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BAG, Ur­teil vom 05.12.2019, 2 AZR 147/19

   
Schlagworte: Kündigung, Kündigung: Ordentlich, GbR
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 2 AZR 147/19
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.12.2019
   
Leitsätze: § 174 BGB findet analoge Anwendung auf einseitige Rechtsgeschäfte, die ein abweichend von der gesetzlichen Grundregel der §§ 709, 714 BGB allein vertretungsberechtigter Gesellschafter im Namen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts vornimmt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 11.20.2017, 12 Ca 15780/16,
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.03.2019, 9 Sa 445/18
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

2 AZR 147/19
9 Sa 445/18
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
5. De­zem­ber 2019

UR­TEIL

Rad­t­ke, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

 

pp.

 

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

 

hat der Zwei­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 5. De­zem­ber 2019 durch die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Ra­chor als Vor­sit­zen­de, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Nie­mann und Dr. Schlünder so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Grim­berg und Wolf für Recht er­kannt:


- 2 -

 

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 15. März 2019 - 9 Sa 445/18 - wird auf ih­re Kos­ten mit der Maßga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass die Be­klag­te ver­ur­teilt wird, an die Kläge­rin An­nah­me­ver­zugs­vergütung le­dig­lich in Höhe von 2.749,38 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 12. Mai 2017 zu zah­len.

 

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten noch über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung so­wie Zah­lungs­ansprüche.

1

Die Be­klag­te be­treibt als Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts die Ver­wal­tung ei­nes Miet­ob­jekts. Ihr Ge­sell­schaf­ter J bot der Kläge­rin im Vor­stel­lungs­ge­spräch an, auf der Grund­la­ge von vier Ar­beits­verträgen für die Be­klag­te und drei wei­te­re Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten tätig zu wer­den. Seit En­de Ju­ni 2016 er­brach­te die Kläge­rin an ei­nem Büroar­beits­platz Ar­bei­ten für al­le vier Ge­sell­schaf­ten und führ­te für die­se Be­sich­ti­gungs­ter­mi­ne mit Miet­in­te­res­sen­ten durch. Die Ar­beits­zeit wur­de ob­jekt­be­zo­gen zu­ge­ord­net und ab­ge­rech­net.

2

Herr J leg­te der Kläge­rin ei­nen ar­beit­ge­ber­sei­tig noch nicht un­ter­zeich­ne­ten Ent­wurf ei­nes schrift­li­chen Ar­beits­ver­trags mit der Be­klag­ten vor, den die Kläge­rin nicht un­ter­schrieb. Im Ver­trags­ent­wurf heißt es aus­zugs­wei­se:

„1. Die Pro­be­zeit beträgt 6 Mo­na­te. ... Es gel­ten die ge­setz­li­chen Kündi­gungs­fris­ten, d.h. Während der Pro­be­zeit 2 Wo­chen.
2. Ei­ne Wo­che bei Voll­zeit­ar­beit um­faßt nor­ma­ler­wei­se 42,5 Ar­beits­stun­den, d.h. ein Ar­beits­tag 8,5 Ar­beits­stun­den.
 

 

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4. Der Ar­beit­neh­mer ist ver­pflich­tet, sei­ne Ar­beits­kraft ganz dem Ar­beit­ge­ber zu wid­men, so­weit er nicht ei­ner ge­neh­mig­ten wei­te­ren be­ruf­li­chen Tätig­keit nach­geht. Je­de be­ruf­li­che Tätig­keit be­darf der schrift­li­chen Ge­neh­mi­gung durch den Ar­beit­ge­ber. Die­se wird hier­mit für ein Ar­beits­verhält­nis bei der P GbR, ein Ar­beits­verhält­nis bei der T GbR, ein Ar­beits­verhält­nis bei der S GbR ... (die ‚An­de­ren Ar­beit­ge­ber‘) er­teilt. Ei­ne er­teil­te Ge­neh­mi­gung kann je­der­zeit wi­der­ru­fen wer­den. Der Ar­beit­ge­ber wird sich mit den An­de­ren Ar­beit­ge­bern über die Ar­beits­ein­tei­lung ab­stim­men.
5.

Es wird ein St­un­den­lohn von € 11,50 ver­ein­bart un­ter der Vor­aus­set­zung, daß das Ar­beits­verhält­nis über Lohn­steu­er­kar­te und Voll­ver­si­che­rung ab­ge­rech­net wird. …

Der AN erhält zu­sam­men mit dem Ge­halt für den Mo­nat De­zem­ber 2016 bzw. für den letz­ten Mo­nat die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses ei­ne Prämie in Höhe von € 1,75 pro bis zum 31.12.2016 ge­leis­te­ter Ar­beits­stun­de (al­so nicht für Ur­laubs­stun­den, Fei­er­tags­stun­den etc.) un­ter der Vor­aus­set­zung, daß die­ses Ar­beits­verhält­nis am 15.12.2016 un­gekündigt fort­be­steht, es kei­ne Ausfälle wie Krank­heit etc. gab und das Ar­beits­verhält­nis un­be­las­tet ist. Je­de bis da­hin ge­zahl­te Prämie wird dar­auf an­ge­rech­net. Von die­ser Prämie wer­den die be­reits ge­zahl­ten bzw. zu zah­len­den Zuschüsse zum Job-Ti­cket ab­ge­zo­gen.

 
7. ...

Der AN ... be­rich­tet un­mit­tel­bar an den geschäftsfüh­ren­den Ge­sell­schaf­ter, Herrn J, ... .

8. Der Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet sich zur strengs­ten Ver­schwie­gen­heit ins­be­son­de­re hin­sicht­lich al­ler In­for­ma­tio­nen, die Herrn J und sei­ne Mit­ge­sell­schaf­ter, ih­re fi­nan­zi­el­len Verhält­nis­se, ih­re Vermögens­la­gen, ih­re Bank­ver­bin­dun­gen, ge­richt­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen wie auch außer­ge­richt­li­che, ih­re Be­tei­li­gun­gen, ih­re pri­va­ten und geschäft­li­chen Kon­tak­te und ähn­li­ches be­tref­fen.
….  

- 4 -

Ort und Da­tum … Ort und Da­tum 



J



Un­ter­schrift des Ar­beit­neh­mers

(in Voll­macht al­ler Ge­sell­schaf­ter)“

3

Die Be­klag­te kündig­te das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en mit ei­nem von Herrn J un­ter­zeich­ne­ten Schrei­ben vom 9. No­vem­ber 2016, das der Kläge­rin an die­sem Tag über­ge­ben wur­de, or­dent­lich „un­ter Ein­hal­tung der ge­setz­li­chen Kündi­gungs­frist von 2 Wo­chen zum nächstmögli­chen Ter­min“. Mit gleich­lau­ten-den Schrei­ben kündig­te Herr J auch die Ar­beits­verhält­nis­se der Kläge­rin mit den drei an­de­ren Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten.

4

Die Kläge­rin wies ua. die na­mens der Be­klag­ten erklärte Kündi­gung mit Schrei­ben vom 14. No­vem­ber 2016 man­gels Vor­la­ge ei­ner Voll­machts­ur­kun­de zurück. Das Zurück­wei­sungs­schrei­ben wur­de ei­ner Mit­ar­bei­te­rin der Be­klag­ten am späten Nach­mit­tag des 16. No­vem­ber 2016 durch den Sohn der Kläge­rin über­bracht.

5

Mit ih­rer recht­zei­tig er­ho­be­nen Kla­ge hat die Kläge­rin gel­tend ge­macht, die Kündi­gung sei nach § 174 BGB un­wirk­sam. Außer­dem hat sie An­nah­me-ver­zugs­vergütung für die Zeit vom 24. No­vem­ber 2016 bis zur rechts­kräftig fest­ge­stell­ten Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses der Par­tei­en spätes­tens am 15. April 2017 so­wie Ur­laubs­ab­gel­tung für die Zeit vom 1. Ju­li 2016 bis zum 15. De­zem­ber 2016 je­weils un­ter Zu­grun­de­le­gung ei­ner Ar­beits­zeit von zehn Wo­chen­stun­den und Ein­be­zie­hung der Prämie in Höhe von 1,75 Eu­ro brut­to pro St­un­de ver­langt.

6

Die Kläge­rin hat - so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­es­se - sinn­gemäß be­an­tragt,

1.  fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en durch die Kündi­gung vom 9. No­vem­ber 2016 nicht auf­gelöst wur­de;
2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie An­nah­me­ver­zugs-vergütung für die Zeit vom 24. No­vem­ber 2016 bis zum 15. April 2017 in Höhe von 2.749,38 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über

 

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dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len;

 
3.  die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 391,36 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu zah­len.

7

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Die Kündi­gung vom 9. No­vem­ber 2016 sei wirk­sam. § 174 BGB fin­de kei­ne An­wen­dung. Die Zu­rück­wei­sung sei ver­spätet er­folgt. Über­dies sei die Kläge­rin in Kennt­nis ge­setzt wor­den, dass Herr J die Be­klag­te nach dem Ge­sell­schafts­ver­trag al­lein ver­tre­te. Das sei ihr auf­grund ih­rer Tätig­keit, der Miet­verträge, der Kor­re­spon­denz mit den Mie­tern und sei­nes al­lei­ni­gen Auf­tre­tens be­kannt ge­we­sen und ha­be sich im Übri­gen aus dem Ent­wurf ei­nes Ar­beits­ver­trags er­ge­ben. Je­den­falls sei es treu­wid­rig, wenn die Kläge­rin sich nun­mehr auf § 174 BGB be­ru­fe, ob­wohl sie die al­lei­ni­ge Ver­tre­tungs­macht des Herrn J während der ge­sam­ten Dau­er ih­rer Beschäfti­gung nie be­an­stan­det ha­be. Die gel­tend ge­mach­ten Zah­lungs­ansprü­che bestünden nicht. Die Par­tei­en hätten sich münd­lich auf die Re­ge­lun­gen im Ver­trags­ent­wurf mit der Maßga­be verständigt, dass die Ge­samt­wo­chen­ar­beits­zeit für al­le Ge­sell­schaf­ten 30 St­un­den be­tra­gen ha­be. Die ein­zel­nen Ge­sell­schaf­ten müss­ten le­dig­lich an­tei­lig für die je­weils ab­ge­ru­fe­ne Ar­beits­zeit haf­ten. Für die Be­klag­te sei die Kläge­rin nur in sehr ge­rin­gem Um­fang tätig ge­wor­den. Die Vor­aus­set­zun­gen für die Zah­lung der Prämie lägen nicht vor. Wei­te­re Ur­laubs­ab­gel­tung könne die Kläge­rin nicht ver­lan­gen.

