HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

ArbG Mün­chen, Ur­teil vom 08.10.2010, 24 Ca 861/10

   
Schlagworte: Betriebsrat, Betriebsratsmitglied, Zeitvertrag
   
Gericht: Arbeitsgericht München
Aktenzeichen: 24 Ca 861/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.10.2010
   
Leitsätze: Im deutschen Arbeitsrecht besteht eine Regelungslücke für Betriebsratsmitglieder in einem nach § 14 Abs 2 TzBfG befristeten Arbeitsverhältnis. Sie haben keinen ausreichenden Mindestschutz bei der Beendigung. Hierzu ist § 14 Abs 2 TzBfG eingeschränkt richtlinienkonform auszulegen.
Vorinstanzen:
   

Im Na­men des Vol­kes

EN­DURTEIL

In dem Rechts­streit

A.

A-Straße, A-Stadt

- Kläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te/r:

Rechts­anwälte B. B-Straße, B-Stadt

ge­gen

Fir­ma C.

C-Straße, C-Stadt

- Be­klag­te -

hat die 24. Kam­mer des Ar­beits­ge­richts München - Kam­mer In­gol­stadt - auf Grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 8. Ok­to­ber 2010 durch den Rich­ter am Ar­beits­ge­richt H. und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter M. und L.

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für Recht er­kannt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht durch Frist­ab­lauf zum 15.06.10 ge­en­det hat.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Ab­tei­lungs­lei­ter Obst . . . . wei­ter zu beschäfti­gen.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger Eu­ro 9.100,00 (i.W.: neun­tau­send­ein­hun­dert Eu­ro) brut­to (Ent­gelt 16.06.10 bis 30.09.10) nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 01.10.10 zu zah­len.

4. Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

5. Der Streit­wert wird auf Eu­ro 19.500,00 fest­ge­setzt.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten we­gen der Wirk­sam­keit der Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses u.a. im Zu­sam­men­hang mit der Wahl des Klägers zum Be­triebs­rat.

Die Be­klag­te be­treibt zahl­rei­che Le­bens­mit­tel­ein­zel­han­dels­fi­lia­len in Südbay­ern. Der 1965 ge­bo­re­ne Kläger wur­de am 16.06.2008 als Ab­tei­lungs­lei­ter Obst mit ei­nem Mo­nats­brut­to­ge­halt von zu­letzt 2.600,00 Eu­ro in der Fi­lia­le der Be­klag­ten E. in A-Stadt, zunächst be­fris­tet für sechs Mo­na­te, dann verlängert um wei­te­re sechs Mo­na­te, letzt­ma­lig verlängert um ein wei­te­res Jahr, bis 15.06.2010 beschäftigt.

Am 22.04.2010 wur­de der Kläger zum Be­triebs­rats­mit­glied gewählt.

Un­ter dem 26.05.2010 teil­te die Be­klag­te dem Kläger schrift­lich mit, dass das Ar­beits­verhält­nis am 15.06.2010 en­de (vgl. K2, Blatt 13).

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Der Kläger be­haup­tet im We­sent­li­chen, dass er kei­ne Ko­pie sei­nes be­fris­te­ten Ver­tra­ges ha­be und die Be­klag­te die Her­aus­ga­be des­sel­ben ver­wei­ge­re. Des­we­gen wer­de be­strit­ten, dass die­ser be­reits vor Auf­nah­me der Tätig­keit ge­schlos­sen wor­den sei.

Außer­dem ist der Kläger der An­sicht, dass die Be­fris­tung zum 15.06.2010 we­gen Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG un­wirk­sam sei.

