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LAG München, Urteil vom 30.06.2011, 3 Sa 85/11
Schlagworte: | Bonus, Zielvereinbarung, Insolvenz | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht München | |
Aktenzeichen: | 3 Sa 85/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 30.06.2011 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht München - 36 Ca 14709/09 | |
Verkündet am: 30.06.2011
3 Sa 85/11
36 Ca 14709/09
(ArbG München)
Kübler
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht München
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
L.
- Kläger und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigte:
gegen
J.
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
- 2 -
1. S.
2. W.
- Streitverkündete -
Prozessbevollmächtigte zu 1-2:
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenfelder und die ehrenamtlichen Richter Kuhlemann und Schneid
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16.11.2010 - 36 Ca 14709/09 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.300,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.10.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen.
3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
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Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, an den Kläger eine sogenannte Retentionsprämie sowie eine anteilige variable Vergütung - sogenannter jährlicher Bonus - zu zahlen.
Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit 01.06.2005 beschäftigt auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 01.06.2005, zuletzt als übertariflicher Angestellter in der Position eines Senior Director/Overall Program Manager mit einem Jahreszieleinkommen in Höhe von 116.600,00 € brutto. Das Jahreszieleinkommen setzte sich nach Ziff. 4 des Arbeitsvertrages aus einem festen Jahresgehalt in Höhe von zuletzt 84.000,00 € brutto (= monatlich 7.000,00 € brutto) und einem jährlichen variablen Einkommen - dem sogenannten Bonus - bei Erreichung festgelegter Ziele in Höhe von zuletzt 32.600,00 € brutto bei einhundertprozentiger Zielerreichung im Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09. des Folgejahres) zusammen. Nach Ziff. 4 des Arbeitsvertrages werden die Ziele jährlich auf der Grundlage der jeweils geltenden Richtlinie (Bonus & Incentive Guideline) in einer gesonderten Zielvereinbarung festgelegt. Mit dieser Richtlinie ist eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der I. (ÜT-Bonus) vom 21.06.2005 gemeint, die später einen Nachtrag vom 28.06.2006 erhielt. Nach dem Betriebsübergang vom 01.05.2009 von der I. zur Q. - der nachmaligen Insolvenzschuldnerin - wurde diese Gesamtbetriebsvereinbarung durch die Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der Q. (ÜT-Bonus) vom 16.11.2006 ersetzt. Dort ist unter Ziff. 11.1 Eintritt/Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt:
Die Regeln für „Eintritt/Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ werden auch auf Mitarbeiter in der Elternzeit oder einem Sabbatical angewendet.
11.1.1 Eintritt im 1., 2. und 3. Quartal
Bei unterjährigem externen Eintritt wird innerhalb der ersten drei Monate nach Eintritt eine Zielvereinbarung abgeschlossen. Die Auszahlung des Bonus gemäß Zielerreichung erfolgt zeitanteilig nach Ablauf des Geschäftsjahres.
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11.1.2 Eintritt im 4. Quartal
Bei Eintritt im 4. Quartal werden alle Ziele zu 100 % für dieses Quartal ausbezahlt. 11.1.3 Beendigung im 1. und 2. Quartal des Geschäftsjahres
Die Zielerreichung wird mit 100 % bewertet. Der ermittelte Betrag wird zeitanteilig im Monat der Endabrechnung ausbezahlt.
11.1.4 Beendigung im 3. oder 4. Quartal des Geschäftsjahres
Die Zielerreichung für die individuellen Ziele wird zum Beschäftigungsende, der Gesamtzielerreichungsgrad wird nach dem Ende des Geschäftsjahres, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet, bewertet. Der ermittelte Betrag wird zeitanteilig zu dem üblichen Auszahlungstermin ausgezahlt.
Mit Schreiben vom 26.10.2008 sagte die Insolvenzschuldnerin eine Retentionsprämie zu wie folgt:
„...
Wir freuen uns, dass wir Ihnen zum 31.03.2009 einen einmaligen Betrag in Höhe von 29.150,00 € brutto zusagen können. Die Auszahlung des Betrages setzt vor-aus, dass Sie zu diesem Zeitpunkt Ihr Arbeitsverhältnis mit der ... (Insolvenzschuldnerin) nicht von sich aus gekündigt haben. Die Auszahlung erfolgt mit der nächsten Gehaltsabrechnung.“
Am 23.01.2009 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht M. - Insolvenzgericht - ordnete am selben Tag die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit
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der Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Am 01.04.2009, 9:00 Uhr, eröffnete das Amtsgericht M. - Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter.
