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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.09.2007, 15 Sa 1144/07
Schlagworte: | Altersdiskriminierung, Diskriminierung: Alter | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 15 Sa 1144/07 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 19.09.2007 | |
Leitsätze: |
|
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 25.04.2007, 86 Ca 23363/06 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2009, 8 AZR 906/07 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 19. September 2007
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
15 Sa 1144/07
86 Ca 23363/06
Arbeitsgericht Berlin
K., JOS als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Herr G. und Frau D.
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.04.2007 - 86 Ca 23363/06 - teilweise abgeändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,-- € (eintausend) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2007 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten der I. Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte; von den Kosten der II. Instanz haben das beklagte Land 70 % und die Klägerin 30 % zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
- 3 -
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
15 Sa 1144/07
86 Ca 23363/06
Arbeitsgericht Berlin
Beschluss
In Sachen
pp
wird das Urteil vom 19.09.2007 hinsichtlich des Kostenpunktes wie folgt berichtigt:
„III. Die Kosten der I. Instanz tragen die Klägerin zu 60 % und das beklagte Land zu 40 %. Von den Kosten der II. Instanz trägt die Klägerin 85 % und das beklagte Land 15 %.“
Zur Begründung wird auf das gerichtliche Schreiben vom 24.09.2007 verwiesen.
Berlin, den 29. Oktober 2007
Kammer 15
Der Vorsitzende
K.
Vorsitzender Richter
am Landesarbeitsgericht
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Tatbestand
Die Parteien streiten inzwischen nur noch darüber, ob das beklagte Land deswegen Entschädigungsansprüche an die Klägerin zu zahlen hat, weil diese wegen ihres Alters diskriminiert worden sein soll, und ob die Zuordnung zum Personalüberhang unwirksam war.
Die am ….. 1956 geborene Klägerin ist seit 1987 staatlich anerkannte Erzieherin. Sie war vor der Wiedervereinigung in Kindertagesstätten des Bezirks H. tätig. Insofern geht das beklagte Land von einer Beschäftigungszeit seit dem 14. Mai 1988 aus. Durch Arbeitsvertrag vom 21. März 2000 ist die Klägerin als Erzieherin vom Bezirksamt T. von Berlin übernommen worden. Das Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 2.396,14 €.
Nachdem die Kindertagesstätten den verschiedenen Eigenbetrieben des beklagten Landes zugeordnet wurden, gehörte die Klägerin zum „Kindergärten C. Eigenbetriebe von Berlin“. Dieser war zuständig für die Kitas der Bezirke Mitte einerseits und Friedrichshain-Kreuzberg andererseits. Von den dort beschäftigten 829 Erzieher/innen waren am 1. Oktober 2006 263 Personen bis 39 Jahre alt (31,7 %) und 566 Personen 40 Jahre alt und älter (68,3 %). Das Durchschnittsalter betrug 45 Jahre.
Mit dem „Gesetz zur Einrichtung eines Zentralen Personalüberhangmanagements (Stellenpool) (Stellenpoolgesetz - StPG)“ vom 9. Dezember 2003 (GVBl. Berlin S. 589) (in Kraft getreten am 1. Januar 2004) bestimmt das beklagte Land das Zentrale Personalüberhangmanagement (Stellenpool) zu einer der Senatsverwaltung für F. nachgeordneten Behörde (§ 1 Abs. 1 S. 1 StPG). Nach § 1 Abs. 1 S. 2 StPG werden dieser diejenigen Dienstkräfte unterstellt, deren Beschäftigung durch den Wegfall von Aufgaben oder die Verlagerung von Aufgaben auf andere Dienstkräfte in ihrer Dienstbehörde nicht mehr möglich ist. Die Versetzung zum Stellenpool erfolgt nach § 1 Abs. 2 S. 3 StPG. Die Sozialauswahl bestimmt sich nach der Verwaltungsvorschrift über die Zuordnung von Beschäftigen zum Personalüberhang (VV Auswahl) vom 28.06.2005 (Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I, vom 05.08.2005, 57 ff.). Die Auswahl der Beschäftigten erfolgt gemäß § 6 stichtagsbezogen nach den Kriterien Lebensalter, Beschäftigungszeiten, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung, wobei jedem dieser Kriterien bestimmte Punkte zugeordnet werden. In § 5 Abs. 2 ist u. a. als Ausnahme festgelegt:
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Eine Zuordnung zum Personalüberhang nach den in § 6 aufgeführten Auswahlkriterien findet nicht statt, wenn die Weiterbeschäftigung der Beschäftigten insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur (einschließlich der Ziele des § 3 Abs. 3 des Landesgleichstellungsgesetzes) im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
Durch Vermerk vom 26.10.2006 (Bl. 53 ff. d. A.) hat die Geschäftsleitung des Eigenbetriebes Kindergärten C. Kriterien für die Benennung von Erzieherinnen für den Personalüberhang festgelegt. Die Sozialauswahl wird bezogen auf jede einzelne Kindertagesstätte vorgenommen. Die Beschäftigten der Vergütungsgruppe VII werden in Gänze dem Personalüberhang zugeordnet. Die Beschäftigten der Vergütungsgruppen VI/V c werden nur dann in die Sozialauswahl einbezogen, wenn ihre Arbeitszeit zwischen 100 % und 76 % beträgt und sie zum Stichtag am 01.10.2000 das 40. Lebensjahr vollendet haben.
