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BAG, Ur­teil vom 14.01.2009, 3 AZR 900/07

   
Schlagworte: Fortbildung, AGB
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 900/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.01.2009
   
Leitsätze:

1. Es ist grundsätzlich zulässig, in vom Arbeitgeber gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rückzahlung von Fortbildungskosten zu vereinbaren und die Höhe des Rückzahlungsbetrages davon abhängig zu machen, ob der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Bindungsdauer beendet.

2. Die Bindungsdauer darf den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligen. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach Regelwerten, die jedoch einzelfallbezogenen Abweichungen zugänglich sind.

3. Gibt der Arbeitgeber eine zu lange Bindungsdauer vor, ist die daran geknüpfte Rückzahlungsklausel grundsätzlich insgesamt unwirksam. Ein Rückzahlungsanspruch besteht nicht. Jedoch kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die unzulässige Bindungsdauer auf eine zulässige zurückgeführt werden, wenn es wegen der einzelfallbezogenen Betrachtung für den Arbeitgeber objektiv schwierig war, die zulässige Bindungsdauer im Einzelfall zu bestimmen. Verwirklicht sich dieses Prognoserisiko, ist die Bindungsdauer durch ergänzende Vertragsauslegung zu bestimmen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dessau, Urteil vom 25.01.2007, 10 Ca 150/06
Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 06.09.2007, 10 Sa 142/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


3 AZR 900/07
10 Sa 142/07
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Sach­sen-An­halt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

14. Ja­nu­ar 2009

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Wi­derkläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Wi­der­be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 14. Ja­nu­ar 2009 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Rei­ne­cke, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krem­hel­mer
 


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und Dr. Zwan­zi­ger so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Ober­ho­fer und Stem­mer für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt vom 6. Sep­tem­ber 2007 - 10 Sa 142/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten im Rah­men ei­ner Wi­der­kla­ge noch über die Ver­pflich­tung der Kläge­rin, Aus­bil­dungs­kos­ten zu er­stat­ten.

Die Kläge­rin war bei der Be­klag­ten, ei­nem mit­telständi­schen Un­ter­neh­men, seit dem 18. Ja­nu­ar 2002 als Büro­kauf­frau tätig ge­we­sen. Sie wur­de zu­letzt als As­sis­ten­tin der Geschäfts­lei­tung ein­ge­setzt. Ihr Ar­beits­ent­gelt be­trug 1.329,36 Eu­ro.

Am 26. Sep­tem­ber 2003 kam zwi­schen den Par­tei­en ein „Fort­bil­dungs­ver­trag mit Rück­zah­lungs­klau­sel für ge­werb­li­che Ar­beit­neh­mer der U GmbH“ zu­stan­de. Die­se Ver­ein­ba­rung wur­de von der Be­klag­ten ein­sei­tig vor­for­mu­liert, oh­ne dass die Kläge­rin die Möglich­keit hat­te, auf den In­halt Ein­fluss zu neh­men. Sie lau­tet aus­zugs­wei­se wie folgt:

„Zwi­schen ...

wird fol­gen­der Fort­bil­dungs­ver­trag mit Rück­zah­lungs­klau­sel als Zu­satz zum be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trag an­ge­nom­men.

§ 1

1.

Die Ar­beit­neh­me­rin nimmt in der Zeit vom 26.09.2003 - 30.10.2004 an ei­nem Lehr­gang mit dem Aus­bil­dungs­ziel Be­triebs­wir­tin (HWK) 28 - WE teil.
 


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2.


Die Par­tei­en sind sich darüber ei­nig, dass die Teil­nah­me auf ei­ge­nen Wunsch der Ar­beit­neh­me­rin im In­ter­es­se ih­rer be­ruf­li­chen Fort- und Wei­ter­bil­dung er­folgt und den In­ter­es­sen der Fir­ma ent­spricht.

§ 2

1.

Die Fir­ma stellt der Ar­beit­neh­me­rin die Lehr­gangs­kos­ten, be­ste­hend aus 3.100,00 € Lehr­gangs­gebühr und 260,00 € Prüfungs­gebühr zur Verfügung.

2.

Die Fir­ma wird die Ar­beit­neh­me­rin für die Zeit der Aus­bil­dung frei­stel­len.
Der Aus­bil­dungs­plan ist An­la­ge des Ver­tra­ges.
Die Fir­ma wird die Ar­beit­neh­me­rin 50 % der Werk­ta­ge un­ter Fort­zah­lung der Bezüge frei­stel­len. Die an­de­ren 50 % der Aus­bil­dungs­ta­ge nimmt die Ar­beit­neh­me­rin Ur­laub.