8

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen, das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ihr statt­ge­ge­ben. Mit der Re­vi­si­on er­strebt die Be­klag­te die Wie­der­hers­tel­lung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils.

 

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Ent­schei­dungs­gründe

 

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Die Re­vi­si­on hat nur hin­sicht­lich der Kläge­rin zu viel zu­er­kann­ter An­nah­me­ver­zugs­vergütung in Höhe von 0,62 Eu­ro brut­to Er­folg. Im Übri­gen ist sie un­be­gründet.

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I. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat dem Kündi­gungs­schutz­an­trag zu Recht statt­ge­ge­ben.

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1. Der An­trag ist zulässig. 12

a) Die Kläge­rin muss­te ihn nicht ge­gen al­le vier Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten rich­ten. Die Be­klag­te ist al­lein pas­siv pro­zessführungs­be­fugt.

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aa) Es kann da­hin­ste­hen, ob zwi­schen ei­nem Ar­beit­neh­mer und meh­re­ren Ge­sell­schaf­ten, die sich nicht ih­rer­seits zu ei­nem neu­en Rechts­sub­jekt zu­sam­men­ge­schlos­sen ha­ben, das al­lei­ni­ger Ar­beit­ge­ber ge­wor­den ist, ein - „ein­heit­li­ches“ - Ar­beits­verhält­nis be­ste­hen kann (vgl. § 351 BGB so­wie BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - BA­GE 37, 1; zu­stim­mend Lan­ge NZA 2012, 1121 ff.; König Ar­beit­ge­ber­mehr­hei­ten S. 49 ff.) oder ob es zwi­schen ver­schie­de­nen Rechts­sub­jek­ten so vie­le Rechts­be­zie­hun­gen ge­ben muss, wie - auf der­sel­ben Sei­te - Rechts­persönlich­kei­ten be­tei­ligt sind, und des­halb al­len­falls meh­re­re Ar­beits­verhält­nis­se - in ei­nem je­weils durch Aus­le­gung zu er­mit­teln­den Um­fang - von­ein­an­der abhängig ge­macht wer­den können (vgl. Wie­de­mann Anm. AP BGB § 611 Ar­beit­ge­ber­grup­pe Nr. 1). Auch be­darf kei­ner Ent­schei­dung, ob ei­ne Kla­ge, auf die fest­ge­stellt wer­den soll, dass ein mit (nur) ei­nem Ar­beit­ge­ber be­ste­hen­des Ar­beits­verhält­nis nicht durch ei­ne von die­sem erklärte Kündi­gung auf­gelöst wor­den ist, man­gels pas­si­ver Pro­zessführungs­be­fug­nis des al­lein be­klag­ten Ar­beit­ge­bers un­zulässig ist, wenn tatsächlich an dem Ar­beits­verhält­nis auf Ar­beit­ge­ber­sei­te meh­re­re Rechts­sub­jek­te be­tei­ligt sind oder doch das be­tref­fen­de Ar­beits­verhält­nis mit sol­chen des Ar­beit­neh­mers zu an­de­ren Ar­beit­ge­bern in sei­nem Be­stand un­trenn­bar ver­bun­den ist.

 

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bb) Zwi­schen der Kläge­rin und den vier Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten be­stand we­der ein „ein­heit­li­ches Ar­beits­verhält­nis“ noch wa­ren die ein­zel­nen Ar­beits­verhält­nis­se in ih­rem Be­stand un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­den.

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(1) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ge­meint, die Be­tei­lig­ten hätten zwar ei­ne Ge­samt­ar­beits­zeit der Kläge­rin für die vier Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten bei va­ria­bler Ver­tei­lung auf die ein­zel­nen Ar­beit­ge­be­rin­nen ver­ein­bart. Doch führe die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­ner Ge­sell­schaft nicht zur Re­du­zie­rung der Ge­samt­ar­beits­zeit. Des­halb sei es nicht aus­ge­schlos­sen, dass gleich­zei­tig für al­le Ar­beits­verhält­nis­se aus­ge­spro­che­ne Kündi­gun­gen in un­ter­schied­li­chen Ver­fah­ren an­ge­grif­fen und ggf. un­ter­schied­lich be­ur­teilt wer­den könn­ten.

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(2) Da­mit ist das Be­ru­fungs­ge­richt in Aus­le­gung des „Ver­trags­werks“ sämt­li­cher Be­tei­lig­ten von vier zwar in ih­rer Durchführung mit­ein­an­der ver­zahn­ten, in ih­rem Be­stand je­doch nicht un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­de­nen Ar­beits­ver­hält­nis­sen aus­ge­gan­gen. Die­se Aus­le­gung lässt kei­nen re­vi­si­blen Rechts­feh­ler er­ken­nen.

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(a) Die Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten ha­ben sich un­strei­tig nicht zu ei­ner wei­te­ren Außen­ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts zu­sam­men­ge­sch­los­sen, die ih­rer­seits Ar­beit­ge­be­rin der Kläge­rin ge­wor­den ist. Soll­ten die Ge­sell­schaf­ten sich iSv. § 705 BGB ver­ab­re­det ha­ben, ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb zu führen, han­del­te es sich um ei­ne In­nen­ge­sell­schaft, bei der die Ge­sell­schaf­ter je­weils Ver­trags­ar­beit­ge­ber blei­ben (vgl. ErfK/Koch 20. Aufl. Be­trVG § 1 Rn. 14).

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(b) Die Be­tei­lig­ten ha­ben we­der aus­drück­lich ein „ein­heit­li­ches Ar­beits­ver­hält­nis“ ver­ein­bart noch ha­ben sie die ein­zel­nen Ar­beits­verhält­nis­se ex­pli­zit im Sin­ne ei­ner aus­sch­ließlich ein­heit­li­chen Künd­bar­keit al­ler Ver­trags­verhält­nis­se mit­ein­an­der ver­knüpft.

 

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(c) Ei­ne ent­spre­chen­de Ab­re­de ist auch nicht kon­klu­dent ge­trof­fen wor­den. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat kei­ne Umstände fest­ge­stellt, aus de­nen sich ergäbe, die vier Ar­beits­verhält­nis­se, de­nen vier se­pa­rat ab­ge­schlos­se­ne Ar­beits­verträge zu­grun­de la­gen, hätten aus­sch­ließlich ge­mein­sam gel­ten sol­len (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 16). Die ein­zel­nen Ver­ein­ba­run­gen „stan­den und fie­len“ nicht mit­ein­an­der (vgl. BAG 27. März 1981 - 7 AZR 523/78 - zu I 2 b der Gründe, BA­GE 37, 1). Sol­ches folgt ins­be­son­de­re nicht aus der Ver­ein­ba­rung ei­ner Ge­samt­ar­beits­zeit der Kläge­rin von 30 Wo­chen­stun­den für al­le vier Ge­sell­schaf­ten bei fle­xi­bler Ver­tei­lung auf die ein­zel­nen Ar­beit­ge­be­rin­nen.

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(aa) Nach den Ab­re­den der Be­tei­lig­ten soll­te die Kläge­rin ei­ner­seits je­der Ge­sell­schaft ih­re vol­le Ar­beits­kraft zur Verfügung stel­len (vgl. Nr. 4 des Ar­beits­ver­trags­ent­wurfs). An­de­rer­seits soll­te sie nicht 120 (4 x 30) Wo­chen­stun­den leis­ten müssen. Zu­gleich war sämt­li­chen Ver­trag­schließen­den be­wusst, dass ei­ne ein­zel­ne Ge­sell­schaft - zu­min­dest re­gelmäßig - kei­nen Beschäfti­gungs­be­darf für 30 Wo­chen­stun­den ha­ben würde. Hier­aus folgt aber für sich ge­nom­men nicht, dass die ein­zel­nen Ar­beits­verträge ei­ne „ein­heit­li­che“ Rechts­be­zie­hung be­gründen oder doch nur ge­mein­sam soll­ten gel­ten können.

21

(bb) Die Ar­beits­pflicht der Kläge­rin lag je­weils in­halt­lich und in ih­rem zeit­li­chen Um­fang fest. Die ge­schul­de­ten Tätig­kei­ten wa­ren nicht funk­tio­nal auf­ein­an­der be­zo­gen. Bei Be­en­di­gung nur ei­ner der Rechts­be­zie­hun­gen wäre nicht un­klar ge­we­sen, in wel­chem Um­fang die Kläge­rin zur Ar­beits­leis­tung ver­pflich­tet ge­blie­ben wäre. Die Kläge­rin wäre auch nicht bloß mit ei­nem Teil ih­rer zur Verfügung ste­hen­den Ar­beits­kraft ge­bun­den ge­blie­ben und hätte le­dig­lich ei­nen Teil der Vergütung be­an­spru­chen können. Viel­mehr hätte - wie das Be­ru­fungs­ge­richt zu­tref­fend er­kannt hat - die Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit ei­ner Ge­sell­schaft über­haupt nicht zu ei­ner Re­du­zie­rung der Ge­samtar­beits­zeit geführt. Ge­ge­be­nen­falls hätten die ver­blie­be­nen Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten für die „vol­le“ Beschäfti­gung und Vergütung der Kläge­rin sor­gen müssen.

 

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(cc) Es war auch sonst nicht zwin­gend er­for­der­lich zu ver­ein­ba­ren, dass die Ar­beits­verhält­nis­se nur ein­heit­lich von und ge­genüber al­len vier Ar­beit­ge­be­rin­nen gekündigt wer­den können.

