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BAG, Be­schluss vom 08.12.2010, 7 ABR 98/09

   
Schlagworte: Höchstalter, Tarifvertrag, Einstellung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 ABR 98/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 08.12.2010
   
Leitsätze: Eine tarifvertragliche Betriebsnorm, die für ein Luftfahrtunternehmen das Höchstalter für die Einstellung von in anderen Luftfahrtunternehmen ausgebildeten Piloten auf 32 Jahre und 364 Tage festlegt, ist unwirksam. Die für das Luftfahrtunternehmen errichtete Personalvertretung kann daher die Zustimmung zur Einstellung eines Piloten nicht mit der Begründung verweigern, dieser sei zu alt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Beschluss vom 30.04.2008, 14 BV 36/08
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.03.2009, 4 TaBV 168/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

7 ABR 98/09

4 TaBV 168/08

Hes­si­sches

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

8. De­zem­ber 2010

BESCHLUSS

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren mit den Be­tei­lig­ten

1.

An­trag­stel­le­rin,

2.

Be­schwer­deführe­rin und Rechts­be­schwer­deführe­rin,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 8. De­zem­ber 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lin­sen­mai­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Kiel, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmidt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Busch und Glock für Recht er­kannt:


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Die Rechts­be­schwer­de der Per­so­nal­ver­tre­tung ge­gen den Be­schluss des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 17. März 2009 - 4 TaBV 168/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Er­set­zung der von der Per­so­nal­ver-

tre­tung ver­wei­ger­ten Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung ei­nes Co­pi­lo­ten. Kern des Streits ist die Rechtmäßig­keit ei­ner ta­rif­ver­trag­li­chen Al­ters­gren­ze für die Ein­stel­lung des Cock­pit­per­so­nals.

Die Ar­beit­ge­be­rin ist ein zum Luft­han­sa-Kon­zern (DLH-Kon­zern) ge-

hören­des Luft­fracht­un­ter­neh­men. Ihr flie­gen­des Per­so­nal wird von der zu 2. be­tei­lig­ten Per­so­nal­ver­tre­tung re­präsen­tiert, die auf der Grund­la­ge des nach § 117 Abs. 2 Be­trVG zwi­schen der Ar­beit­ge­be­rin und der Deut­schen An­ge­stell­ten­ge­werk­schaft ge­schlos­se­nen Ta­rif­ver­trags Per­so­nal­ver­tre­tung GCS vom 1. Fe­bru­ar 1993 (TV PV GCS) ge­bil­det wur­de. §§ 64, 65 TV PV GCS sind weit­ge­hend wort- und in der Sa­che in­halts­gleich mit §§ 99, 100 Be­trVG.

Die Ar­beit­ge­be­rin deckt ih­ren Be­darf an Pi­lo­ten in ers­ter Li­nie aus dem

Luft­han­sa Ta­rif­ver­bund und nach­ran­gig durch sog. „Re­a­dy Ent­ries“ (RE) ab, die über ei­ne bei ei­nem an­de­ren Luft­fahrt­un­ter­neh­men ab­ge­schlos­se­ne Flug­zeug-führer­aus­bil­dung und über Flug­er­fah­rung verfügen. Sie un­ter­zieht RE-Pi­lo­ten vor der Ein­stel­lung ei­nem sog. DLR-Test, der aus ei­nem drei­stu­fi­gen Aus­wahl­pro­zess be­steht. Die ers­te Stu­fe um­fasst ei­ne Grund­un­ter­su­chung der von der Ar­beit­ge­be­rin als not­wen­dig er­ach­te­ten Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten. In der zwei­ten Stu­fe wird die Ad­ap­ti­onsfähig­keit der Be­wer­ber an die im Kon­zern übli­chen spe­zi­el­len Ver­fah­ren und Ar­beits­wei­sen über­prüft. Dar­an schließt sich im drit­ten Schritt ein Si­mu­la­tor-Scree­ning an, in dem die flie­ge­ri­schen Fähig­kei­ten der Pi­lo­ten und de­ren An­pas­sung an die im Kon­zern übli­chen Prin­zi­pi­en


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der Tätig­keit im Cock­pit be­ob­ach­tet wer­den. Nach der Ein­stel­lung müssen die Pi­lo­ten das „Ty­pe Ra­ting“, dh. die Mus­ter­be­rech­ti­gung, er­wer­ben und sich ei­ner Ein­wei­sung un­ter­zie­hen.

Das na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Luft­si­cher­heits­recht sieht ne­ben der

all­ge­mei­nen Al­tershöchst­gren­ze für Pi­lo­ten nach 1.060 JAR-FCL 1 kei­ne Al­ters­gren­ze für den Wech­sel von Pi­lo­ten zwi­schen ver­schie­de­nen Flug­ge­sell­schaf­ten vor. Während zahl­rei­che Luft­fahrt­un­ter­neh­men kein Ein­stel­lungs-höchst­al­ter fest­ge­legt ha­ben, schlos­sen die Be­tei­lig­ten am 12. Ok­to­ber 1999 die Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Aus­wahl­richt­li­ni­en für die per­so­nel­le Aus­wahl bei der Ein­stel­lung von Ver­kehrs­flug­zeugführern“, die un­ter § 3 I Nr. 6 als Al­ters­gren­ze für die Ein­stel­lung von Pi­lo­ten 32 Jah­re und 364 Ta­ge be­stimmt. Die Mut­ter­ge­sell­schaft der Ar­beit­ge­be­rin ver­ein­bar­te am 7. Fe­bru­ar 2003 mit der Ge­samt­ver­tre­tung für das flie­gen­de Per­so­nal die Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Aus­wahl­richt­li­ni­en für die per­so­nel­le Aus­wahl bei der Ein­stel­lung von Flug­zeugführern bei der DLH“ (BV Aus­wahl­richt­li­ni­en). Die­se enthält ua. fol­gen­de Re­ge­lun­gen:

„§ 1 Gel­tungs­be­reich

Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung re­gelt die per­so­nel­le Aus­wahl von künf­ti­gen Flug­zeugführern der DLH Pas­sa­ge Air­line.

§ 2 Grundsätze zur Ein­stel­lung von Flug­zeugführern bei DLH

I. DLH deckt den Pi­lo­ten­be­darf grundsätz­lich durch

Nach­wuchs­flug­zeugführer ab, die an der Ver­kehrs­flie­ger­schu­le der Luft­han­sa Flight Trai­ning GmbH (LFT) ge­schult wer­den (= ab in­i­tio-ge­schul­te NFF).

...

III. Wird der per­so­nel­le Be­darf nicht gemäß Ab­satz 1

ge­deckt, kann DLH Flug­zeugführer mit Li­zen­zen (Re­a­dy Ent­ry) ein­stel­len.

§ 3 Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen für NFF

I. Per­so­nen­be­zo­ge­ne Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen

1. Deut­sche Staats­an­gehörig­keit oder Staats­an­gehörig­keit ei­nes EU-Lan­des oder ei­ne Auf­ent­halts­be­rech­ti­gung oder ei­ne un­be­fris­te­te Auf­ent­halts­er­laub­nis für die BRD. Zu­dem muß der Be­wer­ber im Be­sitz ei­nes un­ein­ge­schränk­ten Rei­se­pas­ses sein.

2. Körper­größe: 1,65 - 1,95 m


3.

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Nach­weis der all­ge­mei­nen oder fach­ge­bun­de­nen Hoch­schul­rei­fe als Schul­ab­schluß. ...

4. Be­herr­schung der deut­schen und eng­li­schen Spra­che in Wort und Schrift.

5. Min­dest­al­ter am Ta­ge der Ein­stel­lung: 21 Jah­re

6. Höchst­al­ter zum vor­aus­sicht­li­chen Da­tum des Ar­beits­ver­tra­ges: 29 Jah­re + 364 Ta­ge

7. Nach­weis, daß der Wehr- und Zi­vil­dienst ab­ge­leis­tet wor­den ist oder der Be­wer­ber da­von be­freit oder aus­ge­mus­tert wor­den ist.

II. Be­rufs- und Fir­men­qua­li­fi­ka­ti­on

1. Flie­ge­ri­sche Taug­lich­keit nach Me­di­cal Klas­se 1/Deutsch­land und FAA Klas­se 3/USA. Die Un­ter­su­chung ist durch den Me­di­zi­ni­schen Dienst der DLH durch­zuführen (LH-Me­di­cal). Hier­bei gilt, daß die Kor­rek­tur der Sehschärfe +/-3.0 Di­op­tri­en nicht über­schrei­ten darf.

2. ... ...

§ 4 Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen für Re­a­dy Ent­ry

I. Es gel­ten die per­so­nen­be­zo­ge­nen Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen für NFF gemäß § 3 I Nr. 1 bis Nr. 5 und Nr. 7.

Das Höchst­al­ter beträgt bei RE 32 Jah­re und 364 Ta­ge zum vor­aus­sicht­li­chen Da­tum des Ar­beits­ver­tra­ges. Die flie­ge­ri­sche Taug­lich­keit nach Me­di­cal Klas­se 1/Deutsch­land muß durch den Me­di­zi­ni­schen Dienst der DLH fest­ge­stellt wer­den. Hier­bei gilt, daß die Kor­rek­tur der Sehschärfe +/-3.0 Di­op­tri­en nicht über­schrei­ten darf.

II. Re­a­dy Ent­ry-Be­wer­ber müssen zu­dem die nach­fol­gend auf­geführ­ten flie­ge­ri­schen Vor­aus­set­zun­gen nach­wei­sen:

Ka­te­go­rie A: ... ...

III. Eig­nungs­un­ter­su­chung (EU) und Fir­men­qua­li­fi­ka­ti­on (FQ). ...

...

§ 5 Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen an­de­rer Be­wer­ber

Hat Luft­han­sa per­so­nel­len Be­darf, der mit NFF und RE-


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Be­wer­bern nicht zu de­cken ist, wird sie mit dem Be­triebs­part­ner we­gen der Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen und der An­zahl an­de­rer Be­wer­ber ver­han­deln. Kommt ei­ne Ei­ni­gung nicht zu­stan­de, kann die Ei­ni­gungs­stel­le an­ge­ru­fen wer­den.

§ 6 Lauf­zeit

Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung tritt am 01.01.2003 in Kraft...“

Am sel­ben Tag schlos­sen die Mut­ter­ge­sell­schaft der Ar­beit­ge­be­rin und

die Ge­samt­ver­tre­tung die „Ergänzungs­ver­ein­ba­rung Nr. 1“, in der es ua. heißt:

„Das Ein­stiegs­al­ter für RE beträgt 37 Jah­re und 364 Ta­ge zum vor­aus­sicht­li­chen Da­tum des Ar­beits­ver­tra­ges für Be­wer­ber­grup­pen der fol­gen­den Air­lines:

Swiss SAS KLM AUA LTU Ci­ty Li­ne.“

Vor dem Hin­ter­grund seit dem Jahr 2006 auf­tre­ten­der Pro­ble­me, den im

Kon­zern be­ste­hen­den Be­darf an Nach­wuchs­pi­lo­ten zu de­cken, schlos­sen die die Un­ter­neh­men des Luft­han­sa-Kon­zerns ta­rif­recht­lich ver­tre­ten­de Ar­beits­recht­li­che Ver­ei­ni­gung Ham­burg e. V. (AVH) und die Ver­ei­ni­gung Cock­pit e. V. (VC) am 18. De­zem­ber 2006 die „Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung Cock­pit 2007/2008“ (Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung).