Durch Schreiben vom 17. November 2006 teilt das beklagte Land der Klägerin mit, dass sie zum 1. Januar 2007 dem Personalüberhang zugeordnet werde. Mit weiterem Schreiben vom 27. Dezember 2006 erfolgt die Versetzung zum Stellenpool ebenfalls zum 1. Januar 2007. Seit diesem Zeitpunkt wird die Klägerin kurzfristig als Erzieherin in verschiedenen Kindertagesstätten eingesetzt, teilweise auch in privaten Kindergärten.
Mi Schreiben vom 18. Januar 2007 (Kopie Bl. 73 f. d. A.) machte die Klägerin gegenüber dem beklagten Land Schadensersatzansprüche gem. § 15 AGG geltend, weil bei der vorgenommenen Auswahl lediglich die über 40-jährigen Erzieherinnen berücksichtigt wurden. Die hierauf gerichtete Klageerweiterung ging am 23. März 2007 beim Arbeitsgericht Berlin ein.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1. festzustellen, dass sie in ihrer Funktion als Erzieherin des Eigenbetriebes Kindergärten C. des Bezirksamtes Mitte von Berlin nicht dem so genannten Personalüberhang des Landes Berlin zugeordnet ist;
2. festzustellen, dass die Versetzung vom 27.12.2006 zum 01.01.2007 zum Zentralen Personalüberhangmanagement (ZeP) unwirksam ist;
3. das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, welches jedoch einen Betrag von 4.000,-- € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2007 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat behauptet, im Eigenbetrieb seien bis zu 80 Stellen zuviel vorhanden. Daher müssten 43 Erzieherinnen mit der Vergütungsgruppe VIb/ Vc versetzt werden. Da jede Kindertagesstätte eine geschlossene Einheit darstelle, müsse die Sozialauswahl auf diese Einheit beschränkt werden. Hierdurch solle auch erreicht werden, dass für Kinder und Eltern möglichst wenig Bezugspersonen wechseln müssen. Daher werden Kitas mit angemessenem Personalschlüssel von vornherein nicht in die Sozialauswahl einbezogen. Im Eigenbetrieb liege eine ausgewogene Personalstruktur nicht vor. Daher sei eine strukturelle Verjüngung notwendig.
Mit Urteil vom 25. April 2007 hat das Arbeitsgericht Berlin festgestellt, dass die Verset-zung zum Stellenpool mangels mündlicher Erörterung mit dem Personalrat unwirksam ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Zuordnung zum Personalüberhang könne nicht mit einer Feststellungsklage angegriffen werden. Es fehle ein Feststellungs-interesse. Es handele sich ausschließlich um eine behördeninterne Maßnahme. Schadensersatz könne die Klägerin ebenfalls nicht verlangen, selbst wenn ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot wegen ihres Alters unterstellt wird. Es fehle schon deswegen an einem immateriellen Schaden, weil die Erheblichkeitsschwelle nicht überschritten sei. Selbst wenn die Herstellung einer ausgewogenen Personalstruktur zwecks Vermeidung von „Oma/Opa-Kindertagesstätten“ im scharfen Licht des AGG letztlich nicht haltbar sein sollte, so gehe es hier letztlich um Sachzwänge und nicht um etwas, was die Klägerin persönlich nehmen müsste. Nicht jede Diskriminierung führe zu einem Nichtvermögensschaden.
