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LAG Sach­sen-An­halt, Ur­teil vom 26.06.2013, 4 Sa 41/12

   
Schlagworte: Allgemeine Geschäftsbedingungen: Ausgleichsklausel, Ausgleichsquittung, Klageverzicht, Kündigungsschutzklage: Verzicht
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen: 4 Sa 41/12
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 26.06.2013
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Magdeburg, Urteil vom 29.11.2011, 9 Ca 1337/11
   

Ak­ten­zei­chen:

4 Sa 41/12

9 Ca 1337/11

ArbG Mag­de­burg

Verkündet am: 26.06.2013

 

, Jus­tiz­an­ge­stell­te

als Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

 

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT

SACHSEN-AN­HALT

 

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

 

 

- Kläger und Be­ru­fungskläger -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

 

ge­gen

 

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te: 

- 2 -

hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Sach­sen-An­halt auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 26. Ju­ni 2013 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt als Vor­sit­zen­den so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter und
als Bei­sit­zer

für R e c h t er­kannt:


I.

Auf die Be­ru­fung des Klägers wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29.11.2011 – 9 Ca 1337/11 - ab­geändert und ins­ge­samt wie folgt neu ge­fasst:

1. Es wird fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung vom 20. April 2011, dem Kläger am 26. April 2011 aus­gehändigt, be­en­det wird.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Bau­wer­ker wei­ter­zu­beschäfti­gen.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt,

a) an den Kläger für den Zeit­raum 14. März 2011 bis 10. April 2011 Ur­laubs­vergütung in Höhe von 1.680,00 Eu­ro brut­to zu-züglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 27. Mai 2011 und

b) für den Zeit­raum 18. April 2011 bis 27. Mai 2011 Ent­gelt­fort­zah­lung in Höhe von 2.520,00 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Zu­stel­lung des Schrift­sat­zes vom 04. No­vem­ber 2011

zu zah­len.

II.

- 3 -

Die Be­klag­te trägt die Kos­ten des Rechts­streits.

III.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

T A T B E S T A N D :

Die Par­tei­en strei­ten so­wohl in ers­ter als auch in zwei­ter In­stanz über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi­gung so­wie über die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, an den Kläger Ur­laubs­vergütung und Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fal­le zu zah­len. In die­sem Zu­sam­men­hang strei­ten die Par­tei­en ins­be­son­de­re darüber, ob der Kläger am 26. April 2011 im Zu­sam­men­hang mit dem Er­halt ei­ner Lohn­steu­er­kar­te nebst Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ei­ne Aus­gleichs­quit­tung mit Kla­ge­ver­zicht un­ter­zeich­net hat oder nicht.

Der am 1958 ge­bo­re­ne Kläger ist ver­hei­ra­tet. Er war seit dem 17. Ju­li 2006 bei der Be­klag­ten als Bau­wer­ker zu ei­nem St­un­den­lohn von 12,35 € brut­to beschäftigt. Die wöchent­li­che Ar­beits­zeit be­trug 40 St­un­den. Die Be­klag­te beschäftigt re­gelmäßig mehr als 10 Ar­beit­neh­mer.

Der Kläger er­litt am 30. Sep­tem­ber 2009 ei­nen Ar­beits­un­fall. Gemäß Un­fal­l­an­zei­ge (Bl. 36 d. A.) bau­te der Kläger ei­ne zwei Me­ter ho­he Bockrüstung. Da­bei wähl­te er den seit­li­chen Über­stand auf der Fens­ter­sei­te mit ei­nem Me­ter zu groß. Er be­trat den über­ste­hen­den Be­reich und stürz­te 2,50 Me­ter ab. Gemäß Ab­schluss­be­richt der M Kli­nik M (Bl. 11 d. A.) kam es u. a. zu ei­ner Schädel­dach­frak­tur. Der Kläger wur­de aus der Re­ha­bi­li­ta­ti­on zum 14. März 2011 ar­beitsfähig ent­las­sen.

Un­ter dem 14. März 2011 un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en ei­nen An­trag auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub des Klägers für die Zeit vom 14. März bis 30. April 2011 (Bl. 56 d. A.).

