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LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 05.04.2011, 2 TaBV 35/10
Schlagworte: | Betriebsratswahl, Arbeitnehmerüberlassung, Leiharbeit, Zeitarbeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein | |
Aktenzeichen: | 2 TaBV 35/10 | |
Typ: | Beschluss | |
Entscheidungsdatum: | 05.04.2011 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Kiel, Beschluss vom 13.10.2010, 4 BV 49 b/10 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15.08.2012, 7 ABR 34/11 |
|
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 2 TaBV 35/10
4 BV 49 b/10 ArbG Kiel
(Bitte bei allen Schreiben angeben!)
Verkündet am 05.04.2011
gez. ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beschluss
Im Namen des Volkes
Im Beschlussverfahren mit den Beteiligten
pp.
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die Anhörung der Beteiligten am 05.04.2011 durch die Präsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin
b e s c h l o s s e n:
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Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.01.2010 - 4 BV 49 b/109 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2. zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann der Beteiligte zu 2. durch Einreichung einer Rechtsbeschwerdeschrift bei dem
Bundesarbeitsgericht in 99084 Erfurt, Hugo-Preuß-Platz 1,
Telefax: (0361) 26 36 - 20 00,
Rechtsbeschwerde einlegen.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss
binnen einer Notfrist von einem Monat
beim Bundesarbeitsgericht eingegangen sein.
Der Rechtsbeschwerdeführer muss die Rechtsbeschwerde begründen. Die Rechtsbeschwerdebegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Rechtsbeschwerdeschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen. Die Frist für die Rechtsbeschwerdebegründung beträgt
zwei Monate.
Die Fristen für die Einlegung und die Begründung der Rechtsbeschwerde beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Rechtsbeschwerde und ihre Begründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
An seine Stelle kann auch ein Vertreter eines Verbandes (Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen) oder eines Spitzenverbandes (Zusammenschlüsse solcher Verbände) treten, sofern er kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt und die Partei Mitglied des Verbandes oder Spitzenverbandes ist. An die Stelle der vorgenannten Vertreter können auch Angestellte einer juristischen Person, deren Anteile
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sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer dieser Organisationen stehen, treten, sofern die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung der Verbandsmitglieder entsprechend deren Satzung durchführt und der Verband für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet. Ist die Partei Mitglied eines Verbandes oder Spitzenverbandes, kann sie sich auch durch einen Vertreter eines anderen Verbandes oder Angestellten einer der oben genannten juristischen Personen mit vergleichbarer Ausrichtung vertreten lassen. Die Personen, die für diese Organisationen handeln, müssen über die Befähigung zum Richteramt verfügen.
Der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Beschlusses beigefügt werden.
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments genügt, wenn es für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist. Schriftsätze können dazu über eine gesicherte Verbindung in den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesarbeitsgerichts eingelegt werden. Die erforderliche Zugangs- und Übertragungssoftware kann lizenzkostenfrei über die Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (www.bundesarbeitsgericht.de) heruntergeladen werden. Das Dokument ist mit einer qualifizierten Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen. Nähere Informationen finden sich auf der Internetseite des Bundesarbeitsgerichts (s.o.) sowie unter www.egvp.de.
(Rechtsmittelschriften, Rechtsmittelbegründungsschriften und wechselseitige Schriftsätze im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht sind in siebenfacher - für jeden weiteren Beteiligten eine weitere - Ausfertigung einzureichen).
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Gründe
I.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Anfechtung einer Betriebsratswahl.
Die Antragstellerin ist im Betrieb der Beteiligten zu 3. vertreten. Der Antragsgegner ist der im Mai 2010 gewählte 11köpfige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 3. in Kiel.
Die Beteiligte zu 3. besteht seit 2005. Sie war bis zum 31.12.2009 eine 100 %-ige Tochtergesellschaft des U...klinikums S...-H... (UK S-H) und unterhält in L. und K. Betriebe. Zum 01.01.2010 ist eine Minderheitsbeteiligung von 49 % auf einen privaten Investor übertragen worden. Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 3. wird alleine vom UK S-H gestellt. Aufgabe der Beteiligten zu 3. ist es, Sekundärleistungen, insbesondere Reinigungs-, Sterilisationsleistungen, Hol- und Bringedienst sowie Transportleistungen für das UK S-H am Campus K. und am Campus L. durchzuführen. Diese Aufgaben veränderten sich durch die Beteiligung des privaten Dritten zum 01.01.2010 nicht.
