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Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 22.08.2011, 17 Sa 133/11

   
Schlagworte: Arbeitszeit, Arbeitszeitverringerung, Teilzeit
   
Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 17 Sa 133/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 22.08.2011
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.12.2010, 12 Ca 5360/10
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.06.2013, 9 AZR 786/11
   

Te­nor:

Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 14. De­zem­ber 2010,

12 Ca 5360/10, ab­geändert.

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

Die Kos­ten des Rechts­streits trägt der Kläger.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten auch im Be­ru­fungs­rechts­zug um ein Teil­zeit­be­geh­ren.

We­gen des un­strei­ti­gen Sach­ver­halts, des Vor­trags der Par­tei­en im ers­ten Rechts­zug und der dort ge­stell­ten Anträge wird auf den Tat­be­stand des an­ge­foch­te­nen Ur­teils Be­zug ge­nom­men (Bl. 163 bis 165 d.A.).

Das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main hat der Kla­ge durch am 14. De­zem­ber 2010 verkünde­tes Ur­teil, 12 Ca 5360/10, statt­ge­ge­ben. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen aus­geführt, dem An­spruch des Klägers aus § 8 Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG stünden kei­ne be­trieb­li­chen Gründe ent­ge­gen. We­gen der Ein­zel­hei­ten wird auf die Ent­schei­dungs­gründe des an­ge­foch­te­nen Ur­teils ver­wie­sen (Bl. 166 bis 171 d.A.).

Ge­gen die­ses ihr am 07. Ja­nu­ar 2011 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 27. Ja­nu­ar 2011 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach auf­grund am 01. März 2011 ein­ge­gan­ge­nen An­trags er­folg­ter Verlänge­rung der Be­ru­fungs­be­gründungs­frist bis 07. April 2011 am 04. April 2011 be­gründet.

Sie hält an ih­rer Auf­fas­sung fest, der An­trag des Klägers sei rechts­miss­bräuch­lich und ent­spre­che nicht den Ziel­set­zun­gen des Tz­B­fG. Dem Kläger ge­he es viel­mehr dar­um, sich jähr­lich wie­der­keh­rend Son­der­ur­laub bzw. Frei­stel­lung über die Weih­nachts- und Neu­jahrs­fei­er­ta­ge zu si­chern. Sie meint, dies dürf­te dar­auf be­ru­hen, dass in die­sem Zeit­raum im­mer deut­lich mehr Ur­laubs­anträge durch die Mit­ar­bei­ter ge­stellt würden als gewährt wer­den könn­ten. Die Gewährung des nach ih­rer Sicht be­an­trag­ten Son­der­ur­laubs würde da­zu führen, dass für Kol­le­gen ent­spre­chend ein­ge­schränk­te Möglich­kei­ten zur Ur­laubs­nah­me in die­sem Zeit­raum bestünden. Im Übri­gen bleibt die Be­klag­te da­bei, dem Be­geh­ren stünden be­trieb­li­che Gründe ent­ge­gen und ver­tieft in­so­weit ih­ren Vor­trag und ih­re Ar­gu­men­ta­ti­on.

Sie be­an­tragt,

un­ter Abände­rung des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 14. De­zem­ber 2010, 12 Ca 5360/10, die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Kläger be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Er ver­tei­digt die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung, hält sein Be­geh­ren nicht für rechts­miss­bräuch­lich und ver­tritt die Auf­fas­sung, die­ses ge­he kon­form mit dem Or­ga­ni­sa­ti­ons­mo­dell der Be­klag­ten und de­ren Ar­beits­zeit­kon­zept für das flie­gen­de Per­so­nal. Er hält dar­an fest, sei­nem Be­geh­ren stünden kei­ne be­trieb­li­chen Gründe ent­ge­gen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streit­stan­des wird auf die zwi­schen den Par­tei­en ge­wech­sel­ten Schriftsätze und de­ren An­la­gen ver­wie­sen.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 14. De­zem­ber 2010, 12 Ca 5360/10, ist gemäß §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statt­haft und auch im Übri­gen zulässig, ins­be­son­de­re form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den, §§ 66 Abs. 1 , 64 Abs. 6 ArbGG , 519 , 520 Abs. 1 und 3 ZPO.

Sie ist auch be­gründet.

