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LAG Bremen, Urteil vom 31.01.2007, 2 Sa 271/06
Schlagworte: | ||
Gericht: | Landesarbeitsgericht Bremen | |
Aktenzeichen: | 2 Sa 271/06 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 31.01.2007 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven | |
Landesarbeitsgericht Bremen
Aktenzeichen: 2 Sa 271/06
9 Ca 9509/04 Bremen-Bremerhaven
Verkündet am: 31.01.2007
Im Namen des Volkes
Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
U r t e i l
In dem Berufungsverfahren
Beklagte und Berufungsklägerin
Prozessbevollm.:
gegen
Klägerin und Berufungsbeklagte
Prozessbevollm.:
hat das Landesarbeitsgericht Bremen - Zweite Kammer - aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
als Vorsitzenden
und die ehrenamtlichen Richter
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für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 27.04.2005 - Az.: 9 Ca 9509/04 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten
R e v i s i o n
eingelegt werden.
Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden. Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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Die Anschrift des Bundesarbeitsgerichts lautet:
Bundesarbeitsgericht,
99113 Erfurt.
Per Telefax ist das Bundesarbeitsgericht unter der
Telefax-Nr. (0361) 26 36 – 20 00
zu erreichen.
Für die Klägerin ist gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben.
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung - für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr - bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
T A T B E S T A N D :
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.
Die Klägerin war seit 01.11.1992 bei der Beklagten als Sachbearbeiterin in der Betriebsabrechnung zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 3.050,28 € tätig. Beide Parteien sind tarifgebunden.
Seit 08.10.2003 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte hat bis 18.11.2003 Entgeltfortzahlung geleistet, danach hat die Klägerin bis 14.12.2003 Krankengeld bezogen.
Mit Schreiben vom 24.10.2003, zugegangen an diesem Tag, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgerecht zum 31.03.2004 gekündigt.
Am 11.11.2003 hat die Klägerin hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben (9 Ca 9650/03). Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Beklagte die Kündigung mit betriebsbedingten und verhaltensbedingten Gründen begründet.
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Im Gütetermin am 28.11.2003 hat das Gericht den Parteien folgenden Vergleichsvorschlag gemacht:
„1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund fristgemäßer, arbeitgeberseitiger Kündigung aus betriebsbedingten Gründen mit dem 31.03.2004 sein Ende finden.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet, wobei die Klägerin ab 15.12.2003 unwiderruflich unter Fortzahlung der Bezüge und unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche von der Arbeitsleistung freigestellt wird.
2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Nr. 9 EStG einen Betrag von 12.500,00 € brutto, fällig mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
3. Die Beklagte wird der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis und auf Wunsch ein dem entsprechendes Zwischenzeugnis erstellen.
4. Mit diesem Vergleich ist der Rechtsstreit 9 Ca 9650/03 erledigt.“
Die Beklagte hat dem Vergleichsvorschlag mit Schriftsatz vom 08.12.2003, an die Klägerseite übersandt am 09.12.2003, zugestimmt. Die Klägerin hat ihre Zustimmung mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 15.12.2003, eingegangen an diesem Tag, erklärt. Am 16.12.2003 wur-de das Zustandekommen des Vergleiches durch Beschluss festgestellt.
Eine Entgeltzahlung hat die Beklagte ab 15.12.2003 zunächst nicht geleistet, Krankengeld hat die Klägerin ab 15.12.2003 nicht mehr bezogen.
Ende Januar 2004 hat die Klägerin eine am 26.01.2004 ausgestellte ärztliche Bescheinigung von Dr. med. J. H. bei der Beklagten eingereicht in der es heißt: „Frau A. ist ab 15.12.2003 wieder arbeitsfähig.“
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf Blatt 52 der Akte Bezug genommen.
Die Beklagte hat dann zunächst ab Februar 2004 die Vergütungszahlung wieder aufgenom-
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Mit Schreiben vom 02.03.2004 haben die Bevollmächtigten der Klägerin unter Fristsetzung bis 15.03.2004 Vergütungszahlung für den Zeitraum vom 15.12.2003 bis einschließlich Januar 2004 begehrt.
Mit der Abrechnung März 2004 hat die Beklagte eine Abrechnung für Januar 2004 übersandt und sechs Arbeitstage nebst Kontoführungsgebühr mit insgesamt 591,41 € brutto vergütet.
Mit Schriftsatz vom 06.10.2004, eingegangen am 07.10.2004, hat die Klägerin das vorliegende Verfahren eingeleitet.