Dieser gab mit E-Mail vom 20.04.2009 bekannt, dass der variable Anteil für übertarifliche Mitarbeiter mit Wirkung zum 01.04.2009 im Umfang von monatlich einem Zwölftel als fixer Einkommensbestandteil auf der Basis des einhundertprozentigen Wertes gezahlt werde. Ab April 2009 erhielt der Kläger einen monatlichen variablen Anteil in Höhe von 2.716,67 € brutto ausgezahlt.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 20.07.2009 zum 31.10.2009 und stellte den Kläger ab 01.08.2009 von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Das Arbeitsverhältnis wurde im Verlauf eines Kündigungsschutzprozesses zum 31.07.2009 beendet.
Der Kläger verlangt vom Beklagten, einen anteiligen Bonus für den Zeitraum Oktober 2008 bis einschließlich März 2009 in Höhe von 16.300,00 € brutto sowie die Retentionsprämie in Höhe von 29.150,00 € brutto.
Er hat die Forderung auf die Retentionsprämie in Höhe von 29.150,00 € im Verlauf des Berufungsverfahrens - mit Schreiben vom 05.05.2011 - zur Insolvenztabelle angemeldet.
Der Kläger ist der Auffassung, der Anspruch auf den Bonus ergebe sich als Schadenersatzanspruch, weil die Insolvenzschuldnerin ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtung, mit dem Kläger eine Zielvereinbarung für das Geschäftsjahr 2008/2009 zu schließen, nicht nachgekommen sei. Demgegenüber habe der Kläger seine Arbeitsleistung in der Zeit von Oktober 2008 bis März 2009 erbracht. Der Kläger meint, es liege insoweit eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO vor, da es sich um einen Anspruch auf Sonderleistung handele, der an besondere Anlässe geknüpft sei und sich nicht einzelnen Monaten oder
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Zeitabschnitten zuordnen lasse. Dieser Anspruch sei deshalb erst mit dem 30.09.2009 entstanden.
Der Kläger ist des weiteren der Auffassung, ihm stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Retentionsprämie zu, weil die im Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 20.10.2008 angeführten Voraussetzungen erfüllt seien. Das Arbeitsverhältnis habe am 01.04.2009 ungekündigt fortbestanden. Insbesondere sei es nicht vom Kläger gekündigt worden. Die Retentionsprämie sei im April 2009, mithin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, zahlbar gewesen, so dass auch insoweit eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO vorliege.
Der Beklagte ist dagegen der Auffassung, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Die Bonuszahlung betreffe eine einfache Insolvenzforderung im Sinne von § 38 InsO, da der Bonusanspruch dem Kläger während des Geschäftsjahres 2008/2009, ebenso wie der Anspruch auf das monatliche Grundgehalt, monatlich, also pro rata temporis, entstanden sei. Es handele sich um eine monatsbezogene Entgeltleistung. Dies ergebe sich auch aus der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 28.06.2006, die eine zeitanteilige Auszahlung bei unterjährigem Ein- oder Austritt aus dem Arbeitsverhältnis vorsehe.
Nach Auffassung des Beklagten scheidet der Anspruch auf die geltend gemachte Retentionsprämie schon deshalb aus, weil es sich um eine Insolvenzforderung handele. Bei wirksamer Zusage wäre der Anspruch mit Ablauf des 31.03.2009 entstanden, wogegen das Insolvenzverfahren erst am 01.04.2009 eröffnet worden sei. Die spätere Fälligkeit führe nicht dazu, dass die Insolvenzforderung zu einer Masseverbindlichkeit werde. Abgesehen davon stehe dem Anspruch die Einrede der Anfechtbarkeit gemäß § 146 Abs. 2 InsO entgegen, weil die Zusage sowohl nach § 133 Abs. 1 InsO (vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung) als auch nach § 134 InsO (unentgeltliche Leistung) anfechtbar sei.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 11.12.2009 den im Zeitpunkt der Zusage der Retentionsprämie amtierenden Vorstandsmitgliedern der Insolvenzschuldnerin den Streit verkündet. Diese sind mit Schriftsatz vom 02.11.2010 dem Rechtsstreit auf der Seite des Beklagten beigetreten.