Die Kla­ge ist un­be­gründet. Dem Kläger steht der gel­tend ge­macht An­spruch nicht zu. Dem auf § 8 Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG gestütz­ten Kla­ge­be­geh­ren steht der Ein­wand der un­zulässi­gen Rechts­ausübung, § 242 BGB , ent­ge­gen, und zwar un­ter dem Ge­sichts­punkt der Ausübung ei­ner for­ma­len Rechts­po­si­ti­on als Vor­wand für die Er­rei­chung sonst nicht durch­setz­ba­rer Zwe­cke, auf die kein ei­genständi­ger An­spruch be­steht. Ei­ne Rechts­ausübung kann dann rechts­miss­bräuch­lich sein, wenn ihr kein schutzwürdi­ges Ei­gen­in­ter­es­se zu­grun­de liegt und sie nur als Vor­wand zur Er­rei­chung ver­trags­frem­der Zwe­cke dient ( BAG 30. Sep­tem­ber 2004 – 8 AZR 462/03 – AP BGB § 613a Nr. 275).

Ein Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren iSd. § 8 Abs. 1 Tz­B­fG liegt vor. Die Frei­stel­lung von der Ar­beit für ei­ne be­stimm­te Dau­er in ei­nem Block un­ter ent­spre­chen­der Re­du­zie­rung der mo­nat­li­chen Vergütung stellt ei­ne Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung dar ( BAG 24. Ju­ni 2008 – 9 AZR 313/07 – AP Be­trVG 1972 § 117 Nr. 8). Der Kläger be­an­sprucht da­mit zunächst nicht Gewährung ir­gend­ei­ner Form von „Son­der­ur­laub“(aA ArbG Köln 26. Ja­nu­ar 2010 – 8 Ca 2637/09 – nv.). Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung ist beim flie­gen­den Per­so­nal ei­nes Luft­ver­kehrs­un­ter­neh­mens auf­grund der Be­son­der­hei­ten der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung grundsätz­lich auch nur durch die Gewährung zusätz­li­cher frei­er Ta­ge möglich, wo­bei als A zum Ver­rin­ge­rungs­an­spruch nach § 8 Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG auch ein Neu­ver­tei­lungs­an­spruch be­steht, der Ar­beit­neh­mer hier­bei auch nicht auf das ver­trag­lich ver­ein­bar­te Mo­dell der Ar­beits­zeit­ver­tei­lung be­schränkt ist ( BAG 18. Au­gust 2009 – 9 AZR 517/08 – AP Tz­B­fG § 8 Nr. 28) und be­reits aus die­sem Grund ei­ne Zu­sam­men­fas­sung des ver­rin­ger­ten Ar­beits­zeit­vo­lu­mens zu ei­nem jähr­li­chen Frei­zeit­block prin­zi­pi­ell je­den­falls möglich und zulässig ist (aA LAG Düssel­dorf 17. Mai 2006 – 12 Sa 175/06 – DB 2006, 1682). Dies ent­spricht im Übri­gen vom Grund­satz her auch den von der Be­klag­ten als Be­stand­teil des Or­ga­ni­sa­ti­ons­mo­dells an­ge­se­he­nen und auf Grund­la­ge der gekündig­ten BV Teil­zeit­beschäfti­gung Flug­zeugführer an­ge­bo­te­nen Block­teil­zeit­mo­del­len.

§ 8 Tz­B­fG be­gründet da­mit nicht nur für die Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit, son­dern auch für ih­re Ver­tei­lung ei­nen Rechts­an­spruch, des­sen Gren­ze Rechts­miss­brauch ist ( BAG 18. Au­gust 2009 – 9 AZR 517/08 – aaO; An­nuß/Thüsing/Men­gel, Tz­B­fG, 2. Aufl., § 8 Rd­nr 78; Laux/Schlach­ter, Tz­B­fG, 2. Aufl., § 8 Rd­nr 55; Boecken/Jous­sen, Tz­B­fG, 2. Aufl., § 8 Rd­nr 87a; Meynel/Heym/Herms, Tz­B­fG, 3. Aufl., § 8 Rd­nr 30; Sie­vers, Tz­B­fG, 2. Aufl., § 8 Rd­nr 13), wo­bei Rechts­miss­brauch ins­be­son­de­re im Zu­sam­men­hang mit ge­ringfügi­gen Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­run­gen ver­bun­den mit ei­nem das bis­he­ri­ge Ar­beits­zeit­mo­dell ändern­den Ver­tei­lungs­be­geh­ren dis­ku­tiert wird.