3.

Die Kos­ten zur Ver­pfle­gung, Un­ter­brin­gung und Fahrt-kos­ten wer­den von der Ar­beit­neh­me­rin ge­tra­gen.

§ 3

Hat die Fir­ma die Be­zah­lung obi­ger Kos­ten über­nom­men, so ist die Ar­beit­neh­me­rin zur Rück­zah­lung der Bezüge und Lehr­gangs­kos­ten ver­pflich­tet, wenn sie das Ar­beits­verhält­nis kündigt oder wenn sie sei­tens der Fir­ma aus ei­nem von der Ar­beit­neh­me­rin zu ver­tre­ten­den Grund gekündigt wird.

Für je ei­nen Mo­nat der Beschäfti­gung nach En­de des Lehr­gan­ges wer­den 1/60 des ge­sam­ten Rück­zah­lungs­be­tra­ges er­las­sen.
...“

Ge­gen­stand der Aus­bil­dung wa­ren Volks­wirt­schafts­leh­re, Be­triebs­wirt­schafts­leh­re, Per­so­nal­ma­nage­ment so­wie Recht. Die Ge­samt­aus­bil­dungs­dau­er be­trug 500 St­un­den zuzüglich der Prüfungs­stun­den. Die Be­klag­te stell­te die Kläge­rin für ins­ge­samt 32 Ta­ge von der Ar­beits­leis­tung frei und zahl­te das ver­ein­bar­te Ar­beits­ent­gelt fort. Da­bei rech­ne­te sie 16 Ta­ge auf den Jah­res­ur­laub an.



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Am 26. No­vem­ber 2004 leg­te die Kläge­rin vor der Hand­werks­kam­mer H die Fort­bil­dungs­prüfung mit Er­folg ab. Da­durch er­lang­te die Kläge­rin den bun­des­weit an­er­kann­ten Ab­schluss Be­triebs­wir­tin (HWK). Er ver­mit­telt den Nach­weis von Führungs­kom­pe­tenz und be­triebs­wirt­schaft­li­cher Hand­lungs-wei­se. Außer­dem be­steht die Möglich­keit, un­ter An­rech­nung bis­he­ri­ger Leis­tun­gen ein fünf­s­e­mest­ri­ges kaufmänni­sches Fach­hoch­schul­stu­di­um mit dem Ab­schluss „Ba­che­lor of Arts (Un­ter­neh­mensführung)“ an der Fach­hoch­schu­le Z zu ab­sol­vie­ren, das in Ko­ope­ra­ti­on mit dem Eu­ropäischen In­sti­tut für post­gra­dua­le Bil­dung an der Tech­ni­schen Uni­ver­sität D statt­fin­det. Die Qua­li­fi­ka­ti­on der Kläge­rin war für ih­re Tätig­keit als As­sis­ten­tin der Geschäfts­lei­tung er­for­der­lich.


Die Kläge­rin kündig­te das Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 14. Ju­li 2006 zum 14. Au­gust 2006.

Mit ih­rer Wi­der­kla­ge hat die Be­klag­te die Rück­zah­lung an­tei­li­ger Fort­bil­dungs­kos­ten gel­tend ge­macht. Da­bei ist sie von ei­ner Er­stat­tung in Höhe von 39/60 der ent­stan­de­nen Kos­ten aus­ge­gan­gen und hat be­haup­tet, die­se hätten ins­ge­samt 4.427,76 Eu­ro be­tra­gen, nämlich 3.360,00 Eu­ro Lehr­gangs- und Prüfungs­kos­ten so­wie 1.067,76 Eu­ro Ent­gelt­fort­zah­lungs­kos­ten für 16 Ta­ge. Auf die­ser Ba­sis hat die Be­klag­te ei­nen Rück­zah­lungs­an­spruch von 2.878,20 Eu­ro er­rech­net, den sie in den Vor­in­stan­zen zuzüglich Zin­sen gel­tend ge­macht hat. Das Ar­beits­ge­richt hat die Wi­der­kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.