Zur Erledigung dieser Aufgaben setzt die Beteiligte zu 3. eigene Mitarbeiter ein, in K. ca. 700. Darüber hinaus sind bereits seit vielen Jahren auch 284 Arbeitnehmer des UK S-H bei der Beteiligten zu 3. in K. in den Servicebereichen tätig. Es handelt sich um die Arbeitnehmer, die in den Servicebereichen eingesetzt waren, die seinerzeit das UK S-H selbst erfüllt hatte. Die Arbeitnehmer sind rein tatsächlich von dem UK S-H der Beteiligten zu 3. eingesetzt worden. Vertragliche Regelungen mit der Beteiligten zu 3 oder den Arbeitnehmern bestanden nicht. Die Mitarbeiter des UK S-H haben gemeinsam mit den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 3. die Arbeitsleistungen in den Servicebereichen erbracht.
Erst mit Beteiligung eines privaten Partners zum 01.01.2010 ist zwischen dem UK S¬H und der Beteiligten zu 3. am 16.12.2009 ein Personalgestellungsvertrag (Bl. 46 – 56 d. A.) abgeschlossen worden. Dem Personalgestellungsvertrag war als Anlage 1
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eine Liste der betroffenen, etwa 600 Arbeitnehmer beigefügt. Gleichzeitig sind die Beschäftigten nach § 613a Abs. 5 BGB in Textform darüber informiert worden, dass die Veräußerung der Minderheitsbeteiligung an der S... GmbH und der Abschluss des Personalgestellungsvertrages als Betriebsübergang eingeordnet werden könnte und sie deshalb berechtigt seien, einem möglichen Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beteiligte zu 3. als neuen Arbeitgeber infolge des Betriebsübergangs zu widersprechen. Sämtliche betroffenen Arbeitnehmer erklärten einen entsprechenden Widerspruch. Sie werden weiter als Arbeitnehmer des UK S-H geführt. Zwischenzeitlich teilte die Beteiligte zu 3. sämtlichen Mitarbeitern mit, dass sie der Beteiligten zu 3. zur Dienstleistung gestellt würden. An dem tatsächlichen Einsatz der Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 3. änderte sich nichts. Die Kosten der Gestellung werden von der Beteiligten zu 3. dem UK S-H erstattet.
Das U...klinikum S...-H... hat im Mai 2008 mit der Gewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag geschlossen (TV-UKN), dessen § 4 auszugsweise wie folgt lautet:
§4
Versetzung, Abordnung, Zuweisung, Personalgestellung
...
(2) Beschäftigten kann im dienstlichen/betrieblichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleich vergütete Tätigkeit bei einem Dritten zugewiesen werden. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt. Bezüge aus der Verwendung nach Satz 1 werden auf das Entgelt angerechnet.
Protokollerklärung zu § 4 Absatz 2:
Zuweisung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der TV-UKN nicht zur Anwendung kommt.
(3) Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). § 613a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
Protokollerklärung zu § 4 Absatz 3:
Personalgestellung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. Die Modalitäten der Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt.
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Am 19.05.2010 schlossen das U...klinikum S...-H..., die Beteiligte zu 3. sowie die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nord, einen Tarifvertrag über die Zuständigkeit in Beteiligungsangelegenheiten und die Interessenvertretung der Beschäftigten. Nach § 4 trat die vorgenannte Vereinbarung am 01.04.2010 in Kraft. In § 1 Abs. 2 Satz 1 (Bl. 58 d. A.) heißt es:
Die aufgrund der Personalstellung in der UK S-H Service GmbH tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UK S-H, Campus Kiel, sind nach § 7 BetrVG zum Betriebsrat der UK S-H Service GmbH, Betrieb Kiel, wahlberechtigt und nach § 8 BetrVG wählbar.
Der Wahlvorstand erkannte den bei der Beteiligten zu 3. eingesetzten Beschäftigten des UK S-H ein passives Wahlrecht nicht zu. Der Einspruch einer betroffenen Arbeitnehmerin gegen die Wählerliste wurde als unbegründet vom Wahlvorstand zurückgewiesen. Die Beteiligte zu 1. reichte eine eigene Wahlvorschlagsliste ein (Bl. 11. d.A.), die sie am 06.04.2010 beim Wahlvorstand abgab. Die Wahlvorschlagsliste wies die Namen von 10 Beschäftigten auf, die im Rahmen der Personalgestellung bei der Beteiligten zu 3. tätig sind. Der Wahlvorstand teilte am 07.04.2010 mit (Bl. 10 d.A.), die Vorschlagsliste weise einen unheilbaren Mangel auf, da sie mehrere nicht wählbare Beschäftigte enthalte.
Am 04. und 05.05.2011 fand in K. die Betriebsratswahl statt. Der Wahlvorstand führte die öffentliche Stimmenauszählung am 05.05.2010 durch und gab das Wahlergebnis am selben Tag bekannt. Am 17.05.2010 hat die Antragstellerin das Anfechtungsverfahren eingeleitet.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund der Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG seien Beschäftigte, die zunächst in einer öffentlich-rechtlichen organisierten Dienststelle tätig gewesen seien, ihre Arbeits- und Dienstleistung nunmehr in einem privatwirtschaftlich organisierten Betrieb erbringen müssten, nicht nur wahlberechtigt, sondern gemäß § 8 BetrVG wählbar. Der Regelinhalt von § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG sei nicht übertragbar.