23

(aaa) Auf Ar­beit­ge­ber­sei­te be­stand an­ge­sichts der Per­so­nen­iden­tität hin­sicht­lich des al­lein geschäftsführen­den Ge­sell­schaf­ters schon nicht die Ge­fahr ei­ner un­ab­ge­stimm­ten Kündi­gung durch ei­ne Ge­sell­schaft. Des­halb kann da­hins­te­hen, ob in ei­ner sol­chen die Ver­let­zung des - kon­klu­dent ge­schlos­se­nen - Ge­sell­schafts­ver­trags ei­ner auf die ge­mein­schaft­li­che Durchführung der vier Ar­beits­verhält­nis­se ge­rich­te­ten In­nen­ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts ge­le­gen hätte. Über­dies war der be­trieb­li­che Gel­tungs­be­reich des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes (§ 23 Abs. 1) un­strei­tig selbst dann nicht eröff­net, wenn die Ar­beit­neh­mer al­ler vier Ge­sell­schaf­ten zu­sam­men­zu­rech­nen ge­we­sen wären. Dar­um hät­ten bei ei­nem „Al­lein­gang“ ei­ner Ge­sell­schaft die an­de­ren Ar­beit­ge­be­rin­nen, wenn sie sich durch die Beschäfti­gung der Kläge­rin mit 30 Wo­chen­stun­den über­for­dert ge­se­hen hätten, die mit ih­nen be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­se eben­falls be­en­den oder an­pas­sen können, oh­ne dass ei­ne or­dent­li­che Ände-rungs- oder Be­en­di­gungskündi­gung der so­zia­len Recht­fer­ti­gung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG be­durft hätte.

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(bbb) Die Kläge­rin hat­te eben­falls kein In­ter­es­se an ei­ner bloß ge­mein­sa­men Kündi­gungsmöglich­keit für die Ar­beit­ge­ber­sei­te. Durch die von ei­ner Ge­sell­schaft erklärte Be­en­di­gungskündi­gung wäre sie we­der der ver­blei­ben­den Ar­beits­verhält­nis­se noch ih­rer Ansprüche auf Beschäfti­gung mit und Vergütung für 30 Wo­chen­stun­den ver­lus­tig ge­gan­gen. Sie hätte zwar ei­ne Schuld­ne­rin ver­lo­ren. Doch wäre das Äqui­va­lenz­verhält­nis un­berührt ge­blie­ben. Was das über­nom­me­ne In­sol­venz­ri­si­ko an­be­langt, hätte die Kläge­rin auch mit zwei oder drei Schuld­ne­rin­nen bes­ser ge­stan­den, als wenn sie nur ein Ar­beits­verhält­nis mit ei­nem Ar­beit­ge­ber ge­habt hätte.

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(ccc) Im vor­lie­gen­den Rechts­streit kann da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin die vier Ar­beits­verhält­nis­se le­dig­lich ge­mein­sam soll­te kündi­gen können. In­des war auch für sie ein bloß ein­heit­li­ches Kündi­gungs­recht nicht aus­drück­lich ver­ein-

 

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bart und gilt eben­falls, dass die an­de­ren Ar­beit­ge­be­rin­nen im Fall ei­ner „Teil­kündi­gung“ durch die Kläge­rin oh­ne das Er­for­der­nis ei­ner so­zia­len Recht­fer­ti­gung mit Ände­rungs- oder Be­en­di­gungskündi­gun­gen hätten re­agie­ren können.

26

(dd) Für die Fra­ge nach dem Vor­lie­gen ei­nes „ein­heit­li­chen Ar­beits­verhält­nis­ses“ oder doch meh­re­rer in ih­rem Be­stand un­trenn­bar mit­ein­an­der ver­bun­de­ner Ar­beits­verhält­nis­se kommt es nicht dar­auf an, ob die vier Ge­sell­schaf­ten als Ge­samt­schuld­ne­rin­nen gemäß §§ 421 ff. BGB für die Beschäfti­gung und Vergütung der Kläge­rin haf­ten soll­ten. Ei­ne ge­mein­sa­me ver­trag­li­che Ver­pflich­tung iSv. § 427 BGB kann auch bei ge­trenn­ten Verträgen vor­lie­gen, so­fern - wie hier - je­der Schuld­ner sub­jek­tiv mit der Ver­pflich­tung (auch) des an­de­ren rech­net (RG 17. März 1909 - I 150/08 - RGZ 70, 405; BGH 29. Sep­tem­ber 1959 - VIII ZR 105/58 - zu A I 2 c der Gründe; Pa­landt/Grüne­berg 78. Aufl. § 427 Rn. 1; PWW/Müller 14. Aufl. § 427 Rn. 2). Da­bei kann die „Haf­tungs­ein­heit“ sich auf die Durchführung meh­re­rer par­al­lel be­ste­hen­der Ver­trags­verhält­nis­se be­schränken. Es ist möglich, dass ei­ne Ge­samt­schuld­ner­schaft hin­sicht­lich der Beschäfti­gung und Vergütung ei­nes Ar­beit­neh­mers für die Zu­kunft durch die wirk­sa­me Kündi­gung ei­nes der ver­bun­de­nen Ar­beits­verhält­nis­se (teil­wei­se) be­en­det wird. Da­bei be­sa­gen die §§ 421 ff. BGB auch nichts über die Künd­bar­keit ei­nes ein­zel­nen Ver­trags­verhält­nis­ses. Die Kündi­gung al­lein des be­tref­fen­den Ar­beits­verhält­nis­ses durch ei­nen oder ge­gen ei­nen Ge­samt­schuld­ner ist zuläs­sig, wenn sie von den Be­tei­lig­ten nicht aus­ge­schlos­sen wur­de. Sie hat nach § 425 Abs. 1 und Abs. 2 BGB Ein­zel­wir­kung, so­weit sich - wie vor­lie­gend - aus dem „Ver­trags­werk“ nicht ein an­de­res er­gibt (vgl. Stau­din­ger/Loo­schel­ders (2017) § 425 Rn. 11 und 13).

27

(ee) Sch­ließlich muss­te nicht ein „ein­heit­li­ches Ar­beits­verhält­nis“ ver­ein­bart wer­den, um zu­guns­ten der Kläge­rin, die nur ein­mal 30 Wo­chen­stun­den leis­ten woll­te, ei­ne Ge­samtgläubi­ger­schaft der vier Ge­sell­schaf­ten iSv. § 428 BGB hin­sicht­lich ih­rer - teil­ba­ren - Ar­beits­leis­tung zu be­gründen. Auch ei­ne ge­mein­sa­me, le­dig­lich ein­ma­li­ge For­de­rungs­be­rech­ti­gung meh­re­rer Ar­beit­ge­ber kann durch ge­trenn­te Verträge kon­sti­tu­iert wer­den. Da­bei lag in der münd­lich zum In­halt al­ler Ar­beits­verhält­nis­se ge­mach­ten Re­ge­lung gemäß Nr. 4 des Ver-

 

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trags­ent­wurfs die zulässi­ge, von § 428 BGB ab­wei­chen­de Ab­re­de, dass die vier Ar­beit­ge­be­rin­nen - nach in­ter­ner Ab­stim­mung - soll­ten be­stim­men können, wem ge­genüber die Kläge­rin ih­re Ar­beits­leis­tung je­weils zu er­brin­gen hat­te (vgl. OLG Karls­ru­he 27. Ju­li 2012 - 11 Wx 63/12 - zu II 2 der Gründe; Pa­landt/Grüne­berg 78. Aufl. § 428 Rn. 1). Ei­ne sol­che Ab­re­de wäre auch bei ei­nem „ein­heit­li­chen Ar­beits­verhält­nis“ nicht ent­behr­lich ge­we­sen. In­des hätte es kei­ner Ge­neh­mi­gung ei­ner „wei­te­ren be­ruf­li­chen Tätig­keit“ wie in Nr. 4 des Ar­beits­ver­tragsent­wurfs be­durft.

28

b) Der Kündi­gungs­schutz­an­trag ist nicht we­gen an­der­wei­ti­ger Rechtshängig­keit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder ent­ge­gen­ste­hen­der Rechts­kraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) un­zulässig. In den wei­te­ren von der Kläge­rin geführ­ten Ver­fah­ren ist bzw. war je­weils der Be­stand ei­nes - ge­son­dert künd­ba­ren - Ar­beits­verhält­nis­ses zwi­schen der Kläge­rin und ei­ner an­de­ren Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaft im Streit.

29
2. Der Kündi­gungs­schutz­an­trag ist be­gründet. 30

a) Zwi­schen den Par­tei­en be­stand gemäß dem von der Kläge­rin ver­folg­ten Fest­stel­lungs­be­geh­ren ein in sei­ner Exis­tenz ei­genständi­ges Ar­beits­verhält­nis (Rn. 15 ff.).

31

b) Die Kündi­gung der Be­klag­ten vom 9. No­vem­ber 2016 gilt nicht nach § 7 Satz 1 KSchG als wirk­sam. Die Kläge­rin hat in­ner­halb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündi­gungs­schutz­kla­ge ge­gen die hie­si­ge Be­klag­te er­ho­ben. Das ge­nügte.

32

c) Die Kündi­gung, der kein Nach­weis der al­lei­ni­gen Ver­tre­tungs­macht des Ge­sell­schaf­ters J der Be­klag­ten bei­gefügt war, hat das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht auf­gelöst. Sie ist in ana­lo­ger An­wen­dung von § 174 BGB un­wirk­sam. Dies hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt oh­ne re­vi­si­blen Rechts­feh­ler an­ge­nom­men.

 

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aa) Nach § 174 BGB ist ein ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft, das ein Be­voll­mäch­tig­ter ei­nem an­de­ren ge­genüber vor­nimmt, un­abhängig vom Be­ste­hen ei­ner Voll­macht und oh­ne die Möglich­keit ei­ner Hei­lung oder Ge­neh­mi­gung (vgl. BAG 25. Sep­tem­ber 2014 - 2 AZR 567/13 - Rn. 12) un­wirk­sam, wenn der Be­vollmäch­tig­te we­der ei­ne Voll­machts­ur­kun­de vor­legt noch die Be­vollmäch­ti­gung dem Erklärungs­empfänger vom Voll­macht­ge­ber zu­vor be­kannt ge­ge­ben wor­den ist, und der Erklärungs­empfänger das Rechts­geschäft aus die­sem Grund un­verzüglich zurück­weist.

