HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 16.09.2008, 9 AZR 781/07

   
Schlagworte: Teilzeit: Arbeitszeitaufstockung, Arbeitszeit: Aufstockung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 781/07
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.09.2008
   
Leitsätze:

1. Ein Anspruch auf Verlängerung der Arbeitszeit nach § 9 TzBfG setzt voraus, dass ein "entsprechender Arbeitsplatz" mit längerer Arbeitszeit frei ist.

2. Das Erfordernis eines "entsprechenden Arbeitsplatzes" ist regelmäßig nur dann gewahrt, wenn die zu besetzende Stelle inhaltlich vergleichbar ist mit dem Arbeitsplatz, auf dem der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausübt. Beide Tätigkeiten müssen idR dieselben Anforderungen an die persönliche und fachliche Eignung des Arbeitnehmers stellen.

3. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat nur ausnahmsweise Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit, wenn dies mit einem Wechsel auf einen Arbeitsplatz mit einer höherwertigen Tätigkeit verbunden ist. Ein solcher Ausnahmefall ist zu bejahen, wenn die Personalorganisation des Arbeitgebers Teilzeitarbeit lediglich auf einer niedrigeren Hierarchiestufe als der bisher eingenommenen zulässt. Das bewirkt eine Selbstbindung: Die Grenze zwischen den beiden Hierarchieebenen wird für den späteren Verlängerungswunsch des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers durchlässig. In diesem Fall gilt auch der Arbeitsplatz mit der höherwertigen Tätigkeit als "entsprechender Arbeitsplatz" iSv. § 9 TzBfG.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt, Urteil vom 20.12.2006, 5 Ca 367/06 Hessisches Landesarbeitsgericht, 12.09.2007, 18 Sa 231/07
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

9 AZR 781/07
18 Sa 231/07

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

16. Sep­tem­ber 2008

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­ter, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 16. Sep­tem­ber 2008 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Krasshöfer, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Gall­ner so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kran­zusch und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin We­ge für Recht er­kannt:
 


- 2 -

Die Re­vi­si­on des Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 12. Sep­tem­ber 2007 - 18 Sa 231/07 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Be­klag­te hat die Kos­ten des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten noch über Scha­dens­er­satz für die un­ter­blie­be­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit der Kläge­rin in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006.

Die Kläge­rin ar­bei­tet seit 1986 in den Dro­ge­riemärk­ten des Be­klag­ten. Sie ist in ei­ner der 40 den Be­zir­ken D I und II zu­ge­ord­ne­ten Ver­kaufs­stel­len tätig. Für die bei­den Be­zir­ke ist ein Be­triebs­rat gewählt, des­sen Mit­glied die Kläge­rin ist. Die Ver­kaufs­stel­len des Be­klag­ten wer­den als sog. Pro­fit­cen­ter geführt. Die ei­ner Ver­kaufs­stel­le zu­ge­wie­se­nen Per­so­nal­kos­ten sind von ih­rem Um­satz abhängig.

Der Be­klag­te beschäftigt Verkäufe­r­in­nen und Kas­sie­re­rin­nen („VK“) nur in Teil­zeit. Sei­ne Ver­kaufs­stel­len wer­den von Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin­nen ge­lei­tet. Die­se sind Fach­vor­ge­setz­te der dort täti­gen Verkäufe­r­in­nen und Kas­sie­re­rin­nen. Sie sind der Be­zirks­lei­tung un­ter­stellt. Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin­nen sind in den Be­zir­ken D I und II in Voll­zeit mit 37,5 Wo­chen­stun­den oder in Teil­zeit mit min­des­tens 30 Wo­chen­stun­den tätig. Die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit ei­ner Voll­zeit­kraft ent­spricht mit 37,5 Wo­chen­stun­den § 2 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 des mit Wir­kung vom 1. Ja­nu­ar 2006 in Kraft ge­tre­te­nen Man­tel­ta­rif­ver­trags für die Ar­beit­neh­mer/in­nen im Hes­si­schen Ein­zel­han­del vom 27. Ja­nu­ar 2006 (MTV).

- 3 -

Die Kläge­rin wur­de zu Be­ginn des Ar­beits­verhält­nis­ses drei Mo­na­te als Aus­hilfs­kraft ein­ge­setzt. Da­nach wur­de sie bis Herbst 2004 über­wie­gend als Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin in Voll­zeit beschäftigt. Seit En­de No­vem­ber 2001 lei­te­te die Kläge­rin mit der re­gelmäßigen ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit von 37,5 St­un­den die Ver­kaufs­stel­le in P. Der Ar­beits­ver­trag sah ein Ent­gelt der Ge­halts­grup­pe III.6 des Ge­halts­ta­rif­ver­trags für den Ein­zel- und Ver­sand­han­del des Lan­des Hes­sen vor.

Die Kläge­rin ver­lang­te im Herbst 2004, ih­re Ar­beits­zeit „nach § 8 Abs. 1 Tz­B­fG“ auf 20 Wo­chen­stun­den zu ver­rin­gern, um ih­re Schwie­ger­mut­ter zu pfle­gen. Sie war be­reit, als Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin zu ar­bei­ten, und schloss mit dem Be­klag­ten am 10. No­vem­ber 2004 ei­nen Ände­rungs­ver­trag. Seit 15. No­vem­ber 2004 ar­bei­te­te die Kläge­rin mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits-zeit von 20 St­un­den als Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin ge­gen ei­ne Vergütung der Ge­halts­grup­pe I.8 des Ge­halts­ta­rif­ver­trags von 1.056,60 Eu­ro in der Ver­kaufs­stel­le D, R-Straße.

Die Kläge­rin bemühte sich seit Herbst 2005 dar­um, ih­re Ar­beits­zeit zu verlängern und wie­der ei­ne Tätig­keit als Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin auf­zu­neh­men. Sie be­warb sich fünf­mal um Stel­len, die mit 30 bis 37,5 Wo­chen­stun­den für „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tun­gen“ („VVW“) aus­ge­schrie­ben wa­ren. Die Aus­schrei­bung des Be­klag­ten vom 28. No­vem­ber 2005 für die ab 1. Ja­nu­ar 2006 zu be­set­zen­de Stel­le ei­ner „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tung“ in der Ver­kaufs­stel­le R, N-Straße, sah ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 35 St­un­den vor. Die „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tung“ soll­te nach Ta­rif­grup­pe III/ 2. Be­rufs­jahr mit 1.843,00 Eu­ro vergütet wer­den. Die an ih­re Be­zirks­lei­te­rin ge­rich­te­te Be­wer­bung der Kläge­rin vom 1. De­zem­ber 2005 um die­se Stel­le lau­tet aus­zugs­wei­se:


„Be­wer­bung um die aus­ge­schrie­be­ne Stel­le als VVW 37,5 VST. R, N-Straße

Sehr ge­ehr­te Frau B.,

hier­mit möch­te ich mich auf die o.a. Stel­len­aus­schrei­bung be­wer­ben. Die er­for­der­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on für ei­ne VVW-Po­si­ti­on brin­ge ich selbst­verständ­lich mit.