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Der Antragstellerin hat beantragt:
Die Betriebsratswahl vom 04.05.2010 und 05.05.2010 bei der UK-SH S... Gesellschaft mbH, Campus K., wird für unwirksam erklärt.
Der Betriebsrat (Antragsgegner) hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, Zeitpunkt der Betriebsratswahl sei eine wirksame Gestellung der Arbeitnehmer an die Beteiligte zu 3. noch nicht erfolgt. Es sei nicht bekannt, ob die Zustimmung des Personalrats zur Gestellung der Arbeitnehmer an die Beteiligte zu 3. vor Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgt sei. Die ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats sei jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung. Jedenfalls seien die erforderlichen Einzelgestellungen erst nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses vorgenommen worden. Dies bedeute, dass zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl die Gestellungen noch nicht zur Durchführung gelangt seien und somit ein passives Wahlrecht der noch nicht gestellten Arbeitnehmer nicht in Betracht komme.
Der Gestellungsvertrag führe nur zu einer zeitlich bestimmbaren Arbeitnehmerüberlassung des vorhandenen Personals. Auch sei der Gestellungsvertrag zeitlich befristet. An die Laufzeit des Vertrages über nicht medizinische Dienstleistungen gekoppelt.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG lägen vor. § 5 Abs. 1 S 3 BetrVG greife nicht ein, da eine dauerhafte Überlassung der Beschäftigten fehle.
Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.10.2010 die Betriebsratswahl bei der UK S-H S... GmbH, Campus K., für unwirksam erklärt. Gegen diesen am 01.11.2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner, der Betriebsrat, am 24.11.2010 Beschwerde eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 25.01.2011 begründet.
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Der Betriebsrat trägt vor, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass eine Anwendung des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG wegen Vorliegens einer Arbeitnehmerüberlassung nicht greife. Das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung habe das Gericht nicht geprüft. Bei dem Personaleinsatz der Arbeitnehmer im Unternehmen der Beteiligten zu 3 handele es sich tatsächlich um Leiharbeit. Damit seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG gegeben. Das UK S-H verfolgen die Absicht, Gewinn zu erzielen. Damit sei Gewerbsmäßigkeit der Überlassung zu bejahen. Aber selbst wenn Gewerbsmäßigkeit zu verneinen wäre, ändere dies an der Anwendbarkeit der Vorschrift nichts. Eine Konzernleihe liege nicht vor. Auch sei zweifelhaft, ob eine einheitliche Leitung im Sinne des § 18 AktG vorliege.
Eine rein tatsächliche Eingliederung in einen privatrechtlich organisierten Betrieb begründe nicht eine Tätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG. Es müsse sich dabei um eine dem Weisungsrecht des Dienstherrn bzw. dem Direktionsrecht des öffentlichen Arbeitgebers entsprechende Eingliederung in einen privatwirtschaftlich organisierten Betrieb handeln. Die Arbeitnehmereigenschaft werde durch die Eingliederung in den Betrieb und die arbeitsvertragliche Beziehung vermittelt. Vorliegend könne sich dies nur aus einem Verlangen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer ergeben, die Arbeitsleistung bei der Beteiligten zu 3 zu erbringen. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages setzt dies voraus, dass gegenüber jedem der betroffenen Arbeitnehmer ein derartiges Verlangen unter Beteiligung des Personalrats erklärt worden sei. Unterlagen über die Erklärung des Verlangens zur Arbeitsleistung bei der Beteiligten zu 3 seien außer einem Gestellungsvertrag nicht vorgelegt worden. Aus einer E-Mail des Personalratsvorsitzenden ergebe sich, dass allenfalls eine zeitlich nach den Betriebsratswahlen stattgefundene Information an die Mitarbeiter versandt worden sei. Ein den tariflichen Vorschriften entsprechendes Verlangen sei nicht geäußert worden. Hierauf könne aber nicht verzichtet werden. Der Gestellungsvertrag sehe vor, dass den Arbeitnehmern ein Widerspruch gegen die Gestellung zustehe. Es sei also notwendig gewesen, Gelegenheit zur Erklärung einzuräumen, was nicht geschehen sei. Auch eine Anhörung gemäß § 99 BetrVG habe nicht stattgefunden. Im Zeitpunkt der Betriebsratswahl habe damit eine gültige arbeitsvertragliche Regelung zur Gestellung der betroffenen Mitarbeiter vorgelegen.