Der Kläger ha­be bei der letz­ten Be­triebs­rats­wahl im April 2010 auf die drin­gen­de Bit­te der Be­leg­schaft hin in dem Be­trieb mit 70 bis 80 wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern kan­di­diert. Er ha­be da­bei 34 Stim­men er­hal­ten und sei Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der ge­wor­den. Der Kläger ha­be be­reits vor sei­ner Tätig­keit bei der Be­klag­ten Er­fah­run­gen als Führungs­kraft als Lei­ter von meh­re­ren Kan­ti­nen ge­sam­melt. An­sch­ließend sei er meh­re­re Jah­re außer­or­dent­lich er­folg­reich bei der Fir­ma L. Fi­li­al­lei­ter ge­we­sen und in der Fol­ge bei der Fir­ma N.. Bei­de Fi­lia­len hätten ih­re wirt­schaft­li­chen Er­geb­nis­se schnell und nach­hal­tig ver­bes­sert. Da­her ha­be sich die Be­klag­te für den Kläger ent­schie­den. Der Kläger ha­be dann bei der Be­klag­ten in der Obst­ab­tei­lung die Um­satz­zah­len deut­lich ver­bes­sert. In der in­ner­be­trieb­li­chen Dis­kus­si­on ha­be es kei­ne Kri­tik an sei­ner Ar­beits­wei­se und den wirt­schaft­li­chen Er­geb­nis­sen des Klägers ge­ge­ben, bis er sich für die Kan­di­da­tur zum Be­triebs­rat ent­schie­den ha­be. Zum 01.05.2010 ha­be die Be­klag­te, wie sich später her­aus­ge­stellt ha­be, be­reits ei­ne Er­satz­kraft für den Kläger ein­ge­stellt. Die Nach­fol­ge­rin sei dann zum 14.05.2010 in der Fi­lia­le plötz­lich auf­ge­taucht. Ei­ne recht­zei­ti­ge Anhörung des Be­triebs­rats nach § 99 Be­trVG sei nicht er­folgt.

Auf­fal­lend sei, dass im Be­trieb in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten nur die Mit­ar­bei­ter ent­fris­tet wor­den sei­en, die nicht im Be­triebs­rat en­ga­giert ge­we­sen sei­en. Dies sei un­abhängig da­von er­folgt, ob die Be­trof­fe­nen alt oder jung ge­we­sen sei­en oder gu­te Leis­tung ge­zeigt hätten. Selbst in Fällen, in de­nen es mas­si­ve Kri­tik an der Ar­beits­leis­tung ge­ge­ben ha­be, wie z.B. bei ei­ner vor­ma­li­gen Aus­zu­bil­den­den, sei ei­ne Über­nah­me in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis er­folgt. Man dürfe al­so sa­gen, dass Beschäftig­te in al­ler Re­gel auch -er­freu­li­cher­wei­se- in ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis über­nom­men würden. Al­lein der Kläger und nun auch ein wei­te­res gewähl­tes Be­triebs­rats­mit­glied sei­en nicht ent­fris­tet wor­den.

In­so­fern be­ste­he im deut­schen Recht für Be­triebs­rats­mit­glie­der ei­ne Schutzlücke. Zwar

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sei­en Be­triebs­rats­mit­glie­der grundsätz­lich durch §§ 78, 103 Be­trVG und § 15 KSchG geschützt. Be­fris­tet beschäftig­te Be­triebs­rats­mit­glie­der, die ih­re Auf­ga­be ernst­haft wahr­neh­men würden, würden aber kei­nen An­schluss­ver­trag er­hal­ten. Ge­ra­de bei der sach­grund­lo­sen Be­fris­tung be­fris­te der Ar­beit­ge­ber aber nicht, weil er ei­nen vorüber­ge­hen­den Be­darf oder ei­ne Ver­tre­tung ha­be, son­dern weil er sich die Per­son ent­we­der länger an­schau­en möch­te oder ein­fach zur Be­fris­tung be­rech­tigt sei. Ein An­schluss­ver­trag wer­de nur dann er­reicht, wenn der Ar­beit­ge­ber ihn gewähren möch­te. Aus­rei­chend Schutz und Si­cher­hei­ten räume der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber dann nicht ein. Dies ste­he im Wi­der­spruch zu den Vor­ga­ben des Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG.