- 4 -

Der­zeit ar­bei­te ich als VK 20 in der VST. D R-Straße. Da ich wie­der Voll­zeit ar­bei­ten möch­te, wäre es su­per, wenn ich die­se Stel­le bekäme!“


Al­le fünf Be­wer­bun­gen der Kläge­rin blie­ben er­folg­los. Die für den Be­klag­ten han­deln­den Per­so­nen be­setz­ten die Stel­len endgültig mit an­de­ren Ar­beit­neh­me­rin­nen.


Die Kläge­rin er­ziel­te von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 oh­ne vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen, ta­rif­li­ches Ur­laubs­geld und ta­rif­li­che So­zi­al­zu­la­ge Gehälter von ins­ge­samt 15.731,36 Eu­ro brut­to. Für die Tätig­keit als Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin in R hätten ihr in ei­ner 35-St­un­den-Wo­che Vergütun­gen von ins­ge­samt 23.872,81 Eu­ro brut­to zu­ge­stan­den (§ 3 B Ge­halts­grup­pe III Ge­halts­staf­fel a - nach dem vier­ten Tätig­keits­jahr - des Ge­halts­ta­rif­ver­trags zwi­schen dem Lan­des­ver­band des Hes­si­schen Ein­zel­han­dels e. V. und ver.di, Lan­des­be­zirk Hes­sen, vom 27. Ja­nu­ar 2006, in Kraft seit 1. April 2005 (GTV)).

Die Kläge­rin hat ver­langt, den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, ei­ner Verlänge­rung ih­rer Ar­beits­zeit auf 37,5 St­un­den zu­zu­stim­men. Zu­dem hat sie Scha­dens­er­satz für die un­ter­blie­be­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit in der Zeit von No­vem­ber 2005 bis No­vem­ber 2006 ge­for­dert. Nach­dem der Be­klag­te ihr seit 1. De­zem­ber 2006 die Stel­le ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 37,5 St­un­den über­tra­gen hat­te, hat die Kläge­rin nur noch Scha­dens­er­satz gel­tend ge­macht.

Die Kläge­rin meint, der Be­klag­te ha­be ih­ren An­spruch aus § 9 Tz­B­fG schuld­haft nicht erfüllt. Der Teil­zeit­richt­li­nie 97/81/EG las­se sich kein Hin­weis dar­auf ent­neh­men, dass sich der bis­he­ri­ge und der gewünsch­te Ar­beits­platz in­halt­lich ent­spre­chen müss­ten. Maßgeb­li­ches Kor­rek­tiv sei al­lein die Eig­nung des Ar­beit­neh­mers. Der Be­klag­te ver­hal­te sich in treu­wid­ri­ger Wei­se wi­dersprüchlich, wenn er sich dar­auf be­ru­fe, die Funk­ti­on ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin sei höher­wer­tig ge­genüber dem Ar­beits­platz ei­ner Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin, den die Kläge­rin während ih­rer Teil­zeit­beschäfti­gung in­ne­ge­habt ha­be. Das Per­so­nal­kon­zept des Be­klag­ten las­se die Teil­zeit­ar­beit ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin nicht zu.
 


- 5 -

Die Kläge­rin hat zu­letzt be­an­tragt,

den Be­klag­ten zu ver­ur­tei­len, an sie 9.065,14 Eu­ro nebst Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem je­weils gülti­gen Ba­sis­zins­satz seit dem 25. Au­gust 2006 zu zah­len.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Er ist der An­sicht, das Merk­mal des ent­spre­chen­den Ar­beits­plat­zes in § 9 Tz­B­fG schließe ei­nen An­spruch auf Über­tra­gung ei­ner höher­wer­ti­gen Po­si­ti­on aus. Der Kläge­rin ha­be es frei­ge­stan­den, auf der Grund­la­ge von § 8 Tz­B­fG ei­ne Tätig­keit als teil­zeit-beschäftig­te Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin durch­zu­set­zen. Ih­re Be­wer­bung um die Lei­tung der Ver­kaufs­stel­le R ha­be je­den­falls aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründen nicht berück­sich­tigt wer­den können. Das Per­so­nal­kos­ten­bud­get der Ver­kaufs­stel­le wäre mit dem der Kläge­rin zu­ste­hen­den Ent­gelt der Ge­halts­grup­pe III Ge­halts­staf­fel a - nach dem vier­ten Tätig­keits­jahr - über­schrit­ten ge­we­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Scha­dens­er­satz­kla­ge in Höhe von 9.065,14 Eu­ro brut­to statt­ge­ge­ben und ei­nen Teil des Zins­an­trags ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat das erst­in­stanz­li­che Ur­teil teil­wei­se ab­geändert und die Be­ru­fung des Be­klag­ten im Übri­gen zurück­ge­wie­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die Scha­dens­er­satz­kla­ge nur für die Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 für be­gründet ge­hal­ten. Es hat ei­ne ge­rin­ge­re Scha­denshöhe als das Ar­beits­ge­richt von 8.141,45 Eu­ro an­ge­nom­men und die Zins­staf­fel des erst­in­stanz­li­chen Ur­teils teil­wei­se ab­geändert. Mit sei­ner vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt der Be­klag­te sei­nen An­trag auf Ab­wei­sung der ge­sam­ten Kla­ge wei­ter. Die Kläge­rin be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.
Ent­schei­dungs­gründe


A. Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Der Be­klag­te hätte die Kläge­rin nach § 9 Tz­B­fG seit 1. Ja­nu­ar 2006 als Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R in der 35-St­un­den-Wo­che mit ei­ner Vergütung gemäß § 3 B Ge­halts­grup­pe III Ge­halts-

- 6 -

staf­fel a - nach dem vier­ten Tätig­keits­jahr - GTV beschäfti­gen müssen. Er ver­letz­te die­se Pflicht schuld­haft. Die Erfüllung des An­spruchs der Kläge­rin auf Verlänge­rung ih­rer Ar­beits­zeit in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 ist dem Be­klag­ten recht­lich unmöglich, weil sei­ne Erfüllungs­ge­hil­fen die Stel­le endgültig mit ei­ner an­de­ren Ar­beit­neh­me­rin be­setz­ten. Die Kläge­rin hat des­halb An­spruch auf Scha­dens­er­satz in Höhe des vom Lan­des­ar­beits­ge­richt er¬rech­ne­ten ent­gan­ge­nen Ver­diens­tes von 8.141,45 Eu­ro, § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 2, § 283 Satz 1, §§ 276, 278 Satz 1 2. Alt., § 251 Abs. 1, § 252 BGB (vgl. zu der Nich­terfüllung ei­nes ta­rif­li­chen Verlänge­rungs­an­spruchs BAG 25. Ok­to­ber 1994 - 3 AZR 987/93 - AuR 2001, 146, zu B der Gründe; zu § 9 Tz­B­fG LAG Ber­lin 2. De­zem­ber 2003 - 3 Sa 1041/03 - AuR 2004, 468, zu I der Gründe).