34

bb) Nach sei­nem ein­deu­ti­gen Wort­laut („Be­vollmäch­tig­ter“, „Voll­macht­ge­ber“, „Voll­machts­ur­kun­de“) gilt § 174 BGB un­mit­tel­bar le­dig­lich für das Han­deln ei­nes Ver­tre­ters auf­grund ei­ner durch Rechts­geschäft er­teil­ten Ver­tre­tungs­macht (Voll­macht; vgl. die Le­gal­de­fi­ni­ti­on in § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB). Al­ler­dings ist die Vor­schrift ana­log auf Fälle an­zu­wen­den, in de­nen ei­ner­seits für den Erklärungs­empfänger ei­ne ver­gleich­ba­re Un­si­cher­heit über die vom Vert­re­ter in An­spruch ge­nom­me­ne Ver­tre­tungs­macht be­steht und an­de­rer­seits die Ver­tre­tungs­macht auf ei­ner Wil­lens­ent­schei­dung des Ver­tre­te­nen be­ruht, die von ihm ge­genüber dem Erklärungs­empfänger nach­ge­wie­sen wer­den kann. Das Recht, ein ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft man­gels Vor­la­ge ei­nes Nach­wei­ses der be­an­spruch­ten Ver­tre­tungs­macht zurück­zu­wei­sen, ent­spricht dann ei­ner bil­li­gen Rück­sicht­nah­me, während zu­gleich ei­ne Be­en­gung des Ver­kehrs nicht zu be­sor­gen steht (vgl. Mo­ti­ve zum Bürger­li­chen Ge­setz­buch I S. 240 zu § 122 Ent­wurf des BGB).

35

(1) Da­nach ist § 174 BGB auf ge­setz­li­che oder ih­nen gleich­zu­stel­len­de Ver­tre­ter nicht ana­log an­zu­wen­den (vgl. BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 37, BA­GE 119, 311). Die ge­setz­li­che Ver­tre­tungs­macht be­ruht nicht auf ei­ner Wil­lens­ent­schei­dung des Ver­tre­te­nen. Sie kann nicht durch ei­ne „Voll­machts­ur­kun­de“ nach­ge­wie­sen wer­den. Des­halb wird dem Erklärungs­emp­fänger die mit der In­an­spruch­nah­me ge­setz­li­cher Ver­tre­tungs­macht ver­bun­de­ne Un­si­cher­heit über das Be­ste­hen der be­haup­te­ten Ver­tre­tungs­macht zu­ge­mu­tet (vgl. BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 39, aaO; 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 584/03 - zu B I 1 c aa der Gründe; BGH 20. Fe­bru­ar 2014 - III ZR

 

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443/13 - Rn. 14, BGHZ 200, 195; 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe).

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(2) Das Recht zur Zurück­wei­sung be­steht auch im Fall der or­gan­schaft­li­chen Ver­tre­tung grundsätz­lich nicht (BAG 20. Sep­tem­ber 2006 - 6 AZR 82/06 - Rn. 40, BA­GE 119, 311; BGH 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe). Die or­gan­schaft­li­che Ver­tre­tungs­macht be­ruht auf der Be­stel­lung des Ver­tre­ters zum Or­gan ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son, die nur durch ih­re Or­ga­ne am Rechts­ver­kehr teil­neh­men kann (BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 584/03 - zu B I c aa der Gründe). Der Un­si­cher­heit über die in An­spruch ge­nom­me­ne or­gan­schaft­li­che Ver­tre­tungs­macht wirkt die grundsätz­lich vor­ge­schrie­be­ne Ein­tra­gung des Ver­tre­ters als Or­gan in ein öffent­li­ches Re­gis­ter ent­ge­gen, aus dem sich in vie­len Fällen die Per­son des Or­gans und der Um­fang sei­ner Vert­re­tungs­macht er­gibt, vgl. § 67 BGB, §§ 33, 34, 106, 107, 162 HGB, § 81 Abs. 1 AktG, § 39 Abs. 1 Gmb­HG, § 28 Satz 1 GenG (vgl. BGH 20. Fe­bru­ar 2014 - III ZR 443/13 - Rn. 14, BGHZ 200, 195; 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe).

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(3) § 174 BGB ist in­des ana­log an­zu­wen­den, wenn ei­ne or­gan­schaft­li­che Ge­samt­ver­tre­tungs­macht kraft Ermäch­ti­gung ei­nes ein­zel­nen Or­gan­mit­glieds durch die zu­sam­men mit ihm ge­samt­ver­tre­tungs­be­fug­ten Or­gan­mit­glie­der zu ei­ner or­gan­schaft­li­chen Al­lein­ver­tre­tungs­macht er­wei­tert wird (vgl. BAG 10. Fe­bru­ar 2005 - 2 AZR 584/03 - zu B I 1 c aa der Gründe; 18. De­zem­ber 1980 - 2 AZR 980/78 - zu II 3 b der Gründe). Die­se Al­lein­ver­tre­tungs­macht lässt sich kei­nem öffent­li­chen Re­gis­ter ent­neh­men. Die Ermäch­ti­gung des Al­lein­ver­tre­ters kann durch ei­ne Erklärung al­ler oder der übri­gen Or­gan­mit­glie­der nach­ge­wie­sen wer­den.

38

(4) Mit dem Bun­des­ge­richts­hof (BGH 20. Fe­bru­ar 2014 - III ZR 443/13 - Rn. 14, BGHZ 200, 195; 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe) und der ganz herr­schen­den Mei­nung im Schrift­tum (Er­man/Mai­er-Rei­mer BGB 15. Aufl. § 174 Rn. 3; Jau­er­nig/Man­sel BGB 17. Aufl. § 174 Rn. 1; MüKoBGB/ Schu­bert 8. Aufl. § 174 Rn. 15; Pa­landt/El­len­ber­ger 78. Aufl. § 174 Rn. 4;

 

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Be­ckOK BGB/Schäfer Stand 1. No­vem­ber 2019 § 174 Rn. 5; Hk - BGB/Dörner 10. Aufl. § 174 Rn. 1; Spel­ge RdA 2016, 309, 311; SPV/Preis 11. Aufl. Rn. 103; Stau­din­ger/Schil­ken (2019) § 174 Rn. 8; Wein­land in ju­risPK-BGB 8. Aufl. § 174 Rn. 5.1) fin­det § 174 BGB auch ana­lo­ge An­wen­dung auf ein­sei­ti­ge Rechts­ge­schäfte, die ein ab­wei­chend von der ge­setz­li­chen Grund­re­gel der §§ 709, 714 BGB gemäß § 710 BGB al­lein ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter Ge­sell­schaf­ter im Na­men ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts vor­nimmt.

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(a) Ei­ner­seits be­steht beim Erklärungs­geg­ner ei­ne ver­gleich­ba­re Un­si­cher­heit über die vom han­deln­den Ge­sell­schaf­ter in An­spruch ge­nom­me­ne Al­lein-ver­tre­tungs­macht wie im Fall der rechts­geschäft­lich er­teil­ten Ver­tre­tungs­macht (Voll­macht). Bei ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts können die Vert­re­tungs­verhält­nis­se an­ders als bei der an­sons­ten für die or­gan­schaft­li­che Vert­re­tung grundsätz­lich vor­ge­schrie­be­nen Ein­tra­gung des Ver­tre­ters als Or­gan in ein öffent­li­ches Re­gis­ter, aus dem sich die Per­son des Or­gans und der Um­fang sei­ner Ver­tre­tungs­macht er­gibt, kei­nem öffent­li­chen Re­gis­ter ent­nom­men wer­den, son­dern er­ge­ben sich aus ei­nem kei­ner Pu­bli­zität un­ter­lie­gen­den Ge­sell­schafts­ver­trag. So­weit die Ge­sell­schaft nicht ent­spre­chend der ge­setz­li­chen Grund­re­gel der §§ 709, 714 BGB durch sämt­li­che Ge­sell­schaf­ter han­delt, liegt da­mit auch bei Teil­nah­me ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts am Rechts­ver­kehr ei­ne Si­tua­ti­on vor, die der des § 174 BGB ent­spricht (BGH 20. Fe­bru­ar 2014 - III ZR 443/13 - Rn. 14, BGHZ 200, 195; 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe).

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(b) An­de­rer­seits ist durch die Gel­tung von § 174 BGB kei­ne „Be­en­gung des Ver­kehrs“ zu be­sor­gen.

41

(aa) Die Al­lein­ver­tre­tungs­macht be­ruht auf ei­ner Wil­lens­ent­schei­dung der Ge­sell­schaf­ter. Die­se Ent­schei­dung kann - wenn kei­ne Voll­macht der übri­gen Ge­sell­schaf­ter er­teilt ist - ent­we­der durch Vor­la­ge des Ge­sell­schafts­ver­trags (ggf. in Auszügen) oder durch ei­ne Erklärung der an­de­ren Ge­sell­schaf­ter über die von §§ 709, 714 BGB ab­wei­chen­de Ver­tre­tungs­be­fug­nis des Han­deln­den be­legt wer­den (vgl. BGH 20. Fe­bru­ar 2014 - III ZR 443/13 - Rn. 14, BGHZ 200,

 

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195; 9. No­vem­ber 2001 - LwZR 4/01 - zu III 1 der Gründe; Hess. LAG 23. Mai 2011 - 16 Sa 35/11 - zu II 1 a der Gründe). Auf­grund der letzt­ge­nann­ten Nach­weismöglich­keit be­steht - ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on - durch die ana­lo­ge An­wen­dung von § 174 BGB kein fak­ti­scher Zwang, den Ge­sell­schafts­ver­trag schrift­lich ab­zu­sch­ließen.

42

(bb) Die im Ge­sell­schafts­ver­trag um­fas­send ein­geräum­te al­lei­ni­ge Vert­re­tungs­be­fug­nis ei­nes Ge­sell­schaf­ters be­schränkt sich eben­so we­nig auf ein be­stimm­tes Rechts­geschäft wie die ei­nem Ge­sell­schaf­ter von der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung er­teil­te um­fas­sen­de Voll­macht. Dem­ent­spre­chend muss der dem (späte­ren) Erklärungs­empfänger ein­mal vor­ge­leg­te Ge­sell­schafts­ver­trag, die ihm ein­mal vor­ge­leg­te Erklärung al­ler oder der übri­gen Ge­sell­schaf­ter oder ei­ne ihm ein­mal über­reich­te Voll­machts­ur­kun­de nicht vor je­dem ein­sei­ti­gen Rechts­geschäft er­neut vor­ge­legt wer­den (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2015 - 6 AZR 492/14 - Rn. 22 ff., BA­GE 152, 363). Ei­nes neu­en bzw. ergänz­ten Nach­wei­ses be­darf es nur - aber auch im­mer - dann, wenn Ände­run­gen im Ge­sell­schaf­ter­be­stand oder in den Ver­tre­tungs­verhält­nis­sen zu ver­zeich­nen sind (vgl. Spel­ge RdA 2016, 309, 311).