In der Zeit vom 11. April bis 29. April 2011 war der Kläger er­neut ar­beits­unfähig. Die Ar­beits­unfähig­keits­be­schei­ni­gung vom 11. April 2011 nimmt Be­zug auf den Ar­beits­un­fall (Bl. 37 d. A.).

- 4 -

Am Nach­mit­tag des 26. April 2011 er­schien der Mit­ar­bei­ter der Be­klag­ten K bei dem Kläger in der Küche und über­reich­te die Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses vom 20. April 2011 zum 31. Mai 2011 (Bl. 10 d. A.). Den Emp­fang des Kündi­gungs­schrei­bens hat der Kläger auf der Kündi­gung quit­tiert.

Zwi­schen den Par­tei­en ist strei­tig, ob der Kläger bei die­ser Ge­le­gen­heit auch die Lohn­steu­er­kar­te aus­gehändigt er­hal­ten hat. Fer­ner ist strei­tig, ob der Kläger dies quit­tiert und gleich­zei­tig ei­ne Aus­gleichs­quit­tung (Bl. 38 d. A.) un­ter­zeich­net hat

Ge­gen die Kündi­gung vom 20. April 2011 wehrt sich der Kläger mit sei­ner am 09. Mai 2011 beim Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge. Der Kläger hält die Kündi­gung für so­zi­al nicht ge­recht­fer­tigt. Er be­strei­tet aus­drück­lich, die Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 un­ter­zeich­net zu ha­ben. Er ha­be auch die Lohn­steu­er­kar­te nicht am 26. April 2011 er­hal­ten. Viel­mehr sei ihm die­se be­reits zwei Wo­chen vor­her pos­ta­lisch zu­ge­gan­gen.

Mit sei­ner Kla­ge be­gehrt der Kläger wei­ter Ur­laubs­vergütung für die Zeit vom 14. März bis 10. April 2011 in Höhe von 1.680,00 € brut­to so­wie Ent­gelt­fort­zah­lung für die Zeit vom 18. April 2011 bis 27. Mai 2011 in Höhe von 2.520,00 € brut­to nebst Zin­sen.

We­gen des wei­te­ren erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens und der erst­in­stanz­li­chen Anträge der Par­tei­en wird auf den Tat­be­stand des Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29. No­vem­ber 2011 – 9 Ca 1337/11 – auf den Sei­ten 2 bis 5 (Bl. 97 – 100 d. A.) Be­zug ge­nom-men.

Der Te­nor der Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29. No­vem­ber 2011 lau-tet:


1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an den Kläger für den Zeit­raum 14. März 2011 bis 10. April 2011 Ur­laubs­vergütung in Höhe von 1.680,00 € brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit 27. Mai 2011 zu zah­len.

2. Im Übri­gen wird die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

3. Die Kos­ten des Ver­fah­rens trägt die Be­klag­te zu 13 % und der Kläger zu 87 %.

4. Der Streit­wert wird auf 12.894,00 € fest­ge­setzt.

In den Ent­schei­dungs­gründen des vor­ge­nann­ten Ur­teils des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29. No­vem­ber 2011 heißt es u. a.:

