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LAG Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ur­teil vom 16.08.2011, 5 Sa 295/10

   
Schlagworte: Kündigung: Fristlos
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen: 5 Sa 295/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 16.08.2011
   
Leitsätze:

1. Der Verlust der Fahrerlaubnis ist bei einem Berufskraftfahrer an sich ein Grund, der eine Kündigung rechtfertigen kann. Geht das Fahrverbot auf ein Fehlverhalten bei einer Privatfahrt ohne Bezug zum Arbeitsverhältnis zurück, kommt allerdings allenfalls eine personenbedingte ordentliche Kündigung in Betracht. Ist das Fahrverbot auf einen Monat beschränkt, und könnte der Arbeitnehmer diesen Monat weitgehend durch Inanspruchnahme von Urlaub überbrücken, kommt eine Kündigung regelmäßig nicht in Betracht.

2. Für den Berufskraftfahrer besteht die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, seinen Arbeitgeber auf ein verhängtes und demnächst anstehendes Fahrverbot möglichst frühzeitig hinzuweisen. Setzt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erst 14 Tage vor Beginn des Fahrverbots über dieses in Kenntnis, obwohl er selbst seit mehr als 2 Monaten davon Kenntnis hat, liegt eine Verletzung dieser Nebenpflicht vor. Diese kann eine Kündigung im Regelfall nicht rechtfertigen, da der Arbeitgeber immer noch ausreichend Zeit hatte, sich auf die Situation einzustellen.

3. Eine Spesenforderung des Arbeitnehmers kann nicht durch Aufrechnung mit einer Gegenforderung zum Erlöschen gebracht werden (§ 394 BGB, § 850a ZPO). Solange die vom Arbeitgeber gezahlten Spesen sich noch weit unterhalb der Grenzen bewegen, in denen der Arbeitgeber steuerbegünstigt Spesen zahlen könnte, kann in den bezahlten Spesen kein verstecktes Einkommen erblickt werden. Diese Feststellung widerspricht nicht den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Rostock, da danach (Ziffer 1.4) Spesen nur insoweit als Einkommen gelten, als nach Abzug der tatsächlichen Aufwendungen ein positiver Betrag verbleibt. Eine pauschale Ansetzung von 1/3 der Spesen als Einkommen kommt nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber die vollen Aufwendungspauschalen zahlt.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Stralsund, Urteil vom 8.09.2010, 3 Ca 69/10
   

Te­nor

1.Die Be­ru­fung wird auf Kos­ten des Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen.

2.Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um den Be­stand ei­nes zwi­schen ih­nen be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie um die Aus­zah­lung vom Ar­beit­ge­ber ein­be­hal­te­ner Lohn­be­stand­tei­le.

Der Kläger steht seit De­zem­ber 2008 in ei­nem Ar­beits­verhält­nis zum Be­klag­ten als Kraft­fah­rer mit Ein­satz im In- und Aus­land. Der Be­klag­te beschäftigt re­gelmäßig mehr als 15 Ar­beit­neh­mer. In dem Ar­beits­ver­trag vom 13. De­zem­ber 2008 ver­ein­bar­ten die Par­tei­en ei­nen Lohn in Höhe von 1.300,00 Eu­ro brut­to mo­nat­lich zuzüglich mo­nat­li­cher Spe­sen in Höhe von 500,00 Eu­ro (Ko­pie als An­la­ge K 1 über­reicht, hier Blatt 24, es wird Be­zug ge­nom­men).

Von dem ab­ge­rech­ne­ten Net­to­ent­gelt hat der Be­klag­te im Ju­ni 2009 ei­nen Be­trag in Höhe von 14,85 Eu­ro, im Ok­to­ber 2009 in Höhe von 13,07 Eu­ro und No­vem­ber 2009 noch­mals in Höhe von 19,40 Eu­ro für Te­le­fon­kos­ten ab­ge­zo­gen, ins­ge­samt al­so in Höhe von 47,32 Eu­ro. Von dem ab­ge­rech­ne­ten Net­to­ge­halt für den Mo­nat No­vem­ber 2009 hat der Be­klag­te außer­dem ei­nen Be­trag für "Er­stat­tung Stra­fen" in Höhe von 280,00 Eu­ro net­to in Ab­zug ge­bracht.