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(cc) Un­er­heb­lich ist es hin­ge­gen, dass der Ge­sell­schafts­ver­trag je­der­zeit - auch münd­lich - geändert wer­den könn­te. Das von § 174 BGB geschütz­te Ge­wiss­heits­in­ter­es­se er­streckt sich nicht auf Zwei­fel darüber, ob die nach­ge­wie­se­ne bzw. mit­ge­teil­te Ver­tre­tungs­macht (noch) den Tat­sa­chen ent­spricht. Die Norm schützt den Erklärungs­empfänger nicht da­vor, dass er der Mit­tei­lung über die Ver­tre­tungs­verhält­nis­se kei­nen Glau­ben schenkt, son­dern will ihm nur die Nach­for­schung darüber er­spa­ren. Wenn er die ihm mit­ge­teil­ten Vert­re­tungs­verhält­nis­se an­zwei­felt, kann er gemäß § 180 BGB das Feh­len der ver­meint­li­chen Ver­tre­tungs­macht rügen (vgl. BAG 24. Sep­tem­ber 2015 - 6 AZR 492/14 - Rn. 25, BA­GE 152, 363). Da­mit er­weist sich zu­gleich der Ein­wand der Re­vi­si­on als ver­fehlt, bei Nicht­an­wen­dung von § 174 BGB wer­de dem Erklä­rungs­empfänger über die Möglich­keit ei­ner Be­an­stan­dung nach § 180 BGB aus­rei­chen­der Schutz gewährt. Der durch § 180 BGB ver­mit­tel­te Schutz er­setzt

 

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nicht den­je­ni­gen nach § 174 BGB, er ergänzt ihn (ein­ge­hend Spel­ge RdA 2016, 309, 311 f.).

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(dd) Die ana­lo­ge An­wen­dung von § 174 BGB hat ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten auch nicht zur Fol­ge, dass die übri­gen Ge­sell­schaf­ter trotz der an-ders­lau­ten­den Re­ge­lung im Ge­sell­schafts­ver­trag in Teil­be­rei­chen doch an der Geschäftsführung mit­wir­ken müss­ten. Sie ha­ben le­dig­lich dafür Sor­ge zu tra­gen, dass der ex­klu­siv zur Führung der Geschäfte be­ru­fe­ne Ge­sell­schaf­ter sei­ne Ent­schei­dun­gen auch im Außen­verhält­nis zu Drit­ten rechts­si­cher al­lein „exe­ku­tie­ren“ kann.

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cc) Die Kläge­rin hat die Kündi­gung ent­spre­chend § 174 BGB zurück­ge­wie­sen.

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dd) Dies ge­schah un­verzüglich. 47

(1) Für die Fra­ge, ob ei­ne Zurück­wei­sung iSd. § 174 Satz 1 BGB un­verzüg­lich er­folgt ist, gel­ten die zu § 121 BGB auf­ge­stell­ten Grundsätze ent­spre­chend. Die Zurück­wei­sung muss da­her nicht so­fort er­fol­gen. Dem Erklärungs­empfän­ger ist viel­mehr ei­ne ge­wis­se Zeit zur Über­le­gung und zur Ein­ho­lung des Rats ei­nes Rechts­kun­di­gen darüber ein­zuräum­en, ob er das ein­sei­ti­ge Rechts­ge­schäft we­gen feh­len­der Vor­la­ge ei­nes Voll­macht­be­legs zurück­wei­sen soll. In­ner­halb wel­cher Zeit­span­ne der Erklärungs­empfänger das Rechts­geschäft zu­rück­wei­sen muss, rich­tet sich nach den Umständen des Ein­zel­falls (BAG 8. De­zem­ber 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 32, BA­GE 140, 64). Die Zurück­wei­sung ei­ner Kündi­gungs­erklärung ist nach ei­ner Zeit­span­ne von mehr als ei­ner Wo­che oh­ne Vor­lie­gen be­son­de­rer Umstände des Ein­zel­falls nicht mehr un­ver­züglich iSd. § 174 Satz 1 BGB (BAG 13. De­zem­ber 2012 - 6 AZR 608/11 - Rn. 67). Die Frist be­ginnt mit der tatsächli­chen Kennt­nis des Empfängers von der Kündi­gung und der feh­len­den Vor­le­gung ei­ner Voll­machts­ur­kun­de (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB; BAG 8. De­zem­ber 2011 - 6 AZR 354/10 - Rn. 33, aaO).

 

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(2) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat zu­tref­fend er­kannt, dass der Be­klag­ten das Zurück­wei­sungs­schrei­ben mit der Überg­a­be an die zuständi­ge Mit­ar­bei­te­rin un­verzüglich iSd. § 174 Satz 1 BGB zu­ge­gan­gen ist. Zwar weist die Re­vi­si­on zu Recht dar­auf hin, dass es sei­ne an­sch­ließen­de Würdi­gung mit dem Be­mer­ken ein­ge­lei­tet hat, es lägen kei­ne be­son­de­ren Umstände vor, auf­grund de­rer die Rüge trotz ih­rer Er­he­bung in­ner­halb von ei­ner Wo­che nach Aus­spruch der Kündi­gung nicht mehr als un­verzüglich zu be­wer­ten wäre. Das bleibt je­doch unschädlich, weil es gleich­wohl den ge­sam­ten von ihm fest­ge­stell­ten Sach­ver­halt oh­ne Ver­s­toß ge­gen Denk­ge­set­ze oder all­ge­mei­ne Er­fah­rungssätze da­hin gewürdigt hat, der Kläge­rin sei kein schuld­haf­tes Zögern an­zu­las­ten. Dass ihr an­ge­sichts des Er­halts von vier Kündi­gungs­schrei­ben be­zo­gen auf vier Ar­beits­verträge mit vier Ge­sell­schaf­ten ei­ne ge­wis­se Prüfungs- und Über­le­gungs­frist ein­zuräum­en war, wird von der Be­klag­ten nicht an­ge­zwei­felt. Von Rechts we­gen nicht zu be­an­stan­den ist auch die wei­te­re An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts, die Kläge­rin, die auf­grund ei­nes He­xen­schus­ses nicht in der La­ge war, das auf den 14. No­vem­ber 2016 da­tier­te Zurück­wei­sungs­schrei­ben persönlich zu über­mit­teln, ha­be sich ih­res Sohns als Bo­ten be­die­nen dürfen, ob­gleich die­ser erst am 16. No­vem­ber 2016 zur Verfügung ge­stan­den ha­be. Die Ent­sch­ei­dung, die schrift­li­che Zurück­wei­sung durch ei­nen Zeu­gen „des Ver­trau­ens“ und nicht zB durch ei­nen Bo­ten­dienst über­brin­gen zu las­sen, be­gründet je­den­falls dann kein schuld­haf­tes Zögern, wenn es da­durch - wie hier - nicht zu ei­ner er­heb­lich länge­ren Über­mitt­lungs­dau­er kommt.

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(3) Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on be­stand nicht aus­nahms­wei­se ei­ne Ob­lie­gen­heit der Kläge­rin, die Über­mitt­lung des Zurück­wei­sungs­schrei­bens be­son­ders zu be­schleu­ni­gen. Selbst wenn sie nach Er­halt der Kündi­gung erklärt ha­ben soll­te, das Ar­beits­verhält­nis bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist erfüllen zu wol­len, hätte sie da­mit nicht den ob­jek­ti­ven An­schein be­gründet, ge­gen die Kündi­gung nicht vor­ge­hen zu wol­len. Des­halb kann da­hin­ste­hen, ob an­dern­falls ei­ne Rüge ana­log § 174 BGB zur Ver­mei­dung ei­ner „Ver­wir­kung“ be­son­ders schnell hätte er­fol­gen müssen.

 

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ee) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat oh­ne Rechts­feh­ler an­ge­nom­men, dass die Zurück­wei­sung nicht in ana­lo­ger An­wen­dung von § 174 Satz 2 BGB aus­ge­schlos­sen war.

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(1) Nach die­ser Be­stim­mung be­steht kein Zurück­wei­sungs­recht, wenn der Voll­macht­ge­ber den Erklärungs­empfänger von der Be­vollmäch­ti­gung in Kennt­nis ge­setzt hat. Für das In-Kennt­nis-Set­zen ist kei­ne Form vor­ge­schrie­ben. Es genügt ei­ne Mit­tei­lung des Voll­macht­ge­bers, die sich - ua. - an den (späte­ren) Erklärungs­empfänger rich­tet (BAG 24. Sep­tem­ber 2015 - 6 AZR 492/14 - Rn. 27, BA­GE 152, 363). Ein In-Kennt­nis-Set­zen liegt auch dann vor, wenn der Ar­beit­ge­ber be­stimm­te Mit­ar­bei­ter - zB durch die Be­stel­lung zum Pro­ku­ris­ten, Ge­ne­ral­be­vollmäch­tig­ten oder Lei­ter der Per­so­nal­ab­tei­lung - in ei­ne Po­si­ti­on be­ru­fen hat, die übli­cher­wei­se mit dem Kündi­gungs­recht ver­bun­den ist. Da­bei reicht al­ler­dings die bloße Über­tra­gung ei­ner sol­chen Funk­ti­on nicht aus, wenn die­se Funk­ti­onsüber­tra­gung auf­grund der Stel­lung des Be­vollmäch­tig­ten im Be­trieb nicht er­sicht­lich ist und auch kei­ne sons­ti­ge Be­kannt­ma­chung er­folgt. Viel­mehr muss der Erklärungs­empfänger da­von in Kennt­nis ge­setzt wer­den, dass der Erklären­de die­se Stel­lung tatsächlich in­ne­hat. Die­se Not­wen­dig­keit er­gibt sich dar­aus, dass die Be­ru­fung ei­nes Mit­ar­bei­ters auf die Stel­le ei­nes Per­so­nal­lei­ters oder ei­ne ähn­li­che Stel­le zunächst ein rein in­ter­ner Vor­gang ist. Ein In-Kennt­nis-Set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB ver­langt aber be­griffs­not­wen­dig zu­dem ei­nen äußeren Vor­gang, der die­sen in­ne­ren Vor­gang öffent­lich macht und auch die Ar­beit­neh­mer er­fasst, die erst nach ei­ner even­tu­ell im Be­trieb be­kannt ge­mach­ten Be­ru­fung des kündi­gen­den Mit­ar­bei­ters in ei­ne mit dem Kün­di­gungs­recht ver­bun­de­ne Funk­ti­on ein­ge­stellt wor­den sind. Denn das In-Kennt­nis-Set­zen muss un­ge­ach­tet der feh­len­den Form­bedürf­tig­keit stets ein gleich­wer­ti­ger Er­satz für die man­geln­de Vor­la­ge ei­ner „Voll­machts­ur­kun­de“ sein. Ei­ne di­rek­te Kund­ga­be der „Be­vollmäch­ti­gung“ und der Per­son des „Be­vollmäch­tig­ten“ durch den „Voll­macht­ge­ber“ selbst ist nur bei ent­spre­chen­der Pu­bli­zität des Han­dels­re­gis­ters ent­behr­lich (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 22 ff., BA­GE 137, 347), an der es bei ei­ner Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts ge­ra­de fehlt (Rn. 40).

