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FDP möchte Selbstständige besser schützen
07.01.2020. Wer als Selbständiger sein Brot verdient und daher gegenüber seinem Auftraggeber als freier Mitarbeiter Rechnungen stellt, ist möglicherweise nur scheinbar selbständig, d.h. in Wahrheit ein sozialversicherungspflichtig beschäftigter Arbeitnehmer.
Dies führt zu grundlegend anderen wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zwischen Auftraggeber (Arbeitgeber) und Auftragnehmer (Arbeitnehmer).
Für den Scheinselbständigen sind dann nämlich rückständige Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, was zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen für den Auftraggeber/Arbeitgeber führt.
Eine Mithaftung des Scheinselbstständigen/Arbeitnehmers ist rechtlich weitgehend ausgeschlossen, denn der Arbeitgeber haftet im Außenverhältnis gegenüber den Krankenkassen für den vollen Sozialversicherungsbeitrag, d.h. auch für den darin enthaltenen Arbeitnehmeranteil. Der Arbeitnehmer ist dagegen geschützt, denn sein Anteil am Sozialbeitrag kann der Arbeitgeber im Nachhinein nur für maximal drei Monate verlangen, und auch das nur im Wege des Lohnabzugs bzw. im (noch) bestehenden Arbeitsverhältnis (§ 28g Satz 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IV).
Hinzu kommen weitere finanzielle Belastungen des Auftraggebers, die sich aus arbeitsrechtlichen Ansprüchen des Scheinselbständigen ergeben. Diese Forderungen richten sich im Wesentlichen auf nachträgliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie auf Vergütung oder Abgeltung für nicht gewährten Urlaub.
Aufgrund dieser rechtlichen und finanziellen Risiken, die für Unternehmen mit der Beauftragung von Selbstständigen verbunden sind, überlegen es sich viele Unternehmen zweimal, ob sie Aufträge an Freelancer vergeben sollen, oder ob sie lieber darauf bestehen sollten, dass der Wunschkandidat einem Arbeitsverhältnis zustimmt. Alternativ kann man einen Auftrag an eine größere Firma vergeben, um auf diese Weise Risiken aus dem Weg zu gehen. Für Freelancer ist es daher gar nicht so einfach, trotz fachlicher Kompetenz und zeitlicher Flexibilität Aufträge zu ergattern.
Vor diesem Hintergrund hat die Freie Demokratische Partei (FDP) bzw. deren Bundestagsfraktion einen Anlauf unternommen, die rechtliche Situation von selbstständigen gesetzlich zu verbessern. Da die FDP dort der Opposition ist, hat man sich von vornherein darauf beschränkt, einen Entschließungsantrag zu formulieren (BT Drucks. 19/15232), über den mittlerweile auch im Bundestag debattiert wurde.
Kern des Vorschlags ist es, die Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens eines sozial versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses grundlegend zu vereinfachen, und zwar durch die positive Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit.
Auf den ersten Blick wäre ein solches Vorgehen tatsächlich ein Systemwechsel, denn die einschlägigen Gesetzesvorschriften definieren bislang nicht, was unter einem Freiberufler zu verstehen ist, sondern sie legen fest, wer als Arbeitnehmer gilt (§ 611a Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) bzw. wann eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt (§ 7 Abs.1 SGB IV). Wesentlich für das Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis ist dabei die soziale Abhängigkeit des Dienstverpflichteten, die sich wiederum an seiner Weisungsabhängigkeit und an seiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers zeigt. Wer nicht in diesem Sinne sozial abhängig ist, ist kein Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter und kann dann als Freiberufler angesehen werden.
Im Unterschied dazu schlägt die FDP vor, künftig durch gesetzliche Positivkriterien festzulegen, wann von Selbstständigkeit auszugehen ist. Als mögliche positive Kriterien nennt der Entschließungsantrag ein (nicht näherer konkretisiertes) „Mindesthonorar“, das Vorhandensein einer ausreichenden Altersvorsorge sowie ein besonderes Know-how bei Diensten höherer Art. Darüber hinaus soll es auch auf den Parteiwillen und auf die jeweilige Verkehrsanschauung ankommen.