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Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteil vom 16.11.2010 - 36 Ca 14709/09 -, auf das hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts sowie des streitigen Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts verwiesen wird, die Klage vollumfänglich abgewiesen mit der Begründung, weder der Anspruch auf Ersatz des Bonusschadens noch der Anspruch auf die Retentionsprämie seien Masseverbindlichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die den Insolvenzverwalter verpflichteten. Vielmehr handele es sich um Ansprüche für die Zeit vor Insolvenzeröffnung, die nach § 108 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend zu machen und nach § 174 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden seien. Der Anspruch auf Bonus für Oktober 2008 bis März 2009 in Form eines Schadenersatzanspruchs betreffe zwar eine Leistung mit Entgeltcharakter. Auch bestehe ein Schadenersatzanspruch in Höhe des für die Zielerfüllung zugesagten Bonus, wenn der Arbeitgeber schuldhaft kein Gespräch über die Zielerreichung geführt habe. Da der Bonusanspruch jedoch in Zeitabschnitten entstehe, was sich aus Ziff. 12.2 der Gesamtbetriebsvereinbarung (Arbeitsplatzwechsel/Organisationsänderung) sowie aus der Kollektivregelung über den Bonusanspruch bei unterjährigem Eintritt ergebe, sei das Ende des Geschäftsjahres nicht Bedingung für die Entstehung des Anspruchs. Entstehe der Bonusanspruch aber in Zeitabschnitten, sei die streitige Bonusforderung eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, weil das Insolvenzverfahren am 01.04.2009, 9:00 Uhr, eröffnet worden sei, während der streitige Bonus vorher, nämlich jeweils zum Monatsletzten, entstanden sei. Auch der Anspruch auf Zahlung der Retentionsprämie, der jedenfalls mit Ab-lauf des 31.03.2009, 0:00 Uhr entstanden sei, sei keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 2 InsO, weil die Insolvenzeröffnung erst am 01.04.2009, 9:00 Uhr, stattgefunden habe. Die spätere Fälligkeit sei für die Entstehung der Forderung nicht maßgeblich. Voraussetzung für die Zahlung sei laut Zusage vom 21.10.2008, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis nicht selbst zum 31.03.2009 gekündigt habe. Diese Voraussetzung sei unstreitig mit Ablauf des 31.03.2009 erfüllt gewesen mit der Folge der Entstehung des Anspruchs um 0:00 Uhr. Diese Auslegung entspreche Sinn und Zweck der Retentionsprämie nach den eigenen Behauptungen des Klägers - Bindung der Arbeitnehmer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Wohle des Betriebs. Diese auf 31.03.2009 befristete Betriebs-treue komme der Masse nicht mehr zugute.
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Der Kläger hat gegen das ihm am 21.12.2010 zugestellte Endurteil vom 16.11.2010 mit einem am 21.01.2011 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 21.02.2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Er wiederholt seinen bereits im ersten Rechtszug vorgebrachten Rechtsstandpunkt und meint, die zeitanteilige Zuordnung des Bonus bzw. der variablen Vergütung für die Monate Oktober 2008 bis März 2009 durch das Arbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft, weil der Bonusanspruch erst mit Ablauf des Geschäftsjahres entstanden sei, als festgestanden habe, welche Ziele der Kläger tatsächlich in der Periode erreicht hatte. Er trägt vor, der Bonus für die genannten Monate sei nicht etwa gemäß E-Mail des Beklagten vom 20.04.2009 auf Basis des hundertprozentigen Werts ausgezahlt worden. Der Kläger betont, der Bonusanspruch sei nicht jeweils zum Monatsletzten entstanden, auch wenn bei unterjährigem Ein- und Austritt eine zeitanteilige Auszahlung erfolgen sollte. Laut Arbeitsvertrag handele es sich um einen Jahresbonus. Bemessungszeitraum sei das volle Geschäftsjahr. Der Erfolg müsse am Ende des Geschäftsjahres messbar sein. Der Zielerreichungsgrad müsse gemäß Ziff. 11.5 der Gesamtbetriebsvereinbarung spätestens bis 31.12. des auf die Zielperiode folgenden Geschäftsjahres festgestellt sein. Damit lasse sich der Anspruch gerade nicht einzelnen Monaten zuordnen. Selbst wenn sich die Ziele in monatliche Etappen unterteilen ließen, setze die Entstehung des Bonus nicht zwangsläufig die monatliche hundertprozentige Erreichung der einzelnen Etappen voraus. Die Schlussrechnung werde am Ende des Geschäftsjahres gemacht. Die Forderung entstehe somit zum Ende des Geschäftsjahres, woran auch die zeitanteilige Gewährung bei unterjährigem Ein- und Austritt nichts ändere. Die Stichtagsregelung führe nicht zu einem unbilligen Ergebnis für die Masse. Denn der Kläger habe die Arbeitsleistung zur Masse erbracht.