Mit ih­rer Re­vi­si­on be­gehrt die Be­klag­te noch die Ver­ur­tei­lung der Kläge­rin auf Rück­zah­lung von 553,47 Eu­ro nebst Zin­sen. Zwar sei die Ver­ein­ba­rung ei­ner fünfjähri­gen Bin­dungs­dau­er un­wirk­sam, der Ver­trag sei aber mit ei­ner Bin­dungs­dau­er von 24 Mo­na­ten wei­ter an­zu­wen­den. Da­mit er­ge­be sich ein Rück­zah­lungs­an­spruch von 3/24 der Ge­samt­auf­wen­dun­gen für die Fort­bil­dung. Die Kläge­rin be­gehrt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.
 


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Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet, da der Be­klag­ten kein Rück­zah­lungs­an­spruch zu­steht, auch nicht in dem noch gel­ten­den ge­mach­ten ge­rin­ge­ren Um­fang. Die streit­be­fan­ge­ne Ver­ein­ba­rung un­ter­liegt der Kon­trol­le nach dem Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen. Sie be­nach­tei­ligt die Kläge­rin un­an­ge­mes­sen. Die Re­ge­lung kann auch nicht teil­wei­se auf­recht­er­hal­ten oder ergänzend aus­ge­legt wer­den und da­durch zu Ansprüchen der Be­klag­ten führen.

1. Die Rück­zah­lungs­klau­sel, auf die sich die Be­klag­te be­ruft, ist an­hand des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zu über­prüfen.


Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB un­ter­lie­gen Ver­brau­cher­verträge auch dann der AGB-Kon­trol­le, wenn sie nur zur ein­ma­li­gen Ver­wen­dung be­stimmt sind, so­weit der Ver­brau­cher auf­grund der Vor­for­mu­lie­rung auf ih­ren In­halt kei­nen Ein­fluss neh­men konn­te. Die­se Vor­aus­set­zun­gen lie­gen hier vor: Ar­beit­neh­mer - und da­mit auch die Kläge­rin - sind Ver­brau­cher iSv. § 13 BGB (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu V 1 b der Gründe und ständig, BA­GE 115, 19). Die Kläge­rin konn­te auf den In­halt der Ver­ein­ba­rung kei­nen Ein­fluss neh­men.


Die In­halts­kon­trol­le ist auch nicht nach § 307 Abs. 3 BGB aus­ge­schlos­sen. Da­nach un­ter­lie­gen der In­halts­kon­trol­le nur Be­stim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, mit de­nen von Rechts­vor­schrif­ten ab-wei­chen­de oder sie ergänzen­de Re­ge­lun­gen ver­ein­bart wer­den. Da­zu gehören auch Re­ge­lun­gen, die die Umstände des vom Ver­wen­der ge­mach­ten Haupt­leis­tungs­ver­spre­chens aus­ge­stal­ten (vgl. BAG 18. Ja­nu­ar 2006 - 7 AZR 191/05 - zu B I 5 a der Gründe mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13). Um ei­ne der­ar­ti­ge Re­ge­lung han­delt es sich hier: Die Be­klag­te hat fest­ge­legt, un­ter wel­chen Umständen die von ihr er­brach­te Leis­tung, nämlich die Fi­nan­zie­rung der Fort­bil­dung, der Kläge­rin ver­blei­ben soll­te.
 


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2. Die Rück­zah­lungs­klau­sel be­nach­tei­ligt die Kläge­rin als Ver­trags­part­ner der Ver­wen­de­rin von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, nämlich der Be­klag­ten, ent­ge­gen den Ge­bo­ten von Treu und Glau­ben un­an­ge­mes­sen (§ 307 Abs. 1 BGB).