In der Bundestagsaussprache über diesen Vorschlag (S.16754) hagelte es, wie nicht anders zu erwarten war, Kritik von allen Seiten. Eher sachlich-nüchtern wies Wilfried Oellers (CDU/CSU) darauf hin, dass bereits die rot-grüne Bundesregierung in den Jahren 2002/2003 eine ähnliche Reform der sozialversicherungsrechtlichen Definition des Beschäftigungsverhältnisses versucht hatte, nämlich durch die gesetzliche Auflistung von Indizien, bei denen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im Regelfall angenommen werden konnte. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass dieser Kriterienkatalog völlig unbrauchbar war, und daher wurde er von den Krankenkassen von vornherein bei der Statusklärung nicht herangezogen. Einige Jahre später wurde dieser Kriterienkatalog aus dem Gesetz wieder gestrichen (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 03/01 Wegfall der "Scheinselbständigkeits"-Regelung).
Bislang spielte in der Debatte anscheinend gar keine Rolle, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zum Thema Scheinselbständigkeit Mitte 2019 grundlegend geändert hat, und zwar zulasten der Scheinselbständigen. Ist die für den Scheinselbständigen vereinbarte Vergütung höher als der übliche Arbeitslohn von Arbeitnehmern mit vergleichbaren Arbeitsaufgaben, muss der Scheinselbständige die Differenz zwischen der erhaltenen Bezahlung und der üblichen Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer erstatten (BAG, Urteil vom 26.06.2019, 5 AZR 178/18). Denn, so das BAG in dieser Entscheidung (Leitsatz):
"Stellt sich ein vermeintlich freies Dienstverhältnis im Nachhinein als Arbeitsverhältnis dar, kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung sei der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer verabredet."
Diese neue BAG-Rechtsprechung führt dazu, dass die nachträgliche Feststellung eines Beschäftigungsverhältnisses (durch eine Initiative des Scheinselbständigen selbst oder infolge einer Betriebsprüfung) ebenso wie die arbeitsgerichtliche Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zu wirtschaftlich existenzvernichtenden Rückforderungen des Arbeitgebers führen kann.
Aktuell dürfte diese arbeitnehmerunfreundliche Rechtsprechung des Fünften BAG-Senats das größte wirtschaftliche und rechtliche Risiko sein, das mit einer freiberuflichen Tätigkeit verbunden ist.
Denn die sozialversicherungsrechtliche und auch die arbeitsrechtliche Statusklärung sind mit großen rechtlichen Unsicherheiten im Einzelfall verbunden, so dass sich eine Fehleinschätzung (= Scheinselbstständigkeit) grundsätzlich immer im Nachhinein herausstellen kann. Ebenso sind natürlich auch Fehlentscheidungen möglich, z.B. wenn ein "echter" Selbständiger zu Unrecht als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter beurteilt wird, und/oder wenn ein Arbeitsgericht bei der Entscheidung über die Regressforderung des Arbeitgebers von einem zu geringen Vergleichsentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers ausgeht usw.
Da von dieser Rechtsprechung Selbstständige ebenso wie Scheinselbstständige (= Arbeitnehmer) betroffen sind, sollte ein politischer Konsens darüber zu erzielen sein, dass das BAG-Urteil vom 26.06.2019 (5 AZR 178/18) durch eine Klarstellung des Gesetzgebers, z.B. als Ergänzung zu § 611a BGB, korrigiert wird. Eine solche Klarstellung könnte lauten, dass die nachträgliche Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses oder eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die Gültigkeit der von den Parteien getroffenen Vergütungsvereinbarung, insbesondere ihre Höhe, unberührt lässt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Antrag der Abgeordnete J. Vogel u.a., vom 14.11.2019, Fairness für Selbstständige - Statusfeststellungsverfahren reformieren, Altersvorsorge ermöglichen, Kranken- und Arbeitslosenversicherung öffnen, BT Drucks. 19/15232
- Deutscher Bundestag, Sten. Bericht der 134. Sitzung, 12.12.2019 (S.16754 ff.)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.06.2019, 5 AZR 178/18
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmerähnliche Person
- Handbuch Arbeitsrecht: Beschäftigung, Beschäftigungsverhältnis
- Handbuch Arbeitsrecht: Scheinselbständigkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungsbeitrag, SV-Beitrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungsmeldungen
- Arbeitsrecht aktuell: 19/133 Honorarärzte im Krankenhaus sind sozialversicherungspflichtig
- Arbeitsrecht aktuell: 03/01 Wegfall der "Scheinselbständigkeits"-Regelung
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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