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LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2010, 20 Sa 87/09
Schlagworte: | Pflegezeit | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg | |
Aktenzeichen: | 20 Sa 87/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 31.03.2010 | |
Leitsätze: | Das Pflegezeitgesetz lässt nach § 4 Abs. 1 PflegeZG nur eine einmalige Pflegezeitnahme mit unmittelbarer anschließender Verlängerungsmöglichkeit, nicht aber eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte zu. | |
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 24.09.2009, 12 Ca 1792/09 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.11.2011, 9 AZR 348/10 |
|
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Verkündet
am 31.03.2010
Aktenzeichen:
20 Sa 87/09
12 Ca 1792/09 (ArbG Stuttgart - Kn. Ludwigsburg)
Mattel Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Kläger/Berufungskläger -
Proz.-Bev.:
gegen
- Beklagte/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 20. Kammer -durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Augenschein, den ehrenamtlichen Richter Rapp und der ehrenamtliche Richter Zeitler auf die mündliche Verhandlung vom 31.03.2010
für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits-
gerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom
24.09.2009 - 12 Ca 1792/09 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu
tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG nur einmalig oder in mehreren getrennten Abschnitten in Anspruch genommen werden kann.
Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 23.01.1986 (Bl. 7 ff. der erstinstanzlichen Akte) seit dem 01.04.1986 als Betriebsmittelkonstrukteur bei der Beklagten beschäftigt. Die Mutter des Klägers, Frau A. N., S. Str. 29, xxxxx R., wurde mit Wirkung ab 01.02.2005 durch die B. E. - Pflegekasse - nach der Pflegestufe I als pflegebedürftig anerkannt (Schreiben der B. E. - Pflegekasse - vom 24.03.2005, Bl. 10 f. der erstinstanzlichen Akte). Unter dem 12.02.2009 (Bl. 12 der erstinstanzlichen Akte) teilte der Kläger der Beklagten die Pflege seiner pflegebedürftigen Mutter für den Zeitraum vom 15.06. bis 19.06.2009 mit, was die Beklagte ihm mit Schreiben vom 19.02.2009 (Bl. 13 der erstinstanzlichen Akte) bestätigte. Mit Schreiben vom 09.06.2009 (Bl. 14 der erstinstanzlichen Akte) zeigte der Kläger an, dass er seine Mutter am 28. und 29.12.2009 pflegen werde, was die Beklagte unter dem 29.06.2009 (Bl. 15 der erstinstanzlichen Akte) nicht bestätigte, da der Kläger von seinem Recht auf Freistellung zur Pflege seiner Mutter bereits einmal Gebrauch gemacht habe und dieses damit erschöpft sei. Statt dessen bot sie ihm für den Zeitraum 28./29.12.2009 eine unbezahlte Freistellung an.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Anspruch auf Pflegezeit für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen für höchstens sechs Monate bestehe. Dieser könne auch mehrmals in nicht zusammenhängenden Abschnitten bis zur Erreichung der Pflegehöchstdauer geltend gemacht werden.
Der Kläger hat beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei im Zeitraum vom 28.12.200 bis 29.12.2009 vollständig von der Arbeitsleistung freizustellen.
Hilfsweise:
2. Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei im Zeitraum vom 28.12.200 bis einschließlich 29.12.2009 nach Maßgabe von § 3 Pflegezeitgesetz vollständig von der Arbeitsleistung freizustellen.
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Klage für unbegründet gehalten, die Pflegezeit nur ein Mal geltend gemacht werden könne.
Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Terminniederschrift Bezug genommen.
