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ArbG Cottbus, Urteil vom 27.01.2010, 7 Ca 868/09
Schlagworte: | Spesenabrechnungen, Stundenaufrundung, Kündigung: Fristlos | |
Gericht: | Arbeitsgericht Cottbus | |
Aktenzeichen: | 7 Ca 868/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 27.01.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Arbeitsgericht Cottbus
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
7 Ca 868/09
Verkündet
am 27.01.2010
Xxx
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
Xxx
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Xxx
gegen
Xxx
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte/r: Xxx
hat das Arbeitsgericht Cottbus, 7. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 27.01.2010 durch den Richter am Arbeitsgericht Xxx als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Xxx und Herr Xxx
für Recht erkannt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder infolge der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 04.06.2009 im Zeitpunkt deren Zugangs am 04.06.2009 noch infolge der hilfsweise erklärten ordentlichen fristgemäßen Kündigung vom 04.06.2009 mit Ablauf des 31.10.2009 aufgelöst worden ist.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 30. August 1998 geregelten zuletzt gültigen Arbeitsbedingungen als Bezirksleiter im Außendienst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 4/5tel, der Kläger zu 1/5tel der Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Streitwert wird in der Höhe eines Betrages von 10.978,60 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten noch um die Feststellung der Nichtauflösung des zwischen ihnen vereinbarten Arbeitsverhältnisses infolge einer außerordentlich, hilfsweise ordentlich, erklärten arbeitgeberseitigen Kündigung sowie um einen Anspruch auf vorläufige, auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits befristete Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am xx.xx.19xx geborene, Familienstand Kläger steht seit 01. September 1998, zuletzt in der Funktion eines Bezirksleiters im Außendienst, in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung eine Vertriebsgesellschaft für Xxxprodukte führt.
Zum Zwecke der Durchführung der Außendiensttätigkeit war dem Kläger ein Dienst-Pkw überlassen, mit welchem er die Kunden besuchte. Der Kläger nahm seine Tätigkeit von seiner Wohnung aus auf und beendete diese mit Rückkehr in seine Wohnung. Abrechnungs-und Dokumentationsaufgaben nahm der Kläger zu Hause für die Beklagte war.
Zur Arbeitsvergütung und zur Spesenzahlung war in Ziffer 4. des Arbeitsvertrages der Parteien vom 28. August 1998 wie folgt geregelt:
„4. Vergütung und Spesen
Für seine Tätigkeit erhält der Angestellte ein monatliches Bruttogehalt von3.500,00 DM
(in Worten: dreitausendfünfhundert Deutsche Mark).
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Für die ersten 4 Monate der Beschäftigung erhält der Angestellte eine Zulage in Höhe von 300,00 DM.
Von den Gesamtbezügen werden die gesetzlichen und vertraglichen Abzüge einbehalten. Mit der Gesamtvergütung sind eventuell anfallende Mehrstunden abgegolten.
Der Tagesspesensatz für den Angestellten richtet sich nach der jeweils gültigen Regelung (s. Anlage I). Für Dienstfahrten mit der Bundesbahn werden die Fahrtkosten der zweiten Klasse erstattet.
Der Angestellte erhält einen Spesenvorschuss von DM 1.500,00. Dieser Betrag wird bei Beginn der Zusammenarbeit ausgezahlt. Der Angestellte verpflichtet sich diesen Geldwert ausschließlich für den vorgesehenen Zweck zu verwenden und ihn bei seinem Ausscheiden aus der Firma zurückzuzahlen.“
Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches Monatsbruttoarbeitsentgelt in der Höhe eines Betrages von 2.744,65 Euro brutto.
Die vom Kläger wahrzunehmenden Kundenbesuche wurden dem Kläger direkt von der Beklagten vorgegeben. Hierzu waren dem Kläger Tages-Soll-Besuchsplanlisten ausgegeben worden, in denen der Kläger seine Tätigkeiten für die Beklagte jeweils taggenau dokumentierte.
Gleichzeitig hatte der Kläger monatlich Spesenabrechnung zu erteilen, für welche er ein von der Beklagten vorgehaltenes Formblatt zu verwenden hatte. In dieses hatte er die jeweiligen täglichen Abwesenheitszeiten, die dienstlich/privat gefahrenen Kilometer und den jeweiligen Spesensatz einzutragen.
