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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/043

Teil­zeit in der El­tern­zeit

Der An­spruch auf zwei­ma­li­ge Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit be­steht auch, wenn zu­vor ei­ne frei­wil­li­ge Teil­zeit­ver­ein­ba­rung ge­trof­fen wur­de: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 19.02.2013, 9 AZR 461/11
Mann und Frau mit Kinderwagen Wie oft kann man wäh­rend ei­ner El­tern­zeit Teil­zeit ver­lan­gen?

25.02.2013. Wer El­tern­zeit in An­spruch nimmt, muss nicht un­be­dingt zu Hau­se blei­ben, son­dern kann wäh­rend sei­ner El­tern­zeit in Teil­zeit ar­bei­ten, in der Re­gel bei sei­nem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber. 

Der An­spruch auf Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung wäh­rend der El­tern­zeit er­gibt sich aus § 15 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz (BEEG). Da­nach be­steht bei ei­ner Be­triebs­grö­ße von mehr als 15 Ar­beit­neh­mern und nach ei­ner Be­schäf­ti­gungs­zeit von mehr als sechs Mo­na­ten ein An­spruch auf Teil­zeit­ar­beit, der nur aus­ge­schlos­sen ist, wenn "drin­gen­de be­trieb­li­che Grün­de" ent­ge­gen­ste­hen.

Frag­lich ist al­ler­dings, wie oft der Ar­beit­neh­mer bzw. die Ar­beit­neh­me­rin ei­ne sol­che Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung in der El­tern­zeit ver­lan­gen kann, wenn der Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor "gut­mü­tig" bzw. frei­wil­lig ei­ner Teil­zeit­re­ge­lung zu­ge­stimmt hat. In die­ser Fra­ge hat das Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) vor ei­ni­gen Ta­gen die Rech­te der Ar­beit­neh­mer ge­stärkt: BAG, Ur­teil vom 19.02.2013, 9 AZR 461/11.

Wie oft kann man Teil­zeit in El­tern­zeit be­an­spru­chen?

Während ei­ner El­tern­zeit kann man gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 BEEG beim Ar­beit­ge­ber ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit "be­an­tra­gen". Über ei­nen sol­chen An­trag "sol­len" sich Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer in­ner­halb von vier Wo­chen ei­ni­gen (§ 15 Abs. 5 Satz 2 BEEG).

Sol­len heißt aber nicht müssen. Da­her enthält das Ge­setz ei­ne Re­ge­lung für den Fall, dass man sich frei­wil­lig nicht ei­nig wird: "So­weit" ei­ne Ei­ni­gung über den Ar­beit­neh­mer­an­trag nach Abs.5 nicht möglich ist, können El­tern­zeit­ler gemäß § 15 Abs. 6 BEEG während der Ge­samt­dau­er ih­rer El­tern­zeit zwei­mal ei­ne Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit "be­an­spru­chen". Die Vor­aus­set­zun­gen für die­sen Rechts­an­spruch sind in § 15 Abs.7 BEEG auf­ge­lis­tet.

Frag­lich ist, ob ei­ne sol­che zwei­ma­li­ge Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung auch dann un­ter Be­ru­fung auf § 15 Abs. 6 BEEG ver­langt wer­den kann, wenn der Ar­beit­ge­ber be­reits zu­vor ein­mal oder mehr­mals frei­wil­lig ei­ner Ar­beits­zei­ver­rin­ge­rung zu­ge­stimmt hat. Sind sol­che frei­wil­li­gen Teil­zeit­re­ge­lun­gen auf den An­spruch gemäß § 15 Abs.6 BEEG an­zu­rech­nen oder wird die­ser An­spruch nur dann ver­braucht, wenn frei­wil­li­ge Re­ge­lun­gen zu­vor ge­schei­tert sind?

Der Fall des BAG: Nach zwei­ma­li­ger frei­wil­li­ger Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung schei­tert ei­ne Ei­ni­gung über ei­ne drit­te Teil­zeit

Die kla­gen­de Ar­beit­neh­me­rin war seit 2006 in ei­nem Be­trieb mit mehr als 15 Ar­beit­neh­mern voll­zei­tig als Ju­ris­tin beschäftigt. Am 05.06.2008 ge­bar sie ei­ne Toch­ter nahm für zwei Jah­re El­tern­zeit in An­spruch.

