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Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel
05.08.2009. Eine altersbedingte Ungleichbehandlung kann trotz legitimer sozialpolitischer Ziele eine verbotete Diskriminierung wegen des Alters sein, wenn die dafür gewählten Mittel nicht zwecktauglich sind oder zu stark diskriminierende Begleiteffekte mit sich zu bringen.
Vor diesem Hintergrund hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu entscheiden, ob es eine verbotene Altersdiskriminierung darstellt, wenn bei der Ermittlung von vergütungsrelevanten Dienstjahren nur die nach dem 18. Lebensjahr zurückgelegte Beschäftigungszeit berücksichtigt wird.
Da die Dienstzeiten für Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer von Bedeutung sind, werden hier möglicherweise jüngere Arbeitnehmer gegenüber älteren Kollegen unzulässig benachteiligt, d.h. diskriminiert: EuGH, Urteil vom 18.06.2009, C-88/08 (Hütter).
- Wor liegen die Grenzen von rechtlich erlaubten altersbedingten Benachteiligungen im Erwerbsleben?
- Der Fall: Unterschiedliche tarifliche Einstufung bei gleichem Dienstalter, da nur Dienstzeiten ab dem 18. Lebensjahr zählen
- EuGH: Das Ausblenden von Dienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr ist eine Diskriminierung wegen des Alters, wenn hinter einer solchen Regelung widersprüchliche Ziele stehen
Wor liegen die Grenzen von rechtlich erlaubten altersbedingten Benachteiligungen im Erwerbsleben?
Die EG-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) dient dazu, Diskriminierungen im Erwerbsleben zu verhindern.
Doch nicht jede unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern ist schon eine Diskriminierung. So kann z.B. eine "objektive und angemessene" Ungleichbehandlung wegen Alters durch "legitime Ziele" im Sinne von Art.6 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein. Diese Ziele können v.a. aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung stammen. Wenn auch die Mittel zur Erreichung solcher legitimer Ziele "angemessen und erforderlich" sind, ist eine Ungleichbehandlung wegen des Alters rechtens, d.h. keine verbotene Diskriminierung.
Nach der Auffassung des EuGH haben die Mitgliedstaaten sowohl bei der Festlegung der Ziele, die mit Hilfe von Altersungleichbehandlungen erreicht werden sollen, als auch bei der Wahl der Mittel einen weiten Ermessensspielraum.
Diese Rechtsprechung führt im Ergebnis dazu, dass es an Rechtfertigungsgründen für altersbedingte Ungleichbehandlungen nicht mangelt, so dass das Grundprinzip (Verbot der ungerechtfertigten Benachteiligung wegen des Alters) in der Gefahr ist, ausgehöhlt zu werden. Vor allem mit seinem Urteil vom 16.10.2007 (Rs. C-411/05 - Palacios de la Villa) hat der EuGH einen großen Schritt in diese Richtung unternommen.
Aufgrund dieser EuGH-Rechtsprechung stellt sich die Frage nach den Grenzen des Spielraums, den die Mitgliedsstaaten bei der Ungleichbehandlung wegen des Alters haben.
Vor kurzem musste sich der EuGH mit dieser Frage auf der Grundlage eines Falles aus Österreich befassen. Er musste nämlich klären, ob eine Regelung mit dem EU-Recht vereinbar ist, die bei der Berechnung der Dienstaltersstufe öffentlich-rechtlich Beschäftigter Dienstzeiten nicht erfasst, die vor der Vollendung des 18.Lebensjahres liegen (Urteil vom 18.06.2009, Rs. C-88/08).
Der Fall: Unterschiedliche tarifliche Einstufung bei gleichem Dienstalter, da nur Dienstzeiten ab dem 18. Lebensjahr zählen
Herr Hütter, der Kläger des Ausgangsverfahrens, absolvierte zusammen mit einer Kollegin etwas über vier Jahre lang eine Lehre als Chemielabortechniker an der Technischen Universität Graz (TUG). Danach wurden beide weitere drei Monate an der TUG beschäftigt.
Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses ist das österreichische Vertragsbedienstetengesetz (VBG). Danach dürfen für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses oder der Berufserfahrung abhängen, vor Vollendung des 18.Lebensjahres im Dienstverhältnis zurückgelegte Zeiten nicht berücksichtigt werden. Dies kann unter anderem zu unterschiedlichen Einstufungen des Beschäftigten und damit zu einer unterschiedlichen Vergütung führen.
Genau das geschah Herrn Hütter im Vergleich zu seiner Kollegin: Da sie 22 Monate älter als er war, hatte sie entsprechend längere gemäß VBG berücksichtigungsfähige Dienstzeiten absolviert, wurde deshalb höher eingestuft und erhielt somit für dieselbe Arbeit und auf der Grundlage derselben objektiven Berufserfahrung mehr Geld als Herr Hütter.
Herr Hütter fühlte sich daher wegen seines Alters benachteiligt, erhob Klage gegen die TUG und machte eine Entschädigung in Höhe der Gehaltsdifferenz geltend.
Er obsiegte in den ersten beiden Instanzen. In der dritten Instanz stellte sich dem hier in Österreich zuständigen Obersten Gerichtshof die Frage, ob die betroffenen Regelungen des VBG mit der RL 2000/78/EG vereinbar sind und reichte diese im Rahmen eines Vorlageverfahrens an den EuGH weiter.