Gegen dieses der Klägerin am 23. Mai 2007 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 5. Ju-ni 2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung. Die Begründung ging am 12. Juli 2007 ein.
Die Klägerin hält die rechtlichen Wertungen des Arbeitsgerichts nicht für zutreffend.
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Sie beantragt,
1. festzustellen, dass sie in ihrer Funktion als Erzieherin des Eigenbetriebes Kindergärten C. des Bezirksamtes Mitte von Berlin nicht dem so genannten Personalüberhang des Landes Berlin zugeordnet ist;
2. das beklagte Land zu verurteilen, an sie eine in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, welches jedoch einen Betrag von 4.000,-- € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2007 zu zahlen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land meint, mit der Schaffung des AGG habe der Gesetzgeber nicht jegliche Benachteiligung verhindern wollen. Hier sei nur das „wie“ und nicht das „ob“ des Beschäftigungsverhältnisses betroffen. Bei der Sozialauswahl liege auch keine Abweichung von der VV-Auswahl vor. Jedenfalls sei die Schwelle für einen immateriellen Schaden erst dann überschritten, wenn der Beschäftigte herabgewürdigt werde. Dies sei nicht der Fall.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nur hinsichtlich der begehrten Entschädigungszahlung begründet. Insofern war das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin teilweise abzuändern.
1. Wegen erfolgter Altersdiskriminierung war das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 1.000,-- € nebst Zinsen zu zahlen (§§ 15 Abs. 2 S. 1, 7 Abs. 1 AGG).
1.1 Das beklagte Land hat die Klägerin unmittelbar benachteiligt, in dem es bei der Zuordnung zum Personalüberhang hinsichtlich der Sozialauswahl nur Arbeitnehmer/ innen berücksichtigt hat, die das 40. Lebensjahr vollendet hatten, und in dem es hierauf fußend die Klägerin tatsächlich am 1. Januar 2007 zum Stellenpool versetzt hat.
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Die Sozialauswahl knüpft an einen Grund im Sinne von § 1 AGG an, nämlich an das Alter. Es handelt sich um eine Maßnahme bei Durchführung des Beschäftigungsverhält-nisses (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG), denn die Klägerin wird im Rahmen des Direktionsrechts zum Stellenpool versetzt. Die Klägerin hat auch wegen ihres Alters eine wenige günstigere Behandlung erfahren, als eine Person in einer vergleichbaren Situation. Sie ist mit 48 erweiterten Sozialpunkten zu der Maßnahme herangezogen worden, obwohl mindestens 7 Arbeitnehmerinnen mit 31 bis 42 erweiterten Sozialpunkten allein deswe-gen nicht berücksichtigt wurden, weil sie jünger als 40 Jahre waren. Dies ergibt sich aus der Anlage zum Vermerk vom 26.10.2006 (Bl. 56 d. A.).
1.2 Es liegt auch keine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters vor, insbesondere nicht nach § 10 AGG.
§ 8 AGG scheidet aus. Das beklagte Land behauptet nicht, dass Erzieherinnen ab 40 Jahre nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden könnten. Für eine solche Annahme gibt es auch keine Anhaltspunkte.
Die Beispielsfälle in § 10 S. 2 Ziff. 1 - 6 AGG sind ebenfalls nicht einschlägig.
1.2.1 Nach der allgemeinen Regel des § 10 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Es fehlt schon ein legitimes Ziel.
Thüsing (Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 421) hat darauf hingewiesen, dass die Wortwahl „legitimes Ziel“ in § 10 AGG sich mit der gleichen Wortwahl im § 6 Abs. 1 der deutschen Übersetzung der Richtlinie 2000/78/EG deckt. In der englischen und französischen Fassung der Richtlinie werde hier genauso wie bei Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie der Begriff „rechtmäßiges Ziel“ verwendet. Daher sei dies gemeint. Auch die hiesige Kammer geht davon aus, dass ein „legitimes Ziel“ im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 AGG ein „rechtmäßiges Ziel“ sein muss.