In die Ausfüllung des Spesenformblattes war der Kläger durch den Mitarbeiter der Beklagten, Herrn Axxx, eingewiesen worden, von welchem er erklärt bekam, dass die Abwesenheitszeiten jeweils halbstündig gerundet einzutragen seien.
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Demgemäß, das heißt jeweils auf halbe beziehungsweise volle Stunde gerundet, fertigte der Kläger fortan monatlich die Spesenabrechnungen, die er bei der Beklagten jeweils nach Ablauf des jeweiligen Kalendermonats einreichte und auf welche nach Prüfung der Beklagten hin, die Beklagte dem Kläger die monatlichen Aufwendungen samt Spesen erstattete.
Hierbei wandte die Beklagte zuletzt die für Reisekosten steuerrechtlich anerkannten Spesensätze an, wonach sie bei beziehungsweise bis zu einer Abwesenheitszeit von 8 bis 14 Stunden jeweils 6 Euro, von 14 bis 24 Stunden jeweils 12 Euro und bei 24stündiger Abwesenheit insgesamt 24 Euro zahlte.
Bis zum 31. Juli 2008 bereiste der Kläger einen Vertriebsbezirk im Bereich Südbrandenburg/Nordsachsen. Ab Beginn des 01. August 2008 wies die Beklagte dem Kläger einen Vertriebsbezirk rund um Dresden/Sächsische Schweiz und Erzgebirge zu, wodurch nicht unerheblich längere Reise- und Arbeitszeiten beim Kläger veranlasst waren.
Ausweislich der Spesenabrechnungen des Klägers für die Monate Februar 2006, Februar 2007 und Februar 2008 als auch für den Monat Mai 2009 überstiegen die täglichen Abwesenheitszeiten des Klägers von der Wohnung durchweg die Dauer von acht Stunden.
Ob der Kläger am 05. Mai 2009 insgesamt genau 14 Stunden von seiner Wohnung abwesend war, bildet zwischen den Parteien den kündigungsrelevanten Streitgegenstand.
Am 05. Mai 2009 verließ der Kläger frühestens um genau 05.00 Uhr, spätestens jedoch um 05.20 Uhr seine Wohnung und kehrte in diese frühestens um 18.50 Uhr, spätestens um genau 19.00 Uhr zurück.
Der Kläger fertigte für den Monat Mai 2009 nach Vollendung des 31. Mai 2009 die Spesenabrechnung und bestätigte in dieser eine Abfahrtszeit von der Wohnung um 05.00 Uhr und eine Rückkehrzeit um 19.00 Uhr.
Nach Eingang der Spesenabrechnung kam die Beklagte in Prüfung dieser zu der Überzeugung, dass die Eintragungen des Klägers für den 05. Mai 2009 nicht zutreffend gewesen seien.
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Sie kündigte daraufhin mit Schreiben vom 04. Juni 2009, welches dem Kläger am gleichen Tag übergeben wurde, das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht, ohne den Kläger zuvor zu etwaigen Verdachtsmomenten auf eine inkorrekte Abrechnungsweise angehört zu haben.
Mit seiner am 15. Juni 2009 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Kündigungsschutzklage gleichen Datums verfolgt der Kläger die Feststellung der Nichtauflösung seines zur Beklagten vereinbarten Arbeitsverhältnisses infolge vorgenannter streitgegenständlicher Kündigung, die Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses infolge anderer Beendigungstatbestände beziehungsweise des unveränderten Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses, die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses, das hilfsweise für den Fall des Unterliegens als Schlusszeugnis verlangt wird sowie auch die Verurteilung der Beklagten zu seiner, auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits befristeten Weiterbeschäftigung zu den zuletzt gültigen Arbeitsbedingungen als Bezirksleiter im Außendienst.
Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte sich auf hinreichende Kündigungsgründe werde erfolgreich berufen können, die es ihr erlaubten, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich fristgerecht in Auflösung zu bringen.
Insbesondere tritt der Kläger der Behauptung der Beklagten entgegen, am 05. Mai 2009 erst um 05.20 Uhr das Haus verlassen zu haben und schon um 18.50 Uhr zu diesem zurückgekehrt zu sein.