 

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(2) Dar­an ge­mes­sen ist die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts re­vi­si­ons­recht­lich nicht zu be­an­stan­den, es ha­be an ei­nem In-Kennt­nis-Set­zen iSd. § 174 Satz 2 BGB ge­man­gelt. Zwar ha­ben die Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten Herrn J im Ge­sell­schafts­ver­trag die al­lei­ni­ge Geschäftsführungs­be­fug­nis (§ 710 Satz 1 BGB) und da­mit auch die al­lei­ni­ge Ver­tre­tungs­macht (§ 714 BGB) über­tra­gen und ihn da­mit gleich­sam in die Stel­lung ei­nes al­lein geschäftsführen­den Ge­sell­schaf­ters „be­ru­fen“. Doch fehlt es an ei­ner Kund­ga­be die­ses zunächst rein in­ter­nen „Be­stel­lungs­akts“ ge­genüber der Kläge­rin durch die „Voll­macht­ge­be­rin“, al­so durch al­le Ge­sell­schaf­ter der be­klag­ten Ge­sell­schaft bürger­li­chen Rechts, und nicht et­wa nur den „Be­vollmäch­tig­ten“ (Herrn J) selbst (vgl. BAG 12. Ja­nu­ar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 38). Das bloße Nicht­auf­tre­ten wei­te­rer Ge­sell­schaf­ter im lau­fen­den Geschäfts­be­trieb stell­te nicht ein In-Kennt­nis-Set­zen der Kläge­rin von der ge­sell­schafts­ver­trag­li­chen Al­lein­ver­tre­ter­stel­lung des Herrn J dar. Ein sol­ches ist auch durch die Überg­a­be des Ar­beits­ver­trags­ent­wurfs an die Kläge­rin nicht er­folgt. Denn sie ge­schah eben­falls al­lein durch Herrn J.

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(3) Die Be­klag­te rügt zu Un­recht, das Be­ru­fungs­ge­richt ha­be den Zeu­gen K ver­neh­men müssen. Auf die­sen Be­weis­an­tritt kam es nach der Ent­schei­dungs­li­nie des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht an, weil der Zeu­ge le­dig­lich soll­te bestäti­gen können, dass Herr J die Kläge­rin im­mer wie­der auf sei­ne al­lei­ni­ge Vert­re­tungs­macht hin­ge­wie­sen ha­be. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat aber - zu Recht - ei­ne Mit­tei­lung durch den Be­vollmäch­tig­ten selbst für un­be­acht­lich ge­hal­ten.

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ff) Ver­ein­zelt wird ver­tre­ten, in te­leo­lo­gi­scher Aus­le­gung von § 174 Satz 2 BGB sei ei­ne Zurück­wei­sung auch aus­ge­schlos­sen, wenn der Erklärungs­emp­fänger vernünf­ti­ger­wei­se nicht an der Ver­tre­tungs­macht des Han­deln­den zwei­feln durf­te (so Häub­lein NJW 2002, 1398). Es kann da­hin­ste­hen, ob für ei­ne der­ar­ti­ge Aus­nah­me an­ge­sichts des ent­ge­gen­ste­hen­den Ge­set­zes­wort­lauts Raum ist.

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(1) Das Be­ru­fungs­ge­richt hat un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler re­le­van­ten Um­stände wi­der­spruchs­frei und oh­ne Ver­s­toß ge­gen Denk­ge­set­ze an­ge­nom­men,

 

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auf­grund der für die Kläge­rin er­kenn­ba­ren Umstände ha­be nicht die er­for­der­li­che Klar­heit ei­ner „Be­vollmäch­ti­gung“ des Herrn J be­tref­fend die Kündi­gung ih­res Ar­beits­ver­trags be­stan­den. Für sie sei zu­verlässig nicht mehr er­sicht­lich ge­we­sen, als dass die­ser ei­ne um­fas­sen­de Al­lein­ver­tre­tungs­macht für sich in An­spruch nahm, er sich al­so als al­lein ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter Ge­sell­schaf­ter ge­rier­te. Da­bei hat es in Ab­gren­zung zu dem Sach­ver­halt, der dem von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­ge­nen Se­nats­ur­teil vom 6. Fe­bru­ar 1997 (- 2 AZR 128/96 -) zu­grun­de lag, ua. dar­auf ab­ge­stellt, dass für die Kläge­rin nicht er­kenn­bar gewe­sen sei, wer die wei­te­ren Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten sein könn­ten und ob und wo­von die­se Kennt­nis hat­ten oder zu­min­dest hätten ha­ben müssen.

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(2) Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­on ließ sich aus dem Ar­beits­ver­trags­ent­wurf nicht si­cher auf ei­ne al­lei­ni­ge Kündi­gungs­be­fug­nis des Herrn J schließen. Zum ei­nen war für die Kläge­rin nicht zu­verlässig er­sicht­lich, dass der Ver­trags­ent­wurf „mit Wis­sen“ al­ler Ge­sell­schaf­ter der Be­klag­ten ge­stal­tet wor­den war. Zum an­de­ren gibt er zu­min­dest nicht ein­deu­tig ei­ne ge­sell­schafts­ver­trag­li­che Al­lein­ver­tre­tungs­macht des Herrn J zu er­ken­nen. Die­ser wird in Nr. 7 nicht als „al­lein geschäftsführen­der Ge­sell­schaf­ter“, son­dern als „geschäftsführen­der Ge­sell­schaf­ter“ be­zeich­net. Dem lässt sich nicht ent­neh­men, dass die an­de­ren Ge­sell­schaf­ter von der Geschäfts­führung aus­ge­schlos­sen sei­en. Die Zwei­fel wer­den verstärkt, in­dem nach der Un­ter­schrif­ten­zei­le Herr J „in Voll­macht al­ler Ge­sell­schaf­ter“ han­deln soll­te. Die­ser Zu­satz deu­tet da­hin, dass sei­ne ver­meint­li­che Al­lein­ver­tre­tungs­macht für den Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags nicht schon aus dem Ge­sell­schafts­ver­trag folg­te, son­dern aus ei­ner un­abhängig von die­sem und ggf. über die­sen hin­aus­ge­hen­den durch Rechts­geschäft er­teil­ten Ver­tre­tungs­macht (Voll­macht; vgl. § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB). Er­schien da­mit ge­ra­de auch nach der For­mu­lie­rung des Ar­beits­ver­trags­ent­wurfs we­nigs­tens möglich, dass Herr J le­dig­lich be­voll­mäch­tigt war, Ar­beits­verträge oder gar nur den mit der Kläge­rin ab­zu­sch­ließen, konn­te die­se hier­aus nicht auf sei­ne Be­fug­nis zur Kündi­gung ih­res Ar­beits­ver­hält­nis­ses schließen (st. Rspr., vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 -

 

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Rn. 35, BA­GE 137, 347 so­wie die von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­ge­ne Ent­sch­ei­dung des OLG Frank­furt am Main 17. März 1995 - 10 U 98/94 -).

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gg) Das Zurück­wei­sungs­recht war schließlich nicht nach § 242 BGB aus­ge­schlos­sen.

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(1) Die Zurück­wei­sung ist gemäß § 242 BGB un­zulässig, wenn der Kündi­gungs­empfänger den Ver­tre­ter in der be­ste­hen­den Geschäfts­ver­bin­dung auch oh­ne Vor­la­ge ei­ner Voll­machts­ur­kun­de wie­der­holt als sol­chen an­er­kannt hat, so­lan­ge kein be­gründe­ter Zwei­fel am Be­ste­hen der Voll­macht auf­ge­tre­ten und des­halb ein Ver­trau­en­stat­be­stand für den Kündi­gen­den ent­stan­den ist (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 34, BA­GE 137, 347; BGH 20. Ok­to­ber 2008 - II ZR 107/07 - Rn. 15; KG Ber­lin 21. No­vem­ber 1997 - 5 U 5398/97 - zu 3 der Gründe; all­ge­mein zu den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes treu­wid­rig wi­der­sprüchli­chen Ver­hal­tens BAG 23. Ja­nu­ar 2018 - 3 AZR 448/16 - Rn. 38, BA­GE 161, 335), auf­grund des­sen er von der Vor­la­ge ei­ner „Voll­machts­ur­kun­de“ ab­ge­se­hen hat.

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(2) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat rechts­feh­ler­frei er­kannt, dass die Kläge­rin nicht zu­vor ei­nen Ver­trau­en­stat­be­stand für die Be­klag­te be­gründet hat­te, sie - die Kläge­rin - ge­he mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit von ei­ner um­fas­sen­den Al-lein­ver­tre­tungs­macht oder doch ei­ner al­lei­ni­gen Kündi­gungs­be­fug­nis des Herrn J aus (vgl. BAG 14. April 2011 - 6 AZR 727/09 - Rn. 35, BA­GE 137, 347). Die Kläge­rin hat­te nicht be­reits ei­ne Kündi­gung oder ein ver­gleich­ba­res ein­sei­ti­ges Rechts­geschäft oh­ne Vor­la­ge ei­ner „Voll­machts­ur­kun­de“ hin­ge­nom­men. Al­lein da­durch, dass Herr J die Ver­trags­ver­hand­lun­gen mit ihr geführt, sie ihn in ei­nem erst seit kur­zem be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis oh­ne all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schutz in der tägli­chen Ar­beit als Vor­ge­setz­ten „ak­zep­tiert“ bzw. er bei der Er­tei­lung von Wei­sun­gen im­mer wie­der auf sei­ne (ver­meint­li­che) Stel­lung als al­lein ver­tre­tungs­be­rech­tig­ter Ge­sell­schaf­ter hin­ge­wie­sen hat, wur­de für die Be­klag­te kein schutzwürdi­ges Ver­trau­en be­gründet, die Kläge­rin wer­de im Fall ei­ner Kündi­gung nicht zur Ver­ge­wis­se­rung hin­sicht­lich der Ver­tre­tungs­verhält­nis­se die Vor­la­ge ei­ner „Voll­machts­ur­kun­de“ for­dern. Das gilt um­so mehr, als

 

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sich aus der Be­fug­nis, ei­nen Ar­beits­ver­trag ab­zu­sch­ließen und im lau­fen­den Ar­beits­verhält­nis Wei­sun­gen nach § 106 Ge­wO zu er­tei­len, nicht auf ei­ne Kün­di­gungs­be­fug­nis schließen lässt (Rn. 57). Eben­so we­nig aus­sa­ge­kräftig ist in­so­fern die Be­fug­nis des Herrn J zur Ab­wick­lung von Miet­verhält­nis­sen.