Der Kläger bie­te aus­drück­lich sei­ne Ar­beits­kraft über den 15.06.2010 hin­aus an. Zu­dem ma­che er kläge­ri­sche Ent­gelt­ansprüche für den Fall des An­nah­me­ver­zugs gel­tend. Dies be­zie­he sich auch auf das ent­gan­ge­ne Ent­gelt so­wie sämt­li­che sons­ti­gen Leis­tun­gen wie Ur­laub, Ur­laubs­ent­gelt, Ur­laubs­ab­gel­tung, Ur­laubs­geld und vermögens­wirk­sa­me Leis­tun­gen.

Der Kläger be­an­tragt:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht durch Frist­ab­lauf zum 15.06.2010 ge­en­det hat.

2. Im Fal­le des Ob­sie­gens mit dem An­trag zu 1) wird die Be­klag­te ver­ur­teilt, den Kläger bis zum rechts­kräfti­gen Ab­schluss des Ver­fah­rens zu un­veränder­ten ar­beits­ver­trag­li­chen Be­din­gun­gen als Ab­tei­lungs­lei­ter Obst im Be­trieb E. in A-Stadt wei­ter­zu­beschäfti­gen.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger Eu­ro 9.100,00 brut­to (Ent­gelt 16.06.10 bis 30.09.10) nebst Zin­sen hier­aus in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins seit dem 01.10.2010 zu zah­len.

Die Be­klag­te be­an­tragt

Kla­ge­ab­wei­sung.

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Sie äußert zum ei­nen die An­sicht, dass im deut­schen Recht ent­spre­chend der Richt­li­nie 2002/14/EG aus­rei­chen­de Schutz­vor­schrif­ten für Be­triebsräte durch die §§ 78 Be­trVG, 103 Be­trVG be­ste­hen. Die­se Vor­schrif­ten sei­en auch auf be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se an­wend­bar.

Aus dem Ur­teil des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 11.02.2010, C-405/08 er­ge­be sich, dass aus Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG sich nicht die Ver­pflich­tung er­ge­be, Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern ei­nen verstärk­ten Kündi­gungs­schutz zu gewähren. Viel­mehr würden § 15 KSchG und § 103 Be­trVG be­reits den zu gewähren­den Min­dest­schutz über­schrei­ten. Während der Dau­er sei­nes von An­fang an be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses sei der Kläger bei der Ausübung sei­ner Tätig­keit als Be­triebs­rat ent­spre­chend geschützt ge­we­sen. Ein An­spruch auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges könne aus Art. 7 der Richt­li­nie nicht ge­fol­gert wer­den. Ein Be­triebs­rat sol­le vor ei­ner Sank­ti­on we­gen der Ausübung der Tätig­keit geschützt wer­den, so­mit al­so vor ei­ner Ver­schlech­te­rung des sta­tus quo. Darüber hin­aus läge in ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung ein Ver­s­toß ge­gen das Beschäfti­gungs­ver­bot des § 78 Satz 2 1. Alt. Be­trVG.

Der Kläger sei nicht we­gen sei­ner Wahl zum Be­triebs­rat nicht wei­ter­beschäftigt wor­den, son­dern we­gen sei­ner Leis­tungs- und Ver­hal­tens­de­fi­zi­te, die ihm in Kri­tik­gesprächen am 18.05.09, 08.10.09 und 15.01.2010 mit­ge­teilt wor­den wären. So sei be­reits am 18.05.2009 die man­gel­haf­te Wa­ren­präsen­ta­ti­on, nicht aus­rei­chen­de Sor­ti­ments­bestückung und nicht aus­rei­chen­de Fri­sche der Wa­re be­an­stan­det wor­den, die da­zu geführt hätten, dass die Umsätze stark rückläufig ge­we­sen sei­en. Wei­ters sei be­an­stan­det wor­den, dass nicht durch Ver­kos­tungs­ak­tio­nen oder di­rek­te Kun­den­an­spra­che ge­gen­ge­steu­ert wor­den sei.