Durch das dem Kläger am 08.10.2009 (Empfangsbekenntnis Bl. 45 der erstinstanzlichen Akte) zugestellte Urteil vom 24.09.2009 (Bl. 36 ff. der erstinstanzlichen Akte), auf das zur näheren Sachdarstellung ebenfalls Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger könne nicht ein zweites Mal Pflegezeit nach § 3 PflegeZG be-nspruchen. Der Anspruch sei durch die Geltendmachung für den Zeitraum vom 15. bis 19.06.2009 verbraucht, auch wenn der Kläger die Höchstdauer nach § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG nicht ausgeschöpft habe. Eine Verteilung der Pflegezeit auf mehrere Zeitabschnitte sei nach dem PflegeZG nicht möglich. Dies ergebe die Auslegung der einschlägigen Vorschriften. So deute der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG („längstens sechs Monate“) auf einen einheitlichen, ununterbrochenen Zeitraum hin. Das PflegeZG habe im Unterschied zu den Regelungen der Elternzeit die Bestimmung nach dem Regelungsvorbild des § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG, wonach die Elternzeit auf mehrere Zeitabschnitte verteilt werden kann, nicht übernommen. Auch systematische Überlegungen bestätigten die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Das PflegeZG sehe zweierlei Arbeitsfreistellungen aus Anlass eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen vor: zum einen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung bis zu 10 Tagen gemäß § 2 PflegeZG, um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen. Daneben bestehe die auf längstens sechs Monate befristete Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG, in der der Beschäftigte von der Arbeitsleistung vollständig oder teilweise freizustellen sei, wenn er in dieser Zeit einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflege. Werde für einen kürzeren Zeitraum eine Pflegezeit in Anspruch genommen, könne sie bis zur Höchstdauer verlängert werden, wenn der Arbeitgeber zustimme. Diese Verlängerung könne jedoch nur dann verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen könne. Daraus folge,
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dass der kurzzeitige Pflegebedarf abschließend in § 2 PflegeZG geregelt sei, während die eigentliche Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG auf eine längerfristig angelegte, einmalige und unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Höchstgrenze verlängerbare Freistellung von der Arbeitsverpflichtung ausgerichtet sei. Dafür spreche auch § 5 Abs. 1 PflegeZG, wonach der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis von der Ankündigung bis zur Beendigung der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung nach § 2 PflegeZG oder der Pflegezeit nach § 3 PflegeZG nicht kündigen darf und gemäß § 5 Abs. 2 PflegeZG eine Kündigung nur in besonderen Fällen vom Gewerbeaufsichtsamt für zulässig erachtet werden könne. Ein weitergehender Kündigungsschutz habe dadurch nicht bewirkt werden sollen. Dies wäre bei Zugrundelegung der klägerischen Auffassung jedoch der Fall. Denn bei einer beliebigen Aufteilung der Pflegezeit und einer geschickten zeitlichen Verteilung von Ankündigung und Durchführung der einzelnen Pflegezeitabschnitte ließe sich gewissermaßen - bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs - ein durchgehender besonderer Kündigungsschutz erreichen. Der Hilfsantrag sei identisch mit dem Hauptantrag und deshalb nicht eigenständig zu verbescheiden.
Hiergegen richtet sich die am 04.11.2009 (Bl. 1 der Berufungsakte) eingegangene und am 04.12.2009 (Bl. 6 der Berufungsakte) begründete Berufung des Klägers. Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe den vom Gesetzgeber ausdrücklich betonten Sinn und Zweck des PflegeZG, die Pflegeversicherung noch besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen sowie ihrer Angehöriger auszurichten, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ stärker als bisher zu verwirklichen und so die Pflegekassen zu entlasten, nicht hinreichend Rechnung getragen. Denn daraus folge zwingend das Gebot, auch eine etwaige Aufteilung der Pflegezeit in die Gestaltungsmacht des Pflegenden zu legen und Belange des Arbeitgebers dahinter zurücktreten zu lassen. Auch die systematischen Überlegungen des Arbeitsgerichts seien falsch. Denn § 2 PflegeZG regle die akut auftretenden und § 3 PflegeZG die „geplanten“ Pflegezeiten, und zwar unabhängig von der zeitlichen Lage und der Anzahl der Abschnitte der Pflegezeit(en) innerhalb des Rahmens der sechsmonatigen Höchstdauer. Die Argumentation betreffend § 5 PflegeZG sei rein spekulativ. Auch der Wortlaut des § 4 Abs. 1 PflegeZG lege das arbeitsgerichtliche Ergebnis nicht nahe, sondern sei insoweit bestenfalls neutral.