a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ei­ne for­mu­larmäßige Ver­trags­be­stim­mung un­an­ge­mes­sen, wenn der Ver­wen­der durch ein­sei­ti­ge Ver­trags­ge­stal­tung miss­bräuch­lich ei­ge­ne In­ter­es­sen auf Kos­ten sei­nes Ver­trags­part­ners durch­zu­set­zen ver­sucht, oh­ne von vorn­her­ein auch des­sen Be­lan­ge hin­rei­chend zu berück­sich­ti­gen und ihm ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich zu gewähren. Die Fest­stel­lung ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung setzt ei­ne wech­sel­sei­ti­ge Berück­sich­ti­gung und Be­wer­tung an­zu­er­ken­nen­der In­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner vor­aus. Da­bei sind grund­recht­lich geschütz­te Po­si­tio­nen zu be­ach­ten. Grundsätz­lich ist ein ge­ne­rel­ler, ty­pi­sie­ren­der, vom Ein­zel­fall los­gelöster Maßstab an­zu­le­gen. Art und Ge­gen­stand, Zweck und be­son­de­re Ei­gen­ar­ten des je­wei­li­gen Geschäfts sind in die Be­ur­tei­lung ein­zu­be­zie­hen (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - zu A III 2 der Gründe, AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36). Al­ler­dings sind bei Ver­brau­cher­verträgen, wie hier ei­ner vor­liegt, im Rah­men der Be­ur­tei­lung der un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung auch die den Ver­trags­schluss be­glei­ten­den Umstände zu berück­sich­ti­gen (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB). Da­zu gehören ins­be­son­de­re persönli­che Ei­gen­schaf­ten des in­di­vi­du­el­len Ver­trags­part­ners, die sich auf die Ver­hand­lungsstärke aus­wir­ken, Be­son­der­hei­ten der kon­kre­ten Ver­trags­ab­schluss­si­tua­ti­on und ty­pi­sche Son­der­in­ter­es­sen der Ver­trags­part­ner (vgl. BAG 31. Au­gust 2005 - 5 AZR 545/04 - zu II 3 c der Gründe, BA­GE 115, 372).


b) Bei Zu­grun­de­le­gung die­ser Maßstäbe er­gibt sich, dass die von der Be­klag­ten ver­wen­de­te Rück­zah­lungs­klau­sel die Kläge­rin un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt.


Be­reits be­vor mit dem Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts (vom 26. No­vem­ber 2001, BGBl. I S. 3138) mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2002 das Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen auf Verträge auf dem

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Ge­biet des Ar­beits­rechts er­streckt wur­de (§ 310 Abs. 4 BGB; früher: Be­reichs­aus­nah­me nach § 23 Abs. 1 AGB-Ge­setz), nahm die Recht­spre­chung ei­ne In­halts­kon­trol­le von Rück­zah­lungs­klau­seln an­hand der §§ 138, 242, 315 BGB vor. Die auf die­ser Grund­la­ge ent­wi­ckel­ten Kri­te­ri­en sind auch im Rah­men der Prüfung nach § 307 Abs. 1 BGB her­an­zu­zie­hen (vgl. BAG 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 482/06 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 3 a der Gründe, BA­GE 118, 36).


Da­nach sind ein­zel­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen grundsätz­lich zulässig, nach de­nen sich ein Ar­beit­neh­mer an den Kos­ten ei­ner vom Ar­beit­ge­ber fi­nan­zier­ten Aus­bil­dung zu be­tei­li­gen hat, so­weit er vor Ab­lauf be­stimm­ter Fris­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det. Je­doch können der­ar­ti­ge Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen, die an ei­ne vom Ar­beit­neh­mer zu ver­ant­wor­ten­de Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses an­knüpfen, ge­gen Treu und Glau­ben ver­s­toßen. Das ist an­hand ei­ner Güter­abwägung nach Maßga­be des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes un­ter Her­an­zie­hung al­ler Umstände des Ein­zel­falls zu er­mit­teln. Da­bei ist das In­ter­es­se des Ar­beit­ge­bers, die vom Ar­beit­neh­mer er­wor­be­ne Qua­li­fi­ka­ti­on möglichst lang­fris­tig zu nut­zen, ei­ner­seits, mit dem In­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers, durch die Aus­bil­dung die ei­ge­nen Ar­beits­markt­chan­cen zu ver­bes­sern und sich ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber nur in ei­nem sol­chen Um­fan­ge zu bin­den, wie das im Verhält­nis zu des­sen Auf­wen­dun­gen an­ge­mes­sen ist, an­de­rer­seits ins Verhält­nis zu set­zen (vgl. zum Gan­zen: BAG 24. Ju­ni 2004 - 6 AZR 383/03 - zu B II 2 der Gründe, BA­GE 111, 157; 19. Fe­bru­ar 2004 - 6 AZR 552/02 - zu 2 a aa der Gründe, BA­GE 109, 345; 5. De­zem­ber 2002 - 6 AZR 539/01 - zu 2 der Gründe, BA­GE 104, 125).