Die Fra­ge des Rechts­miss­brauchs ist hier­bei nur an­hand der Umstände des Ein­zel­falls zu be­ant­wor­ten. Der Ar­beit­ge­ber, der den Aus­nah­me­fall des Rechts­miss­brauchs ein­wen­det, ist hier­bei nach der Rspr. des BAG für die zu­grun­de lie­gen­den Tat­sa­chen dar­le­gungs- und be­weis­pflich­tig ( BAG 18. Au­gust 2009 – 9 AZR 517/08 – aaO). Hier­nach müssen bei­spiels­wei­se bei ei­ner er­heb­li­chen Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung – und da­mit auch Vergütungs­re­du­zie­rung – von im ent­schie­de­nen Sach­ver­halt 10 % be­son­de­re Umstände hin­zu­tre­ten, die dar­auf schließen las­sen, dass der Ver­rin­ge­rungs­wunsch nur da­zu dient, ei­ne an­de­re Ar­beits­zeit­ver­tei­lung durch­zu­set­zen. Sonst würde die ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel­vor­stel­lung un­ter­lau­fen, die Ansprüche aus § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG nicht von ei­nem be­stimm­ten ver­blei­ben­den Ar­beits­zeit­vo­lu­men abhängig zu ma­chen.

Die un­strei­ti­gen Umstände des Ein­zel­falls spre­chen für Rechts­miss­brauch. Da in­so­weit nichts strei­tig ist, muss die Be­klag­te auch nichts wei­ter vor­tra­gen oder un­ter Be­weis stel­len. Die Ver­mu­tung des Rechts­miss­brauchs wäre vor­lie­gend dann viel­mehr vom Kläger zu erschüttern. Dies ist nicht er­folgt.

Der Kläger macht ein sehr ge­ringfügi­ges Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren gel­tend, nämlich ein sol­ches von be­zo­gen auf die Voll­zeittätig­keit und Voll­zeit­vergütung in Höhe von 3,29 %. Dies ent­spricht um­ge­rech­net ei­nem zusätz­li­chen frei­en Tag pro Ka­len­der­mo­nat (12 zusätz­li­che freie Ta­ge). Es han­delt sich da­mit auch um ein un­gewöhn­li­ches Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren, das die Teil­zeit­mo­del­le nach der (gekündig­ten) BV Teil­zeit­beschäfti­gung Flug­zeugführer um ca. 2/3 – be­zo­gen auf die dort vor­ge­se­he­ne Min­dest­re­du­zie­rung bei mo­nats­re­du­zier­ter Frei­zeit – bzw. gut 1/2 – be­zo­gen auf die dort vor­ge­se­he­ne Min­dest­re­du­zie­rung bei Block­teil­zeit – un­ter­schrei­tet. Da­mit soll nicht zum Aus­druck ge­bracht wer­den, dass die in der BV Teil­zeit­beschäfti­gung Flug­zeugführer auf­geführ­ten Mo­del­le im Hin­blick auf den An­spruch nach § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG Aus­sch­ließlich­keitscha­rak­ter hätten. Sie ge­ben aber Auf­schluss darüber, in wel­chem Um­fang Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren bei der Be­klag­ten gewöhn­li­cher Wei­se er­fol­gen und zei­gen, dass es sich bei dem Be­geh­ren des Klägers ge­mes­sen an den be­trieb­li­chen Verhält­nis­sen um ein außer­gewöhn­lich ge­ringfügi­ges Ver­rin­ge­rungs­ver­lan­gen han­delt. Hier­in liegt im Übri­gen auch ein Un­ter­schied zu den Ver­rin­ge­rungs­ver­lan­gen, die den Ent­schei­dun­gen der Kam­mer vom 19. April 2010, 17 Sa 1656/09 (nach­fol­gend BAG 12. Ok­to­ber 2010 – 9 AZN 631/10 – nv.), und vom 05. Fe­bru­ar 2007, 17 Sa 1224/06 (nach­fol­gend BAG 24. Ju­ni 2008 – 9 AZR 313/07 – aaO) und 17 Sa 1349/06 (nach­fol­gend BAG 24. Ju­ni 2008 – 9 AZR 314/07 – nv., ju­ris), zu­grun­de la­gen. Die­se Ver­rin­ge­rungs­ver­lan­gen be­tra­fen je­weils Block­teil­zeit im Vo­lu­men von 30 Ta­gen, da­mit in ei­nem von der Be­klag­ten oh­ne­hin mit der BV Teil­zeit­beschäfti­gung Flug­zeugführer grundsätz­lich an­ge­bo­te­nen Vo­lu­men, wenn auch mo­nats- und jah­resüberg­rei­fend und eben­falls die Weih­nachts- und Neu­jahrs­fei­er­ta­ge er­fas­send. Von da­her lag bei ei­nem Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren von 30 zusätz­li­chen frei­en Ta­gen be­reits vom Vo­lu­men her und an­de­res als im hier zu ent­schei­den­den Sach­ver­halt kein außer­gewöhn­lich ge­ringfügi­ges Ver­rin­ge­rungs­ver­lan­gen vor.