Hierbei bestreitet der Kläger auch, dass die Beklagte ihn habe am 05. Mai 2009 durch die Mitarbeiter Bxxx und Cxxx überwachen lassen.
Selbst wenn er nach 05.00 Uhr und noch vor 19.00 Uhr das Haus verlassen und wieder heimgekommen sei, so habe er sich mit den Eintragungen in die Spesenabrechnung für den Monat Mai 2009 so wie immer verhalten, so dass er allenfalls irrtümlich eine falsche Eintragung gefertigt habe, was nicht den Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechtfertigen könne, so argumentiert der Kläger.
Nachdem die Beklagte im Zuge des Rechtsstreits dem Kläger ein qualifiziertes Schlusszeugnis erteilt hat, hat der Kläger sein diesbezügliches Klagebegehren, wie auch dasjenige auf Feststellung des unveränderten Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nun noch,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 04. Juni 2009 weder außerordentlich fristlos im Zeitpunkt deren Zugangs noch hilfsweise fristgerecht mit Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den im Arbeitsvertrag vom 30. August 1998 geregelten Arbeitsbedingungen als Bezirksleiter im Außendienst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte begründet die streitgegenständliche Kündigung damit, dass der Kläger am 05. Mai 2009 erst um 05.20 Uhr das Haus verlassen habe und bereits um 18.50 Uhr zu diesem wieder zurückgekehrt sei.
Damit habe er in Summe nur 13,30 Stunden Abwesenheitszeit von der Wohnung in die Spesenabrechnung aufzunehmen gehabt, trotzdem aber in der Spesenabrechnung 14 Stunden ausgewiesen und insofern einen um 6 Euro zu hohen Spesensatz zur Abrechnung gebracht. Diese tatsächlichen Abwesenheitszeiten seien durch die Mitarbeiter Bxxx und Cxxx festgestellt worden, die den Kläger am 05. Mai 2009 observiert hätten. Der versuchte Spesenbetrug aber rechtfertige die außerordentliche, jedenfalls aber die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Schließlich habe der Kläger nach Zugang der Kündigung der Personalreferentin der Beklagten gegenüber im Rahmen eines Gespräches geäußert, dass er diese Zeiten so vorsätzlich aufgeschrieben habe, weil er immer so viel unterwegs sei.
Die Beklagte bestreitet, dass es eine jahrelange Praxis in ihrem Betrieb gegeben habe, die von den Arbeitnehmern aufgewandten Abwesenheitszeiten jeweils auf 30 Minuten auf-beziehungsweise abzurunden.
Selbst wenn der Kläger nach eigenem Vortrag seine Zeiten hätte gerundet haben wollen, was im Widerspruch zu seiner Behauptung der tatsächlichen Abwesenheitszeit stünde, hätte er nur auf 30 Minuten, also auf 05.30 Uhr runden können, so argumentiert die Beklagte.
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Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2010 ihre gegenseitigen Rechtsstandpunkte ergänzt und vertieft.
Hinsichtlich der diesbezüglich abgegebenen Erklärungen sowie hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 2010 als auch auf die zur Gerichtsakte gereichten, gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst den jeweils beigefügten Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
A)
Antragsgemäß war festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentlich fristlose, hilfsweise ordentlich fristgemäß erklärte Kündigung der Beklagten vom 04. Juni 2009 aufgelöst worden ist. Auch war die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bezirksleiter im Außendienst weiterzubeschäftigen. Denn die Kündigung vom 04. Juni 2009 ist unwirksam.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat mit seiner am 15. Juni 2009 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen Kündigungsschutzklage gleichen Datums, welche der Beklagten am 22. Juni 2009 zugestellt worden ist, ordnungsgemäß und entsprechend der aus den §§ 253 II, 256 ZPO folgenden Formerfordernisse Klage auf Feststellung des Bestehens eines zwischen den Parteien streitigen Rechtsverhältnisses erhoben und verfolgt im Wege der Leistungsklage auf Vornahme einer unvertretbaren Handlung, § 888 ZPO, und damit durch objektive Klagehäufung, § 260 ZPO, die Verurteilung der Beklagten zu seiner, des Klägers, auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits befristeten Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bezirksleiter im Außendienst.