I. Die Kläge­rin hat­te An­spruch auf Verlänge­rung ih­rer Ar­beits­zeit nach § 9 Tz­B­fG in der ab 1. Ja­nu­ar 2006 zu be­set­zen­den Po­si­ti­on der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R.

1. Die all­ge­mei­nen An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 9 Tz­B­fG wa­ren in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 erfüllt.

a) Die Kläge­rin war in die­sem Zeit­raum teil­zeit­beschäftigt iSv. § 2 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG. Ih­re re­gelmäßige ver­trag­li­che Ar­beits­zeit von 20 Wo­chen­stun­den war kürzer als die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit ei­nes Voll­zeit­beschäftig­ten. Die­se beträgt in den hes­si­schen Be­trie­ben des Be­klag­ten 37,5 Wo­chen­stun­den und ent­spricht § 2 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 MTV.

b) Die Kläge­rin zeig­te der für den Be­klag­ten han­deln­den Be­zirks­lei­te­rin spätes­tens mit ih­rer Be­wer­bung vom 1. De­zem­ber 2005 um die Stel­le in R ih­ren Wunsch nach Verlänge­rung der Ar­beits­zeit in der Funk­ti­on ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin an. Sie führ­te aus­drück­lich aus, wie­der in Voll­zeit ar­bei­ten zu wol­len. Außer­dem hielt sie sich für ge­eig­net, ei­ne „VVW-Po­si­ti­on“ zu be­klei­den.

c) Die Kläge­rin gab mit ih­rem Schrei­ben vom 1. De­zem­ber 2005 darüber hin­aus ein An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags iSv. § 145 BGB in der
 


- 7 -

Funk­ti­on der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits-zeit von 35 St­un­den ab (zu den Er­for­der­nis­sen von An­zei­ge und An­ge­bot BAG 16. Ja­nu­ar 2008 - 7 AZR 603/06 - Rn. 17, NZA 2008, 701; Se­nat 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 21, BA­GE 119, 194). Da­ge­gen spricht nicht, dass die Kläge­rin mit­teil­te, wie­der in Voll­zeit ar­bei­ten zu wol­len, und in der Be­treff­zei­le ih­rer Be­wer­bung ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 37,5 St­un­den nann­te. Mit die­sen bei­den An­ga­ben zeig­te sie le­dig­lich ih­ren Wunsch nach ei­ner Verlänge­rung in Höhe der Vol­l­ar­beits­zeit an. Den­noch be­zog sie sich aus­rei­chend be­stimmt auf die Stel­le der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R, die der Be­klag­te mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von nur 35 St­un­den aus­ge­schrie­ben hat­te.


2. Die un­ter dem 28. No­vem­ber 2005 aus­ge­schrie­be­ne und ab 1. Ja­nu­ar 2006 zu be­set­zen­de Stel­le der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R war ein „ent­spre­chen­der frei­er Ar­beits­platz“ iSv. § 9 Tz­B­fG.

a) Die­ses Er­for­der­nis ist re­gelmäßig nur dann ge­wahrt, wenn die zu be­set­zen­de Stel­le in­halt­lich dem Ar­beits­platz ent­spricht, auf dem der Ar­beit­neh­mer, der den Verlänge­rungs­wunsch an­ge­zeigt hat, sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Tätig­keit ausübt. Die an­ge­streb­te Stel­le muss ver­gleich­bar sein. Das ist zu be­ja­hen, wenn es sich um glei­che oder zu­min­dest ähn­li­che Tätig­kei­ten han­delt. Bei­de Tätig­kei­ten müssen idR die­sel­ben An­for­de­run­gen an die persönli­che und fach­li­che Eig­nung des Ar­beit­neh­mers stel­len. Ein ent­spre­chen­der Ar­beits­platz liegt im Re­gel­fall vor, wenn der zu be­set­zen­de Ar­beits­platz dem ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Tätig­keits­be­reich und der dafür not­wen­di­gen Eig­nung und Qua­li­fi­ka­ti­on ent­spricht (vgl. Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 20 und 23, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3).


aa) Die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en ste­hen der Vor­aus­set­zung der Ver­gleich­bar­keit der Ar­beitsplätze nicht ent­ge­gen. Die Be­gründung der Be­schlüsse des Aus­schus­ses für Ar­beit und So­zi­al­ord­nung in BT-Drucks. 14/4625 S. 20 be­fasst sich nicht mit dem Merk­mal des „ent­spre­chen­den Ar­beits­plat­zes“. Al­ler­dings wird in der Aus­schuss­be­gründung zum Be­griff der „ent­spre­chen­den Ar­beitsplätze“ in § 7 Abs. 2 Tz­B­fG (aaO) aus­geführt, durch die Einfügung des Wor­tes „ent­spre­chen­de“ wer­de klar­ge­stellt, dass der Ar­beit­ge­ber ei­nen Ar­beit­neh­mer,


- 8 - 


der ihm den Wunsch nach ei­ner Verände­rung sei­ner Ar­beits­zeit an­ge­zeigt ha­be, nur über sol­che Ar­beitsplätze zu in­for­mie­ren ha­be, die für den Ar­beit­neh­mer auf Grund sei­ner Eig­nung und Wünsche in Fra­ge kämen. Die tätig­keits-und ar­beits­ver­trags­be­zo­ge­ne Ver­gleich­bar­keit so­wie die Gleich­wer­tig­keit der Ar­beitsplätze wer­den nicht erwähnt. Gleich­wohl spricht der Ge­set­zes­wort­laut für das Er­for­der­nis ei­nes ver­gleich­ba­ren und da­mit re­gelmäßig gleich­wer­ti­gen Ar­beits­plat­zes. Die Vor­aus­set­zung des ent­spre­chen­den Ar­beits­plat­zes steht in § 9 Tz­B­fG gleich­ran­gig ne­ben dem Er­for­der­nis glei­cher Eig­nung (vgl. Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 24 f., AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3; aA Busch­mann in Busch­mann/Die­ball/Ste­vens-Bar­tol Das Recht der Teil­zeit­ar­beit 2. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 19; Laux in Laux/Schlach­ter Tz­B­fG § 9 Rn. 31; Kitt­ner/Däubler/Zwan­zi­ger-Zwan­zi­ger KSchR 7. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 4).