Auf­grund Bußgeld­be­schei­des des Land­krei­ses R vom 23. Sep­tem­ber 2009, be­stands­kräftig seit dem 10. Ok­to­ber 2009, wur­de für den Zeit­raum vom 29. Ja­nu­ar 2010 bis 28. Fe­bru­ar 2010 ge­genüber dem Kläger ein Fahr­ver­bot an­ge­ord­net. Der Führer­schein des Klägers wur­de in amt­li­che Ver­wah­rung ge­nom­men. Die Par­tei­en strei­ten über den Zeit­punkt, zu dem der Kläger den Be­klag­ten auf die­sen Um­stand hin­ge­wie­sen hat. Un­strei­tig ist die­ser Um­stand dem Be­klag­ten je­den­falls spätes­tens seit dem 17. Ja­nu­ar 2010 be­kannt (An­ga­be des Be­klag­ten im Kündi­gungs­schrei­ben).

Mit Schrei­ben vom 29. Ja­nu­ar 2010, dem Kläger zu­ge­gan­gen am 1. Fe­bru­ar 2010, hat der Be­klag­te das Ar­beits­verhält­nis zum Kläger frist­los je­doch un­ter An­rech­nung der dem Kläger noch zu­ste­hen­den Ur­laubs­ta­ge zum 12. Fe­bru­ar 2010 gekündigt (Ko­pie als An­la­ge K 2 über­reicht, hier Blatt 7, es wird Be­zug ge­nom­men).

Mit sei­ner am 18. Fe­bru­ar 2010 bei Ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge wen­det sich der Kläger ge­gen die­se Kündi­gung und be­gehrt - so­weit im Be­ru­fungs­rechts­zug noch von In­ter­es­se - des Wei­te­ren die Aus­zah­lung der ein­be­hal­te­nen Lohn­be­stand­tei­le in der Ge­samthöhe von 327,32 Eu­ro net­to.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge, so­weit der Rechts­streit im Be­ru­fungs­rechts­zug anhängig ge­macht wur­de, mit Ur­teil vom 8. Sep­tem­ber 2010 statt­ge­ge­ben. Auf die­ses Ur­teil wird we­gen der nähe­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des vor dem Ar­beits­ge­richt Be­zug ge­nom­men.

Mit der recht­zei­tig ein­ge­leg­ten und recht­zei­tig be­gründe­ten Be­ru­fung ver­folgt der Be­klag­te das Ziel der vollständi­gen Klag­ab­wei­sung wei­ter fort.

Die Kündi­gung sei frist­los aus­ge­spro­chen wor­den, da der Kläger den Be­klag­ten erst kurz vor Ab­lauf der 4-Mo­nats-Frist aus § 25 Ab­satz 2a St­VG von dem Fahr­ver­bot un­ter­rich­tet ha­be. Der Kläger sei ver­pflich­tet ge­we­sen, spätes­tens mit Ein­tritt der Rechts­kraft des Bußgeld­be­schei­des den Be­klag­ten da­von zu un­ter­rich­ten. Denn zu die­sem Zeit­punkt wäre es noch möglich ge­we­sen, durch be­triebs­in­ter­ne Pla­nun­gen des Be­klag­ten und un­ter Aus­nut­zung der auf­tragsärme­ren Zeit, durch In­an­spruch­nah­me von Ur­laub und un­ter Aus­nut­zung von Fei­er­ta­gen das Fahr­ver­bot schon im De­zem­ber 2009 wirk­sam wer­den zu las­sen. Die späte Un­ter­rich­tung stel­le da­mit ein be­triebsschädi­gen­des Ver­hal­ten dar, wel­ches der Be­klag­te nicht hin­neh­men müsse. Ei­ne Über­brückung des Ar­beits­aus­falls wäre im Ja­nu­ar 2010 nicht mehr möglich ge­we­sen. Auch sei es nicht möglich ge­we­sen, dem Kläger so­fort Ur­laub zu gewähren.