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(3) Die von der Be­klag­ten her­an­ge­zo­ge­ne Ent­schei­dung des Ober­lan­des­ge­richts Frank­furt am Main (17. März 1995 - 10 U 98/94 -) be­traf den be­son­ders ge­la­ger­ten Fall, dass dem Schrei­ben zur Kündi­gung ei­nes Miet­verhält­nis­ses durch ei­ne Haus­ver­wal­tung, die schon den Miet­ver­trag als Ver­tre­te­rin ab­ge­schlos­sen hat­te, ei­ne Ko­pie der Voll­machts­ur­kun­de bei­lag, aus der sich die Be­rech­ti­gung der Haus­ver­wal­tung (auch) zum Aus­spruch der Kündi­gung des Miet­verhält­nis­ses er­gab. Ein ver­gleich­ba­rer „Nach­weis“ der Ver­tre­tungs­macht ist vor­lie­gend nicht er­folgt.

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(4) Es kommt nicht dar­auf an, ob nach den ge­ge­be­nen Umständen Herr J ei­ne An­scheins­voll­macht für die Be­klag­te hat­te. Ge­ge­be­nen­falls folg­te hier­aus kein Aus­schluss des Zurück­wei­sungs­rechts der Kläge­rin. Die ge­wohn­heits­recht­lich an­er­kann­te Fi­gur der An­scheins­voll­macht dient aus­sch­ließlich dem Schutz des Erklärungs­empfängers. In des­sen In­ter­es­se liegt aber ein Aus­schluss des Rechts, ihn be­las­ten­de ein­sei­ti­ge Rechts­geschäfte zurück­zu­wei­sen, ge­ra­de nicht. Die Sicht­wei­se der Be­klag­ten ist mit dem Schutz­zweck der An­scheins­voll­macht nicht ver­ein­bar (vgl. BAG 6. Sep­tem­ber 2012 - 2 AZR 858/11 - Rn. 25, BA­GE 143, 84). Im Übri­gen setzt die An­nah­me ei­ner An-scheins­voll­macht vor­aus, dass der Erklärungs­empfänger auf den er­zeug­ten Rechts­schein ei­ner Ver­tre­tungs­macht ver­traut. Dies hat die Kläge­rin vor­lie­gend ge­ra­de nicht ge­tan. Der Ein­wand der Be­klag­ten läuft aber­mals dar­auf hin­aus, es sei treu­wid­rig wi­dersprüchlich, ei­nen ver­meint­li­chen Ver­tre­ter bei Ab­schluss des Ar­beits­ver­trags „nach­weis­los“ als sol­chen an­zu­er­ken­nen, nicht aber bei Aus­spruch ei­ner Kündi­gung.

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hh) Der Se­nat hat auch die vor­ste­hend nicht aus­drück­lich be­han­del­ten Ver­fah­rensrügen be­tref­fend die Zurück­wei­sung der Kündi­gung ana­log § 174 BGB ge­prüft und nicht für durch­grei­fend er­ach­tet. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat kein

 

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Vor­brin­gen der Be­klag­ten über­g­an­gen, son­dern ihm nur nicht die von ihr ge­wünsch­te Be­deu­tung bei­ge­mes­sen. Von ei­ner nähe­ren Be­gründung wird ab­ge­se­hen (§ 564 Satz 1 ZPO).

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II. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin dem Grund nach zu Recht An­nah­me­ver­zugs­vergütung für die Zeit vom 24. No­vem­ber 2016 bis zum 15. April 2017 un­ter Ein­schluss der ver­ein­bar­ten Prämie nebst Zin­sen zu­er­kannt. Al­ler­dings hat es ge­gen § 308 Abs. 1 ZPO ver­s­toßen, so­weit es der Klä­ge­rin für die­sen Zeit­raum mehr als die von ihr ver­lang­ten 2.749,38 Eu­ro brut­to zu­ge­spro­chen hat.

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1. Die Be­klag­te be­fand sich auf­grund der zum Ab­lauf des 23. No­vem­ber 2016 aus­ge­spro­che­nen Kündi­gung seit dem 24. No­vem­ber 2016 selbst im An­nah­me­ver­zug (§ 296 BGB). Auf die Re­ge­lung in § 429 Abs. 1 BGB kommt es des­halb nicht an.

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2. Die Kläge­rin durf­te ih­rer An­spruchs­be­rech­nung zehn Wo­chen­stun­den zu­grun­de le­gen. Die Be­klag­te schul­de­te ihr als Ge­samt­schuld­ne­rin ei­ne Be­schäfti­gung mit und dem­ent­spre­chend auch ei­ne Vergütung für 30 Wo­chen­stun­den.

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a) Nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen der Be­klag­ten ha­ben sich die Kläge­rin und die vier Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten auf ei­ne Ge­samt­ar­beits­zeit von 30 Wo­chen­stun­den bei fle­xi­bler Ver­tei­lung auf die ein­zel­nen Ar­beit­ge­be­rin­nen verständigt. Hier­in lag ei­ne ge­mein­schaft­li­che ver­trag­li­che Ver­pflich­tung zu ei­ner teil­ba­ren Leis­tung - Beschäfti­gung und Vergütung der Kläge­rin - iSv. § 427 BGB. Ei­ne sol­che kann auch bei ge­trenn­ten Verträgen vor­lie­gen, so­fern - wie hier - je­der Schuld­ner sub­jek­tiv mit der Ver­pflich­tung (auch) der an­de­ren rech­net (Rn. 27). Gemäß der ge­setz­li­chen Aus­le­gungs­re­gel des § 427 BGB, die als spe­zi­el­le­re Be­stim­mung der Ver­mu­tung des § 420 BGB vor­geht (Pa­landt/ Grüne­berg 78. Aufl. § 427 Rn. 1), be­gründet dies ei­ne Ge­samt­schuld, wenn nicht die Aus­le­gung des „Ver­trags­werks“ gemäß §§ 133, 157 BGB aus­drück­lich oder doch ein­deu­tig ei­ne Teil­schuld er­gibt (vgl. BGH 27. Ja­nu­ar 2011 - V ZB 255/10 - Rn. 7).

 

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b) Ei­ne bloße Teil­schuld der ein­zel­nen Ge­sell­schaf­ten wur­de im Streit­fall nicht aus­drück­lich ver­ein­bart. Die für die Kläge­rin er­kenn­ba­ren In­ter­es­sen der be­tei­lig­ten Ar­beit­ge­be­rin­nen spra­chen nicht ein­deu­tig ge­gen die Be­gründung ei­ner Ge­samt­schuld­ner­schaft. Zwar hat­te ei­ne Ge­sell­schaft zu­min­dest re­gel­mäßig kei­nen Beschäfti­gungs­be­darf für 30 Wo­chen­stun­den. Doch hat­ten die Ar­beit­ge­be­rin­nen sich vor­be­hal­ten, ih­re vol­le Beschäfti­gungs­pflicht auch über ei­ne Beschäfti­gung durch ei­ne der an­de­ren Ge­sell­schaf­ten zu erfüllen (vgl. König Ar­beit­ge­ber­mehr­hei­ten S. 91). Für die­sen Fall mag den Ge­sell­schaf­ten dar­an ge­le­gen ge­we­sen sein, je­weils nur die tatsächlich von ih­nen selbst ab­ge­ru­fe­ne Ar­beits­leis­tung vergüten zu müssen. Al­ler­dings war dies bei kor­rek­ter Beschäfti­gung und Vergütung auch im Fall ei­ner Ge­samt­schuld be­reits im Au­ßen­verhält­nis zur Kläge­rin si­cher­ge­stellt. Selbst wenn es sich bei den mo­nat­li­chen Zah­lun­gen der ein­zel­nen Ar­beit­ge­be­rin­nen gemäß dem je­wei­li­gen Ar­beits­an­fall um Teil­leis­tun­gen iSv. § 266 BGB ge­han­delt ha­ben soll­te, hätte die Kläge­rin sie auf­grund ei­ner still­schwei­gen­den Ab­re­de der Ver­trag­schließen­den ak­zep­tie­ren müssen (vgl. Pa­landt/Grüne­berg 78. Aufl. § 266 Rn. 5). Es be­durf­te kei­ner aus­drück­li­chen Ein­schränkung der „Teil­leis­tungs­er­laub­nis“ durch ein Zu­mut­bar­keits­kri­te­ri­um (vgl. OLG Stutt­gart 6. Mai 1994 - 2 U 275/93 - zu 1 der Gründe), weil er­sicht­lich im je­wei­li­gen Ver­trags­verhält­nis nur „Voll­leis­tun­gen“ ge­stat­tet sein soll­ten. Ei­ne ein­zel­ne Ge­sell­schaft konn­te des­halb le­dig­lich dann über ih­ren „Beschäfti­gungs­an­teil“ hin­aus von der Kläge­rin in An­spruch ge­nom­men wer­den, wenn die­se - wie im Fall des An­nah­me­ver­zugs - nicht pünkt­lich zu ih­rem (gan­zen) Geld kam. Vor die­sem Hin­ter­grund be­sagt die Ab­rech­nungs­pra­xis während der Zeit der tatsächli­chen Beschäfti­gung der Kläge­rin nicht, die Be­tei­lig­ten hätten Teil­schul­den ver­ein­bart. Es tritt hin­zu, dass es den Ar­beit­ge­be­rin­nen un­be­nom­men blieb, ei­ne Ab­re­de gemäß § 426 Abs. 1 BGB zu tref­fen, wo­nach sie im Verhält­nis zu­ein­an­der (In­nen­verhält­nis) nur in ei­nem be­stimm­ten Um­fang (zB dem Ar­beits­ab­ruf in ei­nem Mo­nat oder dem durch­schnitt­li­chen Ar­beits­ab­ruf in der Ver­gan­gen­heit) zur Vergütungs­zah­lung ver­pflich­tet sein soll­ten. Ei­ne Ge­sell­schaft konn­te dann bei al­lei­ni­ger In­an­spruch­nah­me durch die Kläge­rin ent­spre­chen­de Be­frei­ungs- bzw. Re­gress­ansprüche ge­gen ih­re Mit­schuld­ne­rin­nen gel­tend ma­chen (vgl. Pa­landt/Grüne­berg 78. Aufl. § 426

 

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Rn. 4 ff.). Im wirt­schaft­li­chen Er­geb­nis kam dies ei­ner an­tei­li­gen Außen­haf­tung mit dem Un­ter­schied gleich, dass die be­tei­lig­ten Ge­sell­schaf­ten das Ri­si­ko ei­ner In­sol­venz ih­rer Mit­schuld­ne­rin­nen über­nah­men. Ein Ri­si­ko, das auf­grund der Per­so­nal­uni­on zu­min­dest in der Stel­lung des al­lein geschäftsführen­den Ge­sell­schaf­ters kal­ku­lier­bar schien.

