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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/210

"Frei­wil­li­ge und wi­der­ruf­li­che" Son­der­zah­lung

Wirk­sa­me Klau­sel: "Frei­wil­li­ge und wi­der­ruf­li­che" Son­der­zah­lung: Lan­des­ar­beits­ge­richt Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 29.07.2009, 2 Sa 470/09
Geschenkkorb in Zellophan Son­der­zah­lung als Ein­mal­zah­lung oder be­trieb­li­che Übung?
13.11.2009. An­sprü­che des Ar­beit­neh­mers kön­nen auf­grund be­trieb­li­cher Übung ent­ste­hen, so­fern der Ar­beit­ge­ber ei­ne Leis­tung über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum in gleich­för­mi­ger Wei­se er­bringt. Die Recht­spre­chung geht dann da­von aus, dass der Ar­beit­neh­mer auf den dau­er­haf­ten Be­zug der Leis­tung ver­trau­en kann.

Das die­ser Um­stand im­mer wie­der zu Pro­ble­men führt, zeigt ei­ne ak­tu­el­le Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Düs­sel­dorf. Die­ses hat zu ent­schei­den, ob ei­ne vom Ar­beit­ge­ber ge­währ­te Son­der­zah­lung "frei­wil­lig und stets wi­der­ruf­lich" ge­währt wer­den kann: LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 29.07.2009, 2 Sa 470/09.

Kom­bi­na­ti­on von Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halt in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB)

Ansprüche des Ar­beit­neh­mers können durch be­trieb­li­che Übung ent­ste­hen, falls der Ar­beit­ge­ber ei­ne Leis­tung über ei­nen länge­ren Zeit­raum in gleichförmi­ger Wei­se er­bringt, so dass der Ar­beit­neh­mer auf den dau­er­haf­ten Be­zug der Leis­tung ver­trau­en kann. Pa­ra­de­bei­spiel dafür ist die Gewährung ei­nes Weih­nachts­gel­des, ei­nes Ur­laubs­gel­des oder ei­ner an­de­ren Gra­ti­fi­ka­ti­on in der­sel­ben Höhe oder auf der Grund­la­ge ei­ner gleich­blei­ben­den Be­rech­nungs­grund­la­ge über min­des­tens drei Jah­re hin­weg. Ent­ste­hen Ansprüche auf die­se Wei­se, d.h. auf­grund ei­ner Be­triebsübung, muss der Ar­beit­ge­ber hier­von we­der Kennt­nis ha­ben noch die An­spruchs­ent­ste­hung ge­wollt ha­ben.

Um sich ge­gen das un­ge­woll­te Ent­ste­hen be­trieb­li­cher Übun­gen ab­zu­si­chern, ma­chen Ar­beit­ge­ber oft von ei­nem Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt Ge­brauch. Ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ist ei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung oder ei­ne ein­sei­ti­ge Erklärung des Ar­beit­ge­bers ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer, der zu­fol­ge auf ei­ne be­stimm­te Leis­tung kein An­spruch be­steht. Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te können je­weils zu­sam­men mit der Leis­tung erklärt wer­den, al­so z.B. je­des Jahr zu­sam­men mit der Weih­nachts­geld­zah­lung, oder ein für al­le­mal, d.h. durch ei­ne ge­eig­ne­te Klau­sel im Ar­beits­ver­trag.

In der Ver­gan­gen­heit wur­den ar­beits­ver­trag­li­che Frei­wil­lig­keits­vor­be­hal­te oft mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt kom­bi­niert, d.h. die Klau­sel lau­te­te et­wa, dass über den Lohn hin­aus gewähr­te Zah­lun­gen „frei­wil­li­ge und stets wi­der­ruf­li­che Leis­tun­gen“ sei­en. Die­se Klau­sel wur­de im­mer schon als un­ge­schickt kri­ti­siert, da ein Wi­der­rufs­vor­be­halt vor­aus­setzt, dass die ihm un­ter­lie­gen­de Leis­tung be­an­sprucht wer­den kann (der An­spruch soll mit der Ausübung des vor­be­hal­te­nen Wi­der­rufs ja ge­ra­de be­sei­tigt wer­den), wo­hin­ge­gen ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt die Ent­ste­hung des An­spruchs von vorn­her­ein ver­hin­dert.

Seit dem 01.01.2002 gel­ten die ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten über die Kon­trol­le All­ge­mei­ner Geschäfts­be­din­gun­gen (AGB) auch im Ar­beits­recht; für vor­her ge­schlos­se­ne Ar­beits­verträge gel­ten sie ab dem 01.01.2003. AGB sind für ei­ne Viel­zahl von Verträgen vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gun­gen, die die ei­ne Ver­trags­par­tei (Ver­wen­der) der an­de­ren Ver­trags­par­tei bei Ab­schluss ei­nes Ver­trags stellt (§ 305 Abs.1 Satz 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch). Sol­che Klau­seln ber­gen die Ge­fahr der Un­an­ge­mes­sen­heit und sind da­her nur gültig, wenn sie den An­for­de­run­gen der §§ 305 ff. BGB ent­spre­chen.