Am 08.10.2009 sei­en die Mit­ar­bei­terführung und Mo­ti­va­ti­on so­wie das ei­ge­ne En­ga­ge­ment, die Initia­ti­ve und das Pflicht­be­wusst­sein des Klägers be­an­stan­det wor­den. Am 15.01.2010 sei­en er­neut Wa­ren­präsen­ta­tio­nen und das Sor­ti­ment, die Fri­sche der Wa­re und das Ver­hal­ten des Klägers be­an­stan­det wor­den. Da Ver­bes­se­run­gen in den be­an­stan­de­ten Po­si­tio­nen bis En­de Mai nicht zu ver­mer­ken ge­we­sen wären, das wirt­schaft­li­che Er­geb­nis der Ab­tei­lung auf Grund der ex­trem ho­hen In­ven­tur­dif­fe­ren­zen nach-

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hal­tig schlecht ge­we­sen sei, ha­be sich die Be­klag­te im Mai 2010 ent­schlos­sen, das Ar-beits­verhält­nis des Klägers nicht fort­zuführen.

So­weit der Kläger im Schrift­satz vom 30.09.2010 ei­ne Um­satz­stei­ge­rung be­haup­tet ha­be, erläuter­te der Be­klag­ten­ver­tre­ter im Kam­mer­ter­min da­zu, dass dies nur auf die Teue­rung in die­sem Le­bens­mit­tel­seg­ment und nicht auf den Ein­satz des Klägers zurück­zuführen sei.

We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Sach- und Streit­stan­des wird auf die ge­wech­sel­ten Schriftsätze, die Sit­zungs­pro­to­kol­le und den sons­ti­gen Ak­ten­in­halt nach § 46 Abs. 2 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die Kla­ge ist ins­ge­samt zulässig und be­gründet.

A)

Der Fest­stel­lungs­an­trag des Klägers, dass das Ar­beits­verhält­nis nicht durch Frist­ab­lauf zum 15.06.2010 en­de­te, ist be­gründet. Das zwi­schen den Par­tei­en seit dem 16.06.2008 be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis ist nicht in Fol­ge ei­ner wirk­sa­men Be­fris­tungs­ab­re­de mit Ab­lauf des 15.06.2010 be­en­det wor­den.

1. Auf Grund des Vor­brin­gens der Par­tei­en konn­te die Kam­mer nicht da­von aus­ge­hen, dass das Ar­beits­verhält­nis nach § 15 Abs. 1 Tz­B­fG mit Ab­lauf des 15.06.2010 en­de­te. Der Kläger hat­te be­reits in sei­nem Kla­ge­schrift­satz kri­ti­siert, dass er kei­ne Ko­pie ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges ha­be. Zu­dem for­der­te er die Be­klag­te in der Kla­ge­schrift auf, ei­ne sol­che Ko­pie her­aus­zu­ge­ben. In die­sem Zu­sam­men­hang äußer­te der Kläger Zwei­fel, dass der Ar­beits­ver­trag vor Auf­nah­me der Tätig­keit ge­schlos­sen wor­den sei. Die Be­klag­te hat aber den­noch während des ge­sam­ten Ver­fah­rens kei­ne Ver­tragsur-

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kun­de vor­ge­legt, aus der sich ei­ne wirk­sa­me Be­fris­tungs­ab­re­de zwi­schen den Par­tei­en er­ge­ben hätte. Auch im Kam­mer­ter­min leg­te die Be­klag­te trotz Nach­fra­ge nach dem Ar­beits­ver­trag kei­nen schrift­li­chen Ar­beits­ver­trag vor. Das Ge­richt muss da­her da­von aus­ge­hen, dass ent­we­der kein wirk­sa­mer schrift­li­cher Ar­beits­ver­trag exis­tiert, aus dem sich ei­ne Be­fris­tungs­ab­re­de er­gibt, oder wie vom Kläger ge­mut­maßt, ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung erst nach Auf­nah­me der Tätig­keit ab­ge­schlos­sen wur­de.

In bei­den Fällen hat die Be­klag­te den Er­for­der­nis­sen des Teil­zeit- und Be­fris­tungs­ge­set­zes, ins­be­son­de­re des § 14 Abs. 4 Tz­B­fG nicht genügt.