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3. Für den Streit­zeit­raum sind kei­ne Zah­lun­gen durch ei­ne der drei an­de­ren Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten fest­ge­stellt, die nach § 422 Abs. 1 iVm. § 362 Abs. 1 BGB da­zu führen würden, dass die Kläge­rin nicht zu­min­dest Vergütung für zehn - wei­te­re - Wo­chen­stun­den von der Be­klag­ten ver­lan­gen könn­te.

69

4. Der Kläge­rin stand nach §§ 611a, 615 BGB für die ge­sam­te Zeit vom 24. No­vem­ber 2016 bis zum 15. April 2017 auch die Prämie in Höhe von 1,75 Eu­ro brut­to pro St­un­de zu. Das gilt selbst dann, wenn die Par­tei­en sich auf die Be­din­gun­gen gemäß Nr. 5 des Ar­beits­ver­trags­ent­wurfs verständigt ha­ben soll­ten.

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a) Zwi­schen den Par­tei­en be­steht kein Streit darüber, dass der Kläge­rin die Prämie grundsätz­lich auch im Jahr 2017 zu­ste­hen soll­te. Auf von der Kläge­rin „ge­leis­te­te“ St­un­den kommt es für den hier zu be­ur­tei­len­den Zeit­raum nicht an, weil die Be­klag­te ab dem 24. No­vem­ber 2016 nicht mehr be­reit war, de­ren Ar­beits­leis­tung ent­ge­gen­zu­neh­men.

71
b) Die Vor­aus­set­zun­gen für den Weg­fall der Prämie sind nicht erfüllt. 72

aa) Es ist nicht fest­ge­stellt, son­dern wird von der Be­klag­ten le­dig­lich un­sub­stan­ti­iert und in im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren nach § 559 Abs. 1 ZPO un­be­acht­li-cher Wei­se be­haup­tet, dass die Kläge­rin vor oder im Streit­zeit­raum krank­heits­be­dingt aus­ge­fal­len sei.

73

bb) Der An­spruch auf die Prämie entfällt nicht des­halb ins­ge­samt oder zu­ min­dest für das Jahr 2017, weil das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en am 15. De­zem­ber 2016 - al­ler­dings un­wirk­sam - „gekündigt“ und am 15. De­zem­ber

 

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2017 be­en­det war. Ei­ne Son­der­zah­lung, die je­den­falls auch Vergütung für zu­vor er­brach­te Ar­beits­leis­tung dar­stellt, kann in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (§ 305 Abs. 1 BGB), aber auch in so­ge­nann­ten - hier zu­min­dest vor­lie­gen­den - Ein­mal­be­din­gun­gen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB) nicht wirk­sam von ei­nem Stich­tag in­ner­halb oder außer­halb des Be­zugs­jah­res abhängig ge­macht wer­den. Ei­ne sol­che Stich­tags­re­ge­lung be­nach­tei­ligt den Ar­beit­neh­mer ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen iSv. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 27. Ju­ni 2018 - 10 AZR 290/17 - Rn. 20 ff., BA­GE 163, 144). Dass die hier zu be­ur­tei­len­de Prämie we­nigs­tens auch für er­brach­te Ar­beits­leis­tung ge­zahlt wer­den soll­te, folgt in kaum zu über­bie­ten­der Deut­lich­keit schon dar­aus, dass sie aus­drück­lich al­lein für „ge­leis­te­te Ar­beits­stun­den“ ge­schul­det sein soll­te.

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cc) Ei­ne vom Ar­beit­ge­ber vor­for­mu­lier­te Be­stim­mung, wo­nach der An­spruch auf ei­ne Prämie - „au­to­ma­tisch“ und oh­ne Raum für ei­ne ein­sei­ti­ge Leis­tungs­be­stim­mung nach § 315 BGB - entfällt, wenn das Ar­beits­verhält­nis „be­las­tet“ ist, ist un­wirk­sam. Sie ver­letzt das Be­stimmt­heits­ge­bot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (iVm. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), weil sie ver­meid­ba­re Un­klar­hei­ten und Spielräume eröff­net. Dar­in liegt die Ge­fahr, dass der Ar­beit­neh­mer da­von ab­ge­hal­ten wird, ei­nen be­ste­hen­den Prämi­en­an­spruch gel­tend zu ma­chen (vgl. BAG 21. Ju­ni 2018 - 6 AZR 38/17 - Rn. 34).

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c) Ein nach dem Ar­beits­ver­trags­ent­wurf auf die Prämie an­zu­rech­nen­der Zu­schuss zum Fahr­geld wur­de nach den un­an­ge­foch­te­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht ge­zahlt.

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5. Da­mit hat die Kläge­rin für den Zeit­raum vom 24. No­vem­ber 2016 bis zum 15. April 2017 An­spruch auf die von ihr ver­lang­ten 2.749,38 Eu­ro brut­to (20,75 Wo­chen x 10 Wo­chen­stun­den x 13,25 Eu­ro brut­to pro St­un­de). Für die vom Be­ru­fungs­ge­richt vor­ge­nom­me­ne Auf­run­dung auf den nächs­ten Eu­ro war nach § 308 Abs. 1 ZPO kein Raum. Sie fände oh­ne Ab­re­de der Par­tei­en auch kei­ne Grund­la­ge im ma­te­ri­el­len Recht.

 

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III. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat der Kläge­rin rechts­feh­ler­frei - wei­te­re - Ur­laubs­ab­gel­tung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG in Höhe der gel­tend ge­mach­ten 391,36 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen zu­er­kannt.

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1. Die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts, ei­ne et­waig in Be­zug auf die­sen An­trag zweit­in­stanz­lich vor­ge­nom­me­ne Kla­ge­er­wei­te­rung sei nach § 533 ZPO zulässig, un­ter­liegt in der Re­vi­si­ons­in­stanz in ent­spre­chen­der An­wen­dung von § 268 ZPO kei­ner Nach­prüfung (vgl. BAG 26. Ju­ni 2019 - 5 AZR 178/18 - Rn. 13).

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2. Es steht in­zwi­schen rechts­kräftig fest, dass die Ar­beits­verhält­nis­se der Kläge­rin mit sämt­li­chen vier Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten be­en­det sind.

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3. Bei der Be­rech­nung durf­te das Lan­des­ar­beits­ge­richt von 30 Wo­chen­stun­den und 8,33 ab­zu­gel­ten­den Ur­laubs­ta­gen aus­ge­hen, ob­gleich die Kläge­rin le­dig­lich zehn Wo­chen­stun­den und 8,0 Ur­laubs­ta­ge an­ge­setzt hat. Da­mit hat es nur in­ner­halb ei­nes ein­heit­li­chen Streit­ge­gen­stands ei­nen un­selbständi­gen Re­chen­pos­ten ver­scho­ben, oh­ne die be­gehr­te End­sum­me zu über­schrei­ten (vgl. BAG 22. Ok­to­ber 2009 - 8 AZR 865/08 - Rn. 30), und zu Recht an­ge­nom­men, dem Ar­beit­neh­mer könne ein ab­zu­gel­ten­der Ur­laubs­an­spruch zu­ste­hen, der sich nach Bruch­tei­len be­misst (vgl. BAG 23. Ja­nu­ar 2018 - 9 AZR 200/17 - Rn. 32, BA­GE 161, 347).

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4. Die Be­klag­te hat die tat­be­stand­li­che Fest­stel­lung im an­ge­foch­te­nen Ur­teil, die drei an­de­ren Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten hätten ins­ge­samt (nur) Ur­laubs­ab­gel­tung in Höhe von 262,94 Eu­ro brut­to an die Kläge­rin ge­zahlt, nicht frist­ge­recht mit ei­nem Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs­an­trag nach § 320 ZPO an­ge­grif­fen. Dass die Be­klag­te in der Re­vi­si­ons­be­gründung be­haup­tet, die drei wei­te­ren Ar­beit­ge­be­rin­nen hätten ins­ge­samt 677,27 Eu­ro brut­to Ur­laubs­ab­gel­tung an die Kläge­rin ge­zahlt, ist gemäß § 559 Abs. 1 ZPO un­be­acht­lich.

 

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IV. Es muss­te nicht im Te­nor klar­ge­stellt wer­den, dass die vor­lie­gend al­lein in An­spruch ge­nom­me­ne Be­klag­te für die Zah­lungs­ansprüche teil­wei­se (nur) als Ge­samt­schuld­ne­rin ne­ben den an­de­ren, in­so­weit noch nicht ver­ur­teil­ten Grundstücks­ver­wal­tungs­ge­sell­schaf­ten haf­tet (vgl. BGH 17. Mai 1990 - III ZR 191/88 - zu II 5 der Gründe, BGHZ 111, 272; Pa­landt/Grüne­berg 78. Aufl. § 421 Rn. 13).

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V. Die ganz über­wie­gend un­ter­le­ge­ne Be­klag­te hat nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die ge­sam­ten Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

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Ra­chor

Schlünder

Nie­mann

Grim­berg 

Wolf

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