Der Ein­lei­tungs­satz der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung lau­tet:

„Vor dem Hin­ter­grund be­ste­hen­der Schu­lungs- und Be­ree­de­rungs­engpässe im KTV-Ver­bund se­hen sich die Ta­rif­part­ner ver­an­lasst, durch die nach­fol­gen­de Ver­ein­ba­rung ei­nen wei­te­ren Bei­trag zu leis­ten, um die sich ak­tu­ell im dy­na­mi­schen Markt- und Wett­be­werbs­um­feld er­ge­ben­den Wachs­tums­chan­cen zu nut­zen.“

Un­ter „Nr. 4 [Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen NFF/Re­a­dy Ent­ries]“ ist

aus­zugs­wei­se fol­gen­des ge­re­gelt:

„Die Ta­rif­part­ner ver­ein­ba­ren ei­nen Ta­rif­ver­trag „Aus­wahl­richt­li­ni­en“. Die­ser Ta­rif­ver­trag ist wort­gleich mit der BVB Aus­wahl­richt­li­nie für die per­so­nel­le Aus­wahl bei der Ein-


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stel­lun­gen von Flug­zeugführern bei DLH vom 01.01.2003 („BVB Aus­wahl­richt­li­ni­en“) in­klu­si­ve Ergänzungs­ver­ein­ba­rung Nr. 1 und wird mit fol­gen­den Ände­run­gen ver­se­hen:

- § 3 I.1. (Min­dest­al­ter): Min­dest­al­ter am Ta­ge der

Ein­stel­lung: 18 Jah­re

- § 3 I.2. (Körper­größe): 1,65 - 1,98 m

- § 3 I.7. (Wehr- und Zi­vil­dienst): entfällt

- Fort­gel­tung der Ergänzungs­ver­ein­ba­rung Nr. 1;

zusätz­li­che Auf­nah­me fol­gen­der Flug­ge­sell­schaf­ten: Tuif­ly (ex HLF/HLX)

- Höchst­al­ter bei Schu­lungs­be­ginn maßge­bend

- Die Vor­aus­set­zun­gen in § 4 Abs. 2 wer­den klar-

stel­lend ana­log an die zwi­schen­zeit­lich veränder­ten ge­setz­li­chen Be­stim­mun­gen an­ge­passt.

- Son­der­re­ge­lun­gen GWI/CIW während der Lauf­zeit

die­ses Ta­rif­ver­tra­ges:

o Ab­schluss ei­ner Ergänzungs­ver­ein­ba­rung Nr. 2 ana­log Ergänzungs­ver­ein­ba­rung Nr. 1; wo­bei Satz 1 wie folgt neu ge­fasst wird: ‚Das Ein­stiegs-al­ter für RE zum vor­aus­sicht­li­chen Da­tum des Ar­beits­ver­tra­ges beträgt 37 Jah­re und 364 Ta­ge.’

Die­ser Ta­rif­ver­trag ist mit ei­ner Frist von ei­nem Mo­nat zum Mo­nats­en­de erst­mals zum 31.12.2008 oh­ne Nach­wir­kung künd­bar. Be­ste­hen­de Ver­ein­ba­run­gen zu Aus­wahl­richt­li­ni­en in­ner­halb des Gel­tungs­be­reichs des KTV tre­ten im Fal­le ei­ner Kündi­gung die­ses Ta­rif­ver­trags wie­der in Kraft.“

Die Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung ist un­ter­zeich­net „für die

AVH/DLH“ und „für die VC“. Die Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens ge­hen übe­rein­stim­mend da­von aus, dass die Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung und die von ih­nen als „TV Aus­wahl­richt­li­ni­en“ be­zeich­ne­ten Re­ge­lun­gen in Nr. 4 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin An­wen­dung fin­den.

Mit Schrei­ben vom 8. Ja­nu­ar 2008 un­ter­rich­te­te die Ar­beit­ge­be­rin un­ter

Vor­la­ge ei­ner Per­so­nal­be­darfs­pla­nung so­wie der Be­wer­bungs­un­ter­la­gen die Per­so­nal­ver­tre­tung über ih­re Ab­sicht, den 1970 ge­bo­re­nen, zu­vor für die D täti­gen Pi­lo­ten S zum 1. Fe­bru­ar 2008 ein­zu­stel­len, und be­an­trag­te da­zu de­ren


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Zu­stim­mung. Gleich­zei­tig teil­te sie mit, sie wer­de die Ein­stel­lung des Herrn S als Co­pi­lo­ten ab dem 1. Fe­bru­ar 2008 (Ground Cour­se-Be­ginn ab 3. März 2008) auf­grund des drin­gen­den Be­darfs nach § 65 TV PV GCS vorläufig durch­führen. Die Per­so­nal­ver­tre­tung wi­der­sprach in ei­nem der Ar­beit­ge­be­rin am 14. Ja­nu­ar 2008 zu­ge­gan­ge­nen Schrei­ben vom 10. Ja­nu­ar 2008 der be­ab­sich­tig­ten Ein­stel­lung und be­stritt die Dring­lich­keit der vorläufi­gen Maßnah­me. Dar­in heißt es ua.:

„- Herr S erfüllt nicht die im TV ‚Ka­pa­zitätserhöhung

2007/2008’ ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­stel­lung. ...“

In dem am 16. Ja­nu­ar 2008 ein­ge­lei­te­ten Be­schluss­ver­fah­ren hat die

Ar­beit­ge­be­rin die ge­richt­li­che Er­set­zung der von der Per­so­nal­ver­tre­tung ver­wei­ger­ten Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung des Herrn S be­gehrt. Sie hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Per­so­nal­ver­tre­tung ha­be ih­re Zu­stim­mung zu Un­recht ver­wei­gert. Ins­be­son­de­re ver­s­toße die be­ab­sich­tig­te Ein­stel­lung nicht ge­gen ein ta­rif­li­ches Ver­bot. Die Al­ters­gren­ze in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en stel­le ei­ne nicht ge­recht­fer­tig­te Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung dar und sei des­halb un­wirk­sam. Das In­ter­es­se an ei­ner Amor­ti­sie­rung von Aus­bil­dungs­kos­ten recht­fer­ti­ge die Gren­ze nicht. Bei der Über­nah­me der be­reits fer­tig aus­ge­bil­de­ten Pi­lo­ten fie­len nur ge­rin­ge Kos­ten für die Ein­wei­sung und das Ty­pe Ra­ting an. Ent­spre­chen­des gel­te für die ta­rif­ver­trag­li­che Über­g­angs­ver­sor­gung, da die­se ei­ne zehnjähri­ge Min­dest­beschäfti­gung vor­aus­set­ze. Si­cher­heit­be­den­ken ge­gen die Ein­stel­lung älte­rer Be­wer­ber sei­en un­be­gründet. Pi­lo­ten an­de­rer Luft­fahrt­un­ter­neh­men könn­ten sich je­den­falls vor der Voll­endung ih­res 40. Le­bens­jah­res pro­blem­los auf die spe­zi­fi­schen Abläufe im DLH-Kon­zern um­stel­len. Auch ein oh­ne Al­ters­gren­ze zulässi­ger Wech­sel des Flug­zeug­mus­ters ha­be veränder­te Abläufe im Cock­pit zur Fol­ge.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat, so­weit für das Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren noch

von Be­deu­tung, be­an­tragt,

die Zu­stim­mung der Per­so­nal­ver­tre­tung zur Ein­stel­lung des Herrn S als Co­pi­lot auf dem Flug­zeug­mus­ter MD 11 ab 1. Fe­bru­ar 2008 (Ground Cour­se-Be­ginn 3. März 2008)


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zu er­set­zen.

Die Per­so­nal­ver­tre­tung hat be­an­tragt, den An­trag ab­zu­wei­sen. Sie hat

im We­sent­li­chen gel­tend ge­macht, sie ha­be ih­re Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung des Herrn S zu Recht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 4 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ver­wei­gert. Die dort ge­re­gel­te Al­ters­gren­ze sei ge­recht­fer­tigt. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en hätten in­ner­halb der ih­nen zu­ste­hen­den Einschätzungs­präro­ga­ti­ve ent­schie­den, dass die Al­ters­gren­ze der Gewähr­leis­tung der Flug­si­cher­heit die­ne. In kon­zern­frem­den Un­ter­neh­men aus­ge­bil­de­te Pi­lo­ten un­terlägen ei­ner „Ver­bil­dung“. Ih­nen fal­le es mit zu­neh­men­dem Al­ter schwe­rer, sich ab­wei­chend von zunächst er­lern­ten Abläufen un­ter­neh­mens­spe­zi­fi­sche Ver­fah­ren so ein­zu­prägen, dass sie nicht im Not­fall in al­te Ver­hal­tens­mus­ter zurück­fie­len. Der Wech­sel zwi­schen Flug­ge­sell­schaf­ten sei mit dem auch noch in höhe­rem Al­ter mögli­chen Wech­sel der Flug­zeug­mus­ter nicht ver­gleich­bar. Bei die­sem ge­he es nur um die Be­herr­schung des Cock­pits des je­wei­li­gen Flug­zeug­mus­ters und der spe­zi­fi­schen Flug­zeug­ei­gen­schaf­ten, was sich oh­ne wei­te­res ler­nen und einüben las­se. Beim Un­ter­neh­mens­wech­sel sei da­ge­gen das Um­ler­nen der Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Ent­schei­dungs­pro­zes­se zwi­schen Pi­lot und Co­pi­lot für Kri­sen­si­tua­tio­nen ent­schei­dend. Zu­dem die­ne die Al­ters­gren­ze der Förde­rung ei­ner sach­ge­rech­ten Hier­ar­chie im Cock­pit. Ein höhe­res Al­ter ver­schaf­fe dem Ka­pitän ei­ne natürli­che Au­to­rität ge­genüber dem Co­pi­lo­ten. Die­se Hier­ar­chie wer­de gestört, wenn der Pi­lot jünger als der Co­pi­lot sei. Ei­ne al­ters­ge­rech­te Hier­ar­chie beu­ge Kon­flik­ten im Kri­sen­fal­le vor. Im Übri­gen ent­spre­che die Höchst­al­ters­gren­ze auch ei­nem wirt­schaft­li­chen Amor­ti­sie­rungs­in­ter­es­se der Ar­beit­ge­be­rin.

Das Ar­beits­ge­richt hat dem An­trag der Ar­beit­ge­be­rin statt­ge­ge­ben. Das

Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­schwer­de der Per­so­nal­ver­tre­tung zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de be­gehrt die Per­so­nal­ver­tre­tung wei­ter­hin die Ab­wei­sung des Zu­stim­mungs-er­set­zungs­an­trags. Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt die Zurück­wei­sung der Rechts­be­schwer­de.


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B. Die zulässi­ge Rechts­be­schwer­de ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen

ha­ben dem Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin zu Recht statt­ge­ge­ben. Die Per­so­nal­ver­tre­tung hat die Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung des Herrn S zu Un­recht ver­wei­gert. Die Ein­stel­lung verstößt iSv. § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS nicht ge­gen ein - wirk­sa­mes - ta­rif­li­ches Ver­bot. Zwar über­schrei­tet der zum Ein­stel­lungs­zeit­punkt 38 Jah­re al­te Herr S das in § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en be­stimm­te Ein­stel­lungshöchst­al­ter von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen. Die­se Re­ge­lung ist aber, so­weit sie die Ein­stel­lung älte­rer RE zwin­gend un­ter­sagt, un­wirk­sam. Als Be­triebs­norm ist sie mit höher­ran­gi­gem Recht un­ver­ein­bar. Sie greift un­verhält­nismäßig in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Frei­heit der Be­rufs­wahl älte­rer Be­wer­ber ein und verstößt zu­gleich ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung in § 7 Abs. 1 AGG.

I. Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist zulässig.

1. Der An­trag ist iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hin­rei­chend be­stimmt.

a) Nach dem im Be­schluss­ver­fah­ren an­wend­ba­ren § 253 Abs. 2 Nr. 2

ZPO muss der pro­zes­sua­le An­trag und der ent­spre­chen­de ge­richt­li­che Rechts-fol­genaus­spruch den Ge­gen­stand der Ent­schei­dung so präzi­se be­schrei­ben, dass der Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft hin­rei­chend fest­ge­stellt wer­den kann. Bei ei­nem Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag nach dem - mit § 99 Abs. 4 Be­trVG in­halts­glei­chen - § 64 Abs. 4 TV PV GCS muss klar sein, zu wel­cher per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me die von der Per­so­nal­ver­tre­tung ver­wei­ger­te Zu­stim­mung ge­richt­lich er­setzt wer­den soll (vgl. zu § 99 Abs. 4 Be­trVG BAG 23. Ja­nu­ar 2008 - 1 ABR 74/06 - Rn. 17 mwN, BA­GE 125, 306). Ein be­stimm­ter Zeit­punkt, zu dem die Zu­stim­mung zu der be­ab­sich­tig­ten endgülti­gen per­so­nel­len Maßnah­me er­setzt wer­den soll, kann und muss nicht be­zeich­net wer­den. Die von der Per­so­nal­ver­tre­tung ver­wei­ger­te Zu­stim­mung wird viel­mehr mit Ein­tritt der Rechts­kraft der dem An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ent­spre­chen­den ge­richt­li­chen Ent­schei­dung er­setzt.