bb) Für die Ver­gleich­bar­keit der bei­den Ar­beitsplätze be­steht ein hin­rei­chen­der An­halts­punkt, wenn der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer die an­ge­streb­te Tätig­keit mit Aus­nah­me des veränder­ten Ar­beits­zeit­um­fangs durch Ausübung sei­nes Di­rek­ti­ons­rechts nach § 106 Satz 1 Ge­wO zu­wei­sen könn­te. Der Ar­beit­neh­mer hat idR kei­nen An­spruch auf Über­tra­gung ei­ner höher-wer­ti­gen Tätig­keit (vgl. LAG Ber­lin 2. De­zem­ber 2003 - 3 Sa 1041/03 - AuR 2004, 468, zu I 2 a der Gründe mit in­so­weit ab­leh­nen­der Anm. Pie­lenz AuR 2004, 469 f.; Be­ckOK RG­KU/Bay­reu­ther § 9 Tz­B­fG Rn. 7; Hk-Tz­B­fG/Boecken § 9 Rn. 21 f.; im Er­geb­nis eben­so Boewer Tz­B­fG § 9 Rn. 26 und 28 ff., der das Kri­te­ri­um des Wei­sungs­rechts aber ab­lehnt; Mei­nel/Heyn/Herms Tz­B­fG 2. Aufl. § 9 Rn. 20; AnwK-ArbR/Mi­chels Bd. 2 § 9 Tz­B­fG Rn. 4; Münch­KommBGB/ Müller-Glöge 4. Aufl. Bd. 4 § 9 Tz­B­fG Rn. 7; ErfK/Preis 8. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 6; Rolfs Tz­B­fG § 9 Rn. 3; HWK/Schma­len­berg 3. Aufl. § 9 Tz­B­fG Rn. 4; DFL/Schüren § 9 Tz­B­fG Rn. 7; Sie­vers Kom­men­tar zum Tz­B­fG 2. Aufl. § 9 Rn. 9; Ar­nold/Gräfl/Vos­sen Tz­B­fG 2. Aufl. § 9 Rn. 21; aA Busch­mann in Busch­mann/Die­ball/Ste­vens-Bar­tol § 9 Tz­B­fG Rn. 19; Laux in Laux/Schlach­ter § 9 Rn. 31; Kitt­ner/Däubler/Zwan­zi­ger-Zwan­zi­ger § 9 Tz­B­fG Rn. 4).


b) Die von der Kläge­rin im Zeit­punkt ih­rer Be­wer­bung vom 1. De­zem­ber 2005 ver­se­he­ne Funk­ti­on ei­ner Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin war nach ih­rem
 


- 9 -

An­for­de­rungs­pro­fil nicht gleich­wer­tig mit der an­ge­streb­ten Stel­le ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin. Die Po­si­ti­on ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin ist als Lei­tungs­funk­ti­on mit Vor­ge­setz­ten­be­fug­nis­sen aus­ge­stat­tet und gehört der den Verkäufe­r­in­nen und Kas­sie­re­rin­nen der Ver­kaufs­stel­le über­ge­ord­ne­ten Hier­ar­chie­ebe­ne an.


c) Die hier zu berück­sich­ti­gen­de Be­son­der­heit ist, dass sich die Kläge­rin mit dem Be­klag­ten am 10. No­vem­ber 2004 auf die ge­genüber ih­rer bis­he­ri­gen Auf­ga­be ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin ge­rin­ger­wer­ti­ge Tätig­keit ei­ner Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin ei­nig­te, um ei­ne Re­du­zie­rung ih­rer Ar­beits­zeit auf 20 Wo­chen­stun­den zu er­rei­chen. Da­mit ließ sich die Kläge­rin auf die Per­so­nal­or­ga­ni­sa­ti­on des Be­klag­ten ein. Die­ser beschäftig­te Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin­nen im Zeit­punkt ih­res Teil­zeit­ver­lan­gens in den Be­zir­ken D I und II nach den un­an­ge­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nur in Voll­zeit oder in Teil­zeit mit min­des­tens 30 Wo­chen­stun­den, während er Verkäufe­r­in­nen und Kas­sie­re­rin­nen aus­sch­ließlich in Teil­zeit ein­setz­te.

d) Ob­wohl die im Streit­fall an­ge­streb­te Stel­le hier­ar­chisch nicht der von der Kläge­rin in Teil­zeit in­ne­ge­hab­ten Po­si­ti­on ent­sprach, war sie den­noch ein „ent­spre­chen­der Ar­beits­platz“ iSv. § 9 Tz­B­fG. Die von der Kläge­rin ver­lang­te Verlänge­rung der Ar­beits­zeit soll­te vor al­lem die Ände­run­gen rückgängig ma­chen, die er­for­der­lich wa­ren, um den frühe­ren Teil­zeit­wunsch zu rea­li­sie­ren (vgl. Kütt­ner/Rei­ne­cke Per­so­nal­buch 2008 Teil­zeit­beschäfti­gung Rn. 59).

aa) Ein Ar­beit­ge­ber, der ei­ne Per­so­nal­or­ga­ni­sa­ti­on vor­gibt, die Teil­zeit­ar­beit (in be­stimm­tem Um­fang) nur auf ei­ner nied­ri­ge­ren Hier­ar­chie­stu­fe als der bis­her ein­ge­nom­me­nen zulässt, bin­det sich selbst. Die Gren­ze zwi­schen den bei­den Hier­ar­chie­ebe­nen wird für ei­nen späte­ren Verlänge­rungs­wunsch des Ar­beit­neh­mers ab­wei­chend vom Re­gel­fall durchlässig. Der Ar­beit­neh­mer kann ver­lan­gen, dass sein Verlänge­rungs­wunsch auch für ei­nen frei­en Ar­beits­platz berück­sich­tigt wird, auf dem höher­wer­ti­ge Tätig­kei­ten zu ver­rich­ten sind, wenn das An­for­de­rungs­pro­fil der früher, dh. vor Auf­nah­me der Teil­zeit­ar­beit aus­geübten Tätig­keit ent­spricht. Das aus Wort­laut und Re­ge­lungs­zu­sam­men­hang des § 9 Tz­B­fG er­kenn­ba­re ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel recht­fer­tigt hier den Schluss,
 


- 10 -

dass sich die bei­den Ar­beitsplätze „ent­spre­chen“. Auf den Rechts­ge­dan­ken ei­ner treu­wid­ri­gen Her­beiführung des ge­rin­ger­wer­ti­gen Ver­trags­in­halts durch Rechts­miss­brauch, wi­dersprüchli­ches Ver­hal­ten oder un­auflösba­ren Selbst­wi­der­spruch des Ar­beit­ge­bers ent­spre­chend § 162 BGB braucht nicht zurück-ge­grif­fen zu wer­den (vgl. zum Rechts­ge­dan­ken des § 162 BGB bei sog. vor-weg­ge­nom­me­ner Stel­len­be­set­zung die st. Rspr. des Zwei­ten Se­nats, zB 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 16; im Be­reich des Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruchs zB BAG 14. No­vem­ber 2001 - 7 AZR 568/00 - BA­GE 99, 326, zu B II 2 b aa der Gründe; zur rechts­miss­bräuch­li­chen Ver­ei­te­lung des Verlänge­rungs­an­spruchs Laux in Laux/Schlach­ter § 9 Rn. 26).