2. Un­abhängig da­von wäre aus Sicht der Kam­mer die Be­fris­tungs­ab­re­de auch un­wirk­sam, da sie im vor­lie­gen­den Fall nicht auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG gestützt wer­den kann. Die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses kann bei ei­nem gewähl­ten Be­triebs­rat nicht auf die sach­grund­lo­se Be­fris­tung nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG gestützt wer­den, da die­se Aus­nah­me­vor­schrift richt­li­ni­en­kon­form nach Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG nicht als Recht­fer­ti­gung für die Be­fris­tung her­an­zu­zie­hen ist, wenn ein Ar­beit­neh­mer zum Be-triebs­rat gewählt wor­den ist.

Im deut­schen Ar­beits­recht be­steht in­so­fern ei­ne Re­ge­lungslücke, als ein Ar­beit­neh­mer im sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis, gestützt auf § 14 Abs. 2 Tz­B­fG, kei­nen aus­rei­chen­den ar­beits­recht­li­chen Min­dest­schutz vor der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch Frist­ab­lauf erfährt. Hier­zu be­steht aber nach Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG und auf Grund der Art. 27 und 30 der seit 01.12.2009 gel­ten­den eu­ropäischen Grund­rechts­char­ta, wel­che nach Art. 51 der Char­ta seit­her zu be­ach­ten sind, ei­ne Ver­pflich­tung für die Mit­glieds­staa­ten, die­sen Min­dest­schutz zu gewähr­leis­ten (vgl. Schluss­an­trag des Ge­ne­ral­an­walts vom 29.10.2009 in der Sa­che C-405/08 Abs. 51 und Abs. 52 und Ur­teil des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs vom 11.02.2010 – C-405/08 Abs. 58 und Abs. 59).

Ei­ne sol­che Re­ge­lungslücke be­stand be­reits im Jah­re 1976 bei Aus­zu­bil­den­den, wel­che dann vom deut­schen Ge­setz­ge­ber durch die Einfügung des § 78 a Be­trVG ge­schlos­sen wur­de.

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Hin­sicht­lich der in ei­nem be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis in ver­gleich­ba­rer Si­tua­ti­on be-find­li­chen Be­triebsräte, ist der deut­sche Ge­setz­ge­ber bis­her nicht tätig ge­wor­den. Ins­be­son­de­re wur­de auch die zum Schutz der Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter ge­schaf­fe­ne eu­ropäische Richt­li­nie 2002/14/EG, die in Art. 7 die Mit­glieds­staa­ten zur Schaf­fung ei­nes aus­rei­chen­den Schut­zes ver­pflich­tet, nicht um­ge­setzt. Dies wird auch in der Ent­schließung des eu­ropäischen Par­la­ments vom 19.02.2009 zu der An­wen­dung der Richt­li­nie 2002/14/EG un­ter 4) fest­ge­stellt.

Außer­dem ist zu be­den­ken, dass die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses vom Bun­des­ar­beits­ge­richt we­gen der Ge­fahr ei­ner Um­ge­hung des Kündi­gungs­schut­zes ursprüng­lich nur auf Grund ei­nes sach­li­chen Grun­des als ge­recht­fer­tigt an­ge­se­hen wor­den ist. Bei ei­ner Be­fris­tung nach § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ist ei­ne Kon­trol­le in­so­weit ge­ge­ben, dass hier ein sach­li­cher Grund für ei­ne Be­fris­tung vor­lie­gen muss, der ge­richt­lich nach § 17 Tz­B­fG über­prüft wer­den kann.

Aus ar­beits­markt­po­li­ti­schen Gründen wur­de dann die Aus­nah­me­re­ge­lung des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG in Form ei­ner sach­grund­lo­sen Be­fris­tung ge­schaf­fen.