Sch­ließlich sei es im höchs­ten Maße un­bil­lig, wenn der Kläger sich un­mit­tel­bar nach Aus­spruch der Kündi­gung krank­schrei­ben ließe. Fer­ner hätte der Kläger le­dig­lich ei­nen Ur­laubs­an­spruch von 10 Ta­gen ge­habt.

Ei­ne vor­he­ri­ge Ab­mah­nung sei un­ter Berück­sich­ti­gung des Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes ent­behr­lich ge­we­sen. Dem Kläger sei seit Ok­to­ber 2009 be­wusst ge­we­sen, dass der Be­klag­te auf recht­zei­ti­ge In­for­ma­ti­on, hin­sicht­lich der Ein­satzfähig­keit der Kraft­fah­rer an­ge­wie­sen sei. An­de­ren­falls sei ei­ne verläss­li­che Dis­po­si­ti­on nicht möglich, was wie­der­um zu Störung im Verhält­nis zu Auf­trag­ge­bern ggfs. Ver­trags­stra­fen und zum Ab­bruch der teil­wei­se langjähri­gen Ver­trags­be­zie­hun­gen hätte führen können. Dies stel­le auf­grund der star­ken Kon­kur­renz­si­tua­ti­on im Trans­port­ge­wer­be ei­ne er­heb­li­che Ge­fahr für den Ge­wer­be­be­trieb dar. Dem Kläger sei da­her auch be­wusst ge­we­sen, dass der Be­klag­te das kläge­ri­sche Ver­hal­ten nicht hin­neh­men wer­de.

Fer­ner ha­be der Kläger En­de Ja­nu­ar 2010 ge­genüber ei­nem Dis­po­nen­ten ei­nes Kun­den in Schwe­den sinn­gemäß erklärt, er müsse An­fang Fe­bru­ar für ei­nen Mo­nat sei­nen Führer­schein ab­ge­ben. Dies sei aber nicht so tra­gisch, da er so­wie­so kei­ne Lust mehr ha­be, für den Be­klag­ten zu fah­ren; zu­dem ha­be er ab An­fang März ei­nen neu­en Ar­beits­platz. Zu­min­dest recht­fer­ti­ge die­ses Ver­hal­ten des Klägers ei­ne or­dent­li­che Kündi­gung.

Auch der Lohn­ein­be­halt sei zu Recht er­folgt. Aus­weis­lich der Ein­zel­ver­bin­dungs­nach­wei­se für Ju­ni, Sep­tem­ber und Ok­to­ber 2009 ha­be der Kläger mit sei­nem Dienst­mo­bil­te­le­fon Pri­vat­te­le­fo­na­te geführt. Der wei­te­re Ein­be­halt im No­vem­ber 2009 in Höhe von 280,00 Eu­ro be­ru­he auf ei­nem Scha­dens­er­satz­an­spruch. Der Kläger ha­be im Sep­tem­ber 2009 in T (Schwe­den) auf dem von ihm geführ­ten LKW be­reits ge­la­de­ne Pa­let­ten ab­ge­la­den, um die­se neu zu po­si­tio­nie­ren. Bei dem Wie­der­be­la­den ha­be der Kläger 18 Pa­let­ten am La­de­ort ste­hen las­sen, wel­che dar­auf­hin per Ex­press­fracht­gut an dem Empfänger ge­lie­fert wor­den sei­en. Hier­durch sei­en Kos­ten in Höhe von 1.000,00 Eu­ro ent­stan­den, die der Be­klag­te in Höhe von 500,00 Eu­ro ha­be tra­gen müssen (Ko­pie der Rech­nung als An­la­ge B 4 über­reicht, hier Blatt 74, es wird Be­zug ge­nom­men).