Der Kläger hält auch daran fest, dass der Anspruch auf die Retentionsprämie keine Insolvenzforderung sei. Die Fortführung des Unternehmens sei keine Voraussetzung des Anspruchs. Die Zusage sei für Betriebstreue gegeben worden, nicht aber für die Fortführung des Unternehmens. Der Kläger tritt der Auffassung des Beklagten entgegen, die Zusage sei anfechtbar. Es liege weder eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne von § 133 InsO noch eine unentgeltliche Leistung gemäß § 134 InsO vor, sondern ein „sachgerechter Sanierungsversuch“. Vor allem habe der Kläger keine Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin oder einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ge-
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habt. Da der Anspruch auf die Retentionsprämie mit der Gehaltsabrechnung für April 2009 fällig geworden sei, handele es sich um eine Masseverbindlichkeit.
Hilfsweise macht der Kläger geltend, er habe jedenfalls Anspruch auf Feststellung der Forderung auf Zahlung des Retentionsbonus zur Insolvenztabelle, da die Zusage vom 21.10.2008 nicht anfechtbar sei. Er meint, die im diesbezüglich gestellten Hilfsantrag enthaltene Klageänderung sei zulässig.
Der Kläger beantragt:
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 16.11.2010, zugestellt am 21.12.2010, - 36 Ca 14709/09 - wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 45.450,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise:
a) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 16.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
b) Die Forderung des Klägers in Höhe von 29.150,00 € wird zur Insolvenztabelle festgestellt.
III. Der Beklagte und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.
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Er tritt den Entscheidungsgründen des Endurteils vom 16.11.2010 bei und meint insbesondere, wenn die Honorierung der Betriebstreue bis einschließlich 31.03.2009 Zweck der Zahlung der Retentionsprämie sei, sei dieser Zweck spätestens mit Ablauf des 31.03.2009 erreicht worden, mithin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.04.2009, 9:00 Uhr. Die Zahlbarkeit bzw. Fälligkeit sei für die Entstehung der Forderung nicht entscheidend. Vorsorglich hält der Beklagte die Einrede der Anfechtbarkeit aufrecht.
Der Beklagte bleibt dabei, dass der Zielbonus als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zeitabschnittsbezogen entstanden sei. Daran ändere die Auszahlung laut Betriebsvereinbarung erst nach Ablauf des Geschäftsjahres und die Feststellbarkeit des Zielerreichungsgrades am Ende der Zielperiode nichts. Selbst wenn der Bonusanspruch nicht jeweils zum Monatsletzten entstünde, stelle der geltend gemachte Schadenersatzanspruch dennoch keine Masseverbindlichkeit dar, da dass die Schadenersatzpflicht auslösende Ereignis - Nichtabschluss einer Zielvereinbarung mit dem Kläger bis spätestens 01.12.2008 gemäß Ziff. 9.3 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 - von der nachmaligen Insolvenzschuldnerin vor Insolvenzeröffnung verursacht worden sei.
Den im Berufungsverfahren gestellten Hilfsfeststellungsantrag des Klägers hält der Be-klagte für unzulässig, weil die Forderung auf Zahlung der Retentionsprämie nicht angemeldet, geprüft und bestritten worden sei. Es fehle somit eine zwingende Sachurteilsvoraussetzung für die Zulässigkeit der Feststellungsklage.
Im Übrigen meint der Beklagte, die Hilfsfeststellungsklage sei auch unbegründet, weil die Forderung einredebehaftet sei.
Hinsichtlich des sonstigen Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 21.02.2011 und 05.05.2011, des Beklagten vom 15.03.2011 und 31.05.2011 sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 12.05.2011 verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet.
Der Anspruch auf Zahlung der Retentionsprämie ist keine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO, die gegenüber dem Insolvenzverwalter unmittelbar geltend gemacht werden könnte, sondern eine Insolvenzforderung, die vor Insolvenzeröffnung entstanden ist und somit nach § 108 Abs. 3 InsO vom Kläger nur als Insolvenzgläubiger geltend zu machen und nach § 174 InsO zur Insolvenztabelle anzumelden ist. Die Berufung ist insoweit unbegründet. Der Anspruch auf Schadenersatz in Höhe des entgangenen jährlichen Bonus betrifft dagegen eine Masseverbindlichkeit, die gegenüber dem Beklagten unmittelbar geltend gemacht werden kann. Da die Voraussetzungen dieses Schadenersatzanspruchs vorliegen, sind Klage und Berufung insoweit begründet.