Hier­durch ent­steht aber für den ak­ti­ven Be­triebs­rat, der in ei­nem be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis steht, die Si­tua­ti­on, dass er kei­nen aus­rei­chen­den Min­dest­schutz bei ei­ner Ver­trags­be­en­di­gung hat, wenn an­de­re Ar­beit­neh­mer, die nicht Be­triebs­rat wa­ren, ei­nen Fort­set­zungs­ver­trag be­kom­men. Dass dies bei der Be­klag­ten der Fall war, wur­de nicht in Ab­re­de ge­stellt.

Die­se Si­tua­ti­on wi­der­spricht dem Ziel des Art. 27 der eu­ropäischen Grund­rechts­char­ta, wo­nach ein Anhörungs­recht für die Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter durch die Mit­glieds­staa­ten zu gewähr­leis­ten ist. Anhörung be­deu­tet da­bei, dass ein Ver­tre­ter der Ar­beit­neh­mer tatsächlich in die La­ge ver­setzt wird, sei­ne An­sich­ten (mögli­cher­wei­se vom Ar­beit­ge­ber ge­gen­tei­li­ge) ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber zu äußern. Um dies zu gewähr­leis­ten, sieht das deut­sche Recht für ak­ti­ve Be­triebsräte ei­nen be­son­de­ren Schutz in den Be­stim­mun­gen des § 15 KSchG und des § 103 Be­trVG vor. Die­se Re­ge­lun­gen schützen den Be­triebs­rat aber nicht vor Be­en­di­gun­gen durch Frist­ab­lauf nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG. Dem­zu­fol­ge kann ein Ar­beit­neh­mer mögli­cher­wei­se nicht das Ri­si­ko ein­ge­hen, wenn er ei­nen be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG hat,

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Be­triebs­rat zu wer­den bzw. in die­ser Ei­gen­schaft sei­ne Mei­nung klar zu ver­tre­ten, da er ei­ne mögli­cher­wei­se des­we­gen er­fol­gen­de Be­en­di­gung/un­ter­blie­be­ne Fort­set­zung nur sehr schwer in ei­nem Ver­fah­ren über­prüfen las­sen kann, in dem er die Be­weis­last für den Miss­brauch trägt. Da­mit wird aber dem Ge­dan­ken des Art. 27 der eu­ropäischen Grund­rechts­char­ta und des Art. 7 der Richt­li­nie 2002/14/EG un­zu­rei­chend Rech­nung ge­tra­gen.

Ei­ne Sch­ließung die­ser Schutzlücke ist durch ei­ne Ana­lo­gie zu § 78 a Be­trVG aus Sicht der Kam­mer nicht möglich, da dies zu weit­ge­hend ist.
Dem ge­genüber ist aus Sicht der Kam­mer die Aus­nah­me­vor­schrift des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG für Fälle wie den vor­lie­gen­den ein­ge­schränkt an­zu­wen­den, wo­bei sich der An­wen­dungs­be­reich am Zweck der Richt­li­nie 2002/14/EG zu ori­en­tie­ren hat. Denn die am 23.03.2002 in Kraft ge­tre­te­ne Richt­li­nie war von den Mit­glieds­staa­ten bis zum 23.03.2005 um­zu­set­zen. Dem­ent­spre­chend be­steht für die Kam­mer spätes­tens ab die­sem Mo­ment die Ver­pflich­tung, das in­ner­staat­li­che Recht richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen (vgl. Eu­ropäischer Ge­richts­hof vom 23.04.2009, C-378/07 bis C-380/07, C-378, 379, 380/07, Abs. 200, 201).

Bis zu ei­ner Re­ge­lung durch den Ge­setz­ge­ber ist da­her die Aus­nah­me­vor­schrift des § 14 Abs. 2 Tz­B­fG ent­spre­chend ein­ge­schränkt richt­li­ni­en­kon­form aus­zu­le­gen.

