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ARBEITSRECHT AKTUELL // 08/024

Kün­di­gung leis­tungs­schwa­cher Ar­beit­neh­mer

Kün­di­gung we­gen Leis­tungs­schwä­che nur bei län­ger­fris­ti­ger Be­ob­ach­tung der Leis­tun­gen und nach­voll­zieh­ba­rem, ob­jek­ti­vem Ver­gleich mit den Leis­tun­gen an­de­rer Ar­beit­neh­mer: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.01.2008, 2 AZR 536/06
Polier, der zwei Bauarbeitern mit ausgestrecktem Arm Arbeit zuweist Kann er nicht oder will er nicht, der "low per­for­mer"?

15.02.2008. Will der Ar­beit­ge­ber ei­nem leis­tungs­schwa­chen Ar­beit­neh­mer ("low per­for­mer") ver­hal­tens­be­dingt kün­di­gen, muss er zu­nächst die Leis­tun­gen des Ar­beit­neh­mers über ei­nen län­ge­ren Zeit­raum be­ob­ach­ten und sie in ei­ner nach­voll­zieh­ba­ren, ob­jek­ti­ven Wei­se mit den Leis­tun­gen an­de­rer Ar­beit­neh­mer ver­glei­chen.

Ei­ne deut­lich er­höh­te Feh­ler­quo­te beim mas­sen­haf­ten Ver­pa­cken von Ver­sand­wa­re kann ei­ne sol­che Leis­tungs­schwä­che be­le­gen.

Dann ist es im Kün­di­gungs­schutz­ver­fah­ren Auf­ga­be des Ar­beit­neh­mers nach­zu­wei­sen, dass die Feh­ler(quo­ten) durch Krank­hei­ten, Über­for­de­rung oder be­trieb­li­che Ur­sa­chen be­dingt sind: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 17.01.2008, 2 AZR 536/06.

Wann kann der Ar­beit­neh­mer ei­nen "low per­for­mer" ver­hal­tens­be­dingt kündi­gen?

Ein Ar­beit­neh­mer erfüllt sei­ne ver­trag­li­che Ar­beits­pflicht nach der Recht­spre­chung dann, wenn er un­ter „an­ge­mes­se­ner“ Aus­nut­zung sei­ner in­di­vi­du­el­len Leis­tungsfähig­keit ar­bei­tet. Dies folgt aus dem dienst­ver­trag­li­chen Cha­rak­ter des Ar­beits­verhält­nis­ses, wo­nach der Ar­beit­neh­mer ge­ra­de kei­nen Er­folg, son­dern „nur“ ein Tätig­wer­den schul­det - dies aber eben un­ter möglichst vollständi­ger Ausschöpfung sei­ner persönli­chen Möglich­kei­ten.

Die wil­lent­li­che Zurück­hal­tung ei­ner dem Ar­beit­neh­mer mögli­chen Ar­beits­leis­tung stellt da­her ei­ne Pflicht­ver­let­zung dar, die nach vor­he­ri­ger Ab­mah­nung ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung recht­fer­ti­gen kann.

Da­mit stellt sich die Fra­ge, wie der Ar­beit­ge­ber bei leis­tungs­schwa­chen Ar­beit­neh­mern her­aus­fin­den soll, ob der be­tref­fen­de „nicht kann oder nicht mag“. Sch­ließlich kann man be­kannt­lich kei­nem Men­schen in den Kopf schau­en.

Nach der Recht­spre­chung muss hier zunächst ein­mal der Ar­beit­ge­ber im Kündi­gungs­schutz­pro­zess den Nach­weis ei­ner ob­jek­ti­ven Leis­tungs­schwäche führen, und zwar durch ei­nen Ver­gleich der Leis­tun­gen des an­geb­li­chen „Low Per­for­mers“ mit de­nen an­de­rer Ar­beit­neh­mer. Ist dem Ar­beit­ge­ber der Nach­weis der Leis­tungs­schwäche ge­lun­gen, ob­liegt es dem Ar­beit­neh­mer dar­zu­tun, dass die­se auf Ur­sa­chen be­ruht, die man ihm nicht zum Vor­wurf ma­chen kann, al­so bei­spiels­wei­se durch ei­ne Krank­heit oder durch be­trieb­li­che Gründe be­dingt ist.