Mit Schreiben vom 04.12.2009 (Bl. 26 der Berufungsakte) teilte der Kläger mit, seine Mutter in der Zeit vom 27. bis 31.12.2010 pflegen zu wollen. Die Beklagte trat diesem Ansinnen unter Berufung auf ihren oben genannten Standpunkt entgegen. Der Kläger hat diesen Sachverhalt mit Schriftsatz vom 12.01.2010 (Bl. 23 ff. der Berufungsakte) in das Berufungsverfahren eingeführt. Er begehrt nunmehr im Wege der Klageänderung die Freistellung für die Zeit vom 27. bis 31.12.2010 und hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte ihn für die Zeit vom 28. und
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29.12.2009 hätte freistellen müssen. Die Klageänderung sei sachdienlich, weil sich der ur-sprüngliche Hauptantrag durch Zeitablauf erledigt habe und zwischen den Parteien weiterhin streitig sei, ob der Kläger durch die einwöchige Pflegezeitnahme vom 15. bis 19.06.2009 bereits den gesamten Pflegezeitanspruch verbraucht habe. Sie sei sachdienlich, weil der Streitstoff im Wesentlichen identisch geblieben sei und ein weiterer Prozess vermieden werde.
Der Kläger beantragt:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 24.09.2009, Az: 12 Ca 1792/09 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei im Zeitraum vom 27.12.2010 bis einschließlich 31.12.2010 vollständig von der Arbeitsleistung freizustellen.
Hilfsweise für den Fall der Abweisung von Klagantrag Ziffer 1:
2. Die Beklagte wird verurteilt, die klägerische Partei im Zeitraum vom 27.12.2010 bis einschließlich 31.12.2010 nach Maßgabe von § 3 Pflegezeitgesetz vollständig von der Arbeitsleistung freizustellen.
Hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageänderung:
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte im Zeitraum vom 28.12.2009 bis 29.12.2009 die klägerische Partei vollständig nach Maßgabe von § 3 Pflegezeitgesetz von der Arbeitsleistung freizustellen hatte.
Die Beklagte stimmt der Klageänderung zu und beantragt im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und tritt den Rechtsausführungen des Klägers entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die ge-wechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Berufungsverhandlung Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG); sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519 Abs. 1 und 2, 520 Abs. 3 ZPO) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Der Kläger kann nach vollständiger Freistellung zur Pflege seiner Mutter in der Zeit vom 15. bis 19.06.2009 nicht ein zweites Mal Pflegezeit für diese nahe Angehörige nach § 3 PflegeZG in Anspruch nehmen. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
I.
Die Klageänderung ist zulässig.
1. Gemäß § 533 ZPO ist eine Klageänderung im Berufungsverfahren nur zulässig, wenn ers-tens der Kläger einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und zweitens diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Ent-scheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
a) Die Beklagte hat in die Klageänderung eingewilligt.
b) Die Klageänderung wäre im Übrigen auch sachdienlich. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist insoweit der Gedanke der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es allein darauf ankommt, ob und inwieweit die Zulassung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen. Die Sachdienlichkeit ist nur ausnahmsweise zu verneinen, insbesondere wenn die Bejahung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes nötigen würde, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden könnte (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 28. Auflage, § 533 Rn. 6 mwN).
c) Die Klageänderung basiert auf neuen unstreitigen Tatsachen, die das Gericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 67 Abs. 4 ArbGG zugrunde zu legen hat. Diese sind zwar erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in das Verfahren eingeführt worden. Sie führen aber nicht zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits.
- 7 -
II.
Die geänderte Klage ist zulässig, aber unbegründet. Das PflegeZG sieht eine mehrfache Inan-spruchnahme von Pflegezeit gemäß § 3 PflegeZG für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen nicht vor. Dies ergibt die Auslegung der einschlägigen Vorschriften.