Sie hat die Auffassung vertreten, Vergütungsansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum stünden ihr zu und hat vorgetragen, dass sie – wäre sie nicht freigestellt worden – in der Lage gewesen wäre, Bürotätigkeiten und Sachbearbeiterinnentätigkeiten im Rechnungswesen durchzuführen. Der die Klägerin behandelnde Arzt habe sie ab 15.12.2003 für arbeitsfähig gesund und in der Lage gesehen, beispielsweise Bürotätigkeiten wie Eingangsrechnungsprüfung, Kontieren von Rechnungen und Gutschriften, Vorbereitung und Erstellung von Jahresabschlüssen und Arbeiten am PC zu verrichten. Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet, aus dem gerichtlichen Vergleich die Klägerin unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freizustellen, so dass sich ein Vergütungszahlungsanspruch aus dem Vergleich ergebe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 3.985,29 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, sie gehe davon aus, dass die Klägerin auch über den 15.12.2003 hinaus arbeitsunfähig gewesen sei und daher ihre vertragliche Arbeitsleistung habe nicht erbringen können. Sie hat die Auffassung vertreten, dass dem sechs Wochen später eingeholten Gefälligkeitsattest eine indizielle Wirkung nicht zukomme. Deswegen habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die Gegenleistung. Der Vergleich setze Arbeitsfähigkeit
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der Arbeitnehmerin voraus. Einen über den Verzicht der Entgegennahme der Gegenleistung des Arbeitnehmers hinausgehenden Willen des Arbeitgebers, seine vertragliche Leistung auch dann bedingungslos erbringen zu wollen, wenn gesetzliche oder vertragliche Voraussetzungen nicht mehr vorlägen, könne nicht unterstellt werden. Ein entsprechender Wille zu darüber hinausgehender Leistung hätte der eindeutigen Formulierung bedurft.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Akte des Rechtsstreits 9 Ca 9650/03 beigezogen und zum Gegenstand der Verhandlung gemacht.
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 27.04.2005 folgendes Urteil verkündet:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3,985,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2004 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 3.985,29 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird – soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist (§ 64 Abs. 2 Buchst. b) bis d) ArbGG) – zugelassen.
Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, unabhängig von der Frage, ob die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum arbeitsfähig gewesen sei oder nicht, ergebe sich der Anspruch der Klägerin direkt aus Ziff. 1 Abs. 2 des abgeschlossenen Vergleichs. Bei Beachtung der allgemeinen Grundsätze für die Auslegung von Verträgen, wozu auch gerichtliche Vergleiche gehörten, wonach der wirkliche Wille der Parteien maßgeblich sei, wie er im Vergleichstext zum Ausdruck komme, gehe die Kammer davon aus, dass die Vergleichsregelung unter Berücksichtigung aller Umstände, die zum Vergleichsabchluss geführt hätten, eine eigenständige Anspruchsgrundlage darstelle. Anhaltspunkte für eine andere Auslegung hätten im Vergleichstext keinen Niederschlag gefunden. Es sei nicht davon auszugehen, dass der Willen beider Parteien darauf gerichtet gewesen sei, einen Vergütungsanspruch nur entstehen zu lassen, wenn die Klägerin tatsächlich arbeitsfähig sei. Das
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Arbeitsverhältnis sei erheblich belastet gewesen. Gerade vor diesem Hintergrund diene die Freistellungsvereinbarung dazu, weiteren Streit im Arbeitsverhältnis zu vermeiden und dem Arbeitnehmer Vergütungsansprüche für den Rest der Vergütungsfrist zu gewähren, ohne dass im Einzelnen geprüft werde, ob ihm der Vergütungsanspruch auch tatsächlich zustehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Blatt 75 bis 80 der Akte) verwiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde der Beklagten am 17.05.2005 zugestellt. Deren Berufung ging am 31.05.2005, die Berufungsbegründung am 18.07.2005 nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.
Die Beklagte greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen an.
Die Beklagte beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 27. April 2005 zum Aktenzeichen 9 Ca 9509/04, zugestellt am 17. Mai 2005, wird abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Berufungsklägerin und Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen.
Nach dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 23.11.2005 wurde eine schriftliche Auskunft der Handelskrankenkasse darüber eingeholt, aufgrund welcher Umstände, die Krankengeldzahlungen für die Klägerin ab 15.12.2003 eingestellt worden sei, sowie eine schriftliche Auskunft des die Klägerin behandelnden Arztes, worauf seine Feststellung vom 26.01.2004 beruhe, die Klägerin sei ab dem 15.12.2004 arbeitsfähig.
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Die Handelskrankenkasse teilte dem Gericht mit, zahlungsbegründende Unterlagen für die Zeit nach dem 14.12.2003 lägen nicht vor.
