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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 29.07.2009, 2 Sa 470/09

   
Schlagworte: Freiwilligkeitsvorbehalt, AGB, Weihnachtsgeld, Widerrufsvorbehalt
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 2 Sa 470/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.07.2009
   
Leitsätze:

Weist ein Arbeitgeber in einem vorformulierten Arbeitsvertrag, der keine Zusage über die Leistung einer Sonderzahlung enthält, darauf hin, die Gewährung einer solchen begründe keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, benachteiligt ein klar und verständlich formulierter Freiwilligkeitsvorbehalt den Arbeitnehmer auch dann nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, wenn der Arbeitgeber diesen Vorbehalt mit einem Widerrufsvorbehalt kombiniert (in Anschluss an BAG 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38). Der Widerrufsvorbehalt dient in diesem Fall nur der Stützung des Freiwilligkeitsvorbehalts mit der Folge, dass eine betriebliche Übung nicht entstehen kann.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 06.04.2009, 5 Ca 3995/08
   

2 Sa 470/09

5 Ca 3995/08 Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach  

Verkündet am 29. Ju­li 2009

Will­ms, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

des Herrn W. X., In der I. 14, I.,

- Kläger und Be­ru­fungs­be­klag­ter -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Rechts­anwälte T. u.a.,
N. str. 19, H.,

g e g e n

die M. Pla­nung & Tech­no­lo­gie GmbH, ver­tre­ten durch die Her­ren Geschäftsführer Dipl.-Ing. D. M., Dipl.-Ing. W. S., Dr. W.
T., E.-L.-S.-Straße 5 - 7, L.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: Q. Rechts­anwälte,
C. straße 26 - 28, N.,

hat die 2. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 29.07.2009
durch die Vi­ze­präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts Gött­ling als Vor­sit­zen­de so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Gra­vi­us und Nor­bis­rath

für R e c h t er­kannt:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach vom 6.4.2009 – 5 Ca 3995/08 – ab­geändert:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.
Der Kläger trägt die Kos­ten des Rechts­streits. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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T A T B E S T A N D

Die Par­tei­en strei­ten über ein Weih­nachts­geld für das Jahr 2008.

Der Kläger ist seit dem 01.02.1996 bei der Be­klag­ten ge­gen ein mo­nat­li­ches Brut­to­ent­gelt in Höhe von zu­letzt 3.350,00 € als Di­plom-In­ge­nieur beschäftigt. Das Ar­beits­verhält­nis rich­tet sich nach den Be­stim­mun­gen des Ar­beits­ver­tra­ges vom 03.01.1996. In die­sem heißt es un­ter Zif­fer 6:

Gra­ti­fi­ka­ti­on:

So­weit der Ar­beit­ge­ber ge­setz­lich oder durch Ta­rif­ver­trag nicht vor­ge­schrie­be­ne Leis­tun­gen, wie Prämi­en, Zu­la­gen, Ur­laubs­geld, Gra­ti­fi­ka­tio­nen, Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­tio­nen gewährt, er­fol­gen sie frei­wil­lig und oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung. Sie sind da­her je­der­zeit oh­ne War­nung ei­ner be­son­de­ren Frist wie­der­ruf­bar.“

Die Be­klag­te zahl­te dem Kläger nach sei­nen An­ga­ben seit Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses, je­den­falls für die Jah­re 2005, 2006 und 2007 ein Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes. Im Jah­re 2008 gewähr­te sie un­ter Hin­weis auf die Wirt­schafts­kri­se kei­ne Son­der­leis­tung.

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, ihm ste­he kraft be­trieb­li­cher Übung ein An­spruch auf Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes für das Jahr 2008 zu. Der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt im Ar­beits­ver­trag sei wi­dersprüchlich so­wie un­an­ge­mes­sen und des­halb un­wirk­sam.

Der Kläger hat be­an­tragt,

die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 3.350,00 € brut­to nebst Zin­sen
in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins seit dem 01. 12.2008 zu zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

 

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Sie hat die An­sicht ver­tre­ten, die Re­ge­lung un­ter Zif­fer 6 des Ar­beits­ver­tra­ges sei wirk­sam und hin­de­re ei­nen An­spruch des Klägers auf Weih­nachts­geld.