Der im Berufungsverfahren vom Kläger neu gestellte Antrag auf Feststellung des Anspruchs auf den Retentionsbonus zur Insolvenztabelle ist unzulässig, weil es, wie der Beklagte richtig erkannt hat, an einer Sachurteilsvoraussetzung - jedenfalls: Prüfung und Bestreiten der Forderung durch den Insolvenzverwalter - fehlt.
1. Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, dass der Anspruch auf Zahlung der Retentionsprämie unbegründet ist, weil es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO handelt.
a) Es kann offen bleiben, ob es sich - wie das Arbeitsgericht im Anschluss an BAG 27.09.2007 (6 AZR 275/06, Rn. 20) angenommen hat - um eine Leistung mit Entgeltcharakter im weitesten Sinne handelt oder, wie der Beklagte annimmt, um eine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 134 Abs. 1 InsO. Jedenfalls handelt es sich um keine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, deren Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.
b) Das Arbeitsgericht hat zu Recht im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht (BAG 19.07.2007 - 6 AZR 1087/06 - Rn. 19; BAG 27.09.2007 - 6 AZR 975/06 - Rn. 18) ausgeführt, § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfasse Verbindlichkeiten noch nicht vollständig erfüllter ge-
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genseitiger Verträge. Die Regelung stelle sicher, dass der Gläubiger, der noch voll zur Masse leisten muss, auch die volle Gegenleistung erhält und die Masse nicht auf seine Kosten bereichert wird. Soweit Arbeitsverhältnisse betroffen seien, beruhe die Vorschrift auf dem Grundgedanken, dass der Arbeitnehmer trotz Insolvenz seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen müsse und daher im Gegenzug seine vertraglich vereinbarten Ansprüche behalten solle. Unter die genannte Vorschrift fielen alle Lohn- und Gehaltsansprüche, die aus der Beschäftigung von Arbeitnehmern nach Verfahrenseröffnung durch den Insolvenzverwalter erwüchsen, und zwar in der Höhe, die sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag ergebe, sowie alle sonstigen Ansprüche, die sich aus dem Fort-bestand des Arbeitsverhältnisses ergäben. Für die Einordnung als Masse- oder Insolvenzforderung sei mithin entscheidend, ob der geltend gemachte Anspruch vor oder nach der Insolvenzverfahrenseröffnung entstanden sei, wobei nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Zeitpunkt des Entstehens der Forderung abzustellen sei (BAG 19.07.2007 - 6 AZR 1087/06 - Rn. 19).
c) Zu Recht hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe der Anspruch auf Zahlung der Retentionsprämie jedenfalls mit Ablauf des 31.03.2009, 24:00 Uhr = am 01.04.2009, 0:00 Uhr, entstanden sei. Denn in diesem Zeit-punkt war die Voraussetzung des Entstehens dieser Leistung laut Zusageschreiben vom 21.10.2008 - Unterlassung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kläger als Zusageempfänger von sich aus „zu diesem Zeitpunkt“ - erfüllt und, wie der Beklagte zu Recht ausführt, der Zweck der Leistung erreicht. Dabei kann dahinstehen, ob für das Entstehen des Anspruchs auf die Retentionszahlung bereits das Unterlassen einer Arbeitnehmerkündigung zum 31.03.2009 ausreicht, also einer Kündigung mit diesem Beendigungstermin, oder ob das Unterlassen des Ausspruchs einer Kündigung bis einschließlich 31.03.2009 gefordert ist - wovon das Berufungsgericht ausgeht. Denn bei beiden Varianten ist die im Zusageschreiben genannte Voraussetzung für die Zahlung der Retentionsprämie erfüllt.
d) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht auf den im Zusageschreiben genannten Auszahlungstermin, also auf die Fälligkeit der Zahlung, an. Die Voraussetzung, dass der Zusageempfänger das Arbeitsverhältnis „zu diesem Zeitpunkt“ nicht von sich aus gekündigt habe, bezieht sich auf den vorangegangenen Satz, in dem der
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Bindungszeitraum mit dem Passus „bis 31. März 2009“ definiert ist, nicht aber auf den nachfolgenden Satz, der den Auszahlungszeitpunkt festlegt. Sonst müsste es heißen: „Die Auszahlung setzt voraus, dass Sie zum Zeitpunkt der Auszahlung (oder aber: der nachfolgenden Gehaltsabrechnung bzw. der nachfolgend geregelten Auszahlung oder ähnliches) ... nicht von sich aus gekündigt haben“.