Der Arzt teilte mit, ihm seien einleuchtende Beispiele vorgelegt worden, die zu erheblichen psychosomatischen Beschwerden der Klägerin geführt hätten. Die Beschwerden hätten sich im November 2003 gebessert, da die Klägerin keinen Kontakt mehr zu den Arbeitskolleginnen bzw. Vorgesetzten gehabt habe. Die körperlichen und psychosomatischen Beschwerden beruhten einzig und allein auf dieser Konfliktsituation. Ab Mitte Dezember 2003 sei die Klägerin für ihn soweit stabilisiert gewesen, dass sie in jeder anderen Firma sofort ihre Tätigkeit hätte aufnehmen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die schriftlichen Stellungnahmen der Handelskrankenkasse und des Dr. H. verwiesen.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
I.
Die Berufung der Beklagten war im Hinblick auf den in erster Instanz festgesetzten Streitwert, der dem Beschwerdewert entspricht, statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassungen des Arbeitsgerichts im angegriffenen Urteil und sieht insoweit von der Darstellung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab.
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2. Unabhängig von dieser Rechtsauffassung steht einer für die Klägerin positiven Entscheidung die Ermittlung des objektiven Inhalts des Vergleichstextes, den das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven den Parteien vorgeschlagen hat, durch das BAG (Urteil vom 29.09.2004 - 5 AZR 99/04 -) nicht im Wege. Das BAG sieht die Bedeutung dieser Vereinbarung darin, dass mit ihr kein Rechtsgrund für die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers geschaffen werden soll, die über die gesetzlich geregelten Fälle der Entgeltzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hinausgehen.
a) Im vorliegenden Fall ist die atypische Situation eingetreten, dass die Vermutung der Beklagten, die Klägerin sei über den 15.12.2003 hinaus arbeitsunfähig gewesen, für den Fall einer weiter bestehenden Arbeitsverpflichtung zuträfe, nicht aber für den im Vergleich geregelten Fall des Wegfalls der Arbeitsverpflichtung der Klägerin. Im Hinblick auf diese im Vergleich vereinbarte, den Arbeitsvertrag modifizierende Regelung kann die Klägerin nach den Feststellungen des sie behandelt habenden Arztes nicht als arbeitsunfähig im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes angesehen werden. Arbeitsunfähigkeit ist stets bezogen auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers festzustellen (Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz 5. Aufl. § 3 EFZG Anm. 59 m.w.Nw.). Arbeitsunfähigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer seiner konkreten Tätigkeit nur auf die Gefahr hin nachgehen kann, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert (Schmitt a.a.O.).
Nach Auffassung des Arztes war die Klägerin in Bezug auf von ihm festgestellte Konfliktsituation an ihrem Arbeitsplatz nicht arbeitsfähig. Bei jedem anderen Arbeitgeber hätte sie allerdings die ihr übertragenen Verwaltungsaufgaben erfüllen können. Nach seiner Einschätzung hätte er der Klägerin Arbeitsunfähigkeit attestieren müssen, wenn sie verpflichtet gewesen wäre, ab 15. Dezember 2003 ihren Arbeitsplatz wieder aufzusuchen, damit eine Verschlechterung Ihres Gesundheitszustands nicht eintreten kann. Da die Klägerin jedoch nicht mehr verpflichtet war, bei der Beklagten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu arbeiten, konnte in Bezug auf die ihr obliegenden Verpflichtungen gegenüber der Beklagten weder objektiv der Zustand von Krankheit festgestellt werden, noch war eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes zu befürchten.
Da die Klägerin nach den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes nicht als arbeitsunfähig anzusehen war, ist die Beklagte verpflichtet, entsprechend den Regelungen im gerichtlichen Vergleich das vereinbarte Entgelt zu zahlen.
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Dass die Kläger objektiv nach den Feststellungen des Arztes nicht in der Lage war, ihre Arbeitskraft ordnungsgemäß anzubieten (§§ 294, 295, 297 BGB) ist nicht entscheidungserheblich, da die Klägerin keinen Anspruch aus Annahmeverzug geltend macht, sondern ihren Anspruch aus dem abgeschlossenen Vergleich ableitet.
b) Selbst wenn man mit der Beklagten die Klägerin für weiterhin arbeitsunfähig i. S. von § 3 EFZG hält, ergibt sich für die Beklagte kein günstigeres Ergebnis.