Der Be­klag­te be­an­tragt sinn­gemäß,

das ar­beits­ge­richt­li­che Ur­teil - so­weit der Kläger ob­siegt hat - ab­zuändern und die Kla­ge auch in­so­weit ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Ein Kündi­gungs­grund lie­ge nicht vor. Die Verhängung ei­nes nur kur­ze Zeit gel­ten­den Fahr­ver­bo­tes stel­le in der Re­gel kei­nen wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 Ab­satz 1 BGB dar. Die Zeit, in der er kei­ne LKW hat­te führen dürfen, hätte man oh­ne Wei­te­res durch Ur­laubs­gewährung über­brücken können. Ei­ne be­trieb­li­che Be­ein­träch­ti­gung durch das Fahr­ver­bot sei mit­hin ver­meid­bar ge­we­sen. Der Aus­spruch der Kündi­gung sei un­verhält­nismäßig. Der Kläger be­haup­tet in die­sem Zu­sam­men­hang, er ha­be den Be­klag­ten mehr­fach ab Ok­to­ber 2009 über den Ent­zug des Führer­scheins in­for­miert, und führt da­zu als Be­leg zwei kon­kre­te Er­eig­nis­se an.

Die Lohn­abzüge im Ju­ni, Ok­to­ber und No­vem­ber 2009 sei­en zu Un­recht vor­ge­nom­men wor­den, da er kei­ne pri­va­ten Te­le­fo­na­te von dem Dienst­mo­bil­te­le­fon geführt ha­be. Auch sei der Ab­zug "Er­stat­tung Stra­fen" im No­vem­ber 2009 nicht be­rech­tigt, der gan­ze Vor­trag zum an­geb­li­chen Scha­den sei un­sub­stan­ti­iert. Des­sen un­ge­ach­tet ha­be der Be­klag­te die Pfändungs­frei­gren­zen nicht be­ach­tet.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die im Be­ru­fungs­rechts­zug ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist nicht be­gründet. Die Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zur Un­wirk­sam­keit der Kündi­gung und zur feh­len­den Recht­fer­ti­gung der Lohn­ein­be­hal­te sind zu­tref­fend. Die An­grif­fe der Be­ru­fung recht­fer­ti­gen ei­ne an­de­re Ent­schei­dung nicht.

I.

1. Das Ar­beits­ge­richt hat an­ge­nom­men, die frist­lo­se Kündi­gung sei un­wirk­sam, weil es an ei­nem wich­ti­gen Grund im Sin­ne von § 626 BGB man­ge­le. Der Ver­lust der Fahr­er­laub­nis stel­le bei ei­nem Be­rufs­kraft­fah­rer zwar an sich ei­nen Grund zur Kündi­gung dar. Im vor­lie­gen­den Ein­zel­fall kom­me ei­ne Kündi­gung aber nicht in Be­tracht, da der Ent­zug der Fahr­er­laub­nis nur kur­ze Zeit an­ge­dau­ert ha­be und man die­se Zeit durch Ur­laub hätte über­brücken können.

Die (strei­ti­ge) ver­späte­te Mit­tei­lung des Klägers über das an­ste­hen­de Fahr­ver­bot könne auch nach dem Vor­trag des Be­klag­ten die Kündi­gung nicht recht­fer­ti­gen. Sie sei zwar pflicht­wid­rig, führe aber in der Be­wer­tung nicht zu ei­nem so weit­rei­chen­den Ver­trau­ens­ver­lust, dass al­lein dar­aus ein Kündi­gungs­grund er­wach­se.

2. Die­ser Be­wer­tung schließt sich das Be­ru­fungs­ge­richt aus­drück­lich an. Das Be­ru­fungs­vor­brin­gen lässt ei­ne an­de­re Ent­schei­dung nicht zu.