Ei­ne Rück­zah­lungs­klau­sel war und ist da­nach nur möglich, wenn die Aus- und Fort­bil­dungs­maßnah­me für den Ar­beit­neh­mer von geld­wer­tem Vor­teil ist, sei es, dass bei sei­nem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner höhe­ren Vergütung erfüllt sind oder dass sich die er­wor­be­nen Kennt­nis­se auch an­der­wei­tig nutz­bar ma­chen las­sen. Außer­dem müssen die Vor­tei­le der Aus­bil­dung und die Dau­er der Bin­dung in ei­nem an­ge­mes­se­nen Verhält­nis zu­ein­an­der ste­hen. Das ist in ers­ter Li­nie nach der Dau­er der Aus- oder Fort-
 


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bil­dungs­maßnah­me, aber auch an­hand der Qua­lität der er­wor­be­nen Qua­li­fi­ka­tio­nen zu be­ur­tei­len. Grundsätz­lich gilt da­bei Fol­gen­des: Bei ei­ner Fort­bil­dungs­dau­er von bis zu ei­nem Mo­nat oh­ne Ver­pflich­tung zur Ar­beits­leis­tung un­ter Fort­zah­lung der Bezüge ist ei­ne Bin­dungs­dau­er bis zu sechs Mo­na­ten zulässig, bei ei­ner Fort­bil­dungs­dau­er von bis zu zwei Mo­na­ten ei­ne einjähri­ge Bin­dung, bei ei­ner Fort­bil­dungs­dau­er von drei bis vier Mo­na­ten ei­ne zweijähri­ge Bin­dung, bei ei­ner Fort­bil­dungs­dau­er von sechs Mo­na­ten bis zu ei­nem Jahr kei­ne länge­re Bin­dung als drei Jah­re und bei ei­ner mehr als zweijähri­gen Dau­er ei­ne Bin­dung von fünf Jah­ren. Ab­wei­chun­gen da­von sind je­doch möglich. Ei­ne verhält­nismäßig lan­ge Bin­dung kann auch bei kürze­rer Aus­bil­dung ge­recht­fer­tigt sein, wenn der Ar­beit­ge­ber ganz er­heb­li­che Mit­tel auf­wen­det oder die Teil­nah­me an der Fort­bil­dung dem Ar­beit­neh­mer über­durch­schnitt­lich große Vor­tei­le bringt. Es geht nicht um rech­ne­ri­sche Ge­setzmäßig­kei­ten, son­dern um richter­recht­lich ent­wi­ckel­te Re­gel­wer­te, die ein­zel­fall­be­zo­ge­nen Ab­wei­chun­gen zugäng­lich sind (vgl. ins­ge­samt da­zu: BAG 19. Ju­ni 1974 - 5 AZR 299/73 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 1; 12. De­zem­ber 1979 - 5 AZR 1056/77 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 4 = EzA BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 1; 23. Fe­bru­ar 1983 - 5 AZR 531/80 - zu II und III der Gründe, BA­GE 42, 49; 11. April 1984 - 5 AZR 430/82 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 8 = EzA BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 4; 23. April 1986 - 5 AZR 159/85 - AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 10 = EzA BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 5; 15. De­zem­ber 1993 - 5 AZR 279/93 - zu B II 2 b der Gründe, BA­GE 75, 215; 6. Sep­tem­ber 1995 - 5 AZR 241/94 - AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 23 = EzA BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 14; 21. No­vem­ber 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BA­GE 100, 13; 21. Ju­li 2005 - 6 AZR 452/04 - zu 2 und 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 37 = EzA BGB 2002 § 611 Aus­bil­dungs­bei­hil­fe Nr. 8).

c) Zu Recht hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt an­ge­nom­men, dass die von der Be­klag­ten ver­wen­de­te fünfjähri­ge Bin­dungs­klau­sel da­nach un­an­ge­mes­sen ist.