1. Ein Gesetz auszulegen heißt, seinen Sinn zu erforschen. Dabei kommt es nicht auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers an. Er lässt sich in der Regel auch gar nicht feststellen oder ist durch Änderung der Lebensverhältnisse überholt. Maßgebend ist der im Gesetzeswortlaut objektivierte Wille des Gesetzgebers, sogenannte objektive Theo-rie. Dabei ist nach dem Rechtsgedanken des § 133 BGB nicht am buchstäblichen Ausdruck zu haften, sondern auf den Sinn der Norm abzustellen. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz eine zweckmäßige, vernünftige und gerechte Regelung treffen will (herrschende Meinung vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Auflage, Rn. 40 vor § 1 BGB mwN).
a) Ausgangspunkt der Auslegung ist die Wortbedeutung, sogenannte sprachlich-grammatikalische Auslegung. Enthält das Gesetz für den Ausdruck eine gesetzliche Festlegung, ist diese maßgebend. Sonst gilt für juristische Fachausdrücke der Sprach-gebrauch der Juristen, im Übrigen der allgemeine Sprachgebrauch. Ein eindeutiger Wortsinn, der allerdings durch Auslegung festgestellt werden muss, ist grundsätzlich bindend. Von ihm darf nur abgewichen werden, wenn der unter Umständen aus der Entstehungsgeschichte zu ermittelnde Gesetzeszweck eine abweichende Auslegung nicht nur nahelegt, sondern gebietet (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, Rn. 41 vor § 1 BGB mwN).
b) Die Auslegung nach dem Bedeutungszusammenhang, sogenannte systematische Auslegung, geht von der Einsicht aus, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung zu verstehen ist. Auch für die systematische Auslegung gilt, dass ein aus ihr gewonnenes eindeutiges Ergebnis grundsätzlich bindend ist. Abgewichen werden darf nur, wenn, was nachgewiesen werden muss, die ratio legis dies erfordert. Ein Unterfall der systematischen Auslegung ist die verfassungskonforme Auslegung, deren Hauptanwendungsfeld jedoch das öffentliche Recht ist. Von mehreren Auslegungsmöglichkeiten hat diejenige den Vorrang, bei der die Rechtsnorm mit der Verfassung in Einklang steht. Sie gilt auch im Zivilrecht (allgemeine Auffassung, vgl. Palandt/Heinrichs, aaO, Rn. 42 vor § 1 BGB mwN).
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c) Entscheidend für das Auslegungsergebnis ist grundsätzlich die teleologische Auslegung, die sich am Gesetzeszweck (ratio legis) orientiert. Für sie besteht gegenüber anderen Auslegungsmethoden ein Primat. Zur ratio legis gehören die mit der konkreten Norm verfolgten Zwecke. Sie wird aber zugleich durch allgemeine Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitserwägungen mitbestimmt. Die Norm ist als Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung zu verstehen. Bei ernsthaften Zweifeln sind die Auslegungsal-ternativen und ihre praktischen Konsequenzen herauszuarbeiten; sodann ist sorgfältig abzuwägen, welche der Alternativen am zweckmäßigsten und gerechtesten ist und sich am besten in den Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung einfügt. Diese Abwägung führt häufig nicht zu einem eindeutigen Ergebnis in dem Sinne, dass eine Auslegungsmöglichkeit richtig ist und die anderen falsch sind. Oft muss von mehreren vertretbaren Alternativen eine als die sachgerechteste oder plausibelste ausgewählt werden. Die insoweit notwendige Problematisierung und Abwägung weist Parallelen zum topischen Denken auf. Der hier fragliche Entscheidungsprozess ist aber in Wahrheit nicht mehr Wissenschaft, sondern ars aequi et boni. Man kann in diesem Zusammenhang auch von einer richterlichen Dezision sprechen. Der Richter hat sich aber nicht an seinem subjektiven Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsvorstellungen zu orientieren, sondern muss auf die Wertentscheidung der Rechtsordnung, insbesondere der Verfassung abstellen (allgemeine Auffassung, vgl. Plandt/Heinrichts, aaO, Rn. 46 vor § 1 BGB mwN).