Aus der Bundestagsdrucksache vom 15.01.2009 sei lediglich zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Änderung dem Wunsch des Bundesrats folge. Betriebsver-
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fassungsrechtliche Fragen seien in diesem Zusammenhang nicht erörtert worden. Es seien auch nicht ehemals hoheitliche Aufgaben auf einen privaten Träger verlagert worden. Vielmehr seien Aufgaben nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten auf einen privaten Träger übertragen worden. Es handele sich nach wie vor um originäre Auf-gaben des UK S-H.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 13.10.2010 – 4 BV 49 b/10 – abzuändern und den Antrag abzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt weiter vor, die Beschäftigten des UK S-H seien aufgrund Personalgestellung im Sinne des § 4 Abs. 3 TV UKN bei der Beteiligten zu 3. tätig. Die Beschäftigten seien nach § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages verpflichtet, im Fall der Verlagerung ihrer Aufgaben auf einen Dritten die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei Dritten zu erbringen. Hierbei handele es sich um Personalgestellung. Diese sei hier gegeben. Eine Zustimmung der Beschäftigten sei hierfür nicht erforderlich. § 5 Abs. 3 BetrVG finde Anwendung. Die Vorschrift stelle ihrem Wortlaut nach nur auf das Tätigsein von Arbeitnehmern aus dem öffentlichen Dienst in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen ab. Dabei komme es nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage dies geschehe. Welches Gremium, Betriebs– oder Personalrat, in einzelnen Fragen für die Beschäftigten zuständig oder zu beteiligen sei, sei für die Entscheidung über die Frage des passiven Wahlrechts nicht von Bedeutung.
Die Beteiligte zu 3. meint, § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG sei als speziellere Vorschrift anzuwenden. Maßgeblich sei die tatsächliche Eingliederung der Arbeitnehmer in ihren Betrieb.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen und Erklärungen zu Protokoll, Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat nicht Erfolg.
Die am 04. und 05.05.2010 in K. durchgeführte Betriebsratswahl ist unwirksam, weil gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit verstoßen worden ist und sich dieser Verstoß auf das Wahlergebnis auswirkt. Insoweit wird auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Die Nichtberücksichtigung von 284 Beschäftigten im Betrieb K. als passiv Wahlberechtigte und die Zurückweisung der Liste der Antragstellerin stellen wesentliche Verstöße i.S. des § 19 BetrVG dar. Die Antragstellerin ist im Betrieb in K. vertreten und hat die Wahl rechtzeitig innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses, § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG, angefochten.
1. Die 284 Mitarbeiter des UK S-H, die in K. bei der Beteiligten zu 3. eingesetzt sind, sind gem. § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG auch passiv wahlberechtigt.
Die Anfechtung einer Betriebsratswahl findet gem. § 19 Abs. 1 BetrVG statt, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine rechtzeitige Berichtigung nicht erfolgt ist. Weiter ist Voraussetzung, dass der wesentliche Verstoß zu einem anderen Wahlergebnis geführt hat oder führen konnte, als es ohne Verstoß der Fall gewesen wäre.
a) Das Verkennen der Wählbarkeit eines Arbeitnehmers und der Ausschluss der Vorschlagsliste von der Betriebsratswahl stellt einen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit dar, der im Anfechtungsverfahren geltend gemacht werden kann (BAG vom 14.05.1997 – 7 ABR 26/96 – EzA BetrVG 1972 § 8 Nr. 8). Aktiv wahlberechtigt sind nach § 7 BetrVG diejenigen Arbeitnehmer eines Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar, d.h. passiv wahlberechtigt, sind
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nach § 8 Abs. 1 BetrVG alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb seit sechs Monaten angehören. Die Wahlberechtigung nach § 7 BetrVG setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer dem Betrieb angehört. Nach der Rechtsprechung vor Änderung des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG ist das der Fall, wenn eine arbeitsvertragliche Beziehungen und eine tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation vorliegen (BAG vom 18.01.1989 - 7 ABR 21/88 – EzA BetrVG 1972 § 9 Nr. 4). Über die Eingliederung besteht Einigkeit. Die direkte vertragliche Beziehung zwischen den Arbeitnehmern und der Beteiligten zu 3. ist jedoch im Hinblick auf § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht erforderlich. Auch die für die Wählbarkeit notwendige Betriebszugehörigkeit ist erfüllt. Denn die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind seit dem Jahr 2005 in den Betrieb eingegliedert.
Eine arbeitsvertragliche Bindung, die in vergleichbaren Konstellationen erforderlich war (BAG vom 28.03.2001 - 7 ABR 21/00 - NZA 2002,1294) ist jedoch seit der mit Wirkung vom 04.08.2009 erfolgten Änderung des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG nicht mehr in jedem Fall erforderlich. Die 284 bei der Beteiligten zu 3. tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des UK S-H gelten gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in der ab dem 04.08.2009 geltenden Fassung kraft gesetzlicher Fiktion als deren Arbeitnehmer. Sie sind „Angehörige des Betriebes im Sinne des § 8 BetrVG“. Es handelt sich nicht um unechte Leiharbeitnehmer. Vielmehr ergibt sich ihre Vertragsbeziehung aus der gesetzlichen Fiktion, die auf der Gestellung beruht.