Bindet sich ein Arbeitgeber im Hinblick auf Ausnahmen von der Sozialauswahl bei Versetzungen zum Stellenpool durch Verwaltungsanordnung selbst („Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“), dann kann ein darüber hinausgehende Verände¬
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rung der Personalstruktur („Herbeiführung einer ausgewogenen Personalstruktur“) nicht rechtmäßig sein. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Verwaltung sich selbst binden kann im Hinblick auf die Verwaltungsreform- und Beschäftigungssicherungs-vereinbarung 2000 (VBSV 2000), die auch vom Hauptpersonalrat und dem beim beklagten Land vertretenen Gewerkschaften unterzeichnet wurde, die jedoch nur bis zum 31. Dezember 2004 galt, hat dies das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich festgestellt (vom 13.03.2007 - 9 AZR 417/06 - Rn. 40, Juris). Schon früher hatte das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine Verwaltung sich in der Ausübung ihres Ermessens selbst binden kann, vor allem durch entsprechende Verwaltungsvorschriften (BAG vom 17.12.1997 - 5 AZR 332/96 - NZA 1998, 555, 557).
Letzteres ist hier geschehen. In § 6 der VV-Auswahl vom 28. Juni 2005 (Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I, 05.08.2005, 58 f.) ist festgelegt, dass die Sozialauswahl nach vier Auswahlkriterien und den ihnen zugeordneten Punkten zu erfolgen hat. Eine Ausnahme ist in § 5 Abs. 2 VV-Auswahl nur insofern vorgesehen, als ein Abweichen „zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur“ zugelassen wird. Der hiesige Eigenbetrieb hat jedoch darüber hinausgehend eine Veränderung in der Personalstruk-tur vornehmen wollen. Dadurch, dass nur ältere Beschäftigte zum Stellenpool versetzt werden sollten, sollte der prozentuale Anteil der jüngeren Beschäftigten ansteigen. Damit sind die Grenzen überschritten, die die Verwaltung sich durch Eigenbindung im Wege der VV-Auswahl auferlegt hatte. Eine so vorgenommene Sozialauswahl ist nicht mehr rechtmäßig. Sie kann daher auch kein rechtmäßiges Ziel im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 1 AGG sein.
1.2.2 Selbst wenn die Herbeiführung einer ausgewogenen Personalstruktur grundsätzlich ein legitimes Ziel wäre, dann ist nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der Arbeitgeber dafür darlegungs- und beweispflichtig, wie die angestrebte Personalstruktur im Einzelfall aussehen soll, warum eine solche Pesonalstruktur ein legitimes Ziel darstellt und weswegen die ergriffenen Mittel angemessen und erforderlich im Sinne von § 10 AGG sind. Diese Darlegung ist dem beklagten Land hier nicht gelungen.
a) Das beklagte Land ist der Meinung, eine ausgewogene Personalstruktur sei erst dann erreicht, wenn in der Altersgruppe bis 39 Jahren genauso viele Arbeitnehmer vorhanden sind wie in der Altersgruppe ab 40 Jahren. Die Scheidelinie von 40 Jahren begründet das beklagte Land damit, dass dieses Lebensjahr ungefähr
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die Mitte der Alterstreuung bei den Erzieher/innen darstelle (Schriftsatz vom 13.04.2007, S. 3).
Schon dies ist nicht nachvollziehbar. Ausweislich der Anlage zum Auswahlverfahren vom 26.10.2006 (Kopie Bl. 56 ff. d. A.) werden Erzieherinnen frühestens mit 18 Jahren bei der Beklagten eingestellt. Bei einer Altersgrenze von nunmehr 67 Jahren und einer gleichmäßigen Verteilung der Erziehungskräfte wäre die rechnerische Mitte mit 42,5 Lebensjahren erreicht.