B)

Die Kla­ge ist auch be­gründet, so­weit der Kläger un­verändert die Wei­ter­beschäfti­gung an sei­nem bis­he­ri­gen Ar­beits­platz be­an­tragt. Denn die vom Großen Se­nat im Be­schluss vom 27.02.1985 ent­wi­ckel­ten Grundsätze zur Wei­ter­beschäfti­gung im Kündi­gungs­schutz­pro­zess sind im Fal­le der Be­fris­tung ent­spre­chend an­wend­bar (vgl. BAG 13.06.1985, NZA 1986, 562). Ände­rungs­gründe, die dem Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch ent­ge­gen ste­hen, wur­den von der Be­klag­ten nicht vor­ge­tra­gen.

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C)

Die Kla­ge ist be­gründet, so­weit der Kläger Lohn für die Zeit vom 16.06.2010 bis 30.09.2010 in Höhe von 9.100,00 Eu­ro brut­to nebst Zin­sen for­dert.
Nach § 615 Satz 1 BGB, kann der Kläger für den ge­nann­ten Zeit­raum An­nah­me­ver­zugs­lohn von der Be­klag­ten in Höhe des un­strei­tig zu­letzt ge­zahl­ten Mo­nats­brut­tos von 2.600,00 Eu­ro for­dern. Dies er­gibt für die Zeit vom 16.06.2010 bis 30.09.2010, so­mit 3,5 Mo­na­te, ei­nen Be­trag von 9.100,00 Eu­ro brut­to.

Zu­dem kann der Kläger hierfür Ver­zugs­zin­sen nach §§ 286, 288 BGB in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins seit 01.10.2010 be­an­spru­chen.

D)

Der Be­klag­ten wa­ren we­gen ih­res vollständi­gen Un­ter­lie­gens die Kos­ten nach § 91 ZPO auf­zu­er­le­gen.

Die Streit­wer­tent­schei­dung be­ruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Ver­bin­dung mit § 42 Abs. 2 GKG.

Da­nach wur­den von der Kam­mer für den Fest­stel­lungs­an­trag drei Brut­to­mo­nats­gehälter, für den Wei­ter­beschäfti­gungs­an­trag ein wei­te­res Brut­to­mo­nats­ge­halt und der Zah­lungs­an­trag mit dem gel­tend ge­mach­ten Be­trag an­ge­setzt. Ins­ge­samt er­gab sich da­her als Rechts­mit­tel­streit­wert ein Wert von 19.500,00 Eu­ro.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist für die Be­klag­te das Rechts­mit­tel der Be­ru­fung zum Lan­des­ar­beits­ge­richt München ent­spre­chend bei­lie­gen­der Rechts­mit­tel­be­leh­rung ge­ge­ben.

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Rechts­mit­tel­be­leh­rung:

Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Be­klag­te Be­ru­fung ein­le­gen, wenn der Wert des Be­schwer-de­ge­gen­stan­des € 600,00 über­steigt.

Die Be­ru­fung muss in­ner­halb ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat ab Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich beim

Lan­des­ar­beits­ge­richt München
Win­ze­r­er­s­traße 104
80797 München

ein­ge­legt wer­den.

Die Be­ru­fung muss in­ner­halb von 2 Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils schrift­lich be­gründet wer­den.

Die Be­ru­fungs­schrift und die Be­ru­fungs­be­gründungs­schrift müssen je­weils von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein. Sie können auch von dem Be­vollmäch­tig­ten ei­ner Ge­werk­schaft, ei­nes Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des oder ei­nes Zu­sam­men­schlus­ses sol­cher Verbände un­ter­zeich­net wer­den, wenn sie für ein Mit­glied ei­nes sol­chen Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses oder für den Ver­band oder den Zu­sam­men­schluss selbst ein­ge­legt wird.

Mit­glie­der der ge­nann­ten Verbände können sich auch durch den Be­vollmäch­tig­ten ei­nes an­de­ren Ver­ban­des oder Zu­sam­men­schlus­ses mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung ver­tre­ten las­sen.

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Haar­paint­ner

Rich­ter am Ar­beits­ge­richt

Aus­fer­ti­gung an:

Kläger­ver­tre­ter gemäß § 174 ZPO mit Emp­fangs­be­kennt­nis Be­klag­te mit PZU

ab­ge­sandt am:

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