Das Ver­rin­ge­rungs­vo­lu­men, wie es der Kläger ver­folgt, würde um­ge­rech­net auf ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 oder auch von 37,5 St­un­den da­ge­gen ei­ne Re­du­zie­rung von nur et­was über ein St­un­de dar­stel­len. Ein an die­sem Vo­lu­men ori­en­tier­tes In­ter­es­se des Klägers ist nicht er­sicht­lich. Er setzt sein ge­ringfügi­ges Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren – und da­mit gleich­zei­tig die da­mit ein­her­ge­hen­de ge­ringfügi­ge Ein­kom­mens­ein­buße – viel­mehr als Ve­hi­kel ein, um auf die­se Art und Wei­se ei­ne an­de­re Ar­beits­zeit­ver­tei­lung durch­zu­set­zen, die ihm freie Ta­ge an Weih­nach­ten, Sil­ves­ter, Neu­jahr und der Zeit „zwi­schen den Jah­ren“ ga­ran­tie­ren würde, oh­ne dass er da­mit zu rech­nen hätte, dass ein Ur­laubs­an­trag für die­se Zeit et­wa aus drin­gen­den be­trieb­li­chen Be­lan­gen oder we­gen Ur­laubswünschen an­de­rer Ar­beit­neh­mer, die un­ter so­zia­len Ge­sichts­punk­ten den Vor­rang ver­die­nen, ab­ge­lehnt wer­den könn­te. Er be­ab­sich­tigt dies für ei­ne Zeit, in der er­fah­rungs­gemäß je­den­falls ge­ra­de auch mit Ur­laubs­anträgen an­de­rer Ar­beit­neh­mer zu rech­nen ist. Die äußeren Umstände spre­chen da­mit dafür, dass der Kläger das Mit­tel des Teil­zeit­be­geh­rens zweck­wid­rig da­zu ver­wen­det, ei­ne Ar­beits­zeit­ver­tei­lung durch­zu­set­zen, auf die er sonst und oh­ne A zu ei­nem Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren kei­nen An­spruch hätte, und sich im Hin­blick auf die Frei­zeit­pla­nung zu Weih­nach­ten und zum Jah­res­wech­sel gleich­zei­tig ei­nen Vor­teil ge­genüber an­de­ren Ar­beit­neh­mern zu ver­schaf­fen. Zu­tref­fend ist, dass der Kläger hierfür auf ei­nen ent­spre­chen­den Teil sei­nes bis­he­ri­gen Ein­kom­mens ver­zich­ten will. Dies er­gibt sich zwangsläufig aus ei­nem Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren, schließt aber für sich al­lein Rechts­miss­brauch nicht aus. Rechts­miss­brauch lässt sich so­mit an­hand der äußeren und auch für den Be­trieb der Be­klag­ten un­gewöhn­li­chen Umstände aus der sog. Zweck-Mit­tel-Re­la­ti­on schließen, wo­nach der Kläger ei­ne for­ma­le Rechts­po­si­ti­on nutzt, um ei­nen An­spruch zu er­he­ben, an dem er iso­liert be­trach­tet kein er­kenn­ba­res In­ter­es­se hat, und die­sen wie­der­um zu nut­zen, um ei­ne un­abhängig vom Ar­beits­zeit­vo­lu­men in sei­nem In­ter­es­se lie­gen­de Ar­beits­zeit­ge­stal­tung zu er­rei­chen, auf die er iso­liert be­trach­tet kei­nen An­spruch hat.