„…Die Kam­mer hat die Un­ter­schrift un­ter der Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 ein­ge­hend ge­prüft. Bei der Ak­te be­fin­den sich meh­re­re Ver­gleichs­un­ter­schrif­ten des Klägers. Ei­ner­seits hat der Kläger den PKH-Vor­druck un­ter­schrie­ben (Bl. 1 Rü. des PKH-Hef­tes). Fer­ner hat der Kläger die Pro­zess­voll­macht un­ter­zeich­net (Bl. 6 d. A.). Bei der Ak­te be­fin­det sich der Ar­beits­ver­trag (Bl. 9 d. A.). Fer­ner liegt das Emp­fangs­be­kennt­nis zur Kündi­gung (Bl. 10 d. A.) vor. Das da­zu­gehöri­ge Ori­gi­nal lag in der Kam­mer­ver­hand­lung vor. Wei­ter hat der Kläger den Ur­laubs­an­trag vom 14. März 2011 (Bl. 56 d. A.) un­ter­zeich­net. Bei dem Un­ter­schrif­ten­ver­gleich wur­de fest­ge­stellt, dass der Kläger nicht in al­len Fällen gleich un­ter­schreibt. So sind die ein­zel­nen Buch­sta­ben des Vor­na­mens auf der Pro­zess­voll­macht, im PKH-Heft und un­ter dem Ar­beits­ver­trag deut­lich zu un­ter­schei­den. Bei dem un­strei­tig vom Kläger un­ter­zeich­ne­ten Emp­fangs­be­kennt­nis zur Kündi­gung ist dies nicht der Fall. Hin­sicht­lich der Schreib­wei­se des Nach­na­mens lie­gen je­doch ein­deu­tig Übe­rein­stim­mun­gen zwi­schen der Aus­gleichs­quit­tung und bei­spiels­wei­se der Un­ter­schrift im PKH-Vor­druck vor. Der An­fangs­buch­sta­be des Nach­na­mens ist cha­rak­te­ris­tisch. Auch weist die Un­ter­schrift un­ter dem Ur­laubs­an­trag vom 14. März 2011 große Übe­rein­stim­mung mit der Un­ter­schrift un­ter der Aus­gleichs­quit­tung auf. Sie ist nicht vollständig iden­tisch. Dies ist je­doch nach Auf­fas­sung der Kam­mer der Tat­sa­che ge­schul­det, dass der Kläger in un­ter­schied­li­chen Si­tua­tio­nen wohl un­ter­schied­lich schnell schreibt. Im Er­geb­nis hat die Kam­mer je­doch kei­ne Zwei­fel, dass die Un­ter­schrift der Aus­gleichs­quit­tung vom Kläger stammt.

In­fol­ge­des­sen konn­te der Kläger ei­nen Kla­ge­ver­zicht ge­genüber der ihm zu-vor aus­gehändig­ten Kündi­gung erklären. Die Aus­gleichs­quit­tung ist auch nicht et­wa des­halb un­wirk­sam, weil das Pa­pier die Über­schrift „Ar­beits­pa­pie­re“ trägt. Die letz­ten bei­den Absätze mit dem Ver­zicht sind zwar nicht schrift­tech­nisch her­vor­ge­ho­ben. Sie sind aber auch nicht et­wa ver­steckt oder schlecht er­kenn­bar. Ins­be­son­de­re ist der letz­te Satz leicht er­kenn­bar, wo­nach der Kläger erklärt, er ha­be die vor­ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung sorgfältig ge­le­sen und zur Kennt­nis ge­nom­men.

Mit der Aus­gleichs­quit­tung hat der Kläger auch auf et­wai­ge Ent­gelt­fort­zah­lungs­ansprüche ver­zich­tet.

- 6 -

Da die Kam­mer be­reits die Un­ter­schrift für echt hält, war ei­ne Würdi­gung der Zeu­gen­aus­sa­gen nicht mehr er­for­der­lich.“


We­gen der wei­te­ren Gründe der vor­ge­nann­ten Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29. No­vem­ber 2011 wird auf des­sen Sei­ten 5 bis 7 (Bl. 100 – 102 d. A.) Be­zug ge­nom­men.
Die­ses Ur­teil wur­de dem Kläger am 22. De­zem­ber 2011 zu­ge­stellt. Des­sen Be­ru­fung ist am Mon­tag, den 23. Ja­nu­ar 2012 und des­sen Be­ru­fungs­be­gründung am 21. Fe­bru­ar 2012 beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Sach­sen-An­halt ein­ge­gan­gen.

We­gen des Vor­brin­gens des Klägers in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf des­sen Schriftsätze vom 17. Fe­bru­ar 2012 (Bl. 130 – 138 d. A.) und vom 05. De­zem­ber 2012 (Bl. 185 – 189 d. A.) Be­zug ge­nom­men.

Hin­sicht­lich der zu­letzt von den Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz ge­stell­ten Anträge wird auf Sei­te 2 des Pro­to­kolls über die Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 26. Ju­ni 2013 (Bl. 296 d. A.) ver­wie­sen.

Bezüglich des zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Be­klag­ten wird auf de­ren Schriftsätze vom 14. März 2012 (Bl. 145 – 147 d. A.) und vom 11. De­zem­ber 2012 (Bl. 192 – 194 d. A.) nebst An­la­gen – di­ver­se Schrei­ben (Bl. 192 ff d. A.) Be­zug ge­nom­men.