Vor dem Hin­ter­grund die­ser Ge­set­zesände­rung ist die vom Ar­beit­ge­ber vor­ge­ge­be­ne for­mu­lar­ver­trag­li­che Kom­bi­na­ti­on von Frei­wil­lig­keits- und Wi­der­rufs­vor­be­halt als un­kla­re und da­mit gemäß § 307 Abs.1 Satz 2 BGB un­wirk­sa­me Klau­sel kri­ti­siert wor­den: Während nämlich ein Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ei­nen An­spruch erst gar nicht ent­ste­hen lässt, setzt der Wi­der­rufs­vor­be­halt ei­nen An­spruch ge­ra­de vor­aus, so dass die ge­sam­te Klau­sel in sich wi­dersprüchlich, da­mit un­klar im Sin­ne von § 307 Abs.1 BGB und im Er­geb­nis un­wirk­sam ist.

In die­se Rich­tung ge­hend hat­te sich auch das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­nem Ur­teil vom 30.07.2008 (10 AZR 606/07) geäußert, je­den­falls in der zu die­sem Ur­teil veröffent­li­chen Pres­se­mit­tei­lung 59/08. Hier hieß es kurz und bündig, sol­che Klau­seln sei­en nicht klar und des­halb un­wirk­sam; Wi­der­rufs- und Frei­wil­lig­keits­klau­seln schlössen sich ge­gen­sei­tig aus (wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell 08/093: BAG be­schränkt Frei­wil­lig­keits­klau­seln bei Son­der­zah­lun­gen). Ei­ne Kom­bi­na­ti­ons­klau­sel schien da­her un­wirk­sam zu sein.

In den später veröffent­li­chen Ur­teils­gründen wird die Wi­dersprüchlich­keit der strei­ti­gen Klau­sel aber da­mit be­gründet, dass dem Ar­beit­neh­mer ein Weih­nachts­geld for­mu­lar­ver­trag­lich aus­drück­lich zu­ge­sagt wor­den war: In der Klau­sel hieß es nämlich, der Ar­beit­neh­mer „erhält Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­ti­on in Höhe des Brut­to­ge­hal­tes“, so dass der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt zu­sam­men mit die­sem Leis­tungs­ver­spre­chen un­klar bzw. wi­dersprüchlich war.

Ei­ne for­mu­lar­ver­trag­li­che Klau­sel, der zu­fol­ge Son­der­zah­lun­gen „frei­wil­lig und stets wi­der­ruf­lich“ sein sol­len, ist da­her mögli­cher­wei­se nicht nur dann un­klar bzw. un­wirk­sam, wenn dem Ar­beit­neh­mer die dem Vor­be­halt un­ter­lie­gen­de Leis­tung gleich­zei­tig ver­spro­chen wur­de. Über ei­nen sol­chen Fall hat­te vor kur­zem das LAG Düssel­dorf zu ent­schei­den (Ur­teil vom 29.07.2009, 2 Sa 470/09).

Der Fall: Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt "oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung"

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer war seit 1996 bei sei­nem Ar­beit­ge­ber beschäftigt. Die von die­sem vor­for­mu­lier­ten und dem Ar­beit­neh­mer bei Ver­trags­ab­schluss ge­stell­ten Ver­trags­be­din­gun­gen ent­hiel­ten fol­gen­de Klau­sel, die Son­der­zah­lun­gen re­gelt:

„Gra­ti­fi­ka­ti­on: So­weit der Ar­beit­ge­ber ge­setz­lich oder durch Ta­rif­ver­trag nicht vor­ge­schrie­be­ne Leis­tun­gen, wie Prämi­en, Zu­la­gen, Ur­laubs­geld, Gra­ti­fi­ka­tio­nen, Weih­nachts­gra­ti­fi­ka­tio­nen gewährt, er­fol­gen sie frei­wil­lig und oh­ne je­de recht­li­che Ver­pflich­tung. Sie sind da­her je­der­zeit oh­ne War­nung ei­ner be­son­de­ren Frist wi­der­ruf­bar.“

Der Ar­beit­ge­ber zahl­te für die Jah­re 2005, 2006 und 2007 ein Weih­nachts­geld in Höhe ei­nes Brut­to­mo­nats­ver­diens­tes. Im Jah­re 2008 gewähr­te er es nicht mehr, wor­auf­hin der Ar­beit­neh­mer vor das Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach zog und mit Er­folg auf Zah­lung klag­te (Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach, Ur­teil vom 6.4.2009, 5 Ca 3995/08).

In dem zu­guns­ten des Ar­beit­neh­mers er­gan­ge­nen Ur­teil ver­weist das Ar­beits­ge­richt auf die o.g. Ent­schei­dung des BAG (Ur­teil vom 30.07.2008, 10 AZR 606/07). Die­sem Ur­teil meint das Ar­beits­ge­richt die Aus­sa­ge ent­neh­men zu können, dass in AGB ent­hal­te­ne Wi­der­rufs- und Frei­wil­lig­keits­klau­seln sich stets ge­gen­sei­tig aus­sch­ließen.