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b) Hier­nach wird der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin den Er­for­der­nis­sen des

§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ge­recht. Die per­so­nel­le Maßnah­me - endgülti­ge Ein­stel­lung -, der be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer - S - und der Ar­beits­platz - Co­pi­lot auf dem Flug­zeug­mus­ter MD 11 - sind hin­rei­chend ge­nau be­zeich­net. Da­ge­gen kommt, wie die ge­bo­te­ne Aus­le­gung er­gibt, den im An­trag ent­hal­te­nen Wor­ten „ab 1. Fe­bru­ar 2008 (Ground Cour­se-Be­ginn 3. März 2008)“ kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung zu. Ge­gen­stand ei­nes Ver­fah­rens auf Er­set­zung der Zu­stim­mung zu ei­ner Ein­stel­lung nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS ist nur die Fra­ge, ob die - wei­ter­hin von der Ar­beit­ge­be­rin be­ab­sich­tig­te - per­so­nel­le Maßnah­me auf­grund ei­nes kon­kre­ten Zu­stim­mungs­er­su­chens an­ge­sichts der von der Per­so­nal­ver­tre­tung vor­ge­brach­ten Ver­wei­ge­rungs­gründe ge­genwärtig und zukünf­tig als endgülti­ge Maßnah­me zulässig ist (vgl. BAG 28. Fe­bru­ar 2006 - 1 ABR 1/05 - Rn. 23 mwN, BA­GE 117, 123).

2. Die Ar­beit­ge­be­rin verfügt über das Rechts­schutz­bedürf­nis für den

Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag zur endgülti­gen Ein­stel­lung. Die Zu­stim­mung gilt nicht nach § 64 Abs. 3 TV PV GCS als er­teilt. Die Per­so­nal­ver­tre­tung hat die Zu­stim­mung frist- und form­ge­recht mit er­heb­li­cher Be­gründung ver­wei­gert.

a) Die Per­so­nal­ver­tre­tung genügt der Be­gründungs­pflicht nach § 64

Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS, wenn es als möglich er­scheint, dass sie mit ih­rer schrift­lich ge­ge­be­nen Be­gründung ei­nen der in § 64 Abs. 2 TV PV GCS auf­geführ­ten Ver­wei­ge­rungs­gründe gel­tend macht. Ei­ne Be­gründung, die sich in der Be­nen­nung ei­ner der Num­mern des § 64 Abs. 2 TV PV GCS oder in der Wie­der­ho­lung ih­res Wort­lauts erschöpft, oder die of­fen­sicht­lich auf kei­nen der ge­setz­li­chen Ver­wei­ge­rungs­gründe Be­zug nimmt, ist al­ler­dings un­be­acht­lich. Die Be­gründung der Per­so­nal­ver­tre­tung braucht nicht schlüssig zu sein. Kon­kre­te Tat­sa­chen müssen nur für die auf § 64 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 6 TV PV GCS gestütz­te Ver­wei­ge­rung an­ge­ge­ben wer­den (vgl. zu § 99 Abs. 2 Be­trVG BAG 21. Ju­li 2009 - 1 ABR 35/08 - Rn. 12 mwN, AP AÜG § 3 Nr. 4 = EzA Be­trVG 2001 § 99 Ein­stel­lung Nr. 12; 18. Au­gust 2009 - 1 ABR 49/08 - Rn. 22 mwN, AP Be­trVG 1972 § 99 Nr. 128 = EzA Be­trVG 2001 § 99 Nr. 14).


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b) Hier­nach ist die Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts, das der Ar­beit-

ge­be­rin in­ner­halb der Wo­chen­frist am 14. Ja­nu­ar 2008 zu­ge­gan­ge­ne Schrei­ben der Per­so­nal­ver­tre­tung vom 10. Ja­nu­ar 2008 ha­be den An­for­de­run­gen an ei­ne ord­nungs­gemäße Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung genügt, rechts­be­schwer­de­recht­lich nicht zu be­an­stan­den. In die­sem Schrei­ben wi­der­sprach die Per­so­nal­ver­tre­tung der Ein­stel­lung mit der Be­gründung, Herr S erfülle nicht „die im TV ‚Ka­pa­zitätserhöhung 2007/2008’ ge­re­gel­ten Vor­aus­set­zun­gen für die Ein­stel­lung“. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die Per­so­nal­ver­tre­tung ha­be er­sicht­lich auf den Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­grund in § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS Be­zug ge­nom­men. Auch oh­ne ei­ne aus­drück­li­che Be­zeich­nung sei auf­grund der vor­aus­ge­gan­ge­nen Gespräche für die Ar­beit­ge­be­rin klar ge­we­sen, dass die Per­so­nal­ver­tre­tung die Über­schrei­tung des Ein­stel­lungshöchst­al­ters nach § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en rügen woll­te. Ge­gen die­se Würdi­gung des Lan­des­ar­beits­ge­richts ha­ben die Be­tei­lig­ten im Rechts­be­schwer­de­ver­fah­ren auch kei­ne Ein­wen­dun­gen er­ho­ben.

II. Der Zu­stim­mungs­er­set­zungs­an­trag ist be­gründet. Die Ar­beit­ge­be­rin hat

die Per­so­nal­ver­tre­tung ord­nungs­gemäß un­ter­rich­tet. Der Per­so­nal­ver­tre­tung stand kein Grund nach § 64 Abs. 2 TV PV GCS zur Sei­te, die Zu­stim­mung zur Ein­stel­lung des Pi­lo­ten S zu ver­wei­gern.

1. Die Ar­beit­ge­be­rin hat das Zu­stim­mungs­ver­fah­ren ord­nungs­gemäß

ein­ge­lei­tet und den Be­triebs­rat aus­rei­chend un­ter­rich­tet.

a) Die von der Per­so­nal­ver­tre­tung ver­wei­ger­te Zu­stim­mung darf von den

Ge­rich­ten nach § 64 Abs. 4 TV PV GCS nur er­setzt wer­den, wenn die Frist des § 64 Abs. 3 Satz 1 TV PV GCS in Gang ge­setzt wur­de. Da­zu muss die Ar­beit­ge­be­rin die An­for­de­run­gen des § 64 Abs. 1 Satz 1 und 2 TV PV GCS so­wie bei Ein­stel­lun­gen und Ver­set­zun­gen auch die­je­ni­gen des - mit § 99 Abs. 1 Satz 2 Be­trVG in­halts­glei­chen - § 64 Abs. 1 Satz 3 TV PV GCS erfüllt ha­ben (zu § 99 Be­trVG BAG 17. Ju­ni 2008 - 1 ABR 20/07 - Rn. 13, BA­GE 127, 51 mwN). Vor je­der Ein­stel­lung und Ver­set­zung hat die Ar­beit­ge­be­rin des­halb die Per­so­nal­ver­tre­tung zu un­ter­rich­ten, ihr die er­for­der­li­chen Be­wer­bungs­un­ter­la­gen vor­zu­le­gen und Aus­kunft so­wohl über die Per­son der Be­tei­lig­ten als auch - un­ter


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Vor­la­ge der da­zu er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen - über die Aus­wir­kun­gen der ge­plan­ten Maßnah­me zu ge­ben (zu § 99 Be­trVG BAG 14. De­zem­ber 2004 - 1 ABR 55/03 - zu B II 2 a der Gründe mwN, BA­GE 113, 109).

b) Das Zu­stim­mungs­er­su­chen der Ar­beit­ge­be­rin enthält nach den Fest-

stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts al­le er­for­der­li­chen Auskünf­te und Un­ter­la­gen über die Per­son des Herrn S und sei­ne Qua­li­fi­ka­ti­on als Pi­lot, ei­ne Be­schrei­bung des in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ar­beits­plat­zes und die An­ga­be der vor­ge­se­he­nen Ein­grup­pie­rung.

2. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat im Er­geb­nis zu­tref­fend er­kannt, dass die

Per­so­nal­ver­tre­tung ih­re Zu­stim­mung nicht nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ver­wei­gern konn­te. Zwar hat­te Herr S - be­reits zu dem ursprüng­lich von der Ar­beit­ge­be­rin für die endgülti­ge Ein­stel­lung vor­ge­se­he­nen Zeit­punkt - das in die­ser Vor­schrift fest­ge­leg­te Ein­stel­lungshöchst­al­ter von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen über­schrit­ten. Zu­guns­ten der Per­so­nal­ver­tre­tung kann auch un­ter­stellt wer­den, dass der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin An­wen­dung fin­det. Auch han­delt es sich bei den Re­ge­lun­gen des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en nicht um ei­ne rein schuld­recht­li­che Re­ge­lungs­ab­re­de, son­dern um ei­nen nor­ma­ti­ve Gel­tung be­an­spru­chen­den Ta­rif­ver­trag. Die dar­in ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen über „per­so­nen­be­zo­ge­ne Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen“ ha­ben fer­ner nicht den Cha­rak­ter von Ab­schluss­nor­men, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend le­dig­lich für bei­der­seits Ta­rif­ge­bun­de­ne gel­ten. Viel­mehr han­delt es sich nach ih­rem Gel­tungs­an­spruch um „Be­triebs­nor­men“, al­so um „Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­trags über be­trieb­li­che Fra­gen“, die nach § 3 Abs. 2 TVG für al­le Ar­beit­neh­mer des Be­triebs un­abhängig von ih­rer Ta­rif­bin­dung be­reits des­halb nor­ma­tiv gel­ten sol­len, weil die Ar­beit­ge­be­rin ta­rif­ge­bun­den ist. Die Al­ters-gren­zen­be­stim­mung im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ist schließlich auch kei­ne Re­ge­lung im Sin­ne ei­ner Aus­wahl­richt­li­nie, die nur dann zur An­wen­dung kommt, wenn es meh­re­re im Übri­gen ge­eig­ne­te Be­wer­ber gibt. Viel­mehr han­delt es sich um ei­ne star­re Re­ge­lung, die nach ih­rem kla­ren Wort­laut jeg­li­cher Ein­stel­lung ei­nes RE ent­ge­gen­steht, der die dar­in ge­nann­te Al­ters­gren­ze über­schrit­ten hat.


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Als sol­che kann sie je­doch recht­lich kei­nen Be­stand ha­ben; je­den­falls ist sie nicht ge­eig­net, ei­nen Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­grund nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS ab­zu­ge­ben. Da­bei kann da­hin ste­hen, ob und in­wie­weit es grundsätz­lich über­haupt der Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en un­terfällt, im We­ge von Be­triebs­nor­men per­so­nen­be­zo­ge­ne Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen auch für nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­neh­mer zu re­geln. Auch wenn ei­ne sol­che Re­ge­lungs­macht be­steht, so ist je­den­falls die streit­be­fan­ge­ne zwin­gen­de Re­ge­lung ei­nes Höch­stein­tritts­al­ters, durch wel­che dem ein­stel­lungs­be­rei­ten Ar­beit­ge­ber die Ein­stel­lung ei­nes ein­stel­lungs­wil­li­gen Ar­beit­neh­mers ver­bo­ten wird, un­wirk­sam. Zum ei­nen ver­letzt sie in un­verhält­nismäßiger und dem­zu­fol­ge un­zulässi­ger Wei­se das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Grund­recht älte­rer Ar­beits­platz­be­wer­ber. Zum an­de­ren verstößt die da­mit ver­bun­de­ne Grup­pen­bil­dung man­gels aus­rei­chen­der sach­li­cher Recht­fer­ti­gung ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und ge­gen das in § 7 Abs. 1 AGG nor­mier­te Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung.

a) Nach § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS kann die Per­so­nal­ver­tre­tung die

Zu­stim­mung zu ei­ner per­so­nel­len Ein­zel­maßnah­me ver­wei­gern, „wenn die per­so­nel­le Maßnah­me ge­gen ein Ge­setz, ei­ne Ver­ord­nung, ei­ne Un­fall­ver-hütungs­vor­schrift oder ge­gen ei­ne Be­stim­mung in ei­nem Ta­rif­ver­trag oder in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder ge­gen ei­ne ge­richt­li­che Ent­schei­dung oder ei­ne behörd­li­che An­ord­nung ver­s­toßen würde“. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu der - ent­spre­chen­den - Re­ge­lung in § 99 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG muss die Maßnah­me selbst ge­gen ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ei­ne Norm ver­s­toßen. Da­zu muss hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck kom­men, dass der Zweck der be­tref­fen­den Norm dar­in be­steht, die per­so­nel­le Maßnah­me selbst zu ver­hin­dern. Der Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­grund in § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS ist des­halb bei Ein­stel­lun­gen nur ge­ge­ben, wenn das Ziel der Norm al­lein da­durch er­reicht wer­den kann, dass die Ein­stel­lung ins­ge­samt un­ter­bleibt (vgl. BAG 14. De­zem­ber 2004 - 1 ABR 54/03 - zu B II 3 a aa der Gründe, BA­GE 113, 102; 25. Ja­nu­ar 2005 - 1 ABR 61/03 - zu B II 4 b bb (3) (a) der Gründe mwN, BA­GE 113, 218; 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, BA­GE 126, 176). Kein Ver­s­toß ge­gen ei­ne „Be­stim­mung in