We­gen des In­halts und Ver­laufs der Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 14. No­vem­ber 2012 wird auf Blatt 178 – 180 der Ak­te Be­zug ge­nom­men. Dar­in heißt es u. a.:

„…Der Vor­sit­zen­de weist auf die BAG-Ent­schei­dung vom 21. Ju­ni 2011 - 9 AZR 203/10 - = NJW 2012, 103 ff = NZA 2011, 1338 ff hin …

…Rechts­anwältin Fried­rich­sen über­reicht Ori­gi­nal der Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 und Ori­gi­nal der Kündi­gung vom 20. April 2011. Rechts­anwältin R über­reicht eben­falls Ori­gi­nal der Kündi­gung vom 20. April 2011 je­weils mit Ori­gi­nal­un­ter­schrif­ten…

…Die Kam­mer un­ter­brei­tet fol­gen­den Ver­gleichs­vor­schlag:

1. Die Be­klag­te zahlt an den Kläger als Ent­gelt­fort­zah­lung 2.520,00 Eu­ro.

- 7 -

2. Die Be­klag­te zahlt an den Kläger, der die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung ak­zep­tiert, ei­ne Ab­fin­dung in Höhe von 2.150,00 Eu­ro…


Hin­sicht­lich des In­halts des Kam­mer­be­schlus­ses vom 14. No­vem­ber 2012 wird auf Blatt 181 der Ak­te ver­wie­sen.

Auf die ge­richt­li­che Auf­for­de­rung vom 28. De­zem­ber 2012 be­zeich­ne­ten bei­de Par­tei­en den Di­plom-Psy­cho­lo­gen Dr. N als ge­eig­ne­ten Schrift­sach­verständi­gen (vgl. Bl. 205, 207 d. A.). Die­ser wur­de durch Be­schluss vom 27. Fe­bru­ar 2013 (Bl. 215 – 216 d. A.) mit der Stel­lung­nah­me be­auf­tragt, ob die Un­ter­schrift un­ter der Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 vom Kläger stammt oder nicht. Der Schrift­sach­verständi­ge Dr. N teil­te mit Schrei­ben vom 08.März 2013 mit, dass die Er­folgs­aus­sich­ten der Un­ter­su­chung er­heb­lich ver­bes­sert wer­den könn­ten, wenn et­wa 15 bis 25 wei­te­re un­be­fan­gen ent­stan­de­ne an­er­kann­te Un­ter­schrif­ten des Ver­gleichs­schrei­bers aus dem Jahr 2011 so­wie den Jah­ren da­vor und da­nach vor­ge­legt würden (vgl. Bl. 222 d. A. nebst An­la­ge - Bl. 223 d. A.). Dem ka­men die Par­tei­en nach. Im An­schluss dar­an er­stat­te­te der Schrift­sach­verständi­ge Dr. N un­ter dem 12. April 2013 ein Schrift­gut­ach­ten, we­gen des­sen In­halts auf Bl. 238 ff der Ak­te ver­wie­sen wird. Dort heißt es un­ter 4.2 Schluss­fol­ge­run­gen:

„… 4.2 Schluss­fol­ge­run­gen
Die Be­wer­tun­gen der vor­lie­gen­den Un­ter­su­chungs­be­fun­de führ­ten zu der Schluss­fol­ge­rung, dass
- der Hy­po­the­se der Ur­he­ber­schaft des Ver­gleichs­schrei­bers Klaus Tan­ger­mann an der in Fra­ge ste­hen­den Un­ter­schrift ei­ne leicht über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit und
- der Hy­po­the­se der Ur­he­ber­schaft ei­ner an­de­ren Per­son ei­ne eher mäßige Wahr­schein­lich­keit bei­zu­mes­sen ist.
Es ver­blei­ben Zwei­fel…

5. Zu­sam­men­fas­sung
Ent­spre­chend dem Be­schluss vom 27.02.2013 soll­te un­ter­sucht wer­den, ob die Un­ter­schrift un­ter der mit „AR­BEITS­PA­PIE­RE“ über­schrie­be­nen Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 vom Kläger stammt oder nicht.