Das Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach hat mit sei­nem am 06.04.2009 verkünde­ten Ur­teil der Kla­ge statt­ge­ge­ben und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt:

Dem Kläger ste­he nach drei­ma­li­ger vor­be­halt­lo­ser Gewährung kraft be­trieb­li­cher Übung ein An­spruch auf das Weih­nachts­geld zu. Der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt un­ter Zif­fer 6 des Ar­beits­ver­tra­ges sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB we­gen der Kom­bi­na­ti­on mit ei­nem Wi­der­ruf­vor­be­halt un­wirk­sam. Da es sich bei dem Ar­beits­ver­trag um ei­nen sog. Alt­fall han­de­le, der vor dem In­kraft­tre­ten des Schuld­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­set­zes ab­ge­schlos­sen wor­den sei, kom­me zwar ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung in Be­tracht. Die­se schei­te­re aber im Er­geb­nis, weil nicht er­mit­telt wer­den könne, wel­che Gründe für ei­nen Wi­der­ruf gel­ten soll­ten.

Ge­gen das ihr am 09.04.2009 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te mit ei­nem am 07.05.2009 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se mit ei­nem am 08.06.2009 ein­ge­reich­ten Schrift­satz be­gründet.

Die Be­klag­te macht im We­sent­li­chen gel­tend:

So­weit das Ar­beits­ge­richt sich auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – gestützt ha­be, ha­be es über­se­hen, dass die An­ge­stell­te nach der dort über­prüften ar­beits­ver­trag­li­chen Klau­sel ei­nen An­spruch auf die Gra­ti­fi­ka­ti­on ge­habt ha­be, während der Ar­beits­ver­trag im Streit­fall ei­nen sol­chen nicht vor­se­he. Da es sich zu­dem um ei­nen sog. Alt­fall han­de­le, ha­be je­den­falls ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung zu er­fol­gen. Er­kenn­bar sei es aber bei Ver­trags­ab­schluss dar­um ge­gan­gen, dass sie - die Be­klag­te - in der Ent­schei­dung, ob Weih­nachts­geld ge­zahlt wer­de, frei blei­be.

 

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Die Be­klag­te be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mönchen­glad­bach die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tei­digt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

A.

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten, ge­gen de­ren Zulässig­keit kei­ne Be­den­ken be­ste­hen, ist be­gründet. Denn die Kla­ge ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Vor­in­stanz un­be­gründet. Dem Kläger steht ein An­spruch auf Weih­nachts­geld für das Jahr 2008 in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes und so­mit auf die von ihm be­an­spruch­te Zah­lung von 3.350,00 € brut­to nicht zu. Ein sol­cher An­spruch er­gibt sich nicht auf­grund be­trieb­li­cher Übung.

I. Nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kann
zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ein An­spruch auf Zah­lung ei­ner Jah­res­son­der­vergütung und da­mit auch auf Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des auf­grund be­trieb­li­cher Übung (hier­zu näher BAG 20.06.2007 – 10 AZR 410/06 – NZA 2007, 1293, 1295; BAG 30.08.2008 – 10 AZR 606/07 – Rdz. 27, EzA

 

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§ 307 BGB 2002 Nr. 38) ent­ste­hen, wenn der Ar­beit­ge­ber drei­mal in Fol­ge (seit BAG 06.03.1956 – 3 AZR 175/55 – AP Nr. 3 zu § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on; eben­so BAG 21.01.2009 – 10 AZR 19/08 – Rdz. 13, ju­ris; BAG 18.03.2009 - 10 AZR 281/08 – Rdz. 8, EzA § 242 BGB 2002 Be­trieb­li­che Übung Nr. 9) vor­be­halt­los die Leis­tung er­bringt.

II. Im Streit­fall hat die Be­klag­te dem Kläger zwar je­den­falls in den Jah­ren
2005, 2006 und 2007, mit­hin drei­mal, Weih­nachts­geld ge­zahlt. Ei­ne be­trieb­li­che Übung ist den­noch nicht ent­stan­den. Die Leis­tung er­folg­te nämlich un­ter ei­nem rechts­wirk­sa­men Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt mit der Fol­ge, dass der Kläger auf die Zah­lung des Weih­nachts­gel­des auch in den nächs­ten Jah­ren nicht ver­trau­en konn­te.