Die Sozialauswahl hat das beklagte Land nicht auf den gesamten Eigenbetrieb erstreckt, sondern nur auf die jeweilige Kindertagesstätte, bei der ein Personalüberhang angenommen wurde. Begründet wird dies damit, dass den Kindern und Eltern ein übermäßiger Wechsel der Bezugspersonen nicht zugemutet werden soll, was aber der Fall wäre, wenn nach der erfolgten Sozialauswahl zusätzlich ein Austausch der verbliebenen Arbeitnehmerinnen zwischen den Kindertagesstätten erfolgen müsste. An diesen Erwägungen muss das beklagte Land sich festhalten lassen. Dann reicht es aber nicht aus, auf eine unausgewogene Personalstruktur im gesamten Eigenbetrieb zu verweisen. Vielmehr müsste die Personalstruktur in der jeweiligen Kindertagesstätte dargelegt werden, hier also in der Kita R. Str. Schon dies hat die Beklagte nicht ausdrücklich gemacht.
Bei Auswertung der Anlage zum Vermerk vom 26.10.2006 ergibt sich aber, dass 16 Erzieherinnen bezogen auf den dort festgelegten Stichtag 01.10.2006 bis 42,5 Jahre alt waren und 12 weitere älter. Insofern ist zumindest diese Kindertagesstätte weit entfernt von einer „Opa/Oma-Kita“, was im erstinstanzlichen Urteil jedoch ohne nähere Prüfung unterstellt wurde. Tatsächlich besteht hier ein Überhang von Beschäftigten in der unteren Hälfte der Altersstruktur.
b) Auch wenn man das 40. Lebensjahr als Scheidelinie akzeptiert, dann ist die ausschließliche Berücksichtigung von älteren Erzieherinnen bei den Versetzungen nicht gerechtfertigt.
In der Kindertagesstätte, in der die Klägerin beschäftigt war, waren 13 Erzieherinnen bis 39 Jahre alt und 15 waren 40 Jahre und älter. Insofern liegt eine fast ausgeglichene Personalstruktur vor, auch wenn diese nicht ganz ausgewogen ist. Selbst wenn ein völliger Gleichstand erstrebenswert wäre, dann wäre jedenfalls die Versetzung von
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sieben ausschließlich über 40-jährigen Arbeitnehmerinnen nicht angemessen. Eine solche Maßnahme würde zu einem starken Überhang bei jüngeren Kräften führen, was selbst nach den Kriterien des beklagten Landes nicht erstrebt wird (Beklagtenschriftsatz vom 16.08.2007, S. 6 f.).
c) Unabhängig von der tatsächlichen Personalstruktur bei den Kindertagesstätten des beklagten Landes bestehen Bedenken, warum eine Personalstruktur gerechtfertigt sein soll, die hälftig jeweils über oder unter einem bestimmten Lebensjahr sich gruppiert.
Das beklagte Land meint, eine einseitige Altersstruktur beinhalte für den Eigenbetrieb erhebliche Risiken. Insbesondere das zeitnahe Ausscheiden vieler Mitarbeiterinnen in immer kürzeren Zeiträumen und die damit erhöhte Wahrscheinlichkeit von Bezugsper-sonenwechseln in erheblicher Größenordnung stelle eine Gefahr dar.
Die behauptete Gefahr einer nicht mehr kontinuierlichen Betreuung der Kinder kann nicht nachvollzogen werden. Kinder verweilen in der Regel maximal drei bis vier Jahre in den Kindertagesstätten und scheiden dann überwiegend zum Ende des Kindergartenjahres aus. Wenn man ihnen in dieser Zeit ernstlich einen Wechsel bei Bezugspersonen nicht zumuten will, dann müsste ein Ausscheiden der Erzieherinnen regelmäßig nur zum Ende des Kindergartenjahres zulässig sein. Dies ist schon deswegen ausgeschlossen, weil Verrentungen von Erzieherinnen unabhängig vom Ende des Kindergartenjahres erfolgen. Die Kindertagestätte der Klägerin umfasst 30 Stellen. Selbst wenn alle Erzieherinnen 40 Jahre und älter wären, dann würden bei einer halbwegs gleichmäßigen Verteilung in dieser Altersgruppe pro Kalenderjahr nur etwas mehr als eine Erzieherin ausscheiden. Nach Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2007 bilden vier Erzieherinnen ein Team. Somit wären ca. sieben Teams vorhanden. Geht man von einer maximalen Zugehörigkeit der Kinder zur Kindertagestätte von vier Jahren aus, dann müssten in dieser Zeit ungefähr bei jedem zweiten Team eine von vier Erzieherinnen ausgetauscht werden. Warum dies pädagogisch problematisch sein soll, ist nicht nachvollziehbar.