2. Daran gemessen lässt das PflegeZG nur eine einmalige Pflegezeitnahme mit unmittelbarer anschließender Verlängerungsmöglichkeit, nicht aber eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte zu.
a) § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG regelt ausdrücklich nur die Verlängerung der Pfle-gezeit, nicht die Aufteilung auf mehrere Zeitabschnitte, zwischen denen eine Unterbrechung liegt. Der Wortlaut des § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG („längstens 6 Monate“) deutet auf einen einheitlichen Zeitraum hin (wie hier auch das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung sowie ErfK/Gallner, 10. Aufl., § 4 PflegeZG Rn. 1 mit einer Darstellung des Meinungsstandes). Auch die in § 3 Abs. 3 PflegeZG geregelte Mitteilungspflicht, „für welchen Zeitraum“ die Freistellung von der Arbeitsleistung in Anspruch genommen werden soll, spricht für eine einmalige Pflegezeitnahme. Wäre der Gesetzgeber von einer Aufteilbarkeit der Pflegezeit auf mehrere Abschnitte ausge-
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gangen, wäre die Verwendung der Mehrzahl („für welche Zeiträume“) geboten gewesen.
b) Auch systematische Erwägungen sprechen gegen die vom Kläger erwünschte Ausle-gung. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/7439 S. 91 f.) sind die Rege-lungen der Pflegezeit und der Pflegeteilzeit an die Elternzeitbestimmungen der §§ 15 ff. BEEG angelehnt.
aa) So hat der Gesetzgeber die in § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG geregelte Möglichkeit der Verlängerung der Elternzeit auch für die Pflegezeit und die Pflegeteilzeit vorgesehen. Hat der Beschäftigte die Höchstdauer gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG von 6 Monaten nicht ausgeschöpft, kann die Pflegezeit regelmäßig nur mit formfreier und nicht fristgebundener Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden (§ 4 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG). Der Arbeitgeber ist in seiner Entscheidung frei. Es handelt sich nicht um die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts im Sinne des § 315 BGB (ErfK/Gallner aaO, § 4 PflegeZG Rn. 1). Ausnahmsweise hat der Beschäftigte Anspruch auf Verlängerung der Pflegezeit, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 4 Abs. 1 Satz 3 PflegeZG). Diese Regelung ist § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG nachgebildet (ErfK/Gallner aaO, § 4 PflegeZG Rn. 1). § 16 Abs. 3 Satz 4 BEEG wird in der Gesetzesbegründung sogar ausdrücklich zitiert (BT-Drs. 16/7439 S. 92).
bb) Demgegenüber hat das PflegeZG die Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG nicht übernommen. Danach kann die Elternzeit auf 2 Zeitabschnitte verteilt werden; eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Aus dem Fehlen jeglicher, eine Aufteilung der Pflegezeit ermöglichender Regelung ist deshalb zu folgern, dass nur eine einmalige Pflegezeitnahme pro pflegebedürftiger Person in Betracht kommen sollte. Andernfalls wäre eine dem § 16 Abs. 1 Satz 5 BEEG entsprechende Regelung geboten gewesen, um einen Systembruch im Verhältnis der Anforderungen an die Verlängerung der Pflegezeit einerseits und die Aufteilung der Pflegezeit andererseits zu vermeiden. Denn ansonsten könnte eine Verlängerung der Pflegezeit nur mit Zustimmung des Arbeitgebers (§ 4 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG) oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 PflegeZG verlangt werden, während die Aufteilung der Pflegezeit in eine unbestimmte Viel-
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zahl von Zeitabschnitten bis zur Dauer der Höchstgrenze einseitig im freien Ermessen des Arbeitnehmers läge und nur eine Ankündigungsfrist von mindestens 10 Arbeitstagen beachtet werden müsste (§ 3 Abs. 3 Satz 1 PflegeZG), obwohl eine so verstandene Aufteilungsmöglichkeit im Regelfall wesentlich höhere Anforderungen an das Planungsvermögen des Arbeitgebers betreffend die Ersatzbeschaffung für den Arbeitnehmer stellte.
c) Der Sinn und Zweck des PflegeZG gebietet gleichfalls keine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Zeitabschnitte. Zwar hat der Gesetzgeber den Sinn und Zweck des PflegeZG ausweislich der BT-Drs. 16/7439 S. 91 f. selbst betont, nämlich die Pflegeversicherung noch besser auf die Bedürfnisse und Wünsche der Pflegebedürftigen sowie ihrer Angehörigen auszurichten und dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ stärker als bisher Rechnung zu tragen. Allerdings folgt daraus entgegen der Auffassung des Klägers nicht das Gebot, eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Zeitabschnitte zu statuieren, diese in die alleinige Gestaltungsmacht des pflegenden Arbeitnehmers zu legen und jegliche Belange des Arbeitgebers dahinter zurücktreten zu lassen.