1. Mit ei­nem Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt kann der Ar­beit­ge­ber ver­hin­dern, dass ei­ne be­trieb­li­che Übung ent­steht (st.Rspr., vgl. nur BAG 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – Rdz. 28, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38; BAG 01.04.2009 – 10 AZR 393/08 – Rdz. 15, ju­ris). Dar­an hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt auch nach dem In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts am 01.01.2002 fest­ge­hal­ten, mit dem die Be­reichs­aus­nah­me des § 23 Abs. 1 AGBG auf­ge­ge­ben wur­de. Es hat an­ge­nom­men, der Ar­beit­ge­ber sei auf­grund ei­nes kla­ren und verständ­li­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts in ei­nem For­mu­lar­ar­beits­ver­trag, der ei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ei­ne Son­der­zah­lung ein­deu­tig aus­sch­ließe, grundsätz­lich in sei­ner Ent­schei­dung frei, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen er zum lau­fen­den Ar­beits­ent­gelt ei­ne zusätz­li­che Leis­tung gewähre (BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – Rdz. 12, AP BGB § 307 Nr. 40).

2. Zif­fer 6 Satz 1 des Ar­beits­ver­tra­ges enthält ei­nen sol­chen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt.

a) Der bloße Hin­weis in ei­nem Ar­beits­ver­trag, dass die dort ge­nann­te
Son­der­vergütung „frei­wil­lig“ gewährt wird, bringt nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts al­ler­dings noch nicht

 

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un­miss­verständ­lich zum Aus­druck, dass da­mit noch kei­ne Rechts­pflicht zur Zah­lung be­gründet wer­den soll. Er kann auch so ver­stan­den wer­den, dass sich der Ar­beit­ge­ber „frei­wil­lig“ zu die­ser Leis­tung ver­pflich­tet, oh­ne da­zu durch Ta­rif­ver­trag, Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder Ge­setz ge­zwun­gen zu sein (BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – Rdz. 17, NZA 2008, 40, 42; BAG 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 – Rdz. 12, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38; BAG 21.01.2009 – 10 AZR 219/08 – Rdz. 14, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 41). Will ein Ar­beit­ge­ber je­de ver­trag­li­che Bin­dung ver­hin­dern und sich die vol­le Ent­schei­dungs­frei­heit vor­be­hal­ten, muss er das in sei­ner Erklärung ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer un­miss­verständ­lich deut­lich ma­chen, da nach §§ 133, 157 BGB im Zwei­fel der Empfänger­ho­ri­zont maßgeb­lich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Ar­beit­ge­ber in ei­ner für den Ar­beit­neh­mer un­miss­verständ­li­chen Wei­se - ge­ge­be­nen­falls zu dem Hin­weis auf die Frei­wil­lig­keit der Son­der­zah­lung - kund­ge­tan hat, dass „ein An­spruch nicht her­ge­lei­tet wer­den kann“ (BAG 05.06.1996 – 10 AZR 883/95 – EzA § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 141) oder „nach wie­der­hol­ter Zah­lung erwächst hier­auf kein An­spruch“ (LAG Hamm 09.06.2005 – 8 Sa 2403/04 – NZA-RR 2005, 160) oder „auch mit ei­ner wie­der­hol­ten Zah­lung kein Rechts­an­spruch für die Zu­kunft be­gründet wird“ (BAG 21.01.2009 – 10 AZR 219/08 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 41) oder die Leis­tung „oh­ne An­er­ken­nung ei­ner Rechts­pflicht“ (BAG 12.01.2000 – 10 AZR 840/98 – EzA § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 158; vgl. auch LAG Düssel­dorf 31.01.2006 – 6 Sa 1441/05 – LA­GE § 611 BGB 2002 Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 6) in Aus­sicht ge­stellt wird.

b) Den ge­nann­ten An­for­de­run­gen genügt der von den Par­tei­en ver­ein­bar­te
Vor­be­halt. Die Par­tei­en ha­ben sich nicht da­mit be­gnügt, die in Zif­fer 6 ge­nann­ten Son­der­leis­tun­gen als frei­wil­lig zu be­zeich­nen. Viel­mehr ha­ben sie aus­drück­lich ver­ein­bart, dass et­wai­ge Leis­tun­gen frei­wil­lig und „oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung“ er­fol­gen. Da­mit ha­ben sie un­miss­verständ­lich klar­ge­stellt, dass ein An­spruch auf die­se Leis­tun­gen nicht be­ste­hen soll.