d) Soweit das beklagte Land mit einer größeren Altersstreuung eine größere „Modellvielfalt“ erreichen will, so dürften hiermit wahrscheinlich unterschiedliche Erziehungsstile gemeint sein. Diese hängen jedoch nicht vom Alter, sondern von der
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Einstellung und Haltung zu pädagogischen Konzepten ab. Dann ist das Alter der falsche Anknüpfungspunkt.
Gleiches würde gelten, wenn mit diesem Stichwort die Innovationsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen gemeint sein sollte. Hierbei soll möglicherweise pauschal unterstellt werden, dass jüngere Beschäftigte innovativer sind. Tatsächlich hat auch dies mit dem Alter nicht zwangsläufig zu tun. Dann kann aber auch nicht pauschal ausschließlich am Alter angeknüpft werden. Der EuGH hat schon in der Mangold-Entscheidung (vom 22.11.2004 - C 144/04 - NZA 2005, 1345, Rn. 64 f.) darauf hingewiesen, dass das ausschließliche Anknüpfen an dem Kriterium Alter unterschiedslos dann nicht zulässig ist, wenn es für die Integration älterer Arbeitsloser auch darauf ankommt, ob und wie lange sie vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages arbeitslos waren. Andernfalls liefe die ausschließlich nach dem Lebensalter definierte Gruppe von Arbeitnehmern Gefahr, während eines erheblichen Teils ihres Berufslebens von festen Beschäfti-gungsverhältnissen ausgeschlossen zu sein. Rechtsvorschriften, die das Alter des betroffenen Arbeitnehmers als einziges Kriterium für die Befristung des Arbeitsvertra-ges festlegen, gingen über das hinaus, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist. Gleiches muss auch hier gelten. Wenn über das Kriterium Alte die Innovationsfähigkeit in den Kindertagesstätten gewahrt werden soll, dann werden unterschiedslos auch diejenigen Arbeitnehmerinnen erfasst, die trotz ihres höheren Alters sich offen für Weiterbildungsangebote und neue Konzepte zeigen. Auch hier würde die Festlegung auf nur dieses einzige Kriterium über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist.
e) All dies zeigt, dass das allgemeine Schlagwort von der „Herstellung einer ausgewogenen Personalstruktur“ ohne Berücksichtigung der hierfür angeführten Motive und der jeweiligen Situation nicht als Rechtfertigung für eine Diskriminierung dienen kann.
1.3 Aufgrund des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot kann die Klägerin wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (§ 15 Abs. 1 und 2 AGG).
Streitig ist, ob ein derartiger Anspruch nur besteht, wenn ein erhebliche Diskriminierung vorliegt, was nur bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angenommen wird (Thüsing a. a. O. Rn. 519; a. A. Bauer/Evers NZA 2006, 893, 896; Däubler/Bertz-bach, 2007, § 15 AGG Rn. 50).
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Der Streit kann hier dahingestellt bleiben. Zumindest im hiesigen Fall ist die Erheblichkeitsgrenze überschritten. Die Auswirkungen der Versetzung zum Stellenpool sind für die Klägerin durchaus erheblich. Ihr wird die langjährige Eingebundenheit bezüglich der Arbeitskolleginnen, Eltern und Kinder genommen. Ein Einsatz als Erzieherin erfolgte nur noch kurzfristig. Eine kontinuierliche Arbeit und Planung in diesem Beruf war für sie nicht möglich. Gerade wegen der sinkenden Kinderzahlen musste die Klägerin auch mittelfristig damit rechnen, außerhalb ihres angestammten Berufs ggf. nach einer Umschulung dauerhaft beschäftigt zu werden. All dies stellt einen immateriellen Schaden dar. Ebenso kann offen bleiben, ob die Entschädigung von Nichtvermögensschäden verschuldensunabhängig ist oder nicht (Thüsing a. a. O. Rn. 516, 544). Das beklagte Land hat die Pflichtverletzung zu vertreten. Es hätte durchaus erkennen können, dass die beabsichtigte Veränderung der Personalstruktur ein Verstoß gegen § 5 Abs. 2 VV-Auswahl darstellt. Da die Sozialauswahl nach eigener Entscheidung auf der Ebene der jeweiligen Kindertagesstätte erfolgen sollte, hätte das beklagte Land auch prüfen müssen, ob dort jeweils eine unausgewogene Personalstruktur vorliegt und ob dies nur dadurch ausgeglichen werden kann, dass ausschließlich ältere Erzieherinnen zum Stellenpool versetzt werden. All diese Prüfungen hat das beklagte Land fahrlässig unterlassen.