Die Neuregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG regelt für Beamte, Soldaten und auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind, dass sie als Arbeitnehmer dieses Betriebes im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes gelten. Ein solcher Fall liegt hier vor. Das U...klinikum S...-H... (UK S-H) ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Damit stehen auch die gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer arbeitsvertraglich im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sie sind seit Ausgliederung des Service-Bereiches im Jahr 2005 in dem privatrechtlichen Betrieb der Beteiligten zu 3. tätig, ohne dass sich dadurch ihr Status als Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes geändert hätte. Jedenfalls seit dem 01.01.2010, dem Zeitpunkt der Beteiligung eines privaten Investors an der Beteiligten zu 3. ist diese privatrechtlich organisiert.
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Die in § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG genannte Beschäftigung in einem dem BetrVG unterfallenden Betrieb kann auf einer Zuweisung aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften, einer Personalgestellung (§ 4 Abs. 3 TVöD) oder einer Vereinbarung zwischen dem öffentlichen Arbeitgeber und dem Beamten oder Arbeitnehmer beruhen. Deren Inhalt und ihre Wirksamkeit sind für den Eintritt der Fiktion ebenso ohne Bedeutung wie die Absprache zwischen den beteiligten Arbeitgebern über die Personalüberlassung. Die Arbeitnehmereigenschaft wird mit der tatsächlichen Aufnahme einer weisungsgebundenen Tätigkeit begründet und besteht bis zum letzten Tag ihrer Beschäftigung bei dem privaten Arbeitgeber (ErfK-Koch, Rn. 3a zu § 5 BetrVG).
§ 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG besagt nicht ausdrücklich, dass die Arbeitnehmer kraft Fiktion nicht nur das aktive Wahlrecht haben, sondern auch wählbar sind. Dass dies dennoch der Fall ist, folgt daraus, dass das Wahlrecht in § 7 und die Wählbarkeit in § 8 BetrVG geregelt sind. Nach § 7 BetrVG sind wahlberechtigt alle Arbeitnehmer, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind nach § 8 BetrVG alle Wahlberechtigten, die dem Betrieb sechs Monate angehören. Damit ist auch die Wählbarkeit der Personen, die nach § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG als Arbeitnehmer gelten, geregelt (GK-Kreutz, Rn. 16 zu § 8 BetrVG; Fitting, 25. A., Rn 311 zu § 5 BetrVG).
Wortlaut, Systematik und Regelungszweck der Vorschrift sprechen für dieses Ergebnis. Mit dieser Regelung sollte die entgegenstehende Rechtsprechung des BAG, wonach vor allem Beamte und Soldaten im Falle der Abordnung in Unternehmen des Privatrechts nicht als Arbeitnehmer im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne anzusehen waren (BAG vom 25.2.1998 - 7 ABR 11/97 - NZA 1998,838; BAG vom 28.3.2001 - 7 ABR 21/00 - NZA 2002,1294) korrigiert werden. Die Notwendigkeit einer Korrektur ergab sich u.a., weil die abgeordneten Beamten nach dreimonatiger Abordnung ihr Wahlrecht zum Personalrat verloren. Die Gesetzesbegründung lässt dies deutlich werden, wie die Begründung des Regierungsentwurfes zum Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz, der in seinem § 5 Abs. 1 das aktive und passive Wahlrecht für den mittels Personalgestellung eingesetzten Personenkreis ausdrücklich regelt, zeigt:
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„Der überwiegende Teil des Personals ...wird dauerhaft in der privatrechtlich organisierten Finanzagentur eingesetzt und vollständig in die Arbeitsabläufe eingegliedert. Mit der faktischen Eingliederung der Beamtinnen, Beamten, Angestellten, Arbeiterinnen und Arbeiter ... sind diese für den Bereich der betrieblichen Interessenvertretung... den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Finanzagentur gleichzustellen“ (BT-Drucks. 16/1336, Seite 18).
Weiter wird ausgeführt, dass das AÜG keine Anwendung findet, weil es sich bei dem vorliegenden Gesetz um ein Spezialgesetz handele (vergl. BT-Drucks. 16/1336, Seite 16). Der Regierungsentwurf zur Neuregelung des § 5 BetrVG nimmt hierauf Bezug:
„Mit den Änderungen in § 5 des Betriebsverfassungsgesetzes wird dem Wunsch des Bundesrates vom 26. April 2006 im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz (Bundestagsdrucksache 16/1336) entsprochen, eine allgemeine Regelung in das Betriebsverfassungsgesetz aufzunehmen, nach der Beamte bei Zuweisung an privatrechtlich organisierte Einrichtungen generell für die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes als deren Arbeitnehmer gelten und damit auch aktiv und passiv bei den Betriebsratswahlen wahlberechtigt sind. Gleiches wird auch für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sichergestellt und entspricht den in den Spezialgesetzen, z. B. im Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetz, dazu getroffenen Regelungen.“ (BT-Drucksache 16/11608, S. 21)
Das Argument, die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes stünden nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber des Betriebes, in dem die Betriebsratswahl erfolge, weshalb sie nicht wählbar seien, greift angesichts des klaren Wortlauts des § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG, der ausdrücklich auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in die Fiktion einbezieht. Dementsprechend ist ein Arbeitsvertrag zur Beteiligten zu 3. oder eine andere vertragliche Beziehung nicht erforderlich, um ihre Wählbarkeit zu begründen.