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Dabei bezieht sich der Kündigungsschutzantrag des Klägers, welcher mit Klageerhebung vom 15. Juni 2009 explizit gegen die außerordentliche fristlose Beendigungswirkung sowie auch gegen die hilfsweise ordentliche, fristgemäße Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, gleichwohl nur auf eine einheitliche Kündigungserklärung.
Denn die hilfsweise erklärte ordentliche, fristgemäße Kündigung steht unter der innerprozessualen Bedingung der Unwirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung und bringt lediglich den unbedingten Willen zur Vertragsbeendigung des die Kündigung erklärenden Vertragsteils lediglich zum Ausdruck.
II. Die Klage ist auch begründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche und fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 04. Juni 2009 aufgelöst worden. Denn die Kündigung der Beklagten vom 04. Juni 2009 ist nicht wirksam.
Auch hat der Kläger einen Anspruch auf vorläufige, auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits befristete Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bezirksleiter im Außendienst. Denn mit Obsiegen hinsichtlich seines Antrags auf Feststellung der Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses überwiegen die Interessen des Klägers an einer weiteren Beschäftigung gegenüber denjenigen der Beklagten an einer Nichtbeschäftigung des Klägers.
1. Die streitgegenständliche Kündigung vom 04. Juni 2009 gilt nicht bereits als von
Anfang an wirksam im Sinne der §§ 4, 7 und 13 KSchG in Verbindung mit §§ 626 I, II BGB. Sie steht vielmehr hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nach Maßgabe der § 626 I, II BGB in Verbindung mit § 13 I 2 KSchG; § 1 II KSchG zur Entscheidung der erkennenden Kammer. Denn auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ausweislich der Anzahl der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer, ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten, unter gleichzeitiger Berücksichtigung der über sechsmonatigen Betriebszugehörigkeit des Klägers das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden.
Auch hat der Kläger mit seiner am 15. Juni 2009 beim Arbeitsgericht Cottbus eingegangenen und der Beklagten am 22. Juni 2009 zugestellten Klage, sowohl form- als auch fristgerecht die Feststellung beantragt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 04. Juni 2009, weder außerordentlich fristlos im Zeitpunkt deren Zugangs noch hilfsweise ordentlich und damit fristgemäß zum Ablauf des 31. Oktober 2009 aufgelöst worden ist, §§ 4, 13 I 2 KSchG.
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2. Die streitgegenständliche Kündigung vom 04. Juni 2009 ist aber unwirksam.
Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht im Zeitpunkt ihres Zugangs am 04. Juni 2009 noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist und damit zum Ende des 30. Oktober 2009 aufgelöst. Denn die Kündigung ist in Gestalt ihrer außerordentlichen fristlosen Beendigungswirkung, wie auch in Gestalt ihrer ordentlichen fristgemäßen Beendigungswirkung unwirksam. Es liegen keine Tatsachen vor, aufgrund welcher der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ein Festhalten am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht hat zugemutet werden können, § 626 I, II BGB. Noch ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, denn sie ist nicht durch Gründe bedingt, die im Verhalten des Klägers liegen, § 1 II KSchG.
a) § 626 I BGB enthält mit der Formulierung des Vorliegens eines wichtigen Grundes einen unbestimmten, von der Rechtsprechung auszufüllenden Rechtsbegriff.
Dabei setzt der Tatbestand der Vorschrift in objektiver Hinsicht voraus, dass ein bestimmter, als Kündigungsgrund relevant erachteter, in dem gerichtlichen Verfahren schlüssig und nachvollziehbar eingeführter Sachverhalt, an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden (Prüfung auf der ersten Stufe). In subjektiver Hinsicht ist Voraussetzung, dass dieser Sachverhalt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile so schwerwiegend das Arbeitsverhältnis belastet, dass die Fortsetzung dessen auch nur für den Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist dem Kündigenden nicht zugemutet werden kann (Prüfung auf der zweiten Stufe; vergleiche: BAG vom 17.05.1984, AP-BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = NZA 1985, 91 ff; BAG vom 14.09.1994, NZA 1995, 296 ff; BAG vom 12.08.1999, 2 AZR 923/98, DB 2000, 48 ff; BAG vom 19.04.2007, 2 AZR 78/06, Quelle: Juris).
Geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB zu bilden, können nur solche Vertragsverletzungen sein, die das vereinbarte Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich beeinträchtigen oder, wie etwa im Fall solcher zu Lasten des Arbeitgebers beziehungsweise seines Vermögens begangener strafbarer Handlungen, das Vertrauensverhältnis der Parteien endgültig zerstören.
Insofern ist anerkannt, dass die Arbeitszeit-, Gleitzeit- oder Arbeitsleistungsmanipulation je nach den Umständen einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann (BAG vom 12.08.1999 – 2 AZR 832/98 a. a. O., unter Verweis auf BAG RzK I 5 e Nr. 31; BAG RzK I 8 c Nr. 18 zu II 5. der Gründe; BAG vom 24.11.2005, 2 AZR 39/05, NJW 2006, 1545 – 1547 = EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12). Der Missbrauch von Zeit- oder
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Leistungserfassungseinrichtungen kann eine ordentliche, je nach den Umständen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, es kommt nicht entscheidend darauf an, wie der Vorgang strafrechtlich zu würdigen ist (BAG NZA 1997, 1340 = NJW 1998, 1171 = AP-Nr. 27 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen zu II. 1. c der Gründe).
Ein verhaltensbedingter wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung kann in diesem Zusammenhang zum Beispiel dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer, der in einer besonderen Vertrauensstellung steht, Spesen abrechnet, die nicht entstanden sind. Ein Spesenbetrug kann selbst dann als Grund zur fristlosen Entlassung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt (BAG vom 02.06.1960, vom 22.11.1962, AP-BGB § 626 Nr. 42, Nr. 49). Einer Abmahnung bedarf es in der Regel nicht, weil in diesem spezifischen Vertrauensbereich der Arbeitnehmer im Allgemeinen keinen Grund zur Annahme haben kann, sein Handeln werde gebilligt (LAG Niedersachsen vom 11.08.1977, DB 1978, 750). Bei anderen Personen sind diese strengen Maßstäbe jedoch nicht angemessen; dabei ist vor allem stets danach zu fragen, wie die bisherige Handhabung im Betrieb aussah. Wurde Großzügigkeit praktiziert, ist zunächst eine Änderung der Praxis bekanntzugeben („in Zukunft wird genau gerechnet“), anderenfalls läge ein widersprüchliches Verhalten vor, das die Kündigung unzulässig machen würde (Dörner in Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, Großkommentar 2. Auflage 2004 zu § 626, Rz. 278; Staudinger/Preis, § 626 BGB, Rz. 188).
Verhält sich der Arbeitgeber in diesen Fällen selbst derart widersprüchlich, bedarf es vor Ausspruch der Kündigung einer Abmahnung. Möglich ist es auch, zunächst eine Änderung der Praxis bekanntzugeben, im Übrigen sind jedoch auch in Spesenbetrugsfällen alle Umstände abzuwägen (LAG Frankfurt vom 05.07.1988, LAGE § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung Nr. 20).
b) Dabei hat der Arbeitgeber die Wahlfreiheit, ob er die auszusprechende Kündigung aufgrund dessen als gerechtfertigt ansieht, weil er überzeugt ist, der Arbeitnehmer habe zu seinen Lasten oder zu Lasten seines Vermögens eine rechtswidrige Handlung oder eine erhebliche Vertragspflichtverletzung begangen (Tatkündigung) oder weil er diesbezüglich lediglich einen durch Tatsachen begründeten dringenden Verdacht (Verdachtskündigung) hegt.
Begründet der Arbeitgeber die Kündigung mit dem Verdacht einer schweren Vertragspflichtverletzung beziehungsweise einer rechtswidrigen Handlung zu seinen oder seines Vermögens Kosten und erkennt das zur Prüfung angerufene Gericht den Tatvorwurf als begründet an, ist die ausgesprochene Kündigung gleichwohl wirksam, da mit der
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Verwirklichung der zum Vorwurf gemachten Straftat, schweren Vertragspflichtverletzung oder rechtswidrigen Handlung der materiell schwerere Kündigungsgrund verbunden ist, welcher grundsätzlich geeignet ist, die Kündigung zu rechtfertigen (BAG vom 03.07.2003, 2 AZR 437/02, EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 2; BAG vom 06.12.2001, 2 AZR 496/00, AP-BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 36).
Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat (ständige Rechtsprechung, BAG vom 26.09.2002 – 2 AZR 424/01 – NZA 2003, 991; BAG, NZA 1996, 81 = EzA Nr. 6 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen).
Die den Verdacht begründenden Tatsachen müssen hierbei einen verständigen, gerecht abwägenden Arbeitgeber veranlassen können, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Der Verdacht muss zudem dringend sein, was bedeutet, dass eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen muss, dass der Arbeitnehmer die im Raum stehende Vertragsverletzung oder Straftat tatsächlich begangen hat. Im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung hat der Arbeitgeber, der eine Verdachtskündigung aussprechen will, den Arbeitnehmer insbesondere zu den Verdachtsmomenten anzuhören und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BAG vom 26.09.2002, a. a. O.). Dabei ist nicht ausreichend, wenn der Arbeitnehmer lediglich mit einer völlig unsubstantiierten Wertung konfrontiert wird. Die Anhörung muss sich vielmehr auf einen Sachverhalt beziehen, der jedenfalls soweit konkretisiert ist, dass sich der Arbeitnehmer darauf substantiiert einlassen kann, wobei der Arbeitgeber grundsätzlich keine bereits gewonnenen Erkenntnisse bei der Anhörung des Arbeitnehmers zurückhalten darf, weil anderenfalls die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschnitten würden (BAG vom 26.09.2002, a. a. O. mit weiteren Nachweisen).
c) Hiernach erweist sich die streitgegenständliche Kündigung vom 04. Juni 2009 sowohl hinsichtlich ihrer außerordentlichen fristlosen Beendigungswirkung als auch hinsichtlich ihrer ordentlichen fristgemäßen Beendigungswirkung jeweils als unwirksam, denn der außerordentlichen fristlosen Kündigung gemäß § 626 I, II BGB ermangelt es in subjektiver Hinsicht eines wichtigen Grundes, der ordentlichen fristgemäßen Kündigung solcher überwiegender Beendigungsinteressen der Beklagten.
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aa) Soweit die Beklagte mit ihrer Kündigungserklärung vom 04. Juni 2009 die außerordentliche fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Kläger hat herbeiführen wollen, war ihr entgegen ihrer diesbezüglichen Annahme gleichwohl unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht unzumutbar geworden.
Denn insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger Zeit seines Arbeitsverhältnisses seine Spesenabrechnungen stets bei der Angabe der Abwesenheitszeiten mit vollen beziehungsweise halben Stunden gerundet ausgefertigt und diese bei der Beklagten zur Abrechnung eingereicht hat.
Dass diese Abrechnungsweise nicht richtig sein konnte, hätte die Beklagte erkennen müssen, denn solches musste der Beklagten bei Prüfung und Abrechnung der Spesen des Klägers bereits auf erstes Ansehen auffallen, weil es einem Menschen nahezu unmöglich ist, Abwesenheitszeiten nach Abfahrt und Rückkehr jeweils minutengenau auf die volle oder halbe Stunde abzupassen. Nach dem beklagtenseitig unwidersprochenen Klägervortrag waren die Spesenabrechnungen des Klägers monatlich wiederkehrend in der gleichen Weise unrichtig, weil der Kläger in diesen jeweils nur auf halbe und volle Stunde gerundete Abwesenheitszeiten auswies.
Gleichwohl hat die Beklagte an den Abrechnungen nie Anstoß genommen, geschweige denn den Kläger aufgefordert, zukünftig minutengenau abzurechnen, sondern die Abrechnungen des Klägers „durchgewunken“ obgleich ihr die „Unrichtigkeit“ der Eintragungen hier unmittelbar hätte klar sein müssen.
Die seitens des Klägers in Fotokopie zur Gerichtsakte gereichten Spesenabrechnungen weisen im Übrigen die Prüfung dieser durch die Beklagte mit jeweiligem Datum und Handzeichen aus, so dass der Kläger hat davon ausgehen können, dass sich die Beklagte inhaltlich mit den Spesenabrechnungen auseinandersetzte und in Prüfung dieser keinen Grund sah, die Abrechnungen des Klägers zu beanstanden.