(1) Das Tz­B­fG will den Wech­sel von ei­nem Voll­zeit- in ein Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis oder um­ge­kehrt er­leich­tern (BT-Drucks. 14/4374 S. 11 und 18; vgl. auch Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 26, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3; 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 19, BA­GE 119, 194). § 1 Tz­B­fG sieht als Ziel des Ge­set­zes da­her ua. vor, Teil­zeit­ar­beit zu fördern. Ar­beit­ge­ber ha­ben Ar­beit­neh­mern, auch in lei­ten­den Po­si­tio­nen, Teil­zeit­ar­beit nach Maßga­be des Tz­B­fG zu ermögli­chen (§ 6 Tz­B­fG). Mit § 6 Tz­B­fG sol­len Ar­beit­ge­ber auf­ge­for­dert wer­den, Teil­zeit­ar­beit auf al­len Un­ter­neh­mens­ebe­nen zu fördern. Sie sol­len dafür sor­gen, dass Teil­zeit­ar­beit als Ar­beits­form ins¬be­son­de­re im Be­reich qua­li­fi­zier­ter Tätig­kei­ten at­trak­ti­ver wird (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 16).


(2) Mit dem Tz­B­fG soll­te zu­gleich die Richt­li­nie 97/81/EG des Ra­tes vom 15. De­zem­ber 1997 zu der von UN­ICE, CEEP und EGB ge­schlos­se­nen Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit (ABl. EG Nr. L 14 vom 20. Ja­nu­ar 1998 S. 9, ber. ABl. EG Nr. L 128 vom 30. April 1998 S. 71) idF der Richt­li­nie 98/23/EG vom 7. April 1998 (ABl. EG Nr. L 131 vom 5. Mai 1998 S. 10, Teil­zeit­richt­li­nie) um­ge­setzt wer­den (BT-Drucks. 14/4374 S. 11). Ziel der Rah­men­ver­ein­ba­rung ist es nach ih­rem Pa­ra­gra­phen 1 Buchst. b, die Ent­wick­lung der Teil­zeit­ar­beit auf frei­wil­li­ger Ba­sis zu fördern und zu ei­ner fle­xi­blen Or­ga­ni­sa­ti­on der Ar­beits­zeit bei­zu­tra­gen, die den Bedürf­nis­sen der Ar­beit­ge­ber und der Ar­beit­neh­mer Rech­nung trägt. Pa­ra­graph 5 Nr. 3 Buchst. b der Rah­men­ver­ein-


- 11 -

ba­rung sieht vor, dass die Ar­beit­ge­ber, so­weit dies möglich ist, Anträge von Teil­zeit­beschäftig­ten auf Wech­sel in ein Voll­zeit­ar­beits­verhält­nis oder auf Erhöhung ih­rer Ar­beits­zeit, wenn sich die­se Möglich­keit er­gibt, berück­sich­ti­gen „soll­ten“.

(3) Nach der Be­gründung des Re­gie­rungs­ent­wurfs zum Tz­B­fG sol­len Teil­zeit­beschäftig­te, die den Wunsch nach ei­ner Rück­kehr zu ih­rer frühe­ren Ar­beits­zeit geäußert ha­ben oder ih­re Ar­beits­zeit verlängern möch­ten, bei der Be­set­zung frei­er Ar­beitsplätze vor­ran­gig berück­sich­tigt wer­den (BT-Drucks. 14/4374 S. 12). Der Ar­beit­ge­ber hat teil­zeit­beschäftig­te Ar­beit­neh­mer des­halb nach § 9 Tz­B­fG bei der Be­set­zung ei­nes ent­spre­chen­den frei­en Ar­beits­plat­zes bei glei­cher Eig­nung be­vor­zugt zu berück­sich­ti­gen. Grund für den über die Vor­ga­ben der Soll­vor­schrift des Pa­ra­gra­phen 5 Nr. 3 Buchst. b der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit hin­aus­ge­hen­den Verlänge­rungs­an­spruch (Schma­len­berg Anm. AP Tz­B­fG § 9 Nr. 1, zu II 1; Schmidt RdA 2008, 41, 42 f.) ist die Befürch­tung vie­ler Ar­beit­neh­mer, nach ei­nem Wech­sel zu Teil­zeit­ar­beit nicht mehr zu Voll­zeit­ar­beit zurück­keh­ren zu können und so in ih­rem be­ruf­li­chen Auf­stieg be­ein­träch­tigt zu wer­den. Das be­ruf­li­che Fort­kom­men und die be­ruf­li­che Mo­bi­lität von Teil­zeit­beschäftig­ten sol­len gefördert wer­den, um Kar­rier­eh­in­der­nis­se aus­zuräum­en und da­mit die Ak­zep­tanz und At­trak­ti­vität von Teil­zeit­ar­beit zu erhöhen (BT-Drucks. 14/4374 S. 12 und 18; vgl. auch Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 26, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3).


bb) Die in §§ 1, 6 und 9 Tz­B­fG aus­ge­drück­ten Ge­set­zes­zwe­cke der Förde­rung be­ruf­li­cher Mo­bi­lität und Fle­xi­bi­lität auf al­len Hier­ar­chie­ebe­nen sol­len ua. gewähr­leis­ten, dass Ar­beit­neh­mer nicht mit Rück­sicht auf ihr be­ruf­li­ches Fort­kom­men da­von ab­ge­hal­ten wer­den, ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung auf­zu­neh­men. Die­se Ziel­set­zun­gen würden be­ein­träch­tigt, wenn ein Ar­beit­neh­mer, der sei­ne persönli­che und fach­li­che Eig­nung für ei­ne höher­wer­ti­ge Tätig­keit durch ih­re Ausübung vor Auf­nah­me der Teil­zeit­beschäfti­gung in der ge­rin­ger-wer­ti­gen Po­si­ti­on ge­zeigt hat, mit dem Ar­gu­ment des nicht ver­gleich­ba­ren
 


- 12 -

„ent­spre­chen­den“ Ar­beits­plat­zes nicht auf sei­ne frühe­re höhe­re Hier­ar­chie-ebe­ne zurück­keh­ren könn­te.