3. Der auch das Weih­nachts­geld be­tref­fen­de Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt im
Ar­beits­ver­trag vom 03.01.1996 ist ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers

 

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rechts­wirk­sam. Er ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB un­wirk­sam, weil er ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt.

a) Nach den von der Be­klag­ten nicht mit Ge­genrügen an­ge­grif­fe­nen
Fest­stel­lun­gen des Ar­beits­ge­richts han­delt es sich bei den un­ter der Über­schrift „Gra­ti­fi­ka­ti­on“ ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen um All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB. All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen sind nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen Sinn ein­heit­lich so aus­zu­le­gen, wie sie von verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den, wo­bei nicht die Verständ­nismöglich­kei­ten des kon­kre­ten, son­dern die des durch­schnitt­li­chen Ver­trags­part­ners des Ver­wen­ders zu­grun­de zu le­gen sind (BAG 24.10.2007 – 10 AZR 825/06 – Rdz. 13, NZA 2008, 40, 41; BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07 – Rdz. 23, NZA 2008, 757, 759). An­satz­punkt für die nicht am Wil­len der kon­kre­ten Ver­trags­part­ner zu ori­en­tie­ren­de Aus­le­gung all­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen ist in ers­ter Li­nie der Ver­trags­wort­laut. Ist der Wort­laut ei­nes For­mu­lar­ver­trags nicht ein­deu­tig, kommt es für die Aus­le­gung ent­schei­dend dar­auf an, wie der Ver­trags­text aus der Sicht der ty­pi­scher­wei­se an Geschäften die­ser Art be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se zu ver­ste­hen ist, wo­bei der Ver­trags­wil­le verständi­ger und red­li­cher Ver­trags­part­ner be­ach­tet wer­den muss (BAG 19.03.2008 – 5 AZR 429/07 – Rdz. 24, NZA 2008, 757, 759).

b) Bleibt nach Ausschöpfung der Aus­le­gungs­me­tho­den ein nicht be­heb­ba­rer Zwei­fel, geht dies gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Las­ten des Ver­wen­ders. Die An­wen­dung der Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305 c Abs. 2 BGB setzt al­ler­dings vor­aus, dass die Aus­le­gung ei­ner ein­zel­nen AGB-Be­stim­mung min­des­tens zwei Er­geb­nis­se als ver­tret­bar er­schei­nen lässt und von die­sen kei­ne den kla­ren Vor­zug ver­dient. Es müssen „er­heb­li­che Zwei­fel“ an der rich­ti­gen Aus­le­gung be­ste­hen. Die ent­fern­te Möglich­keit, zu ei­nem an­de­ren Er­geb­nis zu kom­men, genügt für die An­wen­dung der Be­stim­mung nicht. § 305 c Abs. 2 BGB ist un­an­wend­bar, wenn sich zwei Klau­seln in­halt­lich wi­der­spre­chen und des­halb un­wirk­sam sind. Wi­dersprüchli­che Klau­seln sind nicht klar und

 

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verständ­lich im Sin­ne des Trans­pa­renz­ge­bots des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Nach die­ser Vor­schrift kann sich ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung auch dar­aus er­ge­ben, dass die Be­stim­mung nicht klar und verständ­lich ist. Sinn des Trans­pa­renz­ge­bo­tes ist es, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird. Ein Ver­s­toß ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot liegt des­halb nicht schon dann vor, wenn der Ar­beit­neh­mer kei­ne oder nur ei­ne er­schwer­te Möglich­keit hat, die be­tref­fen­de Re­ge­lung zu ver­ste­hen. Erst in der Ge­fahr, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders we­gen un­klar ab­ge­fass­ter all­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen sei­ne Rech­te nicht wahr­nimmt, liegt ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung im Sin­ne von § 307 Abs. 1 BGB (BAG 10.12.2008 – 10 AZR 1/08 – Rdz. 15, AP BGB § 307 Nr. 40).

c) Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze verstößt die Re­ge­lung im
Ar­beits­ver­trag vom 03.01.1996, wo­nach die Zah­lung von Son­der­leis­tun­gen frei­wil­lig und oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung er­folgt, nicht ge­gen das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Wort­laut die­ser Ab­re­de ist für sich ge­nom­men ein­deu­tig. Er schließt ei­nen Rechts­an­spruch auf Son­der­leis­tun­gen und da­mit auch ei­nen Rechts­an­spruch auf Weih­nachts­geld aus. Die­se Re­ge­lung ist auch nicht des­halb un­klar und un­verständ­lich im Sin­ne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie zu der in Zif­fer 6 Satz 2 des Ar­beits­ver­tra­ges ge­trof­fe­nen Re­ge­lung - „da­her je­der­zeit oh­ne War­nung ei­ner be­son­de­ren Frist wi­der­ruf­bar“ - in Wi­der­spruch steht.

aa. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt hat mit Ur­teil vom 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – (Rdz. 45, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38) ent­schie­den, dass die Kom­bi­na­ti­on ei­nes Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt wi­dersprüchlich sei, und zur Be­gründung aus­geführt, so­weit der Ar­beits­ver­trag von ei­ner „stets wi­der­ruf­ba­ren Leis­tung des Ar­beit­ge­bers“ spre­che, las­se sich die Klau­sel vom Wort­laut her nur da­hin­ge­hend ver­ste­hen, dass der Ar­beit­neh­me­rin ei­ne Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on zu­ste­he. Der Wi­der­ruf ei­ner Leis­tung durch den Ar­beit­ge­ber setz­te den An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf die Leis­tung

 

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vor­aus. Ha­be der Ar­beit­neh­mer kei­nen An­spruch auf die Leis­tung, ge­he ein Wi­der­ruf der Leis­tung ins Lee­re.

bb. Die­se Grundsätze las­sen sich nicht oh­ne wei­te­res auf den Streit­fall
über­tra­gen. In dem vom Bun­des­ar­beits­ge­richt ent­schie­de­nen Fall hat­te der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die Zah­lung ei­ner Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on in Höhe ei­nes mo­nat­li­chen Brut­to­ent­gelts im Ar­beits­ver­trag aus­drück­lich zu­ge­sagt. Da­zu stand der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt im Wi­der­spruch und die­ser wie­der­um im Wi­der­spruch zu dem wei­te­ren Wi­der­rufs­vor­be­halt, der den An­spruch der Ar­beit­neh­me­rin auf die Leis­tung be­kräftig­te.

cc. Der Streit­fall liegt an­ders. Die Be­klag­te hat dem Kläger im Ar­beits­ver­trag
kei­ne Son­der­zah­lung zu­ge­sagt. Sie hat viel­mehr dar­auf hin­ge­wie­sen, dass et­wai­ge künf­ti­ge Zah­lun­gen kei­ne Rechts­pflicht be­gründen. Da­mit konn­te der Kläger von vorn­her­ein nicht dar­auf ver­trau­en, dass die Be­klag­te sich durch die wie­der­hol­te Zah­lung des Weih­nachts­gel­des bin­den woll­te. Der Hin­weis auf die Wi­der­ruf­bar­keit der Leis­tung oh­ne Ein­hal­tung ei­ner Frist dien­te – aus­ge­hend von dem Verständ­nis ei­nes verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­ners - nur der Stützung des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts (vgl. BAG 10.05.1995 – 10 AZR 648/94 – EzA § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on, Prämie Nr. 125; LAG Düssel­dorf 30.11.2005 – 12 Sa 1210/05 – LA­GE § 305c BGB 2002 Nr. 3; LAG Düssel­dorf 31.01.2006 – 6 Sa 1441/05 - LA­GE § 611 BGB Gra­ti­fi­ka­ti­on Nr. 6). Dies er­gibt sich deut­lich aus dem Wort­laut der Re­ge­lung un­ter Zif­fer 6 Satz 2 des Ar­beits­ver­tra­ges, wo­nach die Leis­tun­gen „da­her....wi­der­ruf­bar“ sind. Die Be­zug­nah­me auf Satz 1 durch den Zu­satz „da­her“ und die dort ge­re­gel­te Frei­wil­lig­keit der Zah­lung zeigt, dass die Wi­der­ruf­bar­keit der Son­der­zah­lung aus de­ren Frei­wil­lig­keit ab­ge­lei­tet wird. Die Par­tei­en ha­ben da­mit kei­nen Wi­der­rufs­vor­be­halt im rechts­tech­ni­schen Sin­ne ver­ein­bart. Die­ser würde das Be­ste­hen ei­nes An­spruchs vor­aus­set­zen. Sie sind viel­mehr auch im Rah­men der ge­re­gel­ten Wi­der­ruf­bar­keit da­von aus­ge­gan­gen, es be­ste­he kein An­spruch auf die Leis­tung. Mit der Wi­der­ruf­bar­keit ha­ben sie letzt­lich nur die Ein­stel­lung der Zah­lung ge­meint. Für die­ses Verständ­nis spricht auch die ver­trag­lich vor­ge­se­he­ne Nicht­ein­hal­tung ei­ner Frist („oh­ne War­nung ei­ner Frist“ - ge­meint

