­gen die Fris­ten in § 44 g SGB II ver­s­toßen wor­den sein soll. So­weit die Be­klag­te die Drei-Mo­nats­frist des § 44 g Abs. 5 S. 1 Nr. 1 SGB II nicht ein­ge­hal­ten hat, ist fest­zu­stel­len, dass das J. auf die Frist­wah­rung ver­zich­tet hat. Das ist je­den­falls nicht of­fen­kun­dig rechts­un­wirk­sam. Glei­ches gilt für die Nicht­ein­hal­tung der Fünf-Jah­res­frist in §

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44 g Abs. 5 S. 1 SGB II. Grundsätz­lich kann die Zu­wei­sung nämlich vor Ab­lauf der Fünf-Jah­res­frist be­en­det wer­den, wenn dienst­li­che Gründe ge­ge­ben sind. Hier ist nicht er­kenn­bar, dass of­fen­sicht­lich kei­ne dienst­li­chen Gründe vor­lie­gen und des­halb die Maßnah­me of­fen­sicht­lich un­wirk­sam wäre. In­so­weit wird auf die be­reits dar­ge­leg­ten Gründe der Ver­set­zungs­maßnah­me ver­wie­sen (Su­s­pen­die­rung der Kläge­rin durch das J.; kei­ne Ar­beits­leis­tun­gen seit über ei­nem Jahr; zerrütte­tes Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen der Kläge­rin und dem J.). Ab­sch­ließend ist das ar­beits­ver­trag­li­che Di­rek­ti­ons­recht zu be­ach­ten, wo­nach der Kläge­rin als Mit­ar­bei­te­rin des öffent­li­chen Diens­tes grundsätz­lich al­le Tätig­kei­ten über­tra­gen wer­den können, die die Merk­ma­le der für sie maßge­ben­den Ent­gelt­grup­pe erfüllen.

II. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus §§ 97, 91 Abs. 1 ZPO. Die Kläge­rin hat als un­ter­lie­gen­de Par­tei die Kos­ten des Rechts­streits ins­ge­samt zu tra­gen.

Ein wei­te­res Rechts­mit­tel ge­gen die­se Ent­schei­dung ist nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).

 

(Me.)  

(Dr. Günther-Gräff)  

(Vo.)

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