(1) Lässt die Per­so­nal­or­ga­ni­sa­ti­on des Ar­beit­ge­bers die gewünsch­te Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit auf der bis­he­ri­gen Hier­ar­chie­ebe­ne nicht zu und ei­ni­gen sich die Ver­trags­par­tei­en auf ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung in der ge­rin­ger­wer­ti­gen Funk­ti­on, kann der Ar­beit­neh­mer nach § 9 Tz­B­fG ver­lan­gen, dass sei­ne Ar­beits­zeit auf dem frei­en höher­wer­ti­gen Ar­beits­platz verlängert wird. Wei­te­re Vor­aus­set­zung ist in ei­nem sol­chen Fall die - hier fest­ge­stell­te und nicht um­strit­te­ne - fort­dau­ern­de Eig­nung des Ar­beit­neh­mers, die höher-wer­ti­ge Tätig­keit zu ver­se­hen.

(2) Sonst blie­be ein Ar­beit­neh­mer, der sich auf ei­ne der­ar­ti­ge Per­so­nal­or­ga­ni­sa­ti­on sei­nes Ar­beit­ge­bers ein­ließe, dau­er­haft auf ei­ne Teil­zeit­beschäfti­gung auf der nied­ri­ge­ren Hier­ar­chie­ebe­ne ver­wie­sen, wenn der Ar­beit­ge­ber nicht frei­wil­lig ei­ne „Beförde­rungs­ver­ein­ba­rung“ träfe. IdR be­steht auch kei­ne Ne­ben­pflicht des Ar­beit­ge­bers iSv. § 241 Abs. 2 BGB, im Vor­hin­ein auf die Möglich­keit ei­ner nur be­fris­te­ten Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung hin­zu­wei­sen (vgl. Se­nat 13. No­vem­ber 2001 - 9 AZR 442/00 - AP BAT § 15b Nr. 1, zu B II 1 der Gründe). Blie­be die Gren­ze zwi­schen den bei­den Hier­ar­chie­ebe­nen in ei­nem sol­chen Fall un­durchlässig, würde die ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel­vor­stel­lung der Fle­xi­bi­li­sie­rung der in­di­vi­du­el­len Ar­beits­zeit ver­fehlt (vgl. Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 26, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3). § 9 Tz­B­fG soll si­cher­stel­len, dass der Ar­beit­neh­mer nicht da­mit rech­nen muss, auf un­ab­seh­ba­re Dau­er Teil­zeit­ar­beit leis­ten zu müssen (Schma­len­berg Anm. AP Tz­B­fG § 9 Nr. 1, zu II 1).


(3) Ei­nem An­spruch auf Verlänge­rung der Ar­beits­zeit auf ei­nem höher­wer­ti­gen Ar­beits­platz steht hier nicht ent­ge­gen, dass sich die Kläge­rin frei­wil­lig da­zu be­reit­fand, die Funk­ti­on ei­ner Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin zu über­neh­men. Sie ver­such­te zwar nicht, die Re­du­zie­rung ih­rer Ar­beits­zeit in der Po­si­ti­on ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin nach § 8 Tz­B­fG ge­richt­lich durch­zu­set­zen. Da­mit ver­zich­te­te sie je­doch nicht auf den Verlänge­rungs­an­spruch. § 9 Tz­B­fG bin­det den von ihm be­gründe­ten An­spruch nicht an ei­ne Teil­zeit-
 


- 13 - 


beschäfti­gung auf der Grund­la­ge ei­nes Ver­rin­ge­rungs­an­spruchs nach § 8 Tz­B­fG. Die Re­ge­lung er­fasst al­le Teil­zeit­beschäftig­ten, zB auch Ar­beit­neh­mer, die von vorn­her­ein ein Teil­zeit­ar­beits­verhält­nis be­gründen (BT-Drucks. 14/4374 S. 18). Die Berück­sich­ti­gung frei­wil­li­ger Ver­ein­ba­run­gen ent­spricht zu­gleich dem Ziel von Pa­ra­graph 1 Buchst. b der Rah­men­ver­ein­ba­rung über Teil­zeit­ar­beit. Da­nach soll die Rah­men­ver­ein­ba­rung die Ent­wick­lung der Teil­zeit­ar­beit auf frei­wil­li­ger Ba­sis fördern.

cc) Die im Streit­fall be­jah­te Ver­gleich­bar­keit der bei­den Ar­beitsplätze ei­ner Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin so­wie ei­ner Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin, die un­ter-schied­li­chen Hier­ar­chie­ebe­nen an­gehören, führt nicht zu ei­nem „all­ge­mei­nen Qua­li­fi­zie­rungs­an­spruch“, den § 9 Tz­B­fG nicht vor­sieht (vgl. Mei­nel/Heyn/ Herms § 9 Rn. 20). Re­gelmäßig kommt Teil­zeit­beschäftig­ten le­dig­lich ein An­spruch auf Verlänge­rung der Ar­beits­zeit in ei­ner in­halt­lich ver­gleich­ba­ren und gleich­wer­ti­gen Po­si­ti­on zu (vgl. zu der ähn­li­chen Pro­ble­ma­tik der Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­keit auf ei­nem frei­en gleich- oder ge­rin­ger­wer­ti­gen Ar­beits­platz im Be­reich des all­ge­mei­nen Kündi­gungs­schut­zes die st. Rspr. des Zwei­ten Se­nats, zB 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 17; kri­tisch da­zu Hou­ben NZA 2008, 851, 852 ff.). Die Aus­nah­me ei­nes An­spruchs auf Verlänge­rung der Ar­beits­zeit in ei­ner höher­wer­ti­gen Funk­ti­on be­steht nur un­ter en­gen Vor­aus­set­zun­gen. Sie ver­langt ei­ne or­ga­ni­sa­to­ri­sche Vor­ga­be des Ar­beit­ge­bers, die Teil­zeit­ar­beit le­dig­lich auf ei­ner nied­ri­ge­ren Hier­ar­chie­stu­fe zulässt. Darüber hin­aus setzt der Aus­nah­me­tat­be­stand die früher tatsächlich be­wie­se­ne und fort­dau­ern­de persönli­che und fach­li­che Eig­nung des Teil­zeit­ar­beit­neh­mers vor­aus.