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Eine Unterscheidung zwischen Beamten, Soldaten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes kommt nicht in Betracht. Der klare Wortlaut des Gesetzes steht dem entgegen. Dafür, dass der Gesetzgeber tatsächlich eine andere Regelung wollte, sind Anhaltspunkte nicht vorhanden.
Ein anderes Ergebnis führte zu der für die gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht hinnehmbaren Situation, dass sie weder im einen noch im anderen Betrieb wählbar wären. Nach § 11 Abs. 2 MBG Schleswig-Holstein endet das Wahlrecht nach dreimonatiger Abordnung. Damit entfällt die Wählbarkeit, für die Voraussetzung gem. § 12 Abs. 1 MBG S-H u.a. das aktive Wahlrecht ist. Dass die gestellten Mitarbeiter weder in dem abgebenden noch dem aufnehmenden Betrieb nicht wählbar sind, war gerade nicht Wille des Gesetzgebers.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats – Antragsgegner – findet § 14 Abs. 2 AÜG nicht Anwendung. Das wird auch aus der Gesetzesbegründung deutlich (BT-Drucks. 16/1336, Seite 16), wonach § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gegenüber dem AÜG ein Spezialgesetz ist.
b) Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob überhaupt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AÜG vorliegen. Die Gestellung erfolgt zwar nicht entgeltlich, so dass nicht gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt (BAG vom 02.06.2010 – 7 AZR 946/08 – EzA AÜG § 10 Nr. 13). Die Beteiligte zu 3. erstattet lediglich die Personalkosten. Gewinne aus der Gestellung werden von der Beteiligten zu 3. nicht erzielt.
In jedem Fall scheidet die Anwendung des AÜG gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG aus, da es sich bei der Beteiligten zu 3. um ein Konzernunternehmen des UK S-H i.S. des § 18 AktG handelt. Das UK S-H hält 51 % der Geschäftsanteile und stellt alleine den Geschäftsführer der Beteiligten zu 3.. Die Mitarbeiter sind nach § 11 Abs. 1 des Personalgestellungsvertrags (Bl. 55 d.A.) für die Laufzeit der vertraglichen Beziehungen zwischen dem UK S-H, dem privaten Investor und der Beteiligten zu 3. bei der Beteiligten zu 3. im Einsatz. Die Überlassung erfolgt mithin nicht endgültig, sondern nur vorübergehend, wenn es sich auch um einen längeren Zeitraum handeln mag, so
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dass die Ausnahme des § 1 Abs. 3 Ziffer 2 AÜG greift (ErfK-Wank, Rn. 60 zu § 1 AÜG).
Der Einsatz der 284 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des UK S-H im Betrieb der Beteiligten zu 3. erfolgt im Rahmen einer Personalgestellung, wie sie § 4 Abs. 3 TV-UKN, der wortgleich mit § 4 Abs. 3 TVöD ist, geregelt ist. Nach § 4 Abs. 3 TV-UKN liegt Personalgestellung vor, wenn Aufgaben der Beschäftigten auf einen Dritten verlagert werden und der Arbeitgeber bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis verlangt, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen, wobei § 613a BGB unberührt bleibt. Personalgestellung ist nach der Protokollnotiz zu § 4 Abs. 3 TV-UKN die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Das ist hier der Fall.
Die Zusammenarbeit zwischen der Beteiligten zu 3. und dem UK S-H besteht darin, dass das UK S-H die 284 Beschäftigten der Beteiligten zu 3. überlässt, damit diese sie einsetzt. Das UK S-H behält seine Arbeitgeberstellung und übt die Disziplinarbefugnis aus. Die Beteiligte zu 3. entscheidet über den Personaleinsatz, z.B. im Rahmen der Dienstplangestaltung. Dabei handelt es sich um Personalgestellung (u.a. BAG vom 23.09 2010 - 8 AZR 567/09 – NZA 2011,197; BAG vom 16.04.2008 - 7 ABR 4/07 - EzA BetrVG 2001 § 1 Nr. 7).