Eine Änderung des Abrechnungsmodus hat die Beklagte dem Kläger gegenüber jedoch nicht verfügt gehabt, sondern bei der zwischen den Parteien streitigen Observation des Klägers am 05. Mai 2009 die insoweit selbst festgestellten Abfahrts- und Rückkehrzeiten einseitig der Bewertung des Sachverhaltes zugrunde gelegt. Die Beklagte hätte bei verständiger Würdigung der Sachlage allerdings zunächst dem Kläger gegenüber eine neue, geänderte Abrechnungspraxis einführen müssen, bevor hinreichender Anlass bestanden hätte, annehmen zu können, der Kläger habe sie, die Beklagte, um den Wert des erhöhten Spesensatzes betrügen wollen.
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Insofern bestanden für die Beklagte lediglich Verdachtsmomente, denen sie hätte weiter nachgehen, insbesondere aber zu denen sie den Kläger zuvor hätte anhören müssen.
Dabei kann in der gerichtlichen Bewertung und Entscheidung dahinstehen, wann genau der Kläger am 05. Mai 2009 seine Wohnung verließ und zu dieser zurückkehrte, genau wie die klägerseitige Behauptung, er habe genau um 05.00 Uhr seine Wohnung verlassen und sei genau um 19.00 Uhr wieder eingetroffen, keiner näheren gerichtlichen Aufklärung bedurfte, bestehen bereits nach den seitens des Klägers eingereichten Spesenabrechnungen der Vorjahre nicht unerhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser der Rechtsverteidigung dienenden Behauptung.
Dass und inwiefern der Kläger mit seinen Eintragungen in die Spesenabrechnung sich der Beklagten gegenüber einen rechtswidrigen Vermögensvorteil hat verschaffen wollen, ist insofern nämlich nicht hinreichend nachvollziehbar, gab es bei objektiver Betrachtung der Faktenlage lediglich Verdachtsmomente, die einen diesbezüglichen Schluss haben nahelegen können.
Denn es ist insofern schon nicht recht ersichtlich, wann die diesbezüglich relevante Abfahrtszeit begann: beim Öffnen, beim Verlassen oder Verschließen der Wohnungstür, beim Einsteigen in den Dienst-Pkw, beim Losfahren des Dienst-Pkw auf dem Privatgrundstück oder auf der öffentlichen Straße. Genauso wenig ist erklärlich, welche Feststellungen der Kläger zu welchem Zeitpunkt zur maßgeblichen Uhrzeit getroffen haben mag. Gleiches gilt hinsichtlich der Umstände der Rückkehr des Klägers zur Wohnung.
Kam für die Beklagte bei verständiger Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, also lediglich der Ausspruch einer Verdachtskündigung in Betracht, fehlte es zur Wirksamkeit dieser jedenfalls an der vorherigen Anhörung des Klägers.
bb) Den obigen Ausführungen entsprechend überwiegen im Rahmen der Sozialwidrigkeitsprüfung gemäß § 1 II KSchG die klägerseitigen Interessen an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber denjenigen der Beklagten an seiner Beendigung.
Die Beklagte hat die Abrechnungspraxis des Klägers über Jahre hingenommen, ohne eine minutengenaue Abrechnung zu fordern, beziehungsweise die Abrechnungspraxis einseitig umzustellen.
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Sie kann nun nicht unter Hinweis auf diese Abrechnungspraxis bei auftretenden Verdachtsmomenten, der Kläger habe inkorrekt abgerechnet, das Arbeitsverhältnis der Parteien ohne vorherige Abmahnung beenden, ohne dem Kläger zuvor Gelegenheit gegeben zu haben, zu seiner Abrechnung Stellung zu nehmen beziehungsweise die Abrechnungspraxis umzustellen.