Da somit der Anspruch am 31.03.2009, 24:00 Uhr = 01.04.2009, 0:00 Uhr, entstanden ist, mithin vor Insolvenzeröffnung am 01.04.2009, 9:00 Uhr, liegt keine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. Der Beklagte ist nicht passivlegitimiert.
2. Der auf Schadenersatz wegen des entgangenen Incentive-Bonus gemäß § 280 Abs. 1 und 3 BGB i. V. m. §§ 283, 252 BGB gerichtete Anspruch betrifft dagegen keine Insolvenzforderung, sondern eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Da die Voraussetzungen für einen solchen Schadenersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe vorliegen, ist die Klage insoweit begründet.
a) Nach Ziff. 4b des Arbeitsvertrages vom 28.06.2005 hat der Kläger Anspruch auf einen jährlichen Bonus bei Erreichen festgelegter Ziele, der für das Geschäftsjahr 2008/2009 (01.10.2008 bis 30.09.2009) bei 100 % Zielerreichung 32.600,00 € brutto beträgt.
b) Die Arbeitgeberin des Klägers und nachmalige Insolvenzschuldnerin hat entgegen Ziff. 9.3 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 nicht bis spätestens 01.12.2009 für die Dauer des laufenden Geschäftsjahres eine Zielvereinbarung mit dem Kläger getroffen und auch kein Gespräch über die Zielerreichung geführt, ohne dass Gründe für diese Unterlassung vorgetragen oder ersichtlich wären.
Hat der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil, der von der Erreichung zu vereinbarender Ziele abhängig ist, und kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, ist der Arbeitgeber aber nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1 und Abs. 3, 283 Satz 1, 252 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadenersatz zu leisten, wenn er das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat. Dabei obliegt es regelmäßig dem Ar-
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beitgeber, die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ergreifen und ein konkretes Angebot vorzulegen. Unterbleibt dies, verletzt der Arbeitgeber die aus der Vereinbarung der variablen zielabhängigen Vergütung resultierende Verhandlungspflicht (BAG 12.05.2010 - 10 AZR 390/09 - Rn. 11; BAG 10.12.2008 - 10 AZR 889/07 - Rn. 12). Allerdings ist der Arbeitgeber nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zur Leistung von Schadenersatz verpflichtet, wenn er das Nichtzustandekommen einer Zielvereinbarung nicht zu vertreten hat. Weist der Arbeitgeber nach, dass er seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung, für jede Zielperiode gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Ziele festzulegen, nachgekommen ist und dem Arbeitnehmer Ziele vorgeschlagen hat, die dieser nach einer auf den Zeitpunkt des Angebots bezogenen Prognose hätte erreichen können, fehlt es an einer Verletzung der Verhandlungspflicht des Arbeitgebers und damit an einer Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers.
Vorliegend hat die Arbeitgeberin des Klägers und nachmalige Insolvenzschuldnerin nicht nur entgegen der einschlägigen Kollektivregelung ihre Verpflichtung zum Abschluss einer Zielvereinbarung bzw. zur Ergreifung einer entsprechenden Initiative verletzt. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie dies nicht zu vertreten hätte, so dass mangels Entlastungsbeweises von einem Vertretenmüssen auszugehen ist.
c) Die Höhe des auszugleichenden Schadens bemisst sich nach dem für den Fall der Zielerreichung zugesagten Bonus. Dieser ist bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB Grundlage für die Ermittlung des dem Arbeitnehmer zu ersetzenden Schadens (BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 50).
Dies bedeutet, dass der Kläger für das Geschäftsjahr 2008/2009 (01.10.2008 bis 30.09.2009) Anspruch auf einen Incentive-Bonus in Höhe des 100-Prozent-Werts, also 32.600,00 € brutto hat. Da er hiervon gemäß E-Mail vom 20.04.2009 (für die Zeit ab 01.04.2009) monatlich ein Zwölftel (des Jahreswerts) erhalten hat, steht noch ein auszugleichender Schaden in Höhe der Hälfte des Jahresbonus bei hundertprozentiger Zielerreichung offen. Dies sind 16.300,00 € brutto.
d) Der Beklagte ist in Bezug auf den Anspruch auf den Incentive-Bonus passivlegitimiert. Denn es handelt sich um eine Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2
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Alt. 2 InsO, die, weil sie nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, im Sinne der genannten Bestimmung für die Zeit nach Insolvenzeröffnung zu erfüllen ist.
