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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/055

Zeug­nis für den Be­triebs­rat

Ar­beits­zeug­nis darf lang­jäh­ri­ge Frei­stel­lung als Be­triebs­rat er­wäh­nen: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Ur­teil vom 06.12.2012, 7 Sa 583/12
Betriebsratsanhörung Was muss im Zeug­nis für frei­ge­stell­te Be­triebs­rä­te ste­hen?

17.02.2014. Wer lan­ge Jah­re als Mit­glied des Be­triebs­rats von der Ar­beit frei­ge­stellt war und dann aus dem Ar­beits­ver­hält­nis aus­schei­det, stellt sei­nen Ar­beit­ge­ber beim The­ma Zeug­nis vor ein Pro­blem:

Soll oder darf der Ar­beit­ge­ber die Tä­tig­keit als Be­triebs­rat er­wäh­nen oder nicht?

Und wenn ja, soll oder darf er er­wäh­nen, dass das Be­triebs­rats­mit­glied ei­ni­ge Jah­re nicht mehr mit sei­nen ei­gent­li­chen Ar­beits­auf­ga­ben be­fasst war, son­dern als frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied aus­schließ­lich Be­triebs­rats­auf­ga­ben wahr­ge­nom­men hat?

Mit die­sen Fra­gen be­fasst sich ein nicht mehr ganz ak­tu­el­les, da­für aber in­ter­es­san­tes Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Köln: LAG Köln, Ur­teil vom 06.12.2012, 7 Sa 583/12.

Darf der Ar­beit­ge­ber dar­auf hin­wei­sen, dass ein Ar­beit­neh­mer lan­ge Jah­re als Be­triebs­rat von der Ar­beit frei­ge­stellt war?

Ar­beit­neh­mer ha­ben gemäß § 109 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) bei Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch auf ein schrift­li­ches Ar­beits­zeug­nis. Da­bei können sie ver­lan­gen, dass ih­nen ein qua­lif­zierters Zeug­nis er­teilt wird. Das ist ein Zeug­nis, das An­ga­ben zur Leis­tung und zum Ver­hal­ten enthält. Zeug­nis­se wer­den in al­ler Re­gel als qua­li­fi­zier­te Zeug­nis­se er­teilt, d.h. ein­fa­che Zeug­nis­se, die nur die Art und die Dau­er der Tätig­keit at­tes­tie­ren, gibt es kaum.

Beim qua­li­fi­zier­ten Zeug­nis muss der Ar­beit­ge­ber

  • die Leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers ei­ner­seits der Wahr­heit ent­spre­chend,
  • und an­de­rer­seits "wohl­wol­lend" be­schrei­ben, d.h. er darf dem Ar­beit­neh­mer kei­ne St­ei­ne beim be­ruf­li­chen Fort­kom­men in den Weg le­gen.

Die­se dop­pel­te An­for­de­rung zu erfüllen ist manch­mal schwer, wie das The­ma Aus­fall­zei­ten zeigt.

Denn wenn der Ar­beit­ge­ber im Zeug­nis auf ei­ne länge­re Aus­fall­zeit hin­weist, die sich z.B. in­fol­ge ei­ner El­tern­zeit, ei­ner länge­ren Krank­heit oder ei­ner Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied er­ge­ben hat, kann sich der Le­ser des Zeug­nis­ses ein ge­naue­res Bild über die Be­rufs­er­fah­run­gen des Ar­beit­neh­mers ma­chen. Das tut der Wahr­heit des Zeug­nis­ses gut.

An­de­rer­seits könn­te die Erwähnung sol­cher Aus­fall­zei­ten dem Ar­beit­neh­mer bei künf­ti­gen Be­wer­bun­gen scha­den, und das soll­te nicht die Fol­ge ei­nes "wohl­wol­len­den" Zeug­nis­ses sein. Und spe­zi­ell im Fal­le ei­nes frei­ge­stell­ten Be­triebs­rats stellt sich die Fra­ge, ob die Erwähnung ei­ner länge­ren Frei­stel­lung nicht ei­ne un­zulässi­ge Be­nach­tei­li­gung we­gen der Be­triebs­ratstätig­keit dar­stellt, die gemäß § 78 Satz 2 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ver­bo­ten wäre.