Auf der Grund­la­ge die­ser Recht­spre­chung ist im Ein­zel­fall im­mer wie­der strei­tig, wie weit die Dar­le­gungs­last des Ar­beit­ge­bers bezüglich der von ihm be­haup­te­ten Leis­tungs­schwäche geht: Wann ist ein Ar­beit­neh­mer ein „ab­sicht­li­cher Low Per­for­mer“? Zu die­ser Fra­ge hat das BAG in ei­nem Ur­teil vom 17.01.2008 (2 AZR 536/06) Stel­lung ge­nom­men.

Der Fall des BAG: Ver­sand­mit­ar­bei­te­rin pro­du­ziert beim Pa­ket­ver­pa­cken drei mal so­viel Feh­ler wie ih­re an­de­re Ar­beit­neh­mer

Ein großes Ver­sand­haus kündig­te ei­ner seit länge­rem beschäftig­ten Ar­beit­neh­me­rin, die als La­ger- und Ver­sand­ar­bei­te­rin tätig war. Sie hat­te in die­sem Be­reich Wa­rensen­dun­gen für Kun­den fer­tig zu stel­len.

Über ei­nen länge­ren Be­ob­ach­tungs­zeit­raum hin­aus stell­te der Ar­beit­ge­ber fest, dass der Ar­beit­neh­mern beim Pa­cken der Sen­dun­gen mehr als drei­mal so vie­le Feh­ler wie ih­ren Kol­le­gen un­ter­lie­fen. Nach zwei er­folg­lo­sen Ab­mah­nun­gen erklärte der Ar­beit­ge­ber dar­auf­hin auf­grund der be­an­stan­de­ten Min­der­leis­tun­gen die or­dent­li­che ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung.

In dem dar­auf­hin geführ­ten Kündi­gungs­schutz­pro­zess ar­gu­men­tier­te die Kläge­rin, die ihr vor­ge­hal­te­ne Feh­ler­quo­te sei an­ge­sichts der Ge­samt­zahl der ge­pack­ten Wa­rensen­dun­gen zu ver­nachlässi­gen, wes­halb we­der die Ab­mah­nun­gen noch die Kündi­gung verhält­nismäßig ge­we­sen sei­en.

Der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen ver­wies dar­auf, dass die Kläge­rin oft­mals Kun­den ver­wech­selt ha­be. Auch hätten oft Tei­le in den Packsen­dun­gen ge­fehlt. Dies ha­be ei­ner­seits zu ei­nem Image­ver­lust für die Be­klag­te und zu nicht un­er­heb­li­chen Kos­ten geführt.

Ar­beits­ge­richt und das Säch­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt (Ur­teil vom 07.04.2006, 3 Sa 425/05) ga­ben der Kläge­rin recht.

Das LAG ar­gu­men­tier­te, dass bei ei­nem in­dus­triemäßigen Mas­sen­geschäft ei­ne 100prozentige Leis­tung von vorn­her­ein nicht er­war­tet wer­den könne. Nur dann, wenn der Ar­beit­neh­mer nicht al­les ge­be, was er könne, lau­fe das auf ei­ne teil­wei­se Zurück­hal­tung der Ar­beits­kraft und da­mit auf ei­ne teil­wei­se Ar­beits­ver­wei­ge­rung hin­aus. Dies ha­be das Ver­sand­haus im vor­lie­gen­den Fall nicht aus­rei­chend dar­le­gen bzw. be­wei­sen können.

BAG: Kündi­gung we­gen Leis­tungs­schwäche nur bei länger­fris­ti­ger Be­ob­ach­tung der Leis­tun­gen und nach­voll­zieh­ba­rem, ob­jek­ti­vem Ver­gleich mit den Leis­tun­gen an­de­rer Ar­beit­neh­mer

Das BAG ent­schied ge­gen die Ar­beit­neh­me­rin, d.h. es hob das Ur­teil des Säch­si­schen LAG auf. An­ders als die Vor­in­stan­zen be­wer­te­te das BAG das Vor­brin­gen des Ver­sand­hau­ses zu den Leis­tun­gen der Kläge­rin als er­heb­lich an.

Legt man die Be­haup­tun­gen der Be­klag­ten zu­grun­de, hat­te die Kläge­rin über ei­nen länge­ren Zeit­raum ei­ne „qua­li­ta­tiv er­heb­lich un­ter­durch­schnitt­li­che Leis­tung“ er­bracht, so das BAG.