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ei­nem Ta­rif­ver­trag“ liegt bei ei­ner schuld­recht­li­chen Re­ge­lungs­ab­re­de der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en vor. Ei­ne le­dig­lich schuld­recht­lich zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wir­ken­de Ver­ein­ba­rung ist kein Ta­rif­ver­trag iSv. § 64 Abs. 2 Nr. 1 TV PV GCS oder § 99 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG. Vor­aus­set­zung für den Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­grund ist viel­mehr ein Ver­s­toß ge­gen ei­ne nor­ma­tiv wir­ken­de Re­ge­lung.

b) Die be­ab­sich­tig­te Ein­stel­lung des Pi­lo­ten S verstößt ge­gen die in § 4
Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en vor­ge­se­he­ne Al­ters­gren­ze von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen. Herr S gehörte als zu­vor bei dem Un­ter­neh­men D be­schäftig­ten Flug­zeugführer nicht zu den Pi­lo­ten, für wel­che die in Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung ge­nann­ten Ergänzungs­ver­ein­ba­run­gen Nr. 1 und 2 ein - bei Herrn S frei­lich eben­falls nicht mehr ge­wahr­tes - Höch­stein­stiegs­al­ter von 37 Jah­ren und 364 Ta­ge vor­se­hen.

c) Der Se­nat un­ter­stellt - ent­spre­chend der nach Auf­fas­sung des Lan­des-
ar­beits­ge­richts er­sicht­lich nicht wei­ter zu prüfen­den, übe­rein­stim­men­den Be­ur­tei­lung der bei­den Be­tei­lig­ten - zu­guns­ten der Per­so­nal­ver­tre­tung, dass die im Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rungs­schrei­ben in Be­zug ge­nom­me­ne Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung, de­ren Be­stand­teil wie­der­um der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ist, im Be­trieb der Ar­beit­ge­be­rin an­wend­bar ist. Hier­an be­ste­hen al­ler­dings durch­aus Zwei­fel. Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben den be­trieb­li­chen Gel­tungs­be­reich der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung nicht aus­drück­lich be­schrie­ben. Ge­gen ei­ne Ein­be­zie­hung der Ar­beit­ge­be­rin in den Gel­tungs­be­reich spricht - zu­min­dest auf den ers­ten Blick - Nr. 4 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung. Die dort in Be­zug ge­nom­me­ne „BVB Aus­wahl­richt­li­nie“ sieht ih­rer­seits un­ter § 1 zum „Gel­tungs­be­reich“ vor, dass die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung „die per­so­nel­le Aus­wahl von künf­ti­gen Flug­zeugführern der DLH Pas­sa­ge Air­line“ re­gelt. Die Ar­beit­ge­be­rin gehört zwar zu den Air­lines im DLH-Kon­zern, sie wird aber nicht der Pas­sa­ge Air­line Grup­pe zu­ge­ord­net. Auch fin­det auf sie nicht der für die Un­ter­neh­men der DLH gel­ten­de TV PV Per­so­nal­ver­tre­tung, son­dern viel­mehr der - an­ders auf­ge­bau­te - TV PV GCS An­wen­dung. Sch­ließlich gibt es auch kei­ne Fest­stel­lun­gen über das Schick­sal der am 12. Ok­to­ber 1999 nur für


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die Beschäftig­ten der Ar­beit­ge­be­rin ge­trof­fe­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung über Aus­wahl­richt­li­ni­en. An­ders als die für die DLH Mut­ter­ge­sell­schaft ab­ge­schlos­se­ne „BVB Aus­wahl­richt­li­nie“ vom 7. Fe­bru­ar 2003 ist die­se in der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung nicht in Be­zug ge­nom­men. Ein An­halts­punkt dafür, dass die Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung und der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en auch für die Ar­beit­ge­be­rin ge­schlos­sen wer­den soll­te, könn­te le­dig­lich aus der mehr­fach in der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung vor­kom­men­den Abkürzung „KTV“ fol­gen. Die­se Abkürzung ist in dem Ta­rif­ver­trag zwar eben­falls nicht de­fi­niert. Nach den An­ga­ben der Be­tei­lig­ten in der Anhörung vor dem Se­nat steht sie für den Be­griff „Kon­zern­ta­rif­ver­bund“, dem die Ar­beit­ge­be­rin an­gehöre. Un­ge­ach­tet der da­durch nicht vollständig aus­geräum­ten Be­den­ken konn­te der Se­nat die An­wend­bar­keit des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en und der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung un­ter­stel­len und von ei­ner - ggf. zur Fest­stel­lung der An­wend­bar­keit des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en er­for­der­li­chen - Zurück­ver­wei­sung ab­se­hen, da sich die Zu­stim­mungs­ver­wei­ge­rung der Per­so­nal­ver­tre­tung bei Un­an­wend­bar­keit des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en oh­ne­hin als un­be­gründet er­wie­se.

d) Wie die ge­bo­te­ne Aus­le­gung er­gibt, han­delt es sich bei dem TV Aus-

wahl­richt­li­ni­en nicht um ei­ne schuld­recht­li­che, nur zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Wir­kung er­zeu­gen­de Re­ge­lungs­ab­re­de, son­dern um ei­nen nor­ma­tiv wir­ken­den Ta­rif­ver­trag. Hierfür spricht be­reits der Wort­laut der Re­ge­lung. Nach dem Ein­lei­tungs­satz der Nr. 4 der Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung ver­ein­ba­ren die Ta­rif­part­ner ei­nen „Ta­rif­ver­trag ‚Aus­wahl­richt­li­ni­en’“. Auch nach dem Ge­samt­zu­sam­men­hang han­delt es sich er­sicht­lich um Re­ge­lun­gen, die nor­ma­ti­ve Wir­kung in den Be­trie­ben der Ar­beit­ge­ber ent­fal­ten und nicht nur zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en wir­ken sol­len. So enthält die Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung in Nr. 1 Buchst. a und b Re­ge­lun­gen über Flug­zei­ten und St­un­densätze. Auch nach dem Sinn und Zweck der Be­stim­mung sol­len die dar­in ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen er­kenn­bar un­mit­tel­bar nor­ma­tiv und nicht erst nach ei­ner Trans­for­ma­ti­on in die ein­zel­nen Ar­beits­verträge Wir­kung ent­fal­ten. Glei­ches gilt für die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Re­ge­lung. Die­se soll


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die nach § 77 Abs. 4 Satz 1 Be­trVG eben­falls un­mit­tel­bar und zwin­gend gel­ten­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung ablösen.

e) Zu­guns­ten der Per­so­nal­ver­tre­tung konn­te fer­ner da­von aus­ge­gan­gen

wer­den, dass die Be­zug­nah­me in der Nr. 4 Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung auf die „BVB Aus­wahl­richt­li­ni­en“ dem Schrift­for­mer­for­der­nis des § 1 Abs. 2 TVG genügt.

aa) Nach § 1 Abs. 2 TVG bedürfen Ta­rif­verträge der Schrift­form. Das

Ta­rif­ver­trags­recht kennt kei­nen ei­genständi­gen Schrift­form­be­griff. Die Schrift­form rich­tet sich da­mit grundsätz­lich nach § 126 BGB. Hier­nach muss die Ur­kun­de ei­genhändig durch Na­mens­un­ter­schrift oder mit­tels no­ta­ri­ell be­glau­big­ten Hand­zei­chens un­ter­zeich­net wer­den. Es reicht bei Do­ku­men­ten mit An­la­gen aber aus, wenn die sach­li­che Zu­sam­men­gehörig­keit von un­ter­zeich­ne­ter Hauptur­kun­de und An­la­ge ein­deu­tig fest­steht (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, BA­GE 118, 141; BGH 29. Sep­tem­ber 1999 - XII ZR 313/98 - zu 3 a aa (1) der Gründe, NJW 2000, 354). Dem Schrift­for­mer­for­der­nis des § 1 Abs. 2 TVG ist da­her genügt, wenn die Ta­rif­ver­trags­ur­kun­de klar und zwei­fels­frei auf - nicht selbst un­ter­zeich­ne­te - Schriftstücke ver­weist, selbst wenn die­se nicht körper­lich mit der Ur­kun­de ver­bun­den sind. Dies ist an­zu­neh­men, wenn der Ta­rif­ver­trag in sei­nem Wort­laut un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar auf die An­la­ge Be­zug nimmt (BAG 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, aaO).

bb) Die­sen An­for­de­run­gen an die Schrift­form genügt die un­ter Nr. 4 der

Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung ge­trof­fe­ne Re­ge­lung, der Ta­rif­ver­trag sei bis auf die dort be­stimm­ten Ände­run­gen „wort­gleich mit der BVB Aus­wahl­richt­li­nie für die per­so­nel­le Aus­wahl bei Ein­stel­lun­gen von Flug­zeugführern bei DLH vom 01.01.2003“. Zwar stammt die Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Aus­wahl­richt­li­ni­en für die per­so­nel­le Aus­wahl bei der Aus­wahl von Flug­zeugführern bei der DLH“ nicht vom 1. Ja­nu­ar 2003, son­dern vom 7. Fe­bru­ar 2003. Nach dem Ge­samt­zu­sam­men­hang und un­ter Berück­sich­ti­gung des Um­stan­des, dass die Be­triebs­ver­ein­ba­rung ab dem 1. Ja­nu­ar 2003 galt, ist die Be­zug­nah­me aber ein­deu­tig.


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f) Der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ist nach sei­nem recht­li­chen Cha­rak­ter kei­ne

„Ab­schluss­norm“ iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, son­dern ei­ne un­abhängig von der Ta­rif­bin­dung der ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer für die ge­sam­te Be­leg­schaft des Be­triebs Gel­tung be­an­spru­chen­de „Be­triebs­norm“ iSv. § 3 Abs. 2 TVG.

aa) Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­trags, die den In­halt, den Ab­schluss oder

die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen ord­nen, gel­ten nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend - nur - zwi­schen den bei­der­seits Ta­rif­ge­bun­de­nen, die un­ter den Gel­tungs­be­reich des Ta­rif­ver­trags fal­len. So­weit sie für die Nor­mun­ter­wor­fe­nen be­las­ten­de Wir­kun­gen ent­fal­ten, al­so Pflich­ten be­gründen oder Rech­te ein­schränken, ge­schieht dies auf ei­ner mit­glied­schaft­lich ver­mit­tel­ten, pri­vat­au­to­no­men Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge (vgl. ErfK/Die­te­rich 11. Aufl. GG Einl. Rn. 47 mwN).

bb) Dem­ge­genüber gel­ten die Rechts­nor­men ei­nes Ta­rif­ver­trags über

be­trieb­li­che und be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Fra­gen nach § 3 Abs. 2 TVG für al­le Be­trie­be, de­ren Ar­beit­ge­ber ta­rif­ge­bun­den ist. So­fern sie die Ar­beit­neh­mer be­las­ten, in­dem sie de­ren Rech­te ein­schränken oder ih­nen Pflich­ten auf­er­le­gen, ge­schieht dies un­abhängig von der Ta­rif­ge­bun­den­heit der Ar­beit­neh­mer. Auf Sei­ten der Ar­beit­neh­mer fehlt es da­her an ei­ner pri­vat­au­to­nom durch Mit­glied­schaft in der Ge­werk­schaft ver­mit­tel­ten Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge (vgl. Die­te­rich FS Däubler 1999, 451, 456 ff. mwN). Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­tref­fen der­ar­ti­ge „Be­triebs­nor­men“ Re­ge­lungs­ge­genstände, die nur ein­heit­lich gel­ten können. Ih­re Re­ge­lung im In­di­vi­du­al­ver­trag wäre zwar nicht im na­tur­wis­sen­schaft­li­chen Sin­ne unmöglich, sie würde aber we­gen „evi­dent sach­lo­gi­scher Un­zweckmäßig­keit aus­schei­den“, weil ei­ne ein­heit­li­che Re­ge­lung auf be­trieb­li­cher Ebe­ne un­erläss­lich ist (BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - BA­GE 64, 368 im An­schluss an 21. Ja­nu­ar 1987 - 4 AZR 486/86 - AP GG Art. 9 Nr. 46; 17. Ju­ni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe mwN, BA­GE 86, 126 = AP TVG § 3 Be­triebs­nor­men Nr. 2 mit An­mer­kung Wie­de­mann). Bei der nähe­ren Be­stim­mung die­ses Norm­typs ist da­nach aus­zu­ge­hen von dem in § 3 Abs. 2 TVG ver­wand­ten Be­griff der „be­trieb­li­chen Fra­gen“. Dies sind nicht et­wa al­le Fra­gen, die im wei­tes­ten Sin­ne