Es bedarf keiner näheren Erörterung darüber, dass dieser Anspruch eine Leistung mit Entgeltcharakter betrifft, da es sich um einen Bestandteil des arbeitsvertraglichen Jahres-arbeitsentgelt-Gefüges handelt. Die Leistung wird als Gegenleistung für den Gesamterfolg der Arbeitsleistung des Klägers im Geschäftsjahr erbracht.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Beklagten handelt es sich dagegen nicht um eine Leistung, die in Zeitabschnitten - monatsweise - entsteht. Denn die Bemessung und Zahlung erfolgt entsprechend dem Zielerreichungsgrad im Geschäftsjahr, der - wie auch die von den Parteien herangezogenen Kollektivvereinbarungen zeigen - grundsätzlich erst mit Ablauf des Geschäftsjahres festgestellt werden kann. Damit kann der Anspruch, worauf der Kläger zu Recht hinweist, nicht einzelnen Monaten zugeordnet werden. Selbst wenn sich die Ziele in monatliche Etappenziele unterteilen ließen, setzt die Entstehung des Bonus nicht zwangsläufig die monatliche Erreichung des 100-Prozent-Werts in den einzelnen Etappen voraus. Vielmehr könnte dann die Untererfüllung der Ziele in einzelnen Monatsetappen durch die Übererfüllung in anderen Monatszeiträumen kompensiert werden. Abgesehen davon ist hier - wie in der Regel - völlig offen, ob - und gegebenenfalls welche - Einzelziele auf Teil-Zeiträume des Geschäftsjahres bezogen sind bzw. in solchen Teil-Zeiträumen erfüllt werden können oder müssen. Dies ist eine Folge davon, dass durch den Incentive-Bonus gerade nicht Monatsleistungen, sondern eine Jahresleistung honoriert werden soll.
Daran ändert auch die zeitanteilige Gewährung bei unterjährigem Ein- oder Austritt (Ziff. 11.1 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006) oder im Falle eines Arbeitsplatzwechsels bzw. einer Organisationsänderung (Ziff. 11.2 der genannten Betriebsvereinbarung), ferner bei Wechsel der disziplinarischen Führungskraft (Ziff. 11.3 der Betriebsvereinbarung) nichts. Denn die Begrenzung auf den zeitanteiligen Anspruch betrifft in diesen Fällen nur die Bemessung der Anspruchshöhe unter Verkürzung des Bezugszeitraums. Diese Verkürzung des Referenzzeitraums bedeutet nicht, dass ein Wechsel von einer monatsübergreifenden Betrachtungsweise zu einer monatsbezogenen Charakteristik des Incentive-Bonus-Anspruchs stattfände. Vielmehr bleibt es dabei, dass es sich um die Honorierung
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der Gesamtleistung des Arbeitnehmers in einem monatsübergreifenden Zeitraum handelt. Die Verkürzung des Bezugszeitraums in den genannten Fällen betrifft nicht das System - den Charakter - der Leistung, sondern ist dem Anliegen einer möglichst gerechten, „fairen“ Berechnung des Bonus geschuldet.
„Zeitabschnitt“ im Sinne von § 614 Satz 2 BGB ist mithin grundsätzlich das Geschäftsjahr, in den genannten Fällen einer Verkürzung des Bemessungszeitraums der verkürzte Zeit-raum, nicht aber die für das Fixgehalt maßgebende „Monatstaktung“. Die Berufungskammer vermag dem Beklagten nicht darin zu folgen, dass die für die Zahlung des Incentive-Bonus maßgebende Arbeitsleistung Monat für Monat erbracht werde ungeachtet der Feststellbarkeit des Zielerreichungsgrades am Ende der Zielperiode.