3. Der Verlänge­rung der Ar­beits­zeit der Kläge­rin in der Funk­ti­on der „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tung“ in R stand kein drin­gen­der be­trieb­li­cher Grund ent­ge­gen, ob­wohl der Be­klag­te den Ar­beits­platz mit ei­nem Ar­beit­neh­mer oder ei­ner Ar­beit­neh­me­rin im zwei­ten Be­rufs­jahr be­set­zen woll­te, um das Per­so­nal­kos­ten­bud­get der Ver­kaufs­stel­le nicht zu über­schrei­ten.

a) Ent­ge­gen­ste­hen­de drin­gen­de be­trieb­li­che Gründe sind nur an­zu­neh­men, wenn sie gleich­sam zwin­gend sind (Se­nat 15. Au­gust 2006 - 9 AZR


- 14 -

8/06 - Rn. 30, BA­GE 119, 194). Die ne­ga­ti­ve An­spruchs­vor­aus­set­zung der nicht ent­ge­gen­ste­hen­den drin­gen­den be­trieb­li­chen Gründe be­zieht sich auf die per­so­nel­le Aus­wahl für die Be­set­zung des frei­en Ar­beits­plat­zes (Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 34, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3). Er­for­der­lich ist ein be­trieb­li­cher Grund von ganz be­son­de­rem Ge­wicht. In­so­weit un­ter­schei­det sich das Tat­be­stands­merk­mal vom Adres­sa­ten des Verlänge­rungs­an­spruchs, dem Ar­beit­ge­ber. Während sich der Verlänge­rungs­an­spruch auf das ge­sam­te Un­ter­neh­men er­streckt, ist der ent­ge­gen­ste­hen­de drin­gen­de Grund auf den Be­trieb be­schränkt (vgl. nur Hk-Tz­B­fG/Boecken § 9 Rn. 24; Laux in Laux/Schlach­ter § 9 Rn. 29; Ar­nold/Gräfl/Vos­sen § 9 Rn. 16).


b) Hier kann of­fen­blei­ben, ob für die Bud­ge­tie­rung der Per­so­nal­kos­ten der ein­zel­nen Ver­kaufs­stel­len der not­wen­di­ge Be­zug zum Ge­samt­be­trieb be­steht, der sich aus den Be­zir­ken D I und II zu­sam­men­setzt. Der Be­klag­te macht gel­tend, die vor­aus­sicht­li­chen Per­so­nal­kos­ten je­der Ver­kaufs­stel­le des Be­triebs würden durch den Um­satz der je­wei­li­gen Ver­kaufs­stel­le be­grenzt.

aa) Der Vor­trag des Be­klag­ten lässt be­reits nicht dar­auf schließen, dass sein Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept tatsächlich um­ge­setzt wird. Die Umsätze der ein­zel­nen Ver­kaufs­stel­len sind nicht sta­tisch, son­dern sie schwan­ken. Die dort ein­ge­setz­ten „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tun­gen“ wei­sen mit zu­neh­men­der Dau­er ih­rer Ar­beits­verhält­nis­se ei­ne höhe­re An­zahl von Be­rufs­jah­ren auf. Der Be­klag­te hat auch nicht dar­ge­legt, dass sein Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept ei­ne „Ro­ta­ti­on“ der länger beschäftig­ten „Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­tun­gen“ vor­sieht. Es kann des­we­gen auf sich be­ru­hen, ob das Kon­zept des Be­klag­ten älte­re Ar­beit­neh­mer un­er­laubt be­nach­tei­ligt.

bb) Selbst wenn ein um­ge­setz­tes Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept an­ge­nom­men wird, hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt sei­nen tatrich­ter­li­chen Be­ur­tei­lungs­spiel­raum hin­sicht­lich des nöti­gen Ge­wichts der ent­ge­gen­ste­hen­den Gründe nicht über-schrit­ten. Ihm ist dar­in zu­zu­stim­men, dass nur dann ein Grund von ganz er­heb­li­chem Ge­wicht vor­liegt, wenn das grundsätz­lich vor­ran­gi­ge In­ter­es­se des teil­zeit­beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers zurück­zu­tre­ten hat. Das trifft hier nicht zu. Der Be­klag­te hat nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ins-
 


- 15 - 

be­son­de­re nicht dar­ge­legt, dass die Über­schrei­tung des Kos­ten­bud­gets der Ver­kaufs­stel­le R ge­wich­ti­ge Aus­wir­kun­gen auf den Ge­samt­be­trieb D I und II ge­habt hätte. Es ist we­der vor­ge­tra­gen noch er­sicht­lich, dass die Bud­getüber­schrei­tung die be­trieb­li­che Or­ga­ni­sa­ti­on schwer­wie­gend be­ein­träch­tigt oder völlig un­verhält­nismäßige Kos­ten ver­ur­sacht hätte.

4. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 9 Tz­B­fG wa­ren des­halb in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 erfüllt. § 9 Tz­B­fG be­gründet ei­nen ein­klag­ba­ren Rechts­an­spruch des in Teil­zeit beschäftig­ten Ar­beit­neh­mers auf Verlänge­rung sei­ner Ar­beits­zeit durch Ver­tragsände­rung, wenn sich - wie hier - kei­ne bes­ser ge­eig­ne­ten Kon­kur­ren­ten be­wer­ben (vgl. BAG 16. Ja­nu­ar 2008 - 7 AZR 603/06 - Rn. 17, NZA 2008, 701; Se­nat 8. Mai 2007 - 9 AZR 874/06 - Rn. 18, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 3 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 3; 13. Fe­bru­ar 2007 - 9 AZR 575/05 - Rn. 26, AP Tz­B­fG § 9 Nr. 2 = EzA Tz­B­fG § 9 Nr. 2; 15. Au­gust 2006 - 9 AZR 8/06 - Rn. 19, BA­GE 119, 194).


a) §§ 8 und 9 Tz­B­fG ha­ben zum Ziel, die in­di­vi­du­el­le Ar­beits­zeit in­ner­halb des im Übri­gen un­verändert be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses zu fle­xi­bi­li­sie­ren. Die­ser Zweck wird für § 9 Tz­B­fG nur er­reicht, wenn der Ar­beit­neh­mer ei­nen durch­setz­ba­ren An­spruch auf ver­trag­li­che Verlänge­rung sei­ner Ar­beits­zeit hat. Das An­ge­bot des Ar­beit­neh­mers auf Ände­rung des Ar­beits­ver­trags be­schränkt den Ar­beit­ge­ber in sei­ner Ver­trags­frei­heit. Die Gel­tend­ma­chung des Ver­rin­ge­rungs­wunschs nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG löst in sei­nem An­wen­dungs­be­reich die ent­spre­chen­de Rechts­fol­ge im Sin­ne ei­nes Kon­tra­hie­rungs­zwangs aus.


b) Die Erfüllung des An­spruchs der Kläge­rin aus § 9 Tz­B­fG ist dem Be­klag­ten recht­lich unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 und 4, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 2, § 283 Satz 1 BGB. Die für ihn han­deln­den Per­so­nen über­tru­gen der Kläge­rin die Auf­ga­be der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 nicht. Die Ab­ga­be der An­nah­me­erklärung konn­te auch nicht rück­wir­kend fin­giert wer­den (§ 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 311a Abs. 1 BGB), weil die Stel­le endgültig mit ei­ner an­de­ren Ar­beit­neh­me­rin be­setzt wur­de.