Der vorliegende Fall gibt nämlich Veranlassung, die getroffene Vereinbarung der Parteien unter Berücksichtigung der Umstände, die zu ihr geführt haben, einzelfallbezogen, gegebenenfalls ergänzend auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach den allgemeinen Regelungen über Verträge - und um einen solchen handelt es sich bei dem Vergleich - Parteien verbindlich einen vom objektiven Erklärungsinhalt abweichenden Willen als Inhalt des Vertrages festlegen können. Im vorliegenden Fall spricht die durch den Vergleich bereinigte Konfliktsituation im Arbeitsverhältnis dafür, anzunehmen, dass mit der Freistellungsvereinbarung vor allem sichergestellt werden sollte, dass die Klägerin den Betrieb nicht mehr aufsucht. Dies zeigt die Zustimmung der Beklagten vom 8. Dezember 2003 zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag, in der als Motiv für die Zustimmung zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag die erhebliche Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses angegeben wurde.
Im Vordergrund stand somit die definitive Beendigung eines für beide Parteien belastetenden Arbeitsverhältnisses, ohne dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Klägerin noch Leistungen zu erbringen waren. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien den Inhalt des Vergleichs so verstanden haben, dass mit der festgelegten Entgeltzahlungsverpflichtung der Beklagten die Vorstellung verbunden war, diese bestehe nur dann, wenn die Klägerin bezogen auf die konkreten Bedingungen ihres Arbeitsplatzes in der Lage gewesen wäre, Arbeitsleistung zu erbringen, ergeben sich weder aus der Akte des Vorprozesses, noch aus der vorliegenden. Der Vergleich ist insofern den, objektiven Erklärungsinhalt einschränkend so auszulegen, dass zwar im Grundsatz die gesetzliche Regelung zur Entgeltfortzahlung maßgeblich ist, davon aber derartige gesundheitliche Störungen auszunehmen sind, die nach den bisherigen Erfahrungen typischerweise mit der Situation der Klägerin im Arbeitsverhältnis verbunden war.
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Eine andere Auslegung würde bei Annahme von Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Sinne der ärztlichen Stellungnahme den hier gegebenen Umständen nicht gerecht werden.
Eine Auslegung des Vergleichs in der von der Beklagten für richtig gehaltenen Weise hätte bei nachträglicher Bewertung ihres damaligen Zustandes erhebliche Schwierigkeiten mit sich gebracht, weil der die Klägerin behandelnde Arzt sie ab dem 14.12. nicht mehr hat arbeitsunfähig mit der Folge der Einstandspflicht der Krankenkasse für das Krankengeld hat schreiben wollen, da er hierfür keinen Anlass gesehen hat. Dadurch würde die merkwürdige Situation eintreten, dass in Bezug auf das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten die Klägerin als arbeits-unfähig anzusehen wäre, in Bezug auf die Krankenkasse allerdings nicht. Dies hätte weiter zur Folge, dass die Klägerin vom Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung und von der Krankenkasse kein Krankengeld verlangen kann. Dass die Parteien mit diesem Vergleich eine derartige Folge haben erreichen wollen, kann nicht angenommen werden.
Dabei kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Klägerin bei Ihrem Besuch des Arztes am 12.12.2003 von der Zustimmung der Beklagten zum gerichtlichen Vergleichsvorschlag gewusst haben muss. Die Zustimmung der Beklagten wurde durch das Arbeitsgericht am 09.12.2003 an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin weitergeleitet. Ihre eigene Zustimmung dürfte zu diesem Zeitpunkt ebenfalls fest gestanden haben, da ihre Prozessbevollmächtigten diese mit Schriftsatz vom 15.12. dem Gericht mitgeteilt haben. Die Klägerin wird des-halb unabhängig davon, ob sie sich für krank hält oder nicht, auch keinen Anlass gehabt haben, dafür zu sorgen, dass der Arzt ihr eine Bescheinigung ausstellt, die sie zum weiteren Krankengeldbezug berechtigt. Die Formulierung des Vergleiches steuert somit das Verhalten der Klägerin in Bezug auf das, was sie zu tun hat, um sich für die Zeit der Kündigungsfrist eine finanzielle Grundlage für ihre Existenz zu schaffen. Dem Vergleichstext konnte die Klägerin nicht entnehmen, dass sie den Arzt hätte veranlassen müssen, sie zur Sicherung von Krankengeldansprüchen weiter arbeitsunfähig zu schreiben. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin bewusst gewesen ist, der Arzt halte sie nur unter der Einschränkung für gesund, nicht bei der Beklagten arbeiten zu müssen.
Die Berufung der Beklagten war daher zurückzuweisen.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Berufungskammer sah sich veranlasst, die Revision zuzulassen.
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