Knapp sechs Mo­na­te nach der Ge­burt ei­nig­te sich die jun­ge Mut­ter mit ih­rem Ar­beit­ge­ber frei­wil­lig auf zwei Teil­zeit-Pha­sen: Von Ja­nu­ar bis Mai 2009 soll­te sie 15 St­un­den pro Wo­che und von Ju­ni 2009 bis zum En­de der El­tern­zeit 20 St­un­den pro Wo­che ar­bei­ten.

Als das En­de der zweijähri­gen El­tern­zeit näher rück­te, verlänger­te die Ar­beit­neh­me­rin ih­re El­tern­zeit um ein wei­te­res Jahr. Gleich­zei­tig ver­lang­te sie, während des drit­ten El­tern­zeit­jah­res wie bis­her 20 St­un­den pro Wo­che ar­bei­ten zu können.

Hier woll­te der Ar­beit­ge­ber aber nicht mehr mit­ma­chen und be­rief sich auf an­geb­li­che drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe, die ei­ner Teil­zeit von 20 St­un­den im drit­ten Ba­by­jahr ent­ge­genstünden.

Das Ar­beits­ge­richt Ham­burg ver­ur­teil­te den Ar­beit­ge­ber zu der ver­lang­ten drit­ten Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung (Ur­teil vom 09.09.2010, 7 Ca 203/10). Das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ham­burg gab da­ge­gen dem Ar­beit­ge­ber recht, und zwar mit der Be­gründung, dass die bei­den ein­ver­nehm­lich ver­ein­bar­ten Teil­zeit-Pha­sen auf den An­spruch gemäß § 15 Abs.6 BEEG an­zu­rech­nen sei­en (LAG Ham­burg, Ur­teil vom 18.05.2011, 5 Sa 93/10).

Bun­des­ar­beits­ge­richt: Ein­ver­nehm­li­che El­tern­teil­zeit­re­ge­lun­gen sind auf den An­spruch auf zwei­ma­li­ge Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit nicht an­zu­rech­nen

Das BAG hob das LAG-Ur­teil auf und ent­schied zu­guns­ten der Ar­beit­neh­me­rin.

In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung kurz und knapp, dass die frei­wil­li­ge Ver­ein­ba­rung zwei­er Teil­zeit-Pha­sen im De­zem­ber 2008 dem An­spruch der Kläge­rin auf ei­ne drit­te Teil­zeit-Pha­se nicht ent­ge­gen ste­he. Denn frei­wil­li­ge bzw. ein­ver­nehm­lich El­tern­teil­zeit­re­ge­lun­gen sind nach An­sicht des BAG auf den An­spruch auf zwei­ma­li­ge Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit nicht an­zu­rech­nen.

Das Ur­teil des BAG ist auf den ers­ten Blick über­zeu­gend, denn es steht ja klipp und klar in § 15 Abs.6 BEEG, dass der An­spruch auf zwei­ma­li­ge Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit nur be­steht, "so­weit ei­ne Ei­ni­gung nach Ab­satz 5 nicht möglich ist".

An­de­rer­seits führt die An­sicht des BAG da­zu, dass Ar­beit­ge­ber künf­tig die Dum­men sind, wenn sie ei­ner vom Ge­setz als Ide­al­fall vor­ge­se­he­nen frei­wil­li­gen Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung zu­stim­men. Schlau­er stellt man es als Ar­beit­ge­ber auf der Grund­la­ge des hier be­spro­che­nen BAG-Ur­teils an, wenn man ei­ner frei­wil­li­gen Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung nie­mals zu­stimmt, son­dern erst ein­mal im­mer bo­ckig nein sagt. Denn dann muss der Ar­beit­neh­mer von sei­nem An­spruch gemäß § 15 Abs.6 BEEG Ge­brauch ma­chen, und das kann er nur zwei­mal.

Fa­zit: Das Ur­teil des BAG stärkt den An­spruch auf zwei­ma­li­ge Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung aus § 15 Abs.6 BEEG, da die­ser An­spruch künf­tig nicht da­von abhängt, ob es vor der be­an­spruch­ten und ggf. ein­ge­klag­ten Teil­zeit­ver­ein­ba­rung be­reits früher frei­wil­li­ge Teil­zeit­re­ge­lun­gen gab oder nicht.

An­de­re­r­eits schwächt das Ur­teil die vom Ge­setz als Re­gel- und Ide­al­fall vor­ge­se­he­ne frei­wil­li­ge Teil­zeit­ver­ein­ba­rung gemäß § 15 Abs.5 BEEG. El­tern­zeit-Ar­beit­neh­mer wer­den hier künf­tig öfter ein un­freund­li­ches "nein - ab­ge­lehnt" zu hören be­kom­men.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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