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Al­ler­dings hat die Kläge­rin ei­nen for­ma­li­sier­ten Ab­schluss er­wor­ben, der ihr er­heb­li­che zusätz­li­che Kennt­nis­se be­schei­nigt und da­durch ih­re Chan­cen auf dem Ar­beits­markt erhöht. Grundsätz­lich be­ste­hen des­halb kei­ne Be­den­ken da­ge­gen, dass die Be­klag­te be­rech­tigt war, die Kläge­rin an den Kos­ten der Aus­bil­dung dann, wenn sie von sich aus aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det, zu be­tei­li­gen. Un­an­ge­mes­sen lang war je­doch die von der Be­klag­ten in die ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung auf­ge­nom­me­ne Bin­dungs­dau­er. Die von der Kläge­rin durch­lau­fe­ne Aus­bil­dung um­fass­te 500 St­un­den, al­so un­gefähr die Ar­beits­zeit von drei Mo­na­ten. Da­bei ist zu berück­sich­ti­gen, dass 16 Ur­laubs­ta­ge an­ge­rech­net wur­den. Un­ter Berück­sich­ti­gung der über­nom­me­nen Lehr­gangs- und Prüfungs­kos­ten ent­spra­chen die ge­leis­te­ten Zah­lun­gen et­wa drei Brut­to­mo­nats­ent­gel­ten der Kläge­rin. Die Ge­samt­kos­ten von 4.427,76 Eu­ro stell­ten auch dann kei­nen be­son­ders er­heb­li­chen Auf­wand dar, wenn ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts in die Be­ur­tei­lung ein­zu­be­zie­hen war, dass es sich bei der Be­klag­ten um ein mit­telständi­sches Un­ter­neh­men han­delt. Auch für mit­telständi­sche Un­ter­neh­men stellt ein Be­trag von deut­lich we­ni­ger als 5.000,00 Eu­ro kei­ne außer­gewöhn­li­che Be­las­tung dar. An­ge­sichts des­sen kommt im vor­lie­gen­den Fall al­len­falls ei­ne zulässi­ge Bin­dung von zwei, nicht je­doch von fünf Jah­ren in Be­tracht.


3. Ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten ist die von ihr ver­wen­de­te Klau­sel auch nicht mit der - mögli­cher­wei­se - zulässi­gen Bin­dungs­dau­er von zwei Jah­ren auf­recht­zu­er­hal­ten.


a) Nach dem Recht der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen sind un­wirk­sa­me Klau­seln grundsätz­lich nicht auf ei­nen da­mit zu ver­ein­ba­ren­den Re­ge­lungs­ge­halt zurück­zuführen. § 306 BGB gibt ei­ne sol­che Rechts­fol­ge nicht vor. Ei­ne Auf­recht­er­hal­tung mit ein­ge­schränk­tem In­halt wäre auch nicht mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB ver­ein­bar. Es ist Ziel des Ge­set­zes, auf ei­nen an­ge­mes­se­nen In­halt der in der Pra­xis ver­wen­de­ten All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen hin­zu­wir­ken. Dem Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders soll die Möglich­keit sach­ge­rech­ter In­for­ma­ti­on über die ihm aus dem vor­for­mu­lier­ten Ver­trag er­wach­sen­den Rech­te und Pflich­ten ver­schafft wer­den. Die­ses Ziel ist
 


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je­doch nicht zu er­rei­chen, wenn je­der Ver­wen­der von All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen zunächst die Gren­ze des­sen über­schrei­ten könn­te, was er zu sei­nen Guns­ten in ge­ra­de noch ver­tret­ba­rer Wei­se ver­ein­ba­ren dürf­te. Würde dies als zulässig an­ge­se­hen, hätte das zur Fol­ge, dass die Ver­trags­part­ner des Ver­wen­ders in der Ver­trags­pra­xis mit über­zo­ge­nen Klau­seln kon­fron­tiert würden. Erst in ei­nem Pro­zess könn­ten sie dann den Um­fang ih­rer Rech­te und Pflich­ten zu­verlässig er­fah­ren. Das Trans­pa­renz­ge­bot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB lie­fe weit­ge­hend leer (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 f der Gründe mwN, AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17).

Ei­ne Tei­lung von Ver­trags­klau­seln in ei­nen zulässi­gen und ei­nen un­zulässi­gen Teil kommt des­halb nur in Be­tracht, wenn Tei­le ei­ner Klau­sel sprach­lich und in­halt­lich ein­deu­tig ab­trenn­bar sind. In ei­nem sol­chen Fall wird nicht ei­ne zu weit­ge­hen­de Klau­sel neu ge­fasst, viel­mehr wird ei­ne teil­ba­re Klau­sel oh­ne ih­ren un­wirk­sa­men Be­stand­teil in ih­rem zulässi­gen In­halt auf­recht­er­hal­ten. Ge­gen­stand der In­halts­kon­trol­le sind dann je­weils ver­schie­de­ne, je­doch for­mal ver­bun­de­ne AGB-Be­stim­mun­gen. Die Zer­le­gung ei­ner ih­rem Wort­laut nach ein­deu­tig ein­heit­li­chen Re­ge­lung in meh­re­re selbständi­ge Re­ge­lun­gen ist da­ge­gen nicht zulässig (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 g der Gründe, aaO).