aa) Eine solch unausgewogene Regelung hat dem Gesetzgeber zu Recht fern gelegen. So hat er etwa in § 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG bestimmt, dass die Inanspruchnahme von Pflegezeiten nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten besteht, weil der Ausfall eines freizustellenden Arbeitnehmers in Kleinbetrieben regelmäßig schwieriger zu kompensieren ist als in größeren. Auch die Verlängerung der einmal zeitmäßig bestimmten Pflegezeit gem. § 3 Abs. 3 PflegeZG ist gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 PflegeZG an die Zustimmung des Arbeitgebers oder an wichtige Gründe gebunden. Im Übrigen ist die Pflegezeit selbst auf 6 Monate begrenzt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG).
bb) Die Aufteilbarkeit der Pflegezeit in getrennte Zeitabschnitte bewirkte auch keine bessere Verwirklichung des Sinn und Zwecks des PflegeZG. So ist gerade unter Berücksichtigung der Aspekte der Entlastung der Pflegekassen und des Grundsatzes „ambulant vor stationär“ nicht ersichtlich, worin der Vorteil einer Verteilung der Pflegezeit von einer Gesamtdauer von längstens 6 Monaten auf beliebig viele Zeitabschnitte von beliebig kurzer individueller Dauer gegenüber einer einmaligen Pflegezeitnahme liegen soll. Auch das besondere Schutzbedürfnis der Pflegebedürftigen erfordert eine derartige Möglichkeit nicht. Sollte ein unvorhergesehener Ausfall einer außerfamiliären Pflegekraft eintreten, besteht beliebig oft der Anspruch auf die Kurzzeitpflege nach § 2 PflegeZG. Sollte hingegen kein kurzfristiger und unvor-
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hergesehener Ausfall vorliegen, so hat ein Arbeitnehmer stets die Möglichkeit, die Pflege des pflegebedürftigen Angehörigen rechtzeitig auch anderweitig zu organisieren. Warum es in einem derartigen Fall zu Lasten des Arbeitgebers gerechtfertigt sein soll, dass ausgerechnet der angehörige Arbeitnehmer beliebig oft für beliebig kurze Zeiträume von der Arbeit freizustellen ist, erschließt sich demgegenüber nicht.
d) Gegen die vom Kläger begehrte Auslegung des PflegeZG spricht schließlich auch, wie sowohl vom Arbeitsgericht als auch von der Beklagten zutreffend angeführt, dass es der Arbeitnehmer je nach Platzierung der Ankündigungen und Verteilungen der Pflegezeit in der Hand hätte, sich einen sich über viele Jahre hinziehenden besonderen Kündigungsschutz nach § 5 PflegeZG zu verschaffen. Dies entspricht nicht dem Sinn und Zweck des PflegeZG, das den Kündigungsschutz auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 2 und 3 PflegeZG beschränken will.
III.
Den Hilfsanträgen des Klägers liegt als Prämisse jeweils die Aufteilung der Pflegezeit auf mehrere Zeiträume auch nach bereits einmaliger Inanspruchnahme der Pflegezeit zugrunde. Da dies nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Betracht kommt, erweisen sie sich bereits aus diesem Grunde als unbegründet, ohne dass es auf die weiteren Zulässigkeits- und/oder Begründetheitserfordernisse ankommt.
IV.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
V.
Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
- 12 -
Rechtsmittelbelehrung
1. Gegen dieses Urteil kann d. Kläg. nach Maßgabe seiner Zulassung im Urteilstenor schriftlich Revision einlegen. Die Revision muss innerhalb einer Frist von einem Monat, die Revisionsbegründung innerhalb einer Frist von zwei Monaten bei dem
Bundesarbeitsgericht
Hugo-Preuß-Platz 1
99084 Erfurt
eingehen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Revision und die Revisionsbegründung müssen von einem Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen:
a. Rechtsanwälte,
b. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
c. juristische Personen, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ArbGG er-füllen.
In den Fällen der lit. b und c müssen die handelnden Personen die Befähigung zum Rich-teramt haben.
2. Für d. Bekl. ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben. Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.
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Augenschein
Rapp
Zeitler
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