- 16 -

II. Der Be­klag­te ist für die Ver­let­zung sei­ner Pflicht aus § 9 Tz­B­fG ver­ant­wort­lich (§ 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 278 Satz 1 2. Alt. BGB).

1. Nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Schuld­ner Vor­satz und Fahrlässig­keit zu ver­tre­ten, wenn ei­ne stren­ge­re oder mil­de­re Haf­tung we­der be­stimmt noch aus dem sons­ti­gen In­halt des Schuld­verhält­nis­ses zu ent­neh­men ist. § 278 Satz 1 2. Alt. BGB sieht vor, dass der Schuld­ner ein Ver­schul­den der Per­so­nen, der er sich zur Erfüllung sei­ner Ver­bind­lich­keit be­dient, in glei­chem Um­fang zu ver­tre­ten hat wie ei­ge­nes Ver­schul­den. Ent­las­tet wird der Schuld­ner durch ei­nen un­ver­schul­de­ten Tat­sa­chen- oder Rechts­irr­tum (BAG 25. Ok­to­ber 1994 - 3 AZR 987/93 - AuR 2001, 146, zu B 1 der Gründe mwN).

2. Der Be­klag­te be­ruft sich auf kei­nen un­ver­schul­de­ten Tat­sa­chen- oder Rechts­irr­tum.

a) Ein Ver­schul­den für ei­nen Rechts­irr­tum entfällt ins­be­son­de­re nicht schon dann, wenn die Ge­set­zes­aus­le­gung nicht ein­fach ist. An ei­nen un­ver­schul­de­ten Rechts­irr­tum sind stren­ge An­for­de­run­gen zu stel­len. Grundsätz­lich er­for­dert der Gel­tungs­an­spruch des Rechts, dass der Schuld­ner das Ri­si­ko ei­nes Rechts­irr­tums selbst trägt und es nicht dem Gläubi­ger überbürden kann (vgl. BAG 25. Ok­to­ber 1994 - 3 AZR 987/93 - AuR 2001, 146, zu B 2 der Gründe mwN). Der Rechts­irr­tum ist un­ver­schul­det, wenn die Rechts­la­ge ob­jek­tiv zwei­fel­haft ist und der Schuld­ner sie sorgfältig ge­prüft hat (vgl. BAG 13. Ju­ni 2002 - 2 AZR 391/01 - BA­GE 101, 328, zu B II 2 b cc der Gründe; 22. März 2001 - 8 AZR 536/00 - Ez­BAT BAT § 8 Scha­dens­er­satz­pflicht des Ar­beit­ge­bers Nr. 31, zu II 3 c cc der Gründe). Der Schuld­ner ist hierfür nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB dar­le­gungs- und be­weis­be­las­tet (Pa­landt/Hein­richs BGB 67. Aufl. § 280 Rn. 34 und 40; vgl. Ja­cobs in An­nuß/Thüsing Tz­B­fG 2. Aufl. § 9 Rn. 45).

b) Der Be­klag­te hat nach den un­an­ge­foch­te­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts kei­ner­lei Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die auf ein feh­len­des Ver­schul­den sei­ner Erfüllungs­ge­hil­fen schließen las­sen. Er hat ins­be­son­de­re
 


- 17 -

kei­ne sorgfälti­ge Prüfung der Rechts­la­ge dar­ge­legt. Die Ver­schul­dens­ver­mu­tung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB ist des­we­gen nicht wi­der­legt.


III. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat den Scha­den­sum­fang rich­tig be­stimmt. Der Be­klag­te schul­det nach § 251 Abs. 1, § 252 BGB Er­satz des in der Zeit von Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 ent­gan­ge­nen Ver­diens­tes.

1. Ei­ne zeit­li­che Be­gren­zung des Scha­dens­er­satz­an­spruchs lässt sich nicht be­gründen, weil die schuld­haf­te Nich­terfüllung des An­spruchs aus § 9 Tz­B­fG ste­tig an­dau­er­te. Es be­ste­hen kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Kläge­rin die ihr am 1. Ja­nu­ar 2006 nicht über­tra­ge­ne Funk­ti­on der Ver­wal­te­rin der Ver­kaufs­stel­le R zu ei­nem späte­ren Zeit­punkt in der Zeit­span­ne bis 30. No­vem­ber 2006 wie­der ver­lo­ren hätte (im Er­geb­nis eben­so BAG 25. Ok­to­ber 1994 - 3 AZR 987/93 - AuR 2001, 146, zu B der Gründe; LAG Ber­lin 2. De­zem­ber 2003 - 3 Sa 1041/03 - AuR 2004, 468, zu II der Gründe; Hk-Tz­B­fG/Boecken § 9 Rn. 38; Boewer § 9 Rn. 53 mwN zu der Kon­tro­ver­se in Rn. 51 f.; Ja­cobs in An­nuß/Thüsing § 9 Rn. 45; Laux in Laux/Schlach­ter § 9 Rn. 74; Sie­vers § 9 Rn. 19; Ar­nold/Gräfl/Vos­sen § 9 Rn. 42; aA Kitt­ner/Däubler/Zwan­zi­ger-Zwan­zi­ger § 9 Tz­B­fG Rn. 19: Schätzung ent­spre­chend § 10 KSchG). Ein Mit­ver­schul­den der Kläge­rin iSv. § 254 Abs. 1 BGB schei­det eben­falls aus. Sie nahm das ers­te ihr un­ter­brei­te­te Verlänge­rungs­an­ge­bot des Be­klag­ten mit Wir­kung vom 1. De­zem­ber 2006 an.

2. Der Be­klag­te schul­det da­her Scha­dens­er­satz in Höhe des in zwei­ter In­stanz zu­er­kann­ten Be­trags von 8.141,45 Eu­ro. Es han­delt sich um die Dif­fe­renz zwi­schen der für die Stel­le der Ver­kaufs­stel­len­ver­wal­te­rin in R in der 35-St­un­den-Wo­che zu zah­len­den Ge­samt­vergütung für Ja­nu­ar bis No­vem­ber 2006 von 23.872,81 Eu­ro brut­to (§ 3 B Ge­halts­grup­pe III Ge­halts­staf­fel a - nach dem vier­ten Tätig­keits­jahr - GTV) so­wie dem er­hal­te­nen Ent­gelt als Verkäufe­r­in und Kas­sie­re­rin von ins­ge­samt 15.731,36 Eu­ro brut­to.

IV. Die Kläge­rin hat An­spruch auf die ge­for­der­ten Pro­zess- und Ver­zugs­zin­sen in der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­spro­che­nen ge­staf­fel­ten Höhe (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, §§ 614, 187 Abs. 1, § 193 BGB).
 


- 18 -

B. Der Be­klag­te hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten sei­ner er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen.

Düwell 

Krasshöfer 

Gall­ner

D. We­ge 

Kran­zusch

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 9 AZR 781/07