Im vor­lie­gen­den Fal­le ist da­nach die von der Be­klag­ten ver­wen­de­te Rück­zah­lungs­klau­sel als Gan­zes zu be­wer­ten, da sie ei­ne in­halt­li­che und sprach­li­che Ein­heit dar­stellt: Es soll ei­ne Bin­dung von fünf Jah­ren her­bei­geführt wer­den, wo­bei ei­ne teil­wei­se An­rech­nung von tatsäch­li­cher Beschäfti­gungs­zeit er­fol­gen soll. Die un­an­ge­mes­sen lan­ge Bin­dung führt des­halb zur Un­wirk­sam­keit der Klau­sel ins­ge­samt.


b) Eben­so schei­det ei­ne an die Un­wirk­sam­keit an­knüpfen­de ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung aus.

Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung ist nicht schon des­halb ge­bo­ten, weil es kei­ne ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten gibt, auf die hier hin­sicht­lich des un­wirk­sa­men Be­stand­teils der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen nach § 306 Abs. 2
 


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BGB zurück­ge­grif­fen wer­den kann. Würde in der­ar­ti­gen Fällen im­mer ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung vor­ge­nom­men, wäre das Ri­si­ko der Ver­wen­dung un­wirk­sa­mer Klau­seln ent­ge­gen dem Zweck der ge­setz­li­chen Re­ge­lung vom Ver­wen­der weg ver­la­gert. Dar­an ändert sich auch nicht des­halb et­was, weil das Er­geb­nis ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung idR nicht die Auf­recht­er­hal­tung ei­ner Ver­ein­ba­rung mit ei­ner Re­ge­lung ge­ra­de noch wirk­sa­men In­halts, son­dern die ins­ge­samt nach den Umständen an­ge­mes­se­ne Re­ge­lung wäre (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 7 der Gründe, BA­GE 118, 36).

Ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung kommt al­ler­dings un­ter den Umständen in Be­tracht, in de­nen das Ge­setz oh­ne­hin vor­sieht, dass ein Ver­s­toß ge­gen die Schutz­vor­schrif­ten des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen aus­nahms­wei­se Aus­wir­kun­gen auf den Be­stand des Ver­tra­ges hat, al­so dann, wenn das Fest­hal­ten an ihm für ei­ne Ver­trags­par­tei ei­ne un-zu­mut­ba­re Härte dar­stel­len würde (§ 306 Abs. 3 BGB; BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 i der Gründe, AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 17; An­nuß BB 2006, 1333, 1338). In die­sen Fällen er­gibt sich aus der ge­setz­li­chen Wer­tung, dass es nicht bei der bloßen Un­wirk­sam­keit ei­ner Klau­sel ver­blei­ben kann.

Auch un­ter die­sem Ge­sichts­punkt recht­fer­tigt je­doch nicht je­de Ver­schie­bung der Ge­wich­te zu Las­ten des Ver­wen­ders die An­nah­me ei­ner un­zu­mut­ba­ren Härte und da­mit ei­ner ergänzungs­bedürf­ti­gen Lücke. Ent­schei­dend ist, ob die er­satz­lo­se Strei­chung der un­wirk­sa­men Klau­sel ei­ne an­ge­mes­se­ne, den ty­pi­schen In­ter­es­sen des AGB-Ver­wen­ders und sei­nes Ver­trags­part­ners Rech­nung tra­gen­de Lösung bie­tet (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu II 7 der Gründe, BA­GE 118, 36). Eben­so wie auch sonst bei der An­wen­dung des Rechts der All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen auf ar­beits­ver­trag­li­che Ver­ein­ba­run­gen sind da­bei die im Ar­beits­recht gel­ten­den Be­son­der­hei­ten an­ge­mes­sen zu berück­sich­ti­gen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Maßgeb­lich sind in­so­weit nicht nur recht­li­che, son­dern auch tatsächli­che Be­son­der­hei­ten des Ar­beits­le­bens; denn es geht um die Be­ach­tung der dem Ar­beits­recht in­ne-
 


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woh­nen­den Be­son­der­hei­ten (vgl. BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu IV 5 der Gründe, BA­GE 115, 19).