Der Kläger hat im Ver­hand­lungs­ter­min auch da­hin ar­gu­men­tiert, ei­ne Ar­beits­zeit­re­du­zie­rung durch ei­ne mo­natsüberg­rei­fen­de Frei­stel­lung an 12 Ta­gen sei auch nach dem ei­ge­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­kon­zept der Be­klag­ten nicht un­gewöhn­lich. Dies mag zu­tref­fen, wenn man mit der Be­klag­ten in den mo­nats­re­du­zier­ten und ver­block­ten Teil­zeit­mo­del­len der BV Teil­zeit­beschäfti­gung Flug­zeugführer ein be­trieb­li­ches Or­ga­ni­sa­ti­ons­mo­dell sieht und bei­spiels­wei­se ei­ner fes­ten Ver­tei­lung von sechs Frei­stel­lungs­ta­gen nach der 80,27 %-igen mo­nats­re­du­zier­ten Teil­zeit­mo­dell al­ter­nie­rend am Mo­nats­an­fang und Mo­nats­en­de (zB. 26. De­zem­ber bis 06. Ja­nu­ar) kei­ne be­trieb­li­chen Gründe ent­ge­gen­ste­hen. Es han­delt sich hier­bei dann zunächst aber im­mer noch um mo­nats­re­du­zier­te Teil­zeit, die sich dann sechs­mal im Ka­len­der­jahr wie­der­ho­len würde und nicht nur zum Jah­res­wech­sel stattfände und nicht um ein­ma­li­ge Block­teil­zeit. Im Übri­gen be­steht der außer­gewöhn­li­che und unübli­che As­pekt im Teil­zeit­be­geh­ren des Klägers nicht dar­in, dass er im Rah­men der Ver­tei­lung Frei­stel­lung an zu­sam­menhängen­den Ta­gen be­gehrt, son­dern dar­in, dass er ein un­gewöhn­lich ge­ringfügi­ges Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren ver­folgt, das ge­ra­de aus­reicht, den Frei­zeit­in­ter­es­sen für ei­nen be­stimm­ten, prägnan­ten und er­fah­rungs­gemäß auch von an­de­ren Mit­ar­bei­tern be­vor­zug­ten Zeit­raum, nämlich von 22. De­zem­ber bis 02. Ja­nu­ar, zu die­nen.

Vor die­sem Hin­ter­grund hat die Be­klag­te nach Auf­fas­sung der Kam­mer kei­ne wei­te­ren An­halts­punk­te dafür dar­zu­le­gen und ggf. nach­zu­wei­sen, dass der Kläger sein Recht auf Ver­rin­ge­rung der Ar­beits­zeit miss­bräuch­lich iSd. § 242 BGB ausübt. Der un­strei­ti­ge Sach­ver­halt selbst spricht viel­mehr be­reits hierfür. Von da­her wäre es Auf­ga­be des Klägers ge­we­sen, Umstände dar­zu­le­gen, die ent­ge­gen die­ser An­nah­me dar­auf schließen las­sen, dass sein Ver­rin­ge­rungs­wunsch eben nicht al­lein da­zu dient, ei­ne be­stimm­te Ar­beits­zeit­ver­tei­lung durch­zu­set­zen. Hier­bei geht es auch nicht dar­um, dass der Ar­beit­neh­mer im Rah­men ei­nes auf § 8 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG gestütz­ten Be­geh­rens grundsätz­lich nicht dar­zu­le­gen hat, wel­ches In­ter­es­se er an ei­ner Ar­beits­zeit­ver­rin­ge­rung hat, son­dern dar­um, dass er die auf­grund äußerer Umstände in­di­zier­te An­nah­me rechts­miss­bräuch­li­chen Ver­hal­tens zu erschüttern hat.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG ist die Re­vi­si­on zu­zu­las­sen. Es ist von grundsätz­li­cher Be­deu­tung, ob be­reits auf­grund un­gewöhn­lich ge­rin­gen Ver­rin­ge­rungs­be­geh­rens im Zu­sam­men­hang mit ei­nem be­stimm­ten Ver­tei­lungs­wunsch der Schluss auf rechts­miss­bräuch­li­ches Ver­hal­ten ge­recht­fer­tigt ist, wo­bei in der Rspr. (ArbG Stutt­gart 23. No­vem­ber 2011 – 26 Ca 1324/01 – NZA-RR 2002, 183) und Lit. (An­nuß/Thüsing/Men­gel, aaO; Laux/Schlach­ter, aaO; Meynel/Heym/Herms, aaO) zT. ein Re­du­zie­rungs­be­geh­ren um 3,2 % ver­bun­den mit ei­nem dem Ar­beits­zeit­mo­dell wi­der­spre­chen­den Ver­tei­lungs­wunsch noch nicht als rechts­miss­bräuch­lich an­ge­se­hen wird bzw. als Bei­spiel Ver­rin­ge­rungs­be­geh­ren von ei­ner St­un­de oder we­ni­ger bei vollständi­ger bzw. er­heb­li­cher Neu­ver­tei­lung ge­nannt wer­den.

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