Nach der Recht­spre­chung der Ar­beits­ge­rich­te dürfen "lan­ge" Aus­fall­zei­ten im Zeug­nis erwähnt wer­den. So hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ent­schie­den, dass ein dreijähri­ger Er­zie­hungs­ur­laub (heu­te: "El­tern­zeit"), den ein ins­ge­samt nur vier Jah­re und zwei Mo­na­te an­ge­stell­ter Koch er­hal­ten hat­te, im Zeug­nis erwähnt wer­den kann (BAG, Ur­teil vom 10.05.2005, 9 AZR 261/04).

Und das LAG Köln hat wei­ter­ge­hend an­ge­nom­men, dass ei­ne sechs­ein­halb Jah­re beschäftig­te Ar­beit­neh­me­rin ein Zeug­nis ak­zep­tie­ren muss, das ei­ne mehr als einjähri­ge El­tern­zeit erwähnt (LAG Köln, Ur­teil vom 04.05.2012, 4 Sa 114/12 - wir be­rich­te­ten in: Ar­beits­recht ak­tu­ell: 13/164 Zeug­nis darf El­tern­zeit erwähnen).

Aber was ist mit ei­nem Be­triebs­rat, der vor sei­ner Ent­las­sung fünf Jah­re lang frei­ge­stellt war?

Der Streit­fall: Be­triebs­rat ist in den letz­ten fünf Jah­re sei­nes knapp zwölf Jah­re dau­ern­den Ar­beits­verhält­nis­ses frei­ge­stellt

Im Fall des LAG Köln war ein Be­triebs­rats­mit­glied von vom 01.09.1998 bis zum 24.06.2010 beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis en­de­te durch ei­ne frist­lo­se Kündi­gung des Ar­beit­ge­bers. Während der letz­ten fünf Jah­re, von April 2005 bis zu sei­ner Ent­las­sung im Ju­ni 2010, war der Be­triebs­rat von der Ar­beit frei­ge­stellt.

Das Zeug­nis ent­hielt fol­gen­de For­mu­lie­rung:

"Seit dem 26.04.2005 bis zur Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses war Herr V von sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit auf Grund sei­ner Mit­glied­schaft in Be­triebs­rat frei­ge­stellt. Sein Ver­hal­ten ge­genüber Vor­ge­setz­ten und Kol­le­gen war in der Re­gel an­ge­mes­sen."

Da­ge­gen klag­te der Ex-Be­triebs­rat und ver­lang­te vom Ar­beit­ge­ber, die Erwähnung sei­ner Frei­stel­lung er­satz­los zu strei­chen und den Satz, der sein Ver­hal­ten be­wer­te­te, freund­li­cher zu for­mu­lie­ren, nämlich so:

"Sein Ver­hal­ten ge­genüber Vor­ge­setz­ten und Kol­le­gen war stets ein­wand­frei."

Mit dem ers­ten Kla­ge­be­geh­ren hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt kei­nen Er­folg, dafür aber mit dem zwei­ten. Denn das Ar­beits­ge­richt Aa­chen hielt dem Ar­beit­ge­ber vor, er hätte kei­ne Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die ei­ne un­genügen­de Ver­hal­tens­be­ur­tei­lung recht­fer­ti­gen würden (Ar­beits­ge­richt Aa­chen, Ur­teil vom 17.01.2012, 3 Ca 950/11).

LAG Köln: Ei­ne fünfjähri­ge Frei­stel­lung als Be­triebs­rat darf der Ar­beit­ge­ber im Zeug­nis erwähnen

Das LAG Köln wies die Be­ru­fung des Ex-Be­triebs­rats zurück. Da­bei un­ter­schei­det es zwi­schen

  • der Erwähnung ei­ner Tätig­keit als Be­triebs­rat bzw. ei­ner Mit­glied­schaft im Be­triebs­rats­gre­mi­um, und
  • ei­ner Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied.

Die Tätig­keit als Be­triebs­rat ist, so das LAG im An­schluss an die herr­schen­de An­sicht in Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur, nur auf Wunsch des Ar­beit­neh­mers in das Zeug­nis auf­zu­neh­men. Da­bei geht es al­ler­dings nur um das eh­ren­amt­li­che En­ga­ge­ment als Be­triebs­rat und nicht um das The­ma Frei­stel­lung (schließlich ist nicht je­des Be­triebs­rats­mit­glied frei­ge­stellt).