EuGH: Das Ausblenden von Dienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr ist eine Diskriminierung wegen des Alters, wenn hinter einer solchen Regelung widersprüchliche Ziele stehen
Der EuGH entschied, dass Regelungen wie die hier streitige österreichische diskriminierend sind (EuGH, Urteil vom 18.06.2009, C-88/08).
Dabei nahm er ohne Weiteres die Anwendbarkeit der RL 2000/78/EG an, denn schließlich werden Erwerbspersonen unmittelbar wegen ihres Lebensalters unterschiedlich behandelt. Auf der anderen Seite hielt der EuGH auch die mit dem VGB verfolgten Ziele für legitim, objektiv und angemessen.
Denn zum einen sollen junge Leute durch die Altersgrenze einen Anreiz erhalten, statt (nur) einer Berufschule eine allgemeinbildende Sekundarschule zu besuchen. Auf diese Weise soll eine Benachteiligung von Sekundarschülern gegenüber Berufsschülern vermieden werden.
Und zum anderen soll die Altersgrenze verhindern, dass die Ausbildung von Berufsschülern teurer ist als die von Sekundarschülern. Ein solcher Effekt würde sich bei altersgleicher Vergütung ergeben, da der frühere Berufseintritt von Berufsschülern ins Erwerbsleben zu längeren Dienstzeiten führen würde. Dadurch wiederum soll die Eingliederung von Berufschülern in den Arbeitsmarkt begünstigt werden.
Vor dem Hintergrund dieser offiziellen Zwecksetzungen der österreichischen Regelungen kritisierte der EuGH, dass diese beiden Gesetzesziele miteinander unvereinbar sind. Denn wenn das Ausblenden von Dienstjahren vor dem 18. Lebensjahr einerseits den Besuch allgemeinbildender Schulen bzw. den Verzicht auf eine Berufsschule fördern soll (und daher Berufsschüler finanziell schlechter stellt als andere Berufsanfänger), so kann dieselbe Regelung schlecht politisch dafür herhalten, die Eingliederung von Berufschülern in den Arbeitsmarkt zu befördern.
Auch wenn man zugunsten der österreichischen Regelung annimmt, dass ein Zielkonflikt (wie vom EuGH behauptet) nicht besteht, ist die Zielsetzung insgesamt doch reichlich unklar. Denn eine finanzielle Gleichbehandlung von Arbeitnehmern, die früh die Berufsschule durchlaufen haben, mit Arbeitnehmern, die erst in höherem Alter bzw. nach einem allgemeinbildenden Abschluss mit der Ausbildung begonnen haben, kann jedenfalls mit der im VBG enthaltenen Regelung nicht erreicht werden, da ja gerade umgekehrt eine finanzielle Schlechterstellung von Berufsschülern die typische Normfolge ist.
Im Ergebnis kommt das Gericht jedenfalls zu der - vielleicht nicht zweifelsfreien, aber nachvollziehbaren - Auffassung, dass VGB wolle sowohl Sekundarschüler als auch Berufsschüler auf Kosten der jeweils anderen Personengruppe fördern. Den Regelungen fehlt daher nach Ansicht des Gerichts die „innere Kohärenz".
Fazit: Das Urteil des EuGH in Sachen Hütter ist wichtig, weil es die Tür für eine Kontrolle unzulässiger Altersbenachteiligungen wieder weiter geöffnet hat. Schien das Thema Altersdiskriminierung nach der Entscheidung in Sachen Palacios de la Villa praktisch „tot“, da die Mitgliedsstaaten praktisch beliebige sozial- und arbeitsmarktpolitische Ziele zur Rechtfertigung altersbedingter Ungleichbehandlungen ins Feld führen konnten, so will der EuGH nun anscheinend doch wieder nationale rechtliche Unterscheidungen nach dem Alter genauer überprüfen. Und nicht nur die Ziele (oder Zielbündel) werden genauer durchgecheckt, auch die angeblich zieltauglichen Mittel werden kritischer als bisher überprüft.
Demzufolge kann eine altersbedingte Ungleichbehandlung trotz im Prinzip legitimer sozialpolitischer Ziele eine Diskriminierung sein, wenn diese Ziele völlig unklar oder widersprüchlich sind.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 18.06.2009, C-88/08 (Hütter)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 05.03.2009, C-388/07 (Age Concern England)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 16.10.2007, C-411/05 (Palacios de la Villa)
- Europäischer Gerichtshof (Website)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 12/225 Altersdiskriminierung und Anerkennung von Berufserfahrung
- Arbeitsrecht aktuell: 11/179 Diskriminierung wegen des Alters durch BAT-Lebensaltersstufen
- Arbeitsrecht aktuell: 11/128 Diskriminierung wegen Alters: Kein Vertrauensschutz in diskriminierende Regelung (§ 622 Abs.2 Satz 2 BGB)
- Arbeitsrecht aktuell: 10/018 Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 07/90 Diskriminierung jüngerer Arbeitnehmer bei Kündigungsfristen
Letzte Überarbeitung: 25. Januar 2014
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