Die Un­ter­su­chung der frag­li­chen Un­ter­schrift ließ kei­ner­lei An­zei­chen ei­ner tech­ni­schen Ma­ni­pu­la­ti­on und kei­ne auch nur ent­fernt hin­rei­chen­den An-zeich­nen ei­ner aty­pi­schen Ent­ste­hungs­wei­se er­ken­nen. Es han­del­te sich um ei­ne zügig ge­leis­te­te Un­ter­schrift, die in ei­nem dy­na­mi­schen Be­we­gungs­ab­lauf ent­stan­den ist.

- 8 -

Die ver­glei­chen­den Un­ter­su­chun­gen führ­ten zur Fest­stel­lung ver­schie­de­ner gra­fi­scher Ent­spre­chun­gen zu den Pro­ben des Ver­gleichs­schrei­bers. Der Grad der Einfügung in die Va­ria­ti­ons­brei­te der Ver­gleichs­pro­ben ist gleich­wohl nicht sehr hoch. Die gra­fi­schen Ei­gen­schaf­ten der in Fra­ge ste­hen­den Un­ter­schrif­ten blei­ben zu ei­nem we­sent­li­chen Teil außer­halb der Va­ria­ti­ons­brei­te der Ver­gleichs­pro­ben. Die Ver­gleichs­pro­ben sind al­ler­dings sehr va­ri­an­ten­reich. Teil­wei­se lie­gen zwi­schen den Ver­gleichs­pro­ben noch größere Un­ter­schie­de vor als zu der in Fra­ge ste­hen­den Un­ter­schrift.

Die Be­wer­tun­gen der vor­lie­gen­den Un­ter­su­chungs­be­fun­de führ­ten zu der Schluss­fol­ge­rung, dass
- der Hy­po­the­se der Ur­he­ber­schaft des Ver­gleichs­schrei­bers Klaus Tan­ger­mann an der in Fra­ge ste­hen­den Un­ter­schrift ei­ne leicht über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit und
- der Hy­po­the­se der Ur­he­ber­schaft ei­ner an­de­ren Pe­son ei­ner eher mäßige Wahr­schein­lich­keit bei­zu­mes­sen ist…“


Der Kläger nahm zum vor­ge­nann­ten Schrift­gut­ach­ten vom 12. April 2013 mit Schrift­satz vom 02. Mai 2013 (Bl. 209 – 210 d. A.) und die Be­klag­te mit Schrift­satz vom 21. Mai 2013 (Bl. 286 – 287 d. A.) Stel­lung. Auf die­sen Schrift­satz der Be­klag­ten vom 21. Mai 2013 er-wi­der­te der Kläger mit Schrift­satz vom 29. Mai 2013 (Bl. 284 d. A.). Auf die­sen Schrift­satz vom 29. Mai 2013 er­wi­der­te die Be­klag­te noch­mals mit Schrift­satz vom 06. Ju­li 2013.

We­gen des In­halts und des Ver­laufs der wei­te­ren Be­ru­fungs­ver­hand­lung vom 26. Ju­ni 2013 wird auf das dies­bezügli­che Pro­to­koll (Bl. 295 – 298 d. A.) ver­wie­sen.

 

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :

I.

Die vor­lie­gen­de Be­ru­fung des Klägers ist an sich statt­haft (§ 64 Abs. 1 ArbGG) und nach dem Wert des Be­schwer­de­ge­gen­stan­des zulässig (§ 64 Abs. 2 ArbGG). Sie ist auch form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und be­gründet wor­den (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. den §§ 517, 519 ZPO).

- 9 -

II.

Auf die Be­ru­fung des Klägers war das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Mag­de­burg vom 29. No­vem­ber 2011 – 9 Ca 1337/11 – teil­wei­se ab­zuändern und gemäß dem obi­gen Te­nor ins­ge­samt neu zu fas­sen. Die­se Ent­schei­dung der Be­ru­fungs­kam­mer be­ruht kurz zu­sam­men­ge­fasst in tatsäch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht auf fol­gen­den Erwägun­gen:

1. An­ders als das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg gemäß sei­nem vor­ge­nann­ten Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2011 ver­moch­te sich