Denn gerade aus dem Prognoseprinzip des Kündigungsrechts folgt, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung für den von einer Vertragswidrigkeit betroffenen Vertragsteil dann erst veranlasst ist, wenn er zukünftig mit weiteren Beeinträchtigungen gleicher Art im Arbeitsverhältnis rechnen muss beziehungsweise das Vertrauen in die Redlichkeit und Aufrichtigkeit des Arbeitnehmers dergestalt nachhaltig erschüttert ist, dass diese auch durch zukünftiges vertragstreues Verhalten des Arbeitnehmers nicht wiederhergestellt werden kann.
Gerade hieran zeigt sich aber, dass die seitens der Beklagten verfügte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 04.06.2009 sozial nicht gerechtfertigt sein kann, weil insofern nicht ersichtlich ist, dass der Kläger bei einer Änderung der Abrechnungspraxis zukünftig und insofern wiederholt vertragswidrig seine Spesenabrechnungen bei der Beklagten einreichen würde.
Vielmehr musste der Beklagten die objektive Unrichtigkeit der klägerseitigen Spesenabrechnungen unmittelbar auffällig geworden sein.
Indem die Beklagte diese objektive Unrichtigkeit der Spesenabrechnungen des Klägers über Jahre hingenommen und akzeptiert hat, kann sie diese nun nicht unter dem Gesichtspunkt der unwiederbringlichen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses der Parteien als Kündigungsgrund heranziehen, ohne zuvor dem Kläger die Möglichkeit eröffnet zu haben, seine Abrechnungspraxis umzustellen und geänderten Anforderungen gerecht zu werden.
3. Schließlich war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Bezirksleiter im Außendienst bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.
Denn mit Obsiegen hinsichtlich seines Feststellungsantrages über die Nichtauflösung des Arbeitsverhältnisses infolge der Kündigungserklärung vom 04. Juni 2009 überwiegen die klägerseitigen Interessen an einer weiteren Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens gegenüber denjenigen der Beklagten an der Nichtbeschäftigung ihres Arbeitnehmers.
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Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAG GS vom 27.02.1985, DB 1985, 2203 ff.) bedarf es jeweils einer Wertung, ob der Arbeitgeber ein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers hat oder ob das Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung höher zu bewerten sei. Bis zu einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden erstinstanzlichen Urteil begründet grundsätzlich die Ungewissheit über den Ausgang des Kündigungsschutzprozesses ein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers. Nach einem der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteil ändert sich die Interessenlage.
Allein die verbleibende Ungewissheit des Prozessausganges kann nunmehr für sich allein ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung nicht mehr begründen. Vielmehr müssen jetzt zu der Ungewissheit des Prozessausganges zusätzliche Umstände hinzutreten, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer vorläufig nicht weiterzubeschäftigen. Solche zusätzlichen Umstände sind jedoch weder ersichtlich, noch beklagtenseitig dargetan. Hieraus folgt das überwiegende arbeitnehmerseitige Interesse an der vorläufigen Weiterbeschäftigung, befristet auf den rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
B)
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 I, 92 I, 269 ZPO. Entsprechend des Obsiegens des Klägers mit seinen Klageanträgen unter Berücksichtigung der diesbezüglich zurückgenommenen Streitgegenstände waren die Kosten entsprechend zu teilen.
Der Streitwert war gemäß den §§ 61 I ArbGG in Verbindung mit 39, 40, 42 IV GKG, wie geschehen, in der Höhe von vier Monatsbruttoarbeitsentgelten festzusetzen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
Berufung
eingelegt werden.
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a) wenn sie in dem Urteil zugelassen worden ist,
b) wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c) in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d) wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall schuldhafter Versäumung nicht vorgelegen habe.
Die Berufungsschrift muss von einem zugelassenen Rechtsanwalt oder einem Vertreter einer Gewerkschaft beziehungsweise einer Arbeitgebervereinigung oder einem Zusammenschluss solcher Verbände eingereicht werden.
Die Berufungsschrift muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
eingegangen sein.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass Berufung gegen dieses Urteil eingelegt werde.
Die Berufung ist gleichzeitig oder innerhalb einer Frist von zwei Monaten in gleicher Form schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Dabei ist zu beachten, dass das Urteil mit der Einlegung in den Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass das Urteil auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung.
Das Zustelldatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.
Für die klagende Partei ist keine Berufung gegeben.
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Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.
Dr. Schönfeld
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