a) In der vom Be­klag­ten zi­tier­ten Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt in der Tat er­kannt, dass der Ent­zug der Fahr­er­laub­nis an sich ein Grund zur Kündi­gung sein könne (BAG 5. Ju­ni 2008 - 2 AZR 984/06 - AP Nr. 212 zu § 626 BGB = DB 2009, 123). Da­von ist aber auch das Ar­beits­ge­richt aus­ge­gan­gen. Es hat dann al­ler­dings in dem not­wen­di­gen zwei­ten Prüfungs­schritt fest­ge­stellt, dass der vor­lie­gen­de kon­kre­te Ein­zel­fall (kur­zes Fahr­ver­bot, das mit Ur­laub über­brückt wer­den könn­te) nicht zur Kündi­gung ge­eig­net sei. Ergänzend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass für die­se Fest­stel­lung die An­zahl der sei­ner­zeit noch of­fe­nen Ur­laubs­ta­ge kei­ne Rol­le spielt. Denn, wenn sei­ner­zeit kei­ne Kündi­gung aus­ge­spro­chen wor­den wäre, hätte dem Kläger noch der ge­sam­te Ur­laus­an­spruch für 2010 zu­ge­stan­den, der al­le­mal aus­ge­reicht hätte, den Mo­nat des Fahr­ver­bots zu über­brücken.

b) Die an­geb­lich ver­späte­te Be­kannt­ga­be des ein­mo­na­ti­gen Fahr­ver­bots kann die Kündi­gung eben­falls nicht recht­fer­ti­gen.

Pro­zes­su­al kann nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Kläger den Be­klag­ten erst am 17. Ja­nu­ar 2010 von dem Um­stand des Fahr­ver­bots un­ter­rich­tet hat. Denn der Kläger hat zwei kon­kre­te da­vor­lie­gen­de Er­eig­nis­se ge­schil­dert, bei de­nen es zur Un­ter­rich­tung des Be­klag­ten ge­kom­men sein soll und der Be­klag­te hat sich zu ih­nen nicht sub­stan­ti­iert ein­ge­las­sen. So hat der Kläger be­haup­tet, sei­ne Mut­ter hätte den Bußgeld­be­scheid (und nicht die Mit­tei­lung über die Voll­zie­hung ei­nes Fahr­ver­bots vom 29. Ja­nu­ar 2010) auf Wunsch des Be­klag­ten die­sem be­reits im De­zem­ber ge­faxt. Außer­dem hätte er - der Kläger - den Be­klag­ten mehr­fach auf den Bußgeld­be­scheid an­ge­spro­chen und ei­ne Ab­spra­che über den ge­eig­ne­ten Zeit­punkt der Ab­ga­be des Führer­scheins an­ge­mahnt. Da­zu hat der Be­klag­te nur vor­ge­tra­gen, er ha­be von dem an­ste­hen­den Fahr­ver­bot erst mit dem Fax vom 29. Ja­nu­ar 2010 er­fah­ren, das er in Ko­pie als An­la­ge B 1 (hier Blatt 61) über­reicht ha­be. Die­se An­ga­be steht in Wi­der­spruch zu sei­ner ei­ge­nen Aus­sa­ge im Kündi­gungs­schrei­ben (Kennt­nis seit 17. Ja­nu­ar 2010) und ist schon von da­her nicht ge­eig­net, die Be­haup­tun­gen des Klägers zu wi­der­le­gen. Zu der kläge­ri­schen Be­haup­tung, er - der Kläger - ha­be im­mer wie­der auf ei­ne Ab­spra­che ge­drängt, hat sich der Be­klag­te gar nicht ein­ge­las­sen. Da der Ar­beit­ge­ber die Be­weis­last für das Vor­lie­gen ei­nes Kündi­gungs­grun­des trägt, trägt er auch das Ri­si­ko, wenn er die Ein­las­sung des Klägers nicht wi­der­le­gen kann.