All dies rechtfertigt die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1.000,-- €. Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Diskriminierung nur fahrlässig erfolgte. Die Schwere und Art der Beeinträchtigung ist auch geringer als bei einer Kündigung oder nicht erfolgten Einstellung. Es ist auch davon auszugehen, dass die Entschädigungshöhe hoch genug ist, um eine hinreichend abschreckende Wirkung bei dem beklagten Land für die Zukunft zu entfalten.
Die Klägerin hat die Fristen der §§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b Abs. 1 ArbGG eingehalten. Die Verurteilung zur Zinszahlung ergibt sich aus dem Grundsatz des Verzugs.
2. Der gegen die Zuordnung zum Personalüberhang gerichtete Feststellungsantrag der Klägerin ist unzulässig. Es fehlt am erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO).
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Der Klägerin ist zuzugeben, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 15.08.2006 (9 AZR 656/05 - ZTR 2007, 214) ausdrücklich offen gelassen hat, ob nach Inkrafttreten des StPG einem Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit eingeräumt werden muss, wegen der Mitwirkung des Personalrats schon die Zuordnung zum Personalüberhang angreifen zu können.
Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass die Erwägungen des Bundesarbeitsgerichts in dem Urteil vom 27.10.2005 (6 AZR 123/05 - AP Nr. 90 zu § 256 ZPO 1977) weiterhin zutreffend sind. Dort war davon ausgegangen worden, dass die Zuordnung zum Personalüberhang nicht ein Rechtsverhältnis darstellt, sondern nur ein bloßes Element eines solchen. Diese Maßnahme habe nur interne Bedeutung auf Seiten des Arbeitgebers. Für den betroffenen Arbeitnehmer ändere sich in seinem Arbeitsverhältnis nichts.
Dies ist auch jetzt noch zutreffend. Die seit dem 1. Januar 2004 erforderliche Mitwirkung des Personalrats nach § 99 c Abs. 2 S. 1 PersVG Berlin steht dem nicht entgegen. Die Stellung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis wird auch hierdurch nicht verändert. Auch sonst führt die Beteiligung des Betriebs- oder Personalrates nicht dazu, dass schon in diesem Stadium eine Maßnahme durch den Arbeitnehmer isoliert durch Feststellungsklage angegriffen werden könnte. So wird die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrates nach § 102 BetrVG nur inzident im Rahmen einer Kündigungsschutzklage überprüft. Da die Wirksamkeit der Zuordnung zum Personalüberhang Voraussetzung für eine wirksame Versetzung zum Stellenpool ist, reicht es hier ebenfalls aus, nur die den Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis berührende Maßnahme der Versetzung durch Feststellungsklage angreifbar sein zu lassen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien entsprechend ihrem Anteil am Obsiegen und Unterliegen zu tragen (§ 92 ZPO).
4. Die Revision ist für beide Parteien gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung haben.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von beiden Parteien bei dem
Bundesarbeitsgericht,
Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt
(Postadresse: 99113 Erfurt),
Revision eingelegt werden. Die Revision muss innerhalb
einer Notfrist von einem Monat
schriftlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegt werden.
Sie ist gleichzeitig oder innerhalb
einer Frist von zwei Monaten
schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revisionsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Revision gerichtet wird und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Revision eingelegt werde.
Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments i. S. d. § 46b ArbGG genügt. Nähere Informationen dazu finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de.
K.
D.
G.
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