Zu­min­dest un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Be­son­der­hei­ten kommt bei ei­ner mit ei­ner Rück­zah­lungs­ver­pflich­tung für Fort­bil­dungs­kos­ten ver­bun­de­nen zu lan­gen Bin­dungs­dau­er ei­ne ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung in Be­tracht. Zu Recht ver­weist die Re­vi­si­on in­so­fern auf die für den Ar­beit­ge­ber in die­sem Zu­sam­men­hang be­ste­hen­den Schwie­rig­kei­ten. Zwar sind die Kri­te­ri­en, nach de­nen die Zulässig­keit von Bin­dungs­klau­seln be­ur­teilt wird, in ih­ren Grund­struk­tu­ren fest­ge­legt. In Ein­z­elfällen sind je­doch Ab­wei­chun­gen möglich, et­wa wenn die Fort­bil­dung dem Ar­beit­neh­mer un­gewöhn­lich große Vor­tei­le bringt oder der Ar­beit­ge­ber gar er­heb­li­che Mit­tel auf­wen­det. Es ist al­so für den Ar­beit­ge­ber nicht im­mer vor­aus­seh­bar, wel­che Bin­dungs­dau­er an­ge­mes­sen ist. Er trägt da­mit ein Pro­gno­se­ri­si­ko. Die­ses Pro­gno­se­ri­si­ko ver­rin­gert sich auch nicht da­durch, dass grundsätz­lich ei­ne ty­pi­sier­te Be­trach­tungs­wei­se bei der Be­ur­tei­lung der An­ge­mes­sen­heit von Rück­zah­lungs­klau­seln an­ge­bracht ist. Denn je­den­falls ist im­mer im Ein­zel­fall zu über­prüfen, ob ein der­ar­ti­ger Aus­nah­me­fall vor­liegt. Ge­nau dar­in liegt die Be­son­der­heit der vor­lie­gen­den Fall­ge­stal­tung ge­genüber sons­ti­gen Fällen der In­halts­kon­trol­le von Verträgen. Es wäre un­an­ge­mes­sen und würde den In­ter­es­sen bei­der Par­tei­en nicht ge­recht, das sich dar­aus er­ge­ben­de Pro­gno­se­ri­si­ko dem Ar­beit­ge­ber auf­zu­er­le­gen, wenn es für ihn ob­jek­tiv schwie­rig war, die zulässi­ge Bin­dungs­dau­er zu be­stim­men.


Wenn und so­weit sich die­ses Pro­gno­se­ri­si­ko im Ein­zel­fall ver­wirk­licht, ist es für den Ar­beit­ge­ber ei­ne un­zu­mut­ba­re Härte, an sei­ner Ver­pflich­tung zur Tra­gung der Aus­bil­dungs­kos­ten fest­ge­hal­ten zu wer­den, oh­ne den Ar­beit­neh­mer an­ge­mes­sen bin­den zu können. Des­halb ist in die­sem Fall durch ergänzen­de Ver­trags­aus­le­gung fest­zu­stel­len, was die Ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart hätten, wenn ih­nen die sich aus § 306 Abs. 1 BGB er­ge­ben­de Un­wirk­sam­keit der Klau­sel be­kannt ge­we­sen wäre (vgl. BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 7 der Gründe, BA­GE 118, 36). Da­bei kommt es zwar nicht auf das ge­ra­de noch Zulässi­ge an, son­dern auf ei­nen bei­den Sei­ten so­weit wie möglich ge­recht wer­den­den Aus­gleich (vgl. BAG 19. De­zem­ber 2006 - 9 AZR 294/06 - zu II 2 i der Gründe, AP BGB § 611 Sach­bezüge Nr. 21 = EzA BGB
 


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2002 § 307 Nr. 17). Im Hin­blick auf die zulässi­ge Bin­dungs­dau­er wird aber man­gels be­son­de­rer An­halts­punk­te das ei­nen an­ge­mes­se­nen Aus­gleich dar-stel­len, was nach der Recht­spre­chung zulässig ist.


Die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner ergänzen­den Ver­trags­aus­le­gung lie­gen hier auch un­ter Berück­sich­ti­gung der Be­son­der­hei­ten der vor­lie­gen­den Fall­ge­stal­tung nicht vor. Nicht das Pro­gno­se­ri­si­ko des Ar­beit­ge­bers im Hin­blick auf die Schwie­rig­kei­ten, ein­zel­ne Aus- und Fort­bil­dungs­maßnah­men zu be­wer­ten, hat sich ver­wirk­licht, son­dern die Be­klag­te hat ei­ne ex­trem lan­ge Bin­dungs­dau­er ver­ein­bart, hin­sicht­lich de­rer ei­ne Wirk­sam­keit er­sicht­lich nicht in Be­tracht kam.


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