Da­ge­gen darf der Ar­beit­ge­ber un­ter Be­ru­fung auf den Grund­satz der Zeug­nis­wahr­heit ei­ne langjähren Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied im Zeug­nis erwähnen, so das LAG. Denn wer wie der Kläger in die­sem Streit­fall fünf Jah­re lang nicht mit sei­nen ar­beits­ver­trag­li­chen Auf­ga­ben be­fasst war, hat we­ni­ger (ak­tu­el­le) Be­rufs­er­fah­rung als ein Ar­beit­neh­mer, der nicht so lan­ge "draußen" war.

Außer­dem hat­te das hier strei­ti­ge Zeug­nis die Zeit, während der der Kläger mit sei­nen ei­gent­li­chen Ar­beits­auf­ga­ben der Qua­litätskon­trol­le be­fasst war, kon­kret an­ge­ge­ben. Die­se Be­wer­tung sei­ner Auf­ga­ben und Leis­tun­gen be­zog sich da­her auf die Zeit vom 01.09.1998 bis zum 25.04.2005.

Was hätte der Ar­beit­ge­ber denn, so die Über­le­gung des Ge­richts, über die Zeit vom 26.04.2005 bis zum 24.06.2010 an­de­res schrei­ben sol­len als dass der Kläger eben als Be­triebs­rat frei­ge­stellt war? Würde das Zeug­nis über die­se Zeit schwei­gen, ergäbe sich ei­ne "Dar­stel­lungslücke im Zeug­nis", so das LAG. Die würde aber dem Kläger auf die Füße fal­len.

Die Fra­ge ei­ner mögli­chen Be­nach­tei­li­gung we­gen der Tätig­keit als Be­triebs­rat spricht das Ge­richt nicht aus­drück­lich an, son­dern meint nur knapp, dass die Frei­stel­lung ja das Ein­verständ­nis des be­trof­fe­nen Be­triebs­rats­mit­glieds vor­aus­setzt. Und von

"ei­nem Ar­beit­neh­mer, der sich hier­auf einlässt, kann er­war­tet wer­den, dass er die da­mit ein­her­ge­hen­den Fol­gen für sei­nen wei­te­ren be­ruf­li­chen Wer­de­gang mit be­denkt."

Fa­zit: Das Ur­teil des LAG macht deut­lich, dass das "Erwähnen-Dürfen" ei­ner länge­ren Aus­fall­zeit und das "Vor­spie­geln-Müssen" ei­ner un­un­ter­bro­che­nen be­ruf­li­chen Tätig­keit zwei Sei­ten der­sel­ben Me­dail­le sind. Ein An­spruch auf das Ver­schwei­gen ei­ner jah­re­lan­gen Aus­fall­zeit im Zeug­nis läuft da­her letzt­lich auf ei­nen An­spruch ge­gen den Ar­beit­ge­ber hin­aus, im Zeug­nis fal­sche An­ga­ben über ei­ne tatsächlich viel kürze­re be­ruf­li­che Tätig­keit ma­chen zu müssen.

Ob­wohl Ar­beit­neh­mer kei­nen An­spruch auf sol­che fri­sier­ten Zeug­nis­se ha­ben, ist es Ar­beit­ge­bern nicht ver­bo­ten, lan­ge Aus­fall­zei­ten un­ter den Tisch fal­len zu las­sen. Ar­beit­neh­mern, die auf­grund ei­ner El­tern­zeit, ei­ner länge­ren Krank­heit oder ei­ner Frei­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied die Erwähnung die­ser Zei­ten im Zeug­nis befürch­ten müssen, ist da­her zu ra­ten, sich mit dem Ar­beit­ge­ber im Rah­men ei­nes Auf­he­bungs­ver­trags, ei­ner Ab­wick­lungs­ver­ein­ba­rung oder ei­nes ge­richt­li­chen Ver­gleichs auf ei­ne kon­kret "durch­buch­sta­bier­te" Zeug­nis­fas­sung zu ei­ni­gen. Hat der Ar­beit­ge­ber ein­mal ei­ne sol­che Pflicht über­nom­men, muss er sie auch erfüllen.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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