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durch die Exis­tenz des Be­trie­bes und durch die be­son­de­ren Be­din­gun­gen der be­trieb­li­chen Zu­sam­men­ar­beit ent­ste­hen können. Ge­meint sind viel­mehr nur sol­che Fra­gen, die un­mit­tel­bar die Or­ga­ni­sa­ti­on und Ge­stal­tung des Be­trie­bes, al­so der Be­triebs­mit­tel und der Be­leg­schaft, be­tref­fen (BAG 17. Ju­ni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe mwN, BA­GE 86, 126; Die­te­rich Die be­trieb­li­chen Nor­men nach dem Ta­rif­ver­trags­ge­setz vom 9.4.1949 S. 34 f.). Die­se Um­schrei­bung mar­kiert zwar kei­ne schar­fe Gren­ze, sie ver­deut­licht aber Funk­ti­on und Ei­gen­art der Be­triebs­nor­men im Sin­ne von § 3 Abs. 2 TVG. Be­triebs­nor­men re­geln das be­trieb­li­che Rechts­verhält­nis zwi­schen dem Ar­beit­ge­ber und der Be­leg­schaft als Kol­lek­tiv, hin­ge­gen nicht die Rechts­verhält­nis­se zwi­schen Ar­beit­ge­ber und ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern, die al­len­falls mit­tel­bar be­trof­fen sind (BAG 17. Ju­ni 1997 - 1 ABR 3/97 - zu B 1 a der Gründe, aaO).

cc) Um wel­che Art von ta­rif­li­cher Re­ge­lung es sich han­delt, ist durch

Aus­le­gung der Ta­rif­be­stim­mung zu er­mit­teln. Es gel­ten die all­ge­mei­nen Grundsätze der Ta­rif­aus­le­gung (BAG 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, BA­GE 126, 176).

(1) Die Aus­le­gung des nor­ma­ti­ven Teils ei­nes Ta­rif­ver­trags rich­tet sich

nach den für die Aus­le­gung von Ge­set­zen gel­ten­den Re­geln. Aus­zu­ge­hen ist vom Wort­laut und dem durch ihn ver­mit­tel­ten Wort­sinn. Ins­be­son­de­re bei nicht ein­deu­ti­gem Wort­sinn ist der wirk­li­che Wil­le der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu berück­sich­ti­gen, so­weit er in den ta­rif­li­chen Nor­men sei­nen Nie­der­schlag ge­fun­den hat. Ab­zu­stel­len ist fer­ner auf den ta­rif­li­chen Ge­samt­zu­sam­men­hang, weil die­ser An­halts­punk­te für den wirk­li­chen Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lie­fert und nur so Sinn und Zweck der Ta­rif­norm zu­tref­fend er­mit­telt wer­den können. Ver­blei­ben gleich­wohl Zwei­fel, können die Ge­rich­te wei­te­re Kri­te­ri­en wie die Ent­ste­hungs­ge­schich­te des Ta­rif­ver­trags und die prak­ti­sche Ta­rifübung ergänzend hin­zu­zie­hen. Auch die Prak­ti­ka­bi­lität denk­ba­rer Aus­le­gungs­er­geb­nis­se ist zu berück­sich­ti­gen. Im Zwei­fel gebührt der­je­ni­gen Ta­rif­aus­le­gung der Vor­zug, die zu ei­ner vernünf­ti­gen, sach­ge­rech­ten, zweck­ori­en­tier­ten und ge­set­zes­kon­for­men Re­ge­lung führt (BAG 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - Rn. 29 mwN, EzA TVG § 4 Che­mi­sche In­dus­trie Nr. 9). Da­bei kommt dem Grund­satz


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der möglichst ver­fas­sungs-/ge­set­zes­kon­for­men Aus­le­gung er­heb­li­che Be­deu­tung zu, ste­hen doch zu­min­dest die Be­triebs­nor­men, wel­che die Ar­beit­neh­mer be­las­ten, ins­be­son­de­re auf­grund ih­rer nicht durch Mit­glied­schaft le­gi­ti­mier­ten Außen­sei­ter­wir­kung in erhöhter Ge­fahr, we­gen Ver­s­toßes ge­gen höher­ran­gi­ges Recht un­wirk­sam zu sein (vgl. BAG 18. März 2008 - 1 ABR 81/06 - Rn. 29, 33, BA­GE 126, 176).

(2) Die Qua­li­fi­zie­rung ei­ner ta­rif­li­chen Be­stim­mung als „Be­triebs­norm“

schei­det nicht et­wa ge­ne­rell - qua­si per de­fi­ni­tio­nem - im­mer dann aus, wenn das von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­folg­te Ziel der Er­stre­ckung der ta­rif­li­chen Re­ge­lung auf die ge­sam­te Be­leg­schaft ei­nes Be­triebs we­gen Über­schrei­tung der den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zu­ste­hen­den Re­ge­lungs­macht oder we­gen Ver­s­toßes ge­gen zwin­gen­des höher­ran­gi­ges Recht nicht er­reicht wer­den kann. Es gibt viel­mehr auch un­wirk­sa­me „Be­triebs­nor­men“, die die in § 3 Abs. 2 TVG vor­ge­se­he­ne Wir­kung nicht ent­fal­ten. Der „mehr­deu­ti­ge Wort­laut des § 3 Abs. 2 TVG“ (Wie­de­mann Anm. zu AP TVG § 3 Be­triebs­nor­men Nr. 2), der in un­gewöhn­li­cher Wei­se Tat­be­stand und Rechts­fol­ge ver­schränkt, recht­fer­tigt nicht den Schluss, im­mer dann, wenn die in § 3 Abs. 2 TVG be­schrie­be­ne Rechts­fol­ge der nor­ma­ti­ven Gel­tung des Ta­rif­ver­trags für al­le Ar­beit­neh­mer des Be­triebs nicht ein­tre­te, han­de­le es sich be­reits aus die­sem Grun­de nicht um ei­ne „Be­triebs­norm“. Ein sol­cher Schluss wäre zir­kulär.

dd) Hier­nach han­delt es sich bei den Be­stim­mun­gen im TV Aus­wahl­richt-

li­ni­en um Re­ge­lun­gen, die den An­spruch er­he­ben, als „Be­triebs­nor­men“ iSv. § 3 Abs. 2 TVG be­trieb­li­che Fra­gen un­abhängig von der Ta­rif­bin­dung der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer zu re­geln. Der Wort­laut des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ist in­so­weit we­nig er­gie­big. Er verhält sich nicht aus­drück­lich zu der Fra­ge, ob die in der Re­ge­lung vor­ge­se­he­nen Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen nur für ta­rif­ge­bun­de­ne Be­wer­ber oder un­abhängig von ih­rer Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit für al­le Be­wer­ber maßgeb­lich sein sol­len. Da­ge­gen spre­chen be­reits sys­te­ma­ti­scher Zu­sam­men­hang und Ent­ste­hungs­ge­schich­te ein­deu­tig für den Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, kei­ne nur für Ge­werk­schafts­mit­glie­der, son­dern für al­le Be­wer­ber gel­ten­den Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen zu nor­mie-


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ren. Dies zeigt ins­be­son­de­re der Um­stand, dass der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en an die Stel­le ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung trat. Auch die­se galt für al­le Be­wer­ber un­abhängig von ih­rer Ver­bands­zu­gehörig­keit. Sch­ließlich spre­chen für den Rechtscha­rak­ter ei­ner „Be­triebs­norm“ ganz ent­schei­dend der Sinn und Zweck der ta­rif­li­chen Re­ge­lung. Die­ser geht er­kenn­bar da­hin, für die zu be­set­zen­den Ar­beitsplätze von Pi­lo­ten ein­heit­lich be­stimm­te Min­dest­qua­li­fi­ka­tio­nen si­cher­zu­stel­len. Es würde we­der Sinn ma­chen, zwi­schen Ge­werk­schafts­mit­glie­dern und Außen­sei­tern zu un­ter­schei­den, noch wäre ei­ne Schlech­ter­stel­lung von Ge­werk­schafts­mit­glie­dern mit dem Wil­len der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Ein­klang zu brin­gen.

g) Die hier­nach als be­trieb­li­che Norm zu er­ach­ten­de Höchst­al­ters­gren­ze

im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ist un­wirk­sam. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en be­reits ih­re sach­lich-ge­genständ­li­che Re­ge­lungs­kom­pe­tenz über­schrit­ten ha­ben. Je­den­falls verstößt die ta­rif­li­che Re­ge­lung so­wohl ge­gen das bei Be­triebs­nor­men zu be­ach­ten­de ver­fas­sungs­recht­li­che Über­maßver­bot als auch ge­gen den durch Art. 3 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­ten Gleich­heits­satz und das die­sen hin­sicht­lich des Merk­mals Al­ter kon­kre­ti­sie­ren­de Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des § 7 Abs. 1 AGG.

aa) Der Streit­fall er­for­dert kei­ne ab­sch­ließen­de Stel­lung­nah­me des Se­nats

zur sach­lich-ge­genständ­li­chen Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en für Re­ge­lun­gen, die nor­ma­ti­ve Gel­tung für die ge­sam­te Be­leg­schaft ei­nes Be­triebs un­abhängig von der Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit der ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer be­an­spru­chen.

(1) Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts be­darf der sach-

lich-ge­genständ­li­che Be­reich der Be­triebs­nor­men mit Rück­sicht auf die ne­ga­ti­ve Ko­ali­ti­ons­frei­heit der Außen­sei­ter ei­ner weit­ge­hen­den Ein­gren­zung (vgl. BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B V 2 b der Gründe mwN, BA­GE 64, 368). Die­te­rich weist zu Recht dar­auf hin, dass es sich bei der Ein­be­zie­hung von Außen­sei­tern we­ni­ger um ein Pro­blem der durch Art. 9 Abs. 3 GG ga­ran­tier­ten ne­ga­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit als viel­mehr um die Fra­ge der rechts­staat­li­chen Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge han­delt (Die­te­rich FS Däubler 1999, 451, 456 ff.). Er


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hält das Le­gi­ti­ma­ti­ons­pro­blem für „entschärft“, wenn der Ge­gen­stands­be­reich von Be­triebs­nor­men auf Fra­gen der Be­triebs­ge­stal­tung be­schränkt wird, für de­ren Re­ge­lung die pri­vat­au­to­no­me Le­gi­ti­ma­ti­on durch den Ar­beit­ge­ber al­lein aus­reicht, weil nur des­sen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt be­trof­fen ist und recht­lich ge­bun­den wird. Es ge­he da­nach nur um Fra­gen, die nicht auf ei­ne Re­ge­lung des Ar­beits­verhält­nis­ses an­ge­wie­sen sind, son­dern vom Ar­beit­ge­ber im Rah­men sei­ner Or­ga­ni­sa­ti­ons­ge­walt im Prin­zip al­lein ent­schie­den und ge­re­gelt wer­den. Das Le­gi­ti­ma­ti­ons­de­fi­zit auf Sei­ten der Ar­beit­neh­mer wer­de „kom­pen­siert durch das be­triebs­au­to­no­me Man­dat des Be­triebs­rats(Die­te­rich FS Däubler 1999, 451, 458 f.). Gie­sen will den Ge­gen­stands­be­reich be­trieb­li­cher Ta­rif­nor­men auf die Ge­genstände der er­zwing­ba­ren be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Mit­be­stim­mung be­schränken (Gie­sen Ta­rif­ver­trag­li­che Rechts­ge­stal­tung für den Be­trieb 2002 S. 379 ff., 574).