Daran ändert auch die Zugrundelegung eines Zielerreichungsgrades von 100 % im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses im ersten und zweiten Quartal des Geschäftsjahres gemäß Ziff. 11.1.3 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 und die Zusage variabler Anteile für übertarifliche und Führungskreis-Mitarbeiter in Höhe von monatlich einem Zwölftel als fixer Einkommensbestandteil auf der Basis des 100-Prozent-Werts durch E-Mail der Q. Communication vom 12.04.2009 nichts. Bei dem Ansatz des 100-Prozent-Werts in Ziff. 11.1.3 der Betriebsvereinbarung handelt es sich lediglich um eine unwiderlegliche Vermutung im Rahmen der Berechnung der Höhe des Bonus, im Falle der Zusage vom 20.04.2009 geht es um eine Annäherung der variablen Vergütung an eine Fixvergütung oder gar um eine Umwandlung der variablen Vergütung in eine feste Vergütung, allerdings jedenfalls nicht unter Veränderung des Charakters der variablen Vergütung für die Zeit von Oktober 2008 bis einschließlich März 2009. Wäre für das Geschäftsjahr 2008/2009 mit dem Kläger eine Zielvereinbarung getroffen worden, müsste unter Berücksichtigung der E-Mail vom 20.04.2009 für den Rumpfzeitraum Oktober 2008 bis ein-schließlich März 2009 analog Ziff. 11.2 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 eine zeitanteilige Bewertung der Zielerreichung sowie eine entsprechende zeitanteilige Auszahlung des Bonus - allerdings immer noch „nach Ablauf des Geschäftsjahres“ (vgl. Ziff. 11.2 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung) - erfolgen.
Nach allem handelt es sich beim streitgegenständlichen Anspruch auf nicht erfüllte Incentive-Bonus-Leistung für das Geschäftsjahr 2008/2009 um eine Verbindlichkeit, deren Er-
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füllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO erfolgen muss.
e) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Bonusanspruch nicht schon des-halb keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung, weil dass die Ersatzpflicht auslösende Ereignis von der Schuldnerin vor Insolvenzeröffnung verursacht wurde.
Zwar trifft es zu, dass nach Ziff. 9.3 der Betriebsvereinbarung vom 16.11.2006 die Zielvereinbarungen grundsätzlich bis spätestens 01.12. für die Dauer des laufenden Geschäftsjahres abzuschließen sind. Gleichwohl entsteht in den Fällen der vom Arbeitgeber verletzten Pflicht zur Herbeiführung einer Zielvereinbarung der Schadenersatzanspruch - ebenso wie der Anspruch auf die variable Vergütung selbst - erst mit Ablauf des Geschäftsjahres. Denn der Sekundäranspruch kann nicht vor dem Primäranspruch entstehen, auf dessen Vereitelung er aufbaut.
f) Die Frage der Anfechtbarkeit gemäß §§ 146 Abs. 2, 133 Abs. 1 Satz 1, 134 Abs. 1 InsO stellt sich hinsichtlich des Anspruchs auf Schadenersatz wegen des entgangenen Incentive-Bonus nicht.
3. Der Hilfsantrag des Klägers auf Feststellung der Forderung des Klägers in Höhe von 29.150,00 € zur Insolvenztabelle ist unzulässig.
Zwar hat der Kläger mit Schreiben vom 05.05.2011 diese Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes „Zusage/Retention Payment“ zur Insolvenztabelle angemeldet.
Gleichwohl kann über diesen Antrag nicht entschieden werden, weil insoweit - wie der Beklagte zu Recht ausführt - eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung fehlt. Auch wenn diese Forderung angemeldet ist, muss sie, ehe eine Feststellungsklage gemäß § 179 ff. InsO zulässig ist, geprüft und bestritten worden sein. Dass dies geschehen wäre, ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht und ist auch nicht ersichtlich. Die Folge ist, dass dieser Feststellungsantrag als unzulässig abzuweisen ist (BAG 16.06.2004 - 5 AZR 521/03; ErfK/Müller-Glöge, 11. Aufl., Einführung InsO Rn. 13).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
5. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen. Einzelheiten hierzu sind der nachfolgenden Belehrung zu entnehmen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil können beide Parteien Revision einlegen.
Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von zwei Monaten begründet werden.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils.
Die Revision muss beim
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
Postanschrift:
Bundesarbeitsgericht
99113 Erfurt
Telefax-Nummer:
0361 2636-2000
eingelegt und begründet werden.
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Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Es genügt auch die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten der Gewerkschaften und von Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände
- für ihre Mitglieder
- oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder
oder
von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich in wirtschaftlichem Eigentum einer der im vorgenannten Absatz bezeichneten Organisationen stehen,
- wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt
- und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In jedem Fall muss der Bevollmächtigte die Befähigung zum Richteramt haben.
Zur Möglichkeit der Revisionseinlegung mittels elektronischen Dokuments wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I, 519 ff.) hingewiesen. Einzelheiten hierzu unter http://www.bundesarbeitsgericht.de
Dr. Rosenfelder
Kuhlemann
Schneid
Hinweis der Geschäftsstelle:
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