Aber selbst dann, wenn man mit dem Be­klag­ten da­von aus­geht, dass der Kläger ihn erst am 17. Ja­nu­ar 2010 von dem an­ste­hen­den Fahr­ver­bot un­ter­rich­tet hat, recht­fer­tigt das die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung nicht. Für die­se Be­wer­tung kann so­gar zu Guns­ten des Be­klag­ten un­ter­stellt wer­den, dass der Kläger ar­beits­ver­trag­lich ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, den Ar­beit­ge­ber als­bald nach Rechts­kraft des Bußgeld­be­schei­des darüber zu un­ter­rich­ten. Denn die Un­ter­rich­tung rund zehn Ta­ge vor Be­ginn des Fahr­ver­bots bie­tet dem Ar­beit­ge­ber im­mer noch aus­rei­chend Zeit, sich auf die­se Si­tua­ti­on ein­zu­stel­len. Dass die Zeit zu kurz ge­we­sen sein soll, ver­mag das Ge­richt dem Be­klag­ten nicht ab­zu­neh­men. Denn da ein Ar­beit­ge­ber im­mer mit Per­so­nal­aus­fall, bei­spiels­wei­se we­gen Er­kran­kung sei­ner Ar­beit­neh­mer, rech­nen muss, muss er schon in sei­nem ei­ge­nen In­ter­es­se sei­nen Be­trieb so or­ga­ni­sie­ren, dass ein sol­cher un­ge­plan­ter Per­so­nal­aus­fall bewältigt wer­den kann. Ge­mes­sen an den Pro­ble­men, die ein un­er­war­te­ter Krank­heits­fall auf­wer­fen kann, hat­te der Be­klag­te hier so­gar noch großzügig Zeit, sei­nen Be­trieb auf den Aus­fall ein­zu­stel­len.

So­weit der Be­klag­te dar­auf ab­stel­len will, dass ei­ne frühe­re Be­kannt­ga­be des Bußgeld­be­schei­des noch die Möglich­keit eröff­net hätte, die Ab­ga­be des Führer­scheins und da­mit die zeit­li­che La­ge des Fahr­ver­bots bes­ser zu steu­ern, ver­mag auch die­ser Um­stand die Kündi­gung nicht zu recht­fer­ti­gen. Es liegt zwar auf der Hand, dass ei­ne frühe­re Kennt­nis die be­trieb­li­chen Pro­ble­me erst gar nicht hätte ent­ste­hen las­sen, die durch das Un­ter­las­sen der Un­ter­rich­tung ent­ste­hen­den Pro­ble­me sind aber nicht so gra­vie­rend, dass al­lein dies schon die Kündi­gung recht­fer­ti­gen könn­te.

3. Die Hin­wei­se auf wei­te­re an­geb­li­che Kündi­gungs­gründe in der Be­ru­fungs­be­gründung sind eben­falls nicht ge­eig­net, die Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen.

a) Dass der Kläger nach Aus­spruch der Kündi­gung ar­beits­unfähig er­krankt ist, kann die Kündi­gung selbst­verständ­lich nicht recht­fer­ti­gen, denn im Fal­le ei­ner Krank­heit ist der Ar­beit­neh­mer be­rech­tigt, der Ar­beit fern zu blei­ben. Außer­dem han­delt es sich um ein Er­eig­nis nach Aus­spruch der Kündi­gung, das da­her oh­ne­hin nicht ge­eig­net wäre, die Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen.

b) Auch so­weit der Be­klag­te im Be­ru­fungs­rechts­zug den Kündi­gungs­grund des Ab­kehr­wil­lens des Ar­beit­neh­mers in den Vor­der­grund zu rücken ver­sucht, kann das die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung nicht recht­fer­ti­gen.

In ei­ner sehr al­ten Ent­schei­dung hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­mal den Ab­kehr­wil­len des Ar­beit­neh­mers als Kündi­gungs­grund an­er­kannt (22. Ok­to­ber 1964 - 2 AZR 515/63 - AP Nr. 16 zu § 1 KSchG Be­triebs­be­ding­te Kündi­gung = DB 1965, 38), hat dies aber an die Be­din­gung ge­knüpft, dass die Kündi­gung er­for­der­lich sein muss, um den Ar­beits­platz für ei­ne statt­des­sen ein­zu­stel­len­de Er­satz­kraft frei zu ma­chen. Ei­ne sol­che Si­tua­ti­on liegt hier nicht vor.

II. Das Ar­beits­ge­richt hat den Be­klag­ten auch zu Recht zur Aus­zah­lung der Lohn­ein­be­hal­te in der un­strei­ti­gen Ge­samthöhe von 327,32 Eu­ro ver­ur­teilt.

Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt die vor­ge­nom­me­ne Auf­rech­nung mit Ge­gen­ansprüchen des Be­klag­ten be­reits an den Pfändungs­schutz­vor­schrif­ten schei­tern las­sen. Denn vor­lie­gend hat der Be­klag­te die Pfändungs­frei­gren­zen nach § 850c ZPO nicht be­ach­tet, so dass die Auf­rech­nung nach § 394 BGB un­zulässig ist. Gemäß der An­la­ge zu § 850 c ZPO ist der mo­nat­li­che Net­to­lohn bis 989,99 Eu­ro unpfänd­bar. Oh­ne Spe­sen be­trug das mo­nat­li­che Net­to­ein­kom­men des Klägers 972,41 Eu­ro. So­weit der Kläger pau­scha­le mo­nat­li­che Spe­sen in Höhe von 500,00 Eu­ro er­hielt, sind die­se gemäß § 850a Nr. 3 ZPO vollständig unpfänd­bar.

1. Zunächst kann ent­ge­gen dem Vor­brin­gen des Be­klag­ten nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass in den Spe­sen ver­steck­tes Ent­gelt ent­hal­ten ist. Zwi­schen den Par­tei­en ist in­so­weit un­strei­tig, dass der Kläger im Jah­re 2009 so häufig für den Be­klag­ten auswärts un­ter­wegs war, dass der Be­klag­te ihm steu­er- und bei­trags­frei Auf­wen­dun­gen in Höhe von 9.426,00 Eu­ro hätte er­set­zen können. Das hat der Be­klag­te dem Kläger zur Ver­wen­dung bei der ei­ge­nen Steu­er­erklärung be­schei­nigt und es ist nicht er­sicht­lich, dass die­se Be­schei­ni­gung falsch er­stellt wur­de. Wenn in die­ser Si­tua­ti­on der Be­klag­te dem Kläger pau­scha­liert mo­nat­lich 500,00 Eu­ro, im Jahr al­so nur 6.000,00 Eu­ro, er­setzt hat, muss man da­von aus­ge­hen, dass die tatsächli­chen Auf­wen­dun­gen des Klägers noch viel höher wa­ren und da­her mit dem Auf­wen­dungs­er­satz kein ver­steck­ter Lohn gewährt wur­de.

Aus den un­ter­halts­recht­li­chen Leit­li­ni­en des OLG Ros­tock lässt sich - ent­ge­gen der Dar­stel­lung des Be­klag­ten - nichts Ge­gen­tei­li­ges ab­lei­ten. Denn un­ter Zif­fer 1.4 heißt es dort wört­lich: "Er­satz für Spe­sen und Rei­se­kos­ten so­wie Auslösun­gen gel­ten in der Re­gel als Ein­kom­men. Da­mit zu­sam­menhängen­de Auf­wen­dun­gen - ver­min­dert um häus­li­che Er­spar­nis - sind je­doch ab­zu­zie­hen. Bei Auf­wen­dungs­pau­scha­len (außer Ki­lo­me­ter­geld) kann 1/3 als Ein­kom­men ein­ge­setzt wer­den." Wenn man al­so die er­hal­te­nen Spe­sen als Ein­kom­men an­se­hen will, müss­te man die da­bei ent­stan­de­nen Wer­bungs­kos­ten des Klägers in Ab­zug brin­gen. Der Be­klag­te hat nicht nach­wei­sen können, dass da­bei ein po­si­ti­ver Be­trag übrig ge­blie­ben wäre.

2. Der Ein­wand des Auf­rech­nungs­ver­bots ist vom Ar­beits­ge­richt zu Recht auch nicht als ver­spätet zurück­ge­wie­sen wor­den, da die dafür zu Grun­de zu le­gen­den Tat­sa­chen be­reits in den Rechts­streit ein­geführt wa­ren und sie im Übri­gen auch nicht strei­tig sind. So­weit der Be­klag­te meint, ihm sei da­durch die Möglich­keit ab­ge­schnit­ten wor­den, sich auf § 242 BGB we­gen der vorsätz­li­chen Schädi­gung durch den Kläger zu be­ru­fen, ist die­ser mögli­che Man­gel in der Ver­fah­rens­ge­stal­tung des Ar­beits­ge­richts durch die Be­ru­fungs­ein­le­gung ge­heilt wor­den. Al­ler­dings hat der Be­klag­te es nicht ver­mocht schlüssig dar­zu­le­gen, dass er aus Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) be­rech­tigt ist, un­ter Nicht­be­ach­tung der Pfändungs­schutz­vor­schrif­ten mit kläge­ri­schen Ansprüchen auf­zu­rech­nen. Denn es kann nicht fest­ge­stellt wer­den, dass der Kläger den Be­klag­ten vorsätz­lich geschädigt hat.