 

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ist of­fen­sicht­lich „oh­ne Wah­rung ei­ner Frist“ -). Dem Wi­der­rufs­vor­be­halt kommt da­mit kei­ne ei­genständi­ge Be­deu­tung zu, viel­mehr geht er ins Lee­re. Zwar mag sich dies nicht so­fort auf den ers­ten Blick er­sch­ließen. Ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB durch die ver­meint­li­che Wi­dersprüchlich­keit des Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halts schei­det bei die­sem Be­fund je­den­falls aus. Ent­spre­chend den obi­gen Grundsätzen liegt ei­ne sol­che Be­nach­tei­li­gung nämlich erst in der Ge­fahr, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders we­gen un­klar ab­ge­fass­ter All­ge­mei­ner Ver­trags­be­din­gun­gen sei­ne Rech­te nicht wahr­nimmt. Die­se Ge­fahr be­stand im Streit­fall nicht, da dem Kläger im Ar­beits­ver­trag die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des ge­ra­de nicht zu­ge­sagt war.

4. Der klar und verständ­lich for­mu­lier­te Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt, der je­den
Rechts­an­spruch für die Zu­kunft aus­sch­ließt, hält auch der Kon­trol­le nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB stand (vgl. BAG 30.07.2008 – 10 AZR 606/07 – EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38; BAG 18.03.2009 – 10 AZR 289/08 – Rdz. 21, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43).

III. Auf ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung we­gen Un­wirk­sam­keit des
Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts kam es da­nach nicht an. Es konn­te des­halb da­hin­ge­stellt blei­ben, ob ei­ne sol­che über­haupt möglich wäre. Nach der neue­ren Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts spricht viel dafür, dass ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung aus­schei­det, wenn der Ar­beit­ge­ber nicht den Ver­such ge­macht hat, die un­wirk­sa­me Ver­trags­klau­sel mit den Mit­teln des Ver­trags­rechts in­ner­halb der vom Ge­setz­ge­ber ein­geräum­ten Über­g­angs­frist bis zum 1. Ja­nu­ar 2003 wirk­sam zu ge­stal­ten (BAG 11.02.2009 – 10 AZR 222/08 – ju­ris).

B.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt gemäß § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG der Kläger als un­ter­le­ge­ne Par­tei.

Die Re­vi­si­on an das Bun­des­ar­beits­ge­richt war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen, da die Rechts­sa­che grundsätz­li­che Be­deu­tung hat.

 

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RECH­TSMIT­TEL­BE­LEH­RUNG

Ge­gen die­ses Ur­teil kann von der kla­gen­den Par­tei

R E V I S I O N

ein­ge­legt wer­den.

Für die be­klag­te Par­tei ist ge­gen die­ses Ur­teil kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.
Die Re­vi­si­on muss in­ner­halb ei­ner Not­frist* von ei­nem Mo­nat schrift­lich beim

Bun­des­ar­beits­ge­richt

Hu­go-Preuß-Platz 1

99084 Er­furt

Fax: 0361 2636 2000

ein­ge­legt wer­den.

Die Not­frist be­ginnt mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­fass­ten Ur­teils, spätes­tens mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss von ei­nem Be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als Be­vollmäch­tig­te sind nur zu­ge­las­sen:

1. Rechts­anwälte,
2. Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
3. Ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der in Num­mer 2 be­zeich­ne­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

In den Fällen der Zif­fern 2 und 3 müssen die Per­so­nen, die die Re­vi­si­ons­schrift un­ter­zeich­nen, die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Ei­ne Par­tei, die als Be­vollmäch­tig­ter zu­ge­las­sen ist, kann sich selbst ver­tre­ten.

* ei­ne Not­frist ist un­abänder­lich und kann nicht verlängert wer­den.

 

gez.: Gött­ling 

gez:. Gra­vi­us 

gez.: Nor­bis­rath

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