(2) Der Se­nat lässt da­hin ste­hen, ob so­wie ggf. nach wel­chen Maßga­ben

den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en die Re­ge­lungs­macht zu­steht, Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen un­ter­schied­li­cher Art als be­trieb­li­che Ver­bots­nor­men zu ver­ein­ba­ren, auf­grund de­rer es dem Ar­beit­ge­ber un­ter­sagt ist, Ar­beit­neh­mer, wel­che die Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllen, ein­zu­stel­len und auf be­stimm­ten Ar­beitsplätzen ein­zu­set­zen. Im­mer­hin sei aber dar­auf hin­ge­wie­sen, dass sich die Ge­fahr un­zulässi­ger, durch die Ausübung kol­lek­ti­ver Pri­vat­au­to­no­mie nicht le­gi­ti­mier­ter Ein­grif­fe in die Frei­heits­rech­te von Außen­sei­tern re­la­ti­viert, wenn „Be­triebs­nor­men“ - ggf. an­ders In­halts-, Ab­schluss- und Be­en­di­gungs­nor­men - nicht le­dig­lich am Un­ter­maßver­bot ge­mes­sen, son­dern ei­ner kon­se­quen­ten Ver-hält­nismäßig­keitsprüfung so­wie der An­wen­dung des Gleich­heits­sat­zes des Art. 3 Abs. 1 GG un­ter­wor­fen wer­den (vgl. zur ähn­lich ge­la­ger­ten Fra­ge des Verhält­nis­ses zwi­schen Re­ge­lungs­kom­pe­tenz der Be­triebs­par­tei­en und In­halts­kon­trol­le be­las­ten­der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen BAG 12. De­zem­ber 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 13 bis 25, BA­GE 120, 308).

bb) Auch wenn im Aus­gangs­punkt nach § 3 Abs. 2 TVG ei­ne sach­lich-

ge­genständ­li­che Re­ge­lungs­macht der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zur Nor­mie­rung be­trieb­li­cher Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen an­ge­nom­men wird, hält die vor-


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lie­gend im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en ver­ein­bar­te Höchst­al­ters­gren­ze der ge­bo­te­nen In­halts­kon­trol­le nicht stand. Sie ver­letzt zum ei­nen in un­verhält­nismäßiger Wei­se die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewähr­leis­te­te Frei­heit der Be­rufs­wahl der sich um ei­nen Ar­beits­platz be­wer­ben­den Ar­beit­neh­mer, wel­che die ta­rif­li­che Höchst­al­ters­gren­ze über­schrit­ten ha­ben. Zum an­de­ren verstößt sie ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG, der durch § 7 Abs. 1 AGG ei­ne ein­fach­ge­setz­li­che Kon­kre­ti­sie­rung er­fah­ren hat.

(1) Ta­rif­li­che Be­triebs­nor­men, wel­che die Ar­beit­neh­mer ei­nes Be­triebs

un­ge­ach­tet ih­rer Ge­werk­schafts­zu­gehörig­keit be­las­ten, in­dem sie ih­re Rech­te be­schränken oder ih­nen Pflich­ten auf­er­le­gen, un­ter­fal­len ei­ner ge­richt­li­chen In­halts­kon­trol­le. De­ren Maßstab ist nicht le­dig­lich das aus der Schutz­pflicht-funk­ti­on der Grund­rech­te fol­gen­de sog. „Un­ter­maßver­bot“ (vgl. zu die­sem et­wa BAG 11. März 1998 - 7 AZR 700/96 - zu III 2 b der Gründe mwN, BA­GE 88, 162; 9. De­zem­ber 2009 - 7 AZR 399/08 - Rn. 31 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 67 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 62; ErfK/Die­te­rich GG Einl. Rn. 38 mwN; für ta­rif­ver­trag­li­che Ein­grif­fe in die all­ge­mei­ne Hand­lungs­frei­heit von Ge­werk­schafts­mit­glie­dern letzt­lich of­fen ge­las­sen in BAG 12. De­zem­ber 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 25, BA­GE 120, 308). So­weit die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en durch Be­triebs­nor­men oh­ne die Le­gi­ti­ma­ti­on der Ver­bands­zu­gehörig­keit in grund­recht­lich geschütz­te Rechts­po­si­tio­nen von Ar­beit­neh­mern und Ar­beits­platz­be­wer­bern ein­grei­fen, ist es viel­mehr ge­bo­ten, ih­re Re­ge­lun­gen an dem Prüfungs­maßstab zu mes­sen, der auch für an­de­re fremd­be­stim­men­de Norm­ge­ber gilt (vgl. zur fremd­be­stim­men­den Rechts­set­zung durch Be­triebs­par­tei­en Lin­sen­mai­er RdA 2008, 1, 2 ff.). Es fehlt in­so­weit an der durch Ver­bands­zu­gehörig­keit ver­mit­tel­ten pri­vat­au­to­no­men Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge, die es recht­fer­tigt und an­ge­sichts der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­ten Ta­rif­au­to­no­mie zur Ver­mei­dung von „Ta­rif­zen­sur“ wohl so­gar ge­bie­tet, ta­rif­li­che Re­ge­lun­gen nicht der stren­ge­ren Kon­trol­le nach dem sog. „Über­maßver­bots“ (vgl. da­zu ErfK/Die­te­rich GG Einl. Rn. 27 ff. mwN) zu un­ter­wer­fen. So­bald und so­weit die mit­glied­schaft­li­che Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge ta­rif­ver­trag­li­cher Re­ge­lun­gen über­schrit­ten wird, be­darf es be­son­de­rer rechts­staat­li­cher Si­che­run­gen (ErfK/Die­te­rich/Schmidt Art. 12 GG Rn. 25). Be­triebs­nor­men sind da­her we­gen


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ih­rer Außen­sei­ter­wir­kung wie Re­ge­lun­gen des Ge­setz- oder an­de­rer fremd­be­stim­men­der Norm­ge­ber nach Maßga­be des „Über­maßver­bots“ zu prüfen. Dem­zu­fol­ge ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en zwar ei­nen Ge­stal­tungs­frei­raum und ei­ne Einschätzungs­präro­ga­ti­ve, müssen aber bei Ein­grif­fen in grund­recht­lich geschütz­te Frei­heits­rech­te den Verhält­nismäßig­keits­grund­satz und den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG be­ach­ten.

(a) Das zulässi­ge Aus­maß der Be­schränkung grund­recht­li­cher Frei­hei­ten
nicht ta­rif­ge­bun­de­ner Ar­beit­neh­mer durch ei­ne ta­rif­li­che Be­triebs­norm be­stimmt sich da­mit nach dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz (aA wohl in­so­weit Die­te­rich, der - frei­lich aus­ge­hend von ei­nem en­gen sach­lich-ge­genständ­li­chen Re­ge­lungs­be­reich der Be­triebs­nor­men - die Auf­fas­sung ver­tritt, die feh­len­de mit­glied­schaft­li­che Le­gi­ti­ma­ti­on wer­de kom­pen­siert durch die be­triebs­au­to­no­me Le­gi­ti­ma­ti­ons­grund­la­ge des Be­triebs­rats, al­ler­dings bei ta­rif­li­chen Be­set­zungs­re­geln eben­falls ver­langt, dass der Ar­beits­platz­be­wer­ber nicht mit „un­verhält­nismäßigen Fol­gen be­nach­tei­ligt wird“, vgl. Die­te­rich FS Däubler 1999, 451, 463). Die von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en in Be­triebs­nor­men ge­trof­fe­ne, Ar­beit­neh­mer und Ar­beits­platz­be­wer­ber in ih­ren Frei­heits­rech­ten be­schränken­de Re­ge­lung muss da­her ge­eig­net, er­for­der­lich und un­ter Berück­sich­ti­gung der gewähr­leis­te­ten Frei­heits­rech­te an­ge­mes­sen sein, um den er­streb­ten Zweck zu er­rei­chen. Ge­eig­net ist die Re­ge­lung dann, wenn mit ih­rer Hil­fe der er­streb­te Er­folg gefördert wer­den kann. Er­for­der­lich ist sie, wenn kein an­de­res gleich wirk­sa­mes, aber die gewähr­leis­te­te Frei­heit we­ni­ger ein­schränken­des Mit­tel zur Verfügung steht. An­ge­mes­sen ist sie, wenn sie verhält­nismäßig im en­ge­ren Sinn er­scheint. Es be­darf hier ei­ner Ge­samt­abwägung zwi­schen der In­ten­sität des Ein­griffs und dem Ge­wicht der ihn recht­fer­ti­gen­den Gründe; die Gren­ze der Zu­mut­bar­keit darf nicht über­schrit­ten wer­den (vgl. zur Verhält­nismäßig­keitsprüfung bei ei­ner die Ar­beit­neh­mer in ih­rer Hand­lungs­frei­heit be­schränken­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung BAG 12. De­zem­ber 2006 - 1 AZR 96/06 - Rn. 24, BA­GE 120, 308).

(b) Die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ha­ben bei der Aus­ge­stal­tung von Be­triebs-
nor­men - wie auch sonst bei ih­rer Norm­set­zung - fer­ner den Gleich­heits­satz des


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Art. 3 Abs. 1 GG zu be­ach­ten (vgl. et­wa BAG 18. März 2010 - 6 AZR 156/09 - Rn. 30 mwN, AP BAT-O § 29 Nr. 6 = EzA GG Art. 3 Nr. 108; ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 25 mwN). Der Gleich­heits­satz ist ver­letzt, wenn ei­ne Grup­pe von Nor­madres­sa­ten im Ver­gleich zu an­de­ren Nor­madres­sa­ten an­ders be­han­delt wird, ob­wohl zwi­schen bei­den Grup­pen kei­ne Un­ter­schie­de von sol­cher Art und sol­chem Ge­wicht be­ste­hen, dass sie die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung recht­fer­ti­gen können (vgl. et­wa BVerfG 27. Fe­bru­ar 2007 - 1 BvL 10/00 - Rn. 70 mwN, BVerfGE 117, 272). Per­so­nen­be­zo­ge­ne Dif­fe­ren­zie­run­gen bedürfen re­gelmäßig ei­ner in­ten­si­ve­ren Recht­fer­ti­gung als sol­che, die an per­so­nen­un­abhängi­ge Umstände an­knüpfen. Der Ge­stal­tungs­spiel­raum ist um­so klei­ner, je stärker sich die Un­gleich­be­hand­lung auf die Ausübung grund­recht­lich geschütz­ter Frei­hei­ten nach­tei­lig aus­wir­ken kann (vgl. ErfK/Schmidt Art. 3 GG Rn. 38 mit Recht­spre­chungs­nach­wei­sen). Der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG erfährt ei­ne ein­fach­ge­setz­li­che Kon­kre­ti­sie­rung ua. im AGG. Dif­fe­ren­ziert ei­ne Re­ge­lung nach ei­nem der in § 1 AGG ge­nann­ten Merk­ma­le, so ist dann, wenn die­se Dif­fe­ren­zie­rung nach den im AGG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig ist, zu­gleich der all­ge­mei­ne Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG ge­wahrt (vgl. BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 14, AP Be­trVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA Be­trVG 2001 § 112 Nr. 35).

(2) Hier­nach ver­letzt die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en

zum ei­nen in un­verhält­nismäßiger Wei­se die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütz­te Frei­heit der Be­rufs­wahl älte­rer Ar­beits­platz­be­wer­ber. Zum an­dern verstößt die mit der Al­ters­gren­ze ver­bun­de­ne Grup­pen­bil­dung auch ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung.

(a) Die Al­ters­gren­zen­re­ge­lung im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en be­schränkt die

Frei­heit der Be­rufs­wahl älte­rer Ar­beits­platz­be­wer­ber un­verhält­nismäßig.