Der Einsatz der 284 Beschäftigten des UK S-H beruht auf der Ausgliederung des bisher selbst wahrgenommenen Tätigkeiten, nämlich der gesamten Serviceleistungen – Reinigungs-, Sterilisationsleistungen, Hol- und Bring-Dienstleistungen sowie Transportleistungen -, auf die Beteiligte zu 3.. Diese Aufgaben und das entsprechende, dort eingesetzte Personal des UK S-H sind im Jahre 2005 auf die Beteiligte zu 3. verlagert worden, damals noch ohne ausdrücklich vertragliche Regelungen zwischen der Beteiligten zu 3. und dem UK S H. Mit Hinzutreten eines privaten Investors zum 01.01.2010 ist die vertragliche Regelung nachgeholt worden. Seit diesem Zeitpunkt beruht der Einsatz dieser 284 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Gestellungsvertrag vom 16.12.2009, ohne dass es im Tatsächlichen oder in ihrem Arbeitsalltag zu Veränderungen gekommen ist.
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Diese Gestellung ist auch auf Dauer angelegt i.S. des § 4 Abs. 3 TV UKN angelegt. Nach § 11 des Gestellungsvertrages ist die Gestellung dauerhaft an die unternehmerische Zusammenarbeit im Servicebereich gekoppelt. Die Rechte und Pflichten aus § 613a BGB sind hierdurch nicht berührt. Die 284 Beschäftigten haben, nachdem sie im Jahre 2010 gem. § 613a Abs. 5 BGB von dem UK S-H über einen möglichen Betriebsübergang informiert wurden, fristgemäß widersprochen. Ihre arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit dem UK S-H sind unverändert.
Diese Personalgestellung ist als Regelungsinstrument gewählt worden, um den betroffenen Arbeitnehmern angesichts ihres Widerspruchs gemäß § 613 a Abs. 6 BGB den Arbeitsvertrag zur UK S-H zu erhalten und das Erfordernis der Prüfung betriebsbedingter Kündigungen zu verhindern. Die Beteiligte zu 3. kann die Gestellung des Personals durch die UK S-H nicht von sich aus beenden. Sie ist gemäß § 5 des Gestellungsvertrages nicht befugt, die Abberufung der eingesetzten Arbeitnehmer aus betriebsbedingten Gründen zu verlangen, d.h. den Einsatz aus wirtschaftlichen Gründen einseitig zu beenden. Bei einem Entleiherverhältnis i.S. des AÜG ist aber typisch, dass der Entleiher nicht Einfluss auf die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitnehmer hat. Der Verleiher schuldet lediglich die Überlassung geeigneter Arbeitnehmer (ErfK-Wank, Rn. 5 zu § 12 AÜG).
Schließlich sind die 284 vom UK S-H der Beteiligten zu 3. gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Erfüllung des Betriebszwecks der Beteiligten zu 3. eingegliedert und verfügen über die notwendige Betriebszugehörigkeitsdauer, so dass auch insoweit die Voraussetzungen des § 8 BetrVG für die Wählbarkeit erfüllt sind. Die 284 Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind in die Betriebsorganisation des privatrechtlich organisierten Unternehmens, der Beteiligten zu 3., eingegliedert und werden nicht mehr alleine für ihren Arbeitgeber werden. Sie unterliegen dem Weisungsrecht der Beteiligten zu 3. nicht erforderlich ist, dass dieses Weisungsrecht umfassend ist. Vielmehr reichen Weisungsbefugnisse aus, soweit sie für die Ausübung der Tätigkeit in dem aufnehmenden Betrieb erforderlich sind. Für eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation ist kennzeichnend, dass der Arbeitnehmer insbe¬sondere hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der übernommenen Dienste einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (Fitting, Rn. 45 zu § 5 BetrVG).
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Ausreichend sind Weisungsbefugnisse, die die Erfüllung der Aufgaben in dem aufnehmenden Betrieb betreffen (BVerwG vom 07.04.2010 - 6 P 6/09 - NZA-RR 2010,389). Dies ist hier der Fall.
Die Beteiligte zu 3. ist gem. § 3 Ziff. 2b des Gestellungsvertrages zu allen Weisungen befugt, die erforderlich sind, um die Aufgaben der Beteiligten zu 3. erfüllen zu können. Sie umfassen das komplette fachliche Weisungsrecht, aber auch die Zuweisung der Arbeitstätigkeit im Rahmen der Eingruppierung, die Urlaubsfestlegung, die Krankheitsvertretung, die Erteilung sonstiger Weisungen. Auch die Dienstplanerstellung erfolgt über vom UK S-H gestellte Mitarbeiter im Rahmen ihrer für die Beteiligte zu 3. zu erbringenden Arbeitsleistung. Auch ihre Tätigkeit erfolgt in Vollzug der Auslagerung.