Wi­der­rufs­vor­be­halt als "Stützung des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts"

Das LAG Düssel­dorf hob das Ur­teil der Vor­in­stanz auf und wies die Kla­ge ab. Gleich­zei­tig ließ es we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der An­ge­le­gen­heit die Re­vi­si­on zum BAG zu.

In der Be­gründung wer­tet das LAG, wie schon das Ar­beits­ge­richt Mönchen­glad­bach, das Ur­teil des BAG vom 30.07.2008 (10 AZR 606/07) aus, zieht aus die­sem aber an­de­re Schluss­fol­ge­run­gen als das Ar­beits­ge­richt. Zu­recht weist das LAG nämlich dar­auf hin, dass in dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall die Zah­lung ei­nes Weih­nachts­gel­des aus­drück­lich zu­ge­sagt wor­den war. Zu die­ser Leis­tungs­zu­sa­ge, so das LAG, stand der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt im Wi­der­spruch; der Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt wie­der­um wi­der­sprach auch dem Wi­der­rufs­vor­be­halt, der den An­spruch auf die Leis­tung be­kräftig­te.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist das LAG der Mei­nung, das Ur­teil des BAG vom 30.07.2008 (10 AZR 606/07) könne auf den hier zu ent­schei­den­den Fall nicht über­tra­gen wer­den. In der Tat sagt das BAG in die­sem Ur­teil nicht, dass die Kom­bi­na­ti­on ei­nes Frei­wil­lig­keits- mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt oh­ne wei­te­res und in al­len Fällen die Un­wirk­sam­keit des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts nach sich zieht.

Ob­wohl „ju­ris­tisch spitz“ ge­se­hen ein Frei­wil­lig­keits- mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt nicht zu­sam­men­passt, lässt sich al­lein hier­aus noch nicht un­be­dingt die Un­klar­heit ei­ner sol­chen Kom­bi­na­ti­ons­klau­sel für den Ar­beit­neh­mer im Sin­ne des AGB-Rechts ab­lei­ten. Hier meint das LAG viel­mehr zu­recht, der den Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt ergänzen­de Hin­weis auf die Wi­der­ruf­lich­keit der Leis­tung sei von ei­nem „verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­ner“ als „Stützung des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts“ zu ver­ste­hen.

Der Leit­satz der Ent­schei­dung des LAG Düssel­dorf lau­tet da­her:

„Weist ein Ar­beit­ge­ber in ei­nem vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag, der kei­ne Zu­sa­ge über die Leis­tung ei­ner Son­der­zah­lung enthält, dar­auf hin, die Gewährung ei­ner sol­chen be­gründe kei­nen Rechts­an­spruch des Ar­beit­neh­mers, be­nach­tei­ligt ein klar und verständ­lich for­mu­lier­ter Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt den Ar­beit­neh­mer auch dann nicht un­an­ge­mes­sen i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB, wenn der Ar­beit­ge­ber die­sen Vor­be­halt mit ei­nem Wi­der­rufs­vor­be­halt kom­bi­niert (in An­schluss an BAG 30.07.2008 - 10 AZR 606/07 - EzA § 307 BGB 2002 Nr. 38). Der Wi­der­rufs­vor­be­halt dient in die­sem Fall nur der Stützung des Frei­wil­lig­keits­vor­be­halts mit der Fol­ge, dass ei­ne be­trieb­li­che Übung nicht ent­ste­hen kann.“

Fa­zit: Die Ent­schei­dung des LAG Düssel­dorf ist gut be­gründet und steht nicht im Wi­der­spruch zu dem Ur­teil des BAG vom 30.07.2008 (10 AZR 606/07). In dem vom BAG ent­schie­de­nen Fall spiel­te der Wi­der­spruch zwi­schen Frei­wil­lig­keits­vor­be­halt und Wi­der­rufs­vor­be­halt nur am Ran­de ei­ne Rol­le.

Es bleibt so­mit die Fra­ge, ob ei­ne vor­for­mu­lier­te Ver­trags­klau­sel, die ei­nen für den Ar­beit­neh­mer al­lein ungüns­ti­gen, d.h. Rechts­ansprüche aus Be­triebsübung ver­hin­dern­den In­halt hat, in der Kom­bi­na­ti­on von Frei­wil­lig­keits- mit Wi­der­rufs­vor­be­halt be­ste­hen kann (so das LAG Düssel­dorf) - oder ob ei­ne sol­che Kom­bi­na­ti­ons­klau­sel in al­len Fällen, d.h. auch dann un­klar und da­her un­wirk­sam ist, wenn dem Ar­beit­neh­mer die Leis­tung nicht aus­drück­lich zu­ge­sagt wird.

Soll­te der Kläger die Re­vi­si­on ein­le­gen, wird das BAG hier Klar­heit schaf­fen müssen. Vor­aus­sicht­lich wird die Rechts­an­sicht des LAG Düssel­dorf Be­stand ha­ben.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu dem Vor­gang fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) über den Fall ent­schie­den und das Ur­teil des LAG Düssel­dorf auf­ge­ho­ben. Das BAG-Ur­teil und ei­ne kur­ze Kom­men­tie­rung fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 8. März 2018

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