So­mit hat der Ar­beit­ge­ber nach An­sicht des BAG im vor­lie­gen­den Fall „sei­ne Haus­auf­ga­ben ge­macht“, d.h. aus­rei­chend kon­kret dar­ge­legt, dass und in wel­chem Maße die Ar­beit der Kläge­rin durch Leis­tungs­schwäche ge­prägt war.

Dem­zu­fol­ge hat­te nun­mehr die Kläge­rin dar­zu­le­gen, auf wel­che Ur­sa­chen ih­re Leis­tungsmängel zurück­zuführen sind: Könne der Ar­beit­ge­ber ei­ne erhöhte Feh­ler­quo­te dar­le­gen, müsse sich der Ar­beit­neh­mer recht­fer­ti­gen.

Da dem BAG ins­ge­samt Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen zu den Feh­lern der Kläge­rin und zu de­ren Ur­sa­chen fehl­ten und das LAG auch ei­ne In­ter­es­sen­abwägung vor­zu­neh­men hat­te, wur­de der Rechts­streit an das LAG zurück­ver­wie­sen.

Im Er­geb­nis bestätigt die­se Ent­schei­dung, dass Ar­beit­ge­ber ei­ne ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung ei­nes sog. „Low Per­for­mers“ sorgfältig vor­be­rei­ten müssen:

An­ders als bei Unpünkt­lich­keit und an­de­ren klar er­sicht­li­chen Pflicht­verstößen bil­den ei­ne länger­fris­ti­ge Be­ob­ach­tung der Ar­beits­er­geb­nis­se des Ar­beit­neh­mers so­wie ein nach­voll­zieh­ba­rer, ob­jek­ti­ver Ver­gleich mit den Leis­tun­gen an­de­rer Ar­beit­neh­mer not­wen­di­ge Min­dest­vor­aus­set­zun­gen für die ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung we­gen Leis­tungsmängeln. Das gilt vor al­lem dann, wenn die Leis­tungsmängel nicht di­rekt an der Art und Wei­se der Ar­beits­leis­tung fest­ge­macht wer­den können, son­dern - wie hier im Streit­fall - al­lein an den Er­geb­nis­sen der Ar­beit.

Hin­zu­tre­ten muss darüber hin­aus wie bei an­de­ren ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gun­gen auch min­des­tens ei­ne frucht­lo­se, der Kündi­gung vor­aus­ge­gan­ge­ne Ab­mah­nung. Hier­bei - im­mer­hin - räumt das Ar­beits­recht dem Ar­beit­ge­ber St­ei­ne aus dem Weg, da ei­ne Ab­mah­nung auch dann rech­tens ist, wenn der ab­ge­mahn­te Pflicht­ver­s­toß (hier al­so die ob­jek­ti­ven Min­der­leis­tun­gen) nicht auf schuld­haf­tem Ver­hal­ten des Ar­beit­neh­mers be­ruht.

Kein Aus­weg ist es übri­gens für den Ar­beit­ge­ber, die Kündi­gung ei­nes "low per­for­mers" auf per­so­nen­be­ding­te Gründe statt auf ver­hal­tens­be­zo­ge­ne Vorwürfe zu stützen. Denn bei ei­ner per­so­nen­be­ding­ten Kündi­gung muss fest­ste­hen, dass die schwa­chen Leis­tun­gen bzw. schlech­ten Ar­beits­er­geb­nis­se auf persönli­che De­fi­zi­te des Ar­beit­neh­mers zurück­zuführen sind - und hierfür trägt der Ar­beit­ge­ber die Be­weis­last.

Fa­zit: Auch wenn der Ar­beit­ge­ber hier vor dem BAG "ge­won­nen" hat, hat er da­mit den Pro­zess noch nicht für sich ent­schie­den. Denn vor dem LAG wird noch­mals sehr ge­nau zu prüfen sein, wie sich die Ar­beit­neh­me­rin auf die Ab­mah­nun­gen hin ver­hal­ten hat, d.h. ob es ihr ge­lun­gen ist, ih­re Feh­ler­quo­te zu sen­ken. Soll­te das der Fall sein, wäre ei­ne Kündi­gung be­reits aus die­sem Grun­de un­verhält­nismäßig, denn dann hätten die Ab­mah­nun­gen ja po­si­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Feh­ler­quo­te ge­habt.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen zu die­sem Vor­gang fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 24. August 2016

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