c) Auch die für die Wählbarkeit im Sinne des § 8 BetrVG notwendige Dauer der Betriebszugehörigkeit liegt vor. Die Beschäftigten des UK S-H sind seit 2005 bei der Beteiligten zu 3. eingesetzt. Sie nehmen seither ununterbrochen in den ausgegliederten Servicebereichen bei der Beteiligten zu 3. die anfallenden Tätigkeiten wahr. Unschädlich ist ebenso, dass die 49%ige Beteiligung eines privaten Investors erst zum 01.01.2010 wie die Tatsache, dass der Gestellungsvertrag am 16.12.2009 abgeschlossen wurde. Die Betriebsratswahl in K. wurde zwar vor Ablauf von 6 Monaten, nämlich am 04. und 05.05.2010, durchgeführt. Dabei sind aber die Zeiten der Vorbeschäftigung dieser 284 gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen in der Beteiligten zu 3. wirken sich nicht auf die Frage der Beschäftigungsdauer im Sinne des § 8 BetrVG aus.
Damit liegen die Voraussetzungen der Wählbarkeit zur Betriebsratswahl der 284 arbeitsvertraglich mit dem UK S-H verbundenen, aber bei der Beteiligten zu 3 eingesetzten Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG in Verbindung mit § 8 BetrVG vor.
2. Ohne Bedeutung ist, ob und ggf. wann die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des UK S-H einer Personalgestellung im Einzelfall zugestimmt haben und wann
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ihnen eine förmliche Gestellungsmitteilung zugegangen ist. Auch ist unerheblich, ob der Personalrat des UK S-H seine Zustimmung zur Gestellung erteilt hat, vor allem, ob sie zum Zeitpunkt der angefochtenen Betriebsratswahl bereits vorgelegen hat.
Die Personalgestellung stellte eine Maßnahme im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers dar. Die Verpflichtung der Beschäftigten des UK S-H zur Aufnahme der Tätigkeit bei der Beteiligten zu 3. ergibt sich aus § 4 Abs. 3 TV-UKN vom 01.04.2008. Der Arbeitnehmer hat „auf Verlangen“ des Arbeitgebers die geschuldete Arbeitsleistung bei einem Dritten zu erbringen. Die Beteiligung des Arbeitnehmers (Zustimmung o.ä.) ist nicht vorgesehen (Sponer/ Steinherr, Komm. zum TVöD, Rn. 135 zu § 4 TvöD). Daher kommt es auf die förmliche Bekanntgabe der Gestellungsanweisung für die Wählbarkeit der betroffenen Arbeitnehmer nicht an. Sie ist für den Beginn der Gestellung nicht konstitutiv und hat nicht kollektivrechtliche Auswirkungen. Die Gestellungsanweisung berührt den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ebenso wenig wie eine etwaige vorherige Abordnung. Maßgebend für Wahlberechtigung und Wählbarkeit sind insoweit allein das Fehlen einer rechtlichen Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, sowie der tatsächliche Einsatz auf Weisung des Vertragsarbeitgebers und die tatsächliche Eingliederung im angewiesenen Einsatzbetrieb. § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG stellt nur auf darauf ab, ob der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im privaten Betrieb tätig ist.
3. Es kann daher dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen der rückwirkend in Kraft gesetzte Tarifvertrag über die Zuständigkeit in Beteiligungsangelegenheiten und die Interessenvertretung der Beschäftigten vom 19.05.2010 (Bl. 57 d.A.) hat. Hierauf kommt es nicht an.
4. Die 284 der Beteiligten zu 3. gestellten Arbeitnehmer des UK S-H waren bei der Beteiligten zu 3. nicht nur wahlberechtigt, sondern auch wählbar. Durch ihre Nichtberücksichtigung wurde das Wahlergebnis beeinflusst. Der Wahlvorstand hat die Wählbarkeit der durch Personalgestellung Beschäftigten abgelehnt. Wäre die Vorschlagsliste der Beteiligten zu 1. angenommen worden, hätten die dort genannten Beschäftigten in den Betriebsrat gewählt werden können. Damit ist die erforderliche Kausalität zu bejahen.
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5. Hinzu kommt, dass sich bei Berücksichtigung der 284 Mitarbeiter des UH S-H eine andere Betriebsratsgröße ergeben hätte. Es wären 13 statt jetzt 11 Mitglieder zu wählen gewesen. Auch das begründet die Fehlerhaftigkeit der Wahl (BAG vom 29.05.1991 - 7 ABR 67/90 - EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 31).
Aus den genannten Gründen war die bei der Beteiligten zu 3. in K. durchgeführte Betriebsratswahl vom 04. und 05.05.2010 unwirksam. Dem Anfechtungsbegehren ist daher zu Recht stattgegeben worden. Die Beschwerde des Betriebsrats ist zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. §§ 92, 72 Abs. 2 BetrVG zuzulassen. Die Entscheidung des BAG vom 17.02.2010 (- 7 ABR 51/08 – EzA BetrVG 2001 § 8 Nr. 2) betrifft die Rechtslage vor Änderung des § 5 Abs. 1 BetrVG.
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