a) Der Scha­den durch die im Sep­tem­ber in T zurück­ge­las­se­ne La­dung ist vom Kläger nicht vorsätz­lich her­bei geführt wor­den. Das er­gibt sich schon aus dem ei­ge­nen Vor­trag des Be­klag­ten. Denn der Be­klag­te be­haup­tet, er ha­be den Kläger we­gen die­ses Vor­fal­les ab­ge­mahnt und hat als Be­weis dafür ein Ab­mah­nungs­schrei­ben vom 19. Sep­tem­ber 2009 vor­ge­legt (Ko­pie als An­la­ge B 5 über­reicht, hier Blatt 100, es wird Be­zug ge­nom­men). Dar­in spricht der Be­klag­te selbst von ei­ner "Nachlässig­keit" und von ei­nem "Ver­ges­sen" des Klägers und ge­ra­de nicht von ei­nem vorsätz­li­chen Ver­hal­ten. Im Übri­gen dürf­te der Be­klag­te über­se­hen ha­ben, dass sich der Vor­satz im Ar­beits­recht nicht nur auf die pflicht­wid­ri­ge Hand­lung selbst, son­dern auch auf den Scha­den­s­ein­tritt be­zie­hen muss (BAG 18. April 2002 - 8 AZR 348/01 - BA­GE 101, 107 = AP Nr. 122 zu § 611 BGB Haf­tung des Ar­beit­neh­mers = DB 2002, 2050 = NJW 2003, 377). Zum Vor­satz hin­sicht­lich des Scha­den­s­ein­tritts liegt aber kei­ner­lei ver­wert­ba­rer Tat­sa­chen­vor­trag vor.

b) Auch durch die (be­strit­te­ne) pri­va­te Nut­zung des dem Kläger zu dienst­li­chen Zwe­cken über­las­se­nen Mo­bil­te­le­fons hat der Kläger schon nach dem ei­ge­nen Vor­trag des Be­klag­ten die­sen nicht vorsätz­lich geschädigt, so dass es auch in­so­weit bei der An­wen­dung der Pfändungs­schutz­vor­schrif­ten zu Guns­ten des Klägers ver­blei­ben muss. Denn selbst nach dem Vor­trag des Be­klag­ten scheint die Ver­rech­nung ein Rou­ti­ne­vor­gang ge­we­sen zu sein, den er mo­nat­lich vor­ge­nom­men hat, oh­ne da­mit ei­nen Vor­wurf ge­genüber dem Kläger zu ver­bin­den. Das wird auch in­di­rekt da­durch bestätigt, dass der Kläger we­gen der an­geb­li­chen Pri­vat­te­le­fo­na­te auch nie ab­ge­mahnt wur­de oder der Be­klag­te sonst wie auf der Ein­hal­tung der Re­geln zur aus­sch­ließlich dienst­li­chen Nut­zung des Te­le­fons be­stan­den hat. Dar­aus schließt das Ge­richt, dass die Ver­rech­nung der Gebühren bei pri­va­ter Nut­zung üblich war. Da­mit entfällt dann aber der Schädi­gungs­vor­satz des Klägers im Fal­le der dem­ent­spre­chen­den Nut­zung des Te­le­fons.

III. Der Be­klag­te hat die Kos­ten der Be­ru­fung zu tra­gen, da sein Rechts­mit­tel oh­ne Er­folg ge­blie­ben ist (§ 97 ZPO).

Die ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on (§ 72 ArbGG) sind nicht erfüllt.

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