(aa) Nach Art. 12 Abs. 1 GG ha­ben al­le Deut­schen das Recht, Be­ruf,

Ar­beits­platz und Aus­bil­dungsstätte frei zu wählen. Die Be­rufs­ausübung kann nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG durch Ge­setz oder auf­grund ei­nes Ge­set­zes ge­re­gelt wer­den. Das Grund­recht gewähr­leis­tet dem ein­zel­nen Bürger das Recht, je­de er­laub­te Er­werbstätig­keit, für die er sich ge­eig­net und befähigt


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glaubt, als „Be­ruf“ zu er­grei­fen. Die Vor­schrift kon­kre­ti­siert das Grund­recht auf freie Ent­fal­tung der Persönlich­keit im Be­reich der in­di­vi­du­el­len Leis­tung und Exis­tenz­er­hal­tung und zielt auf ei­ne möglichst un­re­gle­men­tier­te be­ruf­li­che Betäti­gung ab (BVerfG 20. März 2001 -1 BvR 491/96 - Rn. 36 mwN, BVerfGE 103, 172). Art. 12 Abs. 1 GG for­mu­liert ein ein­heit­li­ches Grund­recht der Be­rufs­frei­heit, des­sen ver­schie­de­ne Gewähr­leis­tun­gen al­ler­dings in­so­fern Be­deu­tung ha­ben, als an die Ein­schränkung der Be­rufs­wahl höhe­re An­for­de­run­gen ge­stellt wer­den als an die Frei­heit der Be­rufs­ausübung. Durch den Ein­griff auf der Ebe­ne der Be­rufs­wahl wird der Frei­heits­an­spruch des Ein­zel­nen in be­son­ders emp­find­li­cher Wei­se be­ein­träch­tigt. Des­halb sind an den Nach­weis der Not­wen­dig­keit ei­ner sol­chen Frei­heits­be­schränkung be­son­ders stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len. Es muss im All­ge­mei­nen um die Ab­wehr nach­weis­ba­rer oder höchst­wahr­schein­lich schwe­rer Ge­fah­ren für ein über­ra­gend wich­ti­ges Ge­mein­schafts­gut ge­hen (BVerfG 20. März 2001 - 1 BvR 491/96 - Rn. 37 mwN, aaO). Da­bei gibt es in der be­ruf­li­chen Rea­lität fließen­de Übergänge zwi­schen Be­rufs­wahl und Be­rufs­ausübung (BVerfG 20. März 2001 - 1 BvR 491/96 - aaO). Be­schränkun­gen der Be­rufs­wahl und der Be­rufs­ausübung ste­hen un­ter dem Ge­bot der Wah­rung des Grund­sat­zes der Verhält­nismäßig­keit. Der Ein­griff muss zur Er­rei­chung des Ein­griffs­ziels ge­eig­net sein und darf nicht wei­ter ge­hen, als es die Ge­mein­wohl­be­lan­ge er­for­dern. Fer­ner müssen Ein­griffs­zweck und Ein­griff­s­in­ten­sität in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis ste­hen (BVerfG 12. De­zem­ber 2006 - 1 BvR 2576/04 - Rn. 60 mwN, BVerfGE 117, 163). Bei sub­jek­ti­ven Zu­las­sungs­vor­aus­set­zun­gen hat der Ge­setz­ge­ber auch dar­auf zu ach­ten, dass er kei­ne Re­ge­lung trifft, die sich als ei­ne übermäßige, un­zu­mut­ba­re Be­las­tung dar­stellt. Ins­be­son­de­re muss das Maß der den Ein­zel­nen tref­fen­den Be­las­tung noch in ei­nem vernünf­ti­gen Verhält­nis zu den der All­ge­mein­heit er­wach­sen­den Vor­tei­len ste­hen (BVerfG 3. Ju­li 2007 - 1 BvR 2186/06 - Rn. 93 mwN, BVerfGE 119, 59).

(bb) Art. 12 Abs. 1 GG ist al­ler­dings zunächst ein Ab­wehr­recht des ein­zel

nen Bürgers ge­genüber dem Staat. So­weit Ta­rif­verträge im We­ge von In­halts-, Ab­schluss- und Be­en­di­gungs­nor­men Ar­beits­be­din­gun­gen ge­stal­ten, han­delt es sich nicht um staat­li­che Ein­grif­fe in die Be­rufs­wahl oder Be­rufs­ausübung,

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son­dern um den durch Art. 9 Abs. 3 GG grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Aus­gleich der kol­li­die­ren­den Be­rufs­frei­hei­ten von Ar­beit­ge­bern und Ar­beit­neh­mern mit den Mit­teln der kol­lek­ti­ven Pri­vat­au­to­no­mie (ErfK/Die­te­rich/Schmidt Art. 12 GG Rn. 25). Art. 12 Abs. 1 GG ge­winnt in­so­weit erst Be­deu­tung auf­grund sei­ner den Staat ver­pflich­ten­den Schutz­funk­ti­on und un­ter­wirft ta­rif­ver­trag­li­che Be­schränkun­gen der Be­rufs­frei­heit dem Un­ter­maßver­bot. Bei Be­triebs­nor­men genügt dies we­gen ih­rer mit­glied­schaft­lich nicht le­gi­ti­mier­ten Wir­kung für Außen­sei­ter je­doch nicht. Ein­grif­fe in de­ren Frei­heit von Be­rufs­wahl und Be­rufs­frei­heit sind da­her eben­falls am Über­maßver­bot und am stren­gen Verhält­nis-mäßig­keits­grund­satz zu mes­sen. Al­ler­dings ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en auch auf­grund ih­rer grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Frei­heit zur Ge­stal­tung von Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen bei ih­ren Re­ge­lun­gen ei­nen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum. Da­bei spricht viel dafür, dass die Zie­le, die ge­eig­net sein können, die Be­rufs­frei­heit nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ter Außen­sei­ter ein­zu­schränken sol­che des Ge­mein­wohls sein müssen und die In­ter­es­sen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en und ih­rer Mit­glie­der nicht aus­rei­chen. Die­se Fra­ge be­darf vor­lie­gend al­ler­dings kei­ner ab­sch­ließen­den Be­ur­tei­lung.

(cc) Der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en be­schränkt die Be­rufs­frei­heit so­wohl or­ga­ni-

sier­ter als auch nicht oder an­ders or­ga­ni­sier­ter Ar­beits­platz­be­wer­ber. In­dem er die Nichtüber­schrei­tung ei­nes Le­bens­al­ters von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen zur Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zung erklärt, hin­dert er älte­re Ar­beits­platz­be­wer­ber dar­an, mit der Ar­beit­ge­be­rin ei­nen Ar­beits­ver­trag als Pi­lot ab­zu­sch­ließen und die­sen Be­ruf bei ihr aus­zuüben. Zwar han­delt es sich nicht um ei­ne staat­li­che Frei­heits­be­schränkung. Auch be­ruht sie für die Ar­beit­ge­be­rin auf der pri­vat­au­to­nom durch den Ab­schluss des TV Aus­wahl­richt­li­ni­en vor­ge­nom­me­nen Selbst­bin­dung (vgl. Die­te­rich FS Däubler 1999, 451, 463). Gleich­wohl stellt sich die Al­ters­gren­ze für den Ar­beits­platz­be­wer­ber als schwer­wie­gen­de Be­schränkung der Be­rufs­wahl­frei­heit dar.

(aaa) Es han­delt sich - un­ge­ach­tet der Schwie­rig­kei­ten, die bis­wei­len die

Ab­gren­zung zwi­schen Be­rufs­ausübungs­re­ge­lung und sub­jek­ti­ver Zu­las­sungs­vor­aus­set­zung be­rei­tet (vgl. BAG 26. April 1990 - 1 ABR 84/87 - zu B VI 1 c bb


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der Gründe, BA­GE 64, 368; 22. Ja­nu­ar 1991 - 1 ABR 19/90 - zu B II 4 c aa der Gründe, AP GG Art. 12 Nr. 67 = EzA TVG § 4 Druck­in­dus­trie Nr. 22) - bei der Al­ters­gren­ze nicht le­dig­lich um ei­ne Be­rufs­ausübungs­re­ge­lung, son­dern um ei­ne sub­jek­ti­ve Zu­gangs­be­schränkung. An­ders als bei den „qua­li­ta­ti­ven Be­set­zungs­re­geln“ in der Druck­in­dus­trie, die den Ent­schei­dun­gen des Ers­ten Se­nats vom 26. April 1990 (- 1 ABR 84/87 - aaO) und vom 22. Ja­nu­ar 1991 (- 1 ABR 19/90 - aaO) zu­grun­de la­gen, ist die ta­rif­li­che Höchst­al­ters­gren­ze nicht et­wa - nur - ei­ne Vor­ran­g­re­gel bei der Be­set­zung von Ar­beitsplätzen, son­dern ei­ne ab­so­lu­te, un­ein­ge­schränk­te Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zung. Wie die Aus­le­gung des § 4 Abs. 1 Satz 2 TV Aus­wahl­richt­li­ni­en er­gibt, soll ei­ne Ein­stel­lung stets un­ter­blei­ben, wenn ein Pi­lot ei­ne der ge­nann­ten Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllt. Es han­delt sich nicht um ei­ne Richt­li­nie für die Aus­wahl zwi­schen meh­re­ren Kan­di­da­ten. Zwar könn­te die Be­zeich­nung der in Nr. 4 Ta­rif­ver­ein­ba­rung Ka­pa­zitätserhöhung in Be­zug ge­nom­me­nen „BVB Aus­wahl­richt­li­ni­en“ dafür spre­chen, dass die ver­ein­bar­ten Ein­stel­lungs­kri­te­ri­en nur für den Fall ei­ner Aus­wahl zwi­schen meh­re­ren Be­wer­bern gel­ten sol­len. Der TV Aus­wahl­richt­li­ni­en enthält aber kei­ner­lei An­halts­punk­te dafür, dass von den in ihm be­zeich­ne­ten Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zun­gen ein­zel­ne ver­zicht­bar sein könn­ten, wenn Be­wer­ber, die al­le Vor­aus­set­zun­gen erfüllen, nicht zur Verfügung ste­hen. Die Re­ge­lun­gen se­hen viel­mehr kei­ner­lei Dif­fe­ren­zie­rung oder Ge­wich­tung zwi­schen persönli­chen Fak­to­ren (zB Körper­größe, Sehschärfe oder Ein­stel­lungs­al­ter) und fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on (zB Li­zen­zen und Flug­stun­den) vor.

(bbb) Be­son­ders weit­ge­hend ist der Ein­griff in die Be­rufs­wahl­frei­heit älte­rer

Ar­beits­platz­be­wer­ber des­halb, weil es sich bei dem zur Ein­stel­lungs­vor­aus­set­zung erklärten Höchst­al­ter nicht um ei­ne Qua­li­fi­ka­ti­on han­delt, de­ren Er­werb in der Hand des Ar­beits­platz­be­wer­bers liegt und die er et­wa durch ei­ne Zu­satz­aus­bil­dung oder das Ab­le­gen ei­ner Prüfung noch er­lan­gen könn­te. Ein Ar­beits­platz­be­wer­ber kann sei­ne Fähig­kei­ten und Qua­li­fi­ka­tio­nen ver­bes­sern, sich aber nicht verjüngen. Sch­ließlich wird durch die Re­ge­lung der Zu­gang nicht nur für ei­nen un­be­deu­ten­den, son­dern für ei­nen er­heb­li­chen Teil des bun­des­deut­schen Ar­beits­markts ver­sperrt. Die Höchst­al­ters­gren­ze im TV Aus­wahl­richt-


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li­ni­en greift so­mit in­ten­siv in die Be­rufs­wahl­frei­heit von Be­wer­bern mit ei­nem Le­bens­al­ter von mehr als 32 Jah­ren und 364 Ta­gen ein.

(dd) Der Ein­griff in die Be­rufs­wahl­frei­heit der Ar­beits­platz­be­wer­ber ist

un­verhält­nismäßig. Die von der Per­so­nal­ver­tre­tung zur Recht­fer­ti­gung an­geführ­ten Gründe sind nicht ge­eig­net, ei­nen der­art in­ten­si­ven Ein­griff zu recht­fer­ti­gen. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die von der Per­so­nal­ver­tre­tung an­geführ­ten Zie­le über­haupt als ge­eig­net er­schei­nen, Be­schränkun­gen der Be­rufs­frei­heit von Ar­beits­platz­be­wer­bern zu recht­fer­ti­gen und ob die kon­kret vor­ge­se­he­ne Höchst­al­ters­gren­ze zur Er­rei­chung der Zwe­cke je­weils ge­eig­net und er­for­der­lich ist. Je­den­falls sind sie un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ten­sität des Ein­griffs nicht an­ge­mes­sen.

(aaa) Das gilt zunächst für das von der Per­so­nal­ver­tre­tung an­geführ­te „Hier

ar­chie­gefälle“. Dar­un­ter ver­steht die Per­so­nal­ver­tre­tung ei­ne erhöhte Au­to­rität des älte­ren Flug­ka­pitäns ge­genüber dem jünge­ren Co­pi­lo­ten. Die Per­so­nal­ver­tre­tung hat An­halts­punk­te dafür, dass sich der Al­ters­un­ter­schied zwi­schen ei­nem jünge­ren Pi­lo­ten und ei­nem älte­ren Co­pi­lo­ten über­haupt in si­cher­heits­re­le­van­ter Wei­se auf die Ent­schei­dungs­kul­tur im Cock­pit aus­wir­ken könne, nicht an­satz­wei­se vor­ge­tra­gen. Sie hat nicht ein­mal be­haup­tet, dass die Kon­stel­la­ti­on der Zu­sam­men­ar­beit ei­nes jünge­ren Pi­lo­ten mit ei­nem älte­ren Co­pi­lo­ten bei der Ar­beit­ge­be­rin kon­se­quent ver­mie­den würde. Selbst wenn aber bei ei­ner sol­chen Kon­stel­la­ti­on Emp­find­lich­kei­ten auf­tre­ten soll­ten, wären die­se nicht ge­eig­net, den mas­si­ven Ein­griff in die Be­rufs­wahl­frei­heit von Ar­beits­platz­be­wer­bern, die das 33. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, als an­ge­mes­sen er­schei­nen zu las­sen.

(bbb) Auch die von der Per­so­nal­ver­tre­tung an­geführ­te „Ver­bil­dung“ von

Flug­zeugführern, die das 33. Le­bens­jahr voll­endet ha­ben, lässt den Ein­griff in de­ren Be­rufs­wahl­frei­heit nicht als an­ge­mes­sen er­schei­nen. Ei­ne „Ver­bil­dung“ tritt nach dem Vor­trag der Per­so­nal­ver­tre­tung da­durch ein, dass der Pi­lot durch spe­zi­fi­sche Ver­fah­ren während sei­ner Tätig­keit in ei­nem kon­zern­frem­den Un­ter­neh­men ge­prägt ist; mit dem Al­ter sin­ke die Möglich­keit, sich von den ein­mal er­lern­ten, prägen­den Mus­tern auf neue Ver­fah­ren um­zu­stel­len und


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die­se als Rou­ti­ne zu ver­in­ner­li­chen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die­ses Vor­brin­gen zu Recht als pau­scha­le, nicht fun­dier­te Be­haup­tung an­ge­se­hen. Ge­gen ih­re Rich­tig­keit spricht be­reits, dass Höchst­al­ters­gren­zen für Ein­stel­lung von Flug­zeugführern im na­tio­na­len und in­ter­na­tio­na­len Luft­ver­kehrs­recht nicht vor­ge­se­hen sind und von an­de­ren großen in­ter­na­tio­na­len Flug­ge­sell­schaf­ten wie der Air Fran­ce und der Bri­tish Air­ways nicht prak­ti­ziert wer­den. Auch hat es das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu Recht als un­plau­si­bel er­ach­tet, dass Pi­lo­ten in höhe­rem Al­ter un­be­schränkt zwi­schen ver­schie­de­nen Flug­zeug­mus­tern wech­seln dürfen, während sie sich an­geb­lich nicht mehr auf die Hand­lungs­mus­ter in ei­nem an­de­ren Luft­fahrt­un­ter­neh­men um­stel­len können. Außer­dem ist es un­lo­gisch, den durch die Tätig­keit in ei­nem an­de­ren Luft­fahrt­un­ter­neh­men an­geb­lich auf­tre­ten­den „Ver­bil­dungs­ef­fekt“ am Le­bens­al­ter statt an der Dau­er der Vor­beschäfti­gung in den an­de­ren Un­ter­neh­men fest­zu­ma­chen. Im Übri­gen recht­fer­tigt das Ziel, die et­wa mit der Um­stel­lung auf ein an­de­res Luft­fahrt­un­ter­neh­men ver­bun­de­nen Ein­gewöhnungs­schwie­rig­kei­ten zu ver­mei­den, nicht den weit­ge­hen­den Ein­griff in die Be­rufs­wahl­frei­heit. Et­wai­gen Ri­si­ken wäre viel­mehr durch ge­eig­ne­te Ein­stel­lungs­un­ter­su­chun­gen und Schu­lungs­maßnah­men vor­zu­beu­gen. Die Prüfung der Be­herr­schung von Hand­lungs­abläufen ist nach den zu­tref­fen­den Erwägun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ge­gen­stand zahl­rei­cher Eig­nungs­tests. Sie stellt ge­ra­de für Pi­lo­ten et­wa im Rah­men des Er­werbs der Mus­ter­be­rech­ti­gun­gen nichts Un­gewöhn­li­ches dar.

(ccc) Ein et­wai­ges wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se der Ar­beit­ge­be­rin, Aus­bil­dungs-

kos­ten durch ei­ne be­stimm­te, zum Zeit­punkt der Ein­stel­lung noch mögli­che Min­dest­dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses zu amor­ti­sie­ren, recht­fer­tigt es eben­falls nicht, ihr im We­ge ei­ner Be­triebs­norm die Ein­stel­lung ei­nes älte­ren Ar­beit­neh­mers zu ver­bie­ten. Da­bei kann da­hin ste­hen, ob und ggf. un­ter wel­chen Umständen ein sol­ches Amor­ti­sie­rungs­in­ter­es­se ei­nen Ar­beit­ge­ber be­rech­tigt, ei­nen älte­ren Be­wer­ber ab­zu­leh­nen, oh­ne ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung zu ver­s­toßen. Ein ge­ne­rel­les Ein­stel­lungs­ver­bot, durch das ein ein­stel­lungs­wil­li­gen Ar­beit­ge­ber ge­hin­dert wird, ei­nen älte­ren Ar­beits­platz­be­wer­ber ein­zu­stel­len, ver­mag ein sol­ches wirt­schaft­li­ches In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers nicht zu recht­fer­ti­gen. Es ist per­plex, ei­nem Ar­beit­ge­ber die von


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ihm kon­kret gewünsch­te Wahr­neh­mung sei­ner wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen mit ei­nem an­geb­lich der Wahr­neh­mung die­ser In­ter­es­sen die­nen­den Ver­bot zu un­ter­sa­gen. Selbst wenn aber die wirt­schaft­li­chen In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers als Grund für ein ge­gen ihn ge­rich­te­tes Ver­bot ak­zep­tiert würden, wäre der da­mit ver­bun­de­ne Ein­griff in die Be­rufs­wahl­frei­heit der Ar­beits­platz­be­wer­ber un­verhält­nismäßig.

(b) Die mit der Al­ters­gren­ze ver­bun­de­ne Grup­pen­bil­dung verstößt auch

ge­gen den Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG und das die­sen ua. hin­sicht­lich des Merk­mals Al­ter kon­kre­ti­sie­ren­de Ver­bot in § 7 Abs. 1, § 1 AGG.

(aa) Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftig­te nicht we­gen ei­nes in § 1

AGG ge­nann­ten Grun­des be­nach­tei­ligt wer­den. Be­stim­mun­gen in Ver­ein­ba­run­gen, die ge­gen die­ses Be­nach­tei­li­gungs­ver­bot ver­s­toßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG gel­ten als Beschäftig­te im Sin­ne des AGG auch die Be­wer­be­rin­nen und Be­wer­ber für ein Beschäfti­gungs­verhält­nis. Der Be­griff der Be­nach­tei­li­gung be­stimmt sich nach § 3 AGG. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Be­nach­tei­li­gung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes in § 1 AGG ge­nann­ten Grun­des ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde. Ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Al­ter be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung kann nach § 10 AGG un­ter den dort ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen zulässig sein. § 10 Satz 1 und 2 AGG ge­stat­ten die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung we­gen des Al­ters, wenn die­se ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist und wenn die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind. Die zur Recht­fer­ti­gung ei­ner Un­gleich­be­hand­lung her­an­ge­zo­ge­nen Tat­sa­chen und Erwägun­gen müssen ei­ner Nach­prüfung zugäng­lich sein. Bloße Ver­mu­tun­gen und Einschätzun­gen genügen nicht (vgl. BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55 mwN, BA­GE 129, 181; vgl. auch die Schluss­anträge der Ge­ne­ral­anwältin Ko­kott vom 6. Mai 2010 - C-499/08 - [An­der­sen] Rn. 45). Außer­dem ist ei­ne Abwägung zwi­schen dem Schutz vor Un­gleich­be­hand­lung und dem ver­folg­ten Ziel vor­zu­neh­men. Die Un­gleich­be­hand­lung muss durch das ver­folg­te


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Ziel sach­lich ge­recht­fer­tigt sein. Sch­ließlich ist nach § 10 Satz 2 AGG zu prüfen, ob auch die ein­ge­setz­ten Mit­tel zur Er­rei­chung des Ziels verhält­nismäßig sind (BAG 22. Ja­nu­ar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 55 mwN, aaO). Nach § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG kann die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf­grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf­grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand ge­recht­fer­tigt sein. Dies ent­spricht Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c der Richt­li­nie 2000/78/EG. § 10 Satz 3 Nr. 3 AGG be­stimmt al­ler­dings nur das le­gi­ti­me Ziel iSv. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG. Ei­ne auf die­se Be­stim­mung gestütz­te Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung muss da­her ge­eig­net sein, das mit der Be­stim­mung ver­folg­te Ziel tatsächlich zu fördern und darf die In­ter­es­sen der be­nach­tei­lig­ten (Al­ters-)Grup­pe nicht un­verhält­nismäßig stark ver­nachlässi­gen (vgl. zu § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG BAG 23. März 2010 - 1 AZR 832/08 - Rn. 20, AP Be­trVG 1972 § 75 Nr. 55 = EzA Be­trVG 2001 § 112 Nr. 35).

(bb) Hier­nach ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend zu dem Er­geb­nis

ge­langt, dass die im TV Aus­wahl­richt­li­ni­en vor­ge­se­he­ne Höchst­al­ters­gren­ze ge­gen das Ver­bot der Al­ters­dis­kri­mi­nie­rung in § 7 Abs. 1, § 1 AGG verstößt und da­her nach § 7 Abs. 2 AGG un­wirk­sam ist. Die für ei­ne Ein­stel­lung fest­ge­leg­te Höchst­al­ters­gren­ze von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen be­nach­tei­ligt älte­re Be­wer­ber un­mit­tel­bar. Ih­nen wird im Ge­gen­satz zu jünge­ren Be­wer­bern in an­sons­ten ent­spre­chen­der Si­tua­ti­on der Zu­gang zu ei­nem Beschäfti­gungs­verhält­nis ver­wehrt. Die Dis­kri­mi­nie­rung ist nicht nach § 10 Satz 1, 2 und 3 Nr. 3 AGG ge­recht­fer­tigt. Es ist schon nicht hin­rei­chend er­kenn­bar, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit der Höchst­al­ters­gren­ze le­gi­ti­me Zie­le im Sin­ne von § 10 Satz 1 AGG ver­fol­gen. Die hier­zu von der Per­so­nal­ver­tre­tung vor­ge­tra­ge­nen Erwägun­gen sind ei­ner Nach­prüfung auf ein le­gi­ti­mes Ziel nicht hin­rei­chend zugäng­lich. Das Vor­brin­gen zu der bei ei­nem älte­ren Co­pi­lo­ten an­geb­lich gefähr­de­ten Hier­ar­chie im Cock­pit und zu der ab ei­nem be­stimm­ten Le­bens­al­ter ein­tre­ten­den „Ver­bil­dung“ erschöpft sich im We­sent­li­chen in Ver­mu­tun­gen und ent­behrt des Vor­trags kon­kre­ter Tat­sa­chen. Ein von der Ar­beit­ge­be­rin


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selbst nicht gel­tend ge­mach­tes wirt­schaft­li­ches Amor­ti­sie­rungs­in­ter­es­se taugt eben­falls nicht als le­gi­ti­mes Ziel für das ab ei­nem Al­ter von 32 Jah­ren und 364 Ta­gen nor­mier­te Ein­stel­lungs­ver­bot. Im Übri­gen be­las­tet das ein­ge­setz­te Mit­tel die be­nach­tei­lig­te Al­ters­grup­pe auch of­fen­sicht­lich un­verhält­nismäßig. Nach­dem Flug­zeugführer ih­re be­ruf­li­che Tätig­keit re­gelmäßig frühes­tens mit 21 Jah­ren auf­neh­men können und die­se bei nor­ma­lem Ver­lauf min­des­tens bis zum 60., wenn nicht bis zum 65. Le­bens­jahr ausüben können, liegt das vor­lie­gend vor­ge­se­he­ne Ein­stel­lungshöchst­al­ter aus­ge­spro­chen nied­rig, wird doch da­mit Flug­zeugführern be­reits nach et­wa ei­nem Vier­tel ih­rer ins­ge­samt mögli­chen Be­rufstätig­keit ein Wech­sel zur Ar­beit­ge­be­rin unmöglich ge­macht.

Lin­sen­mai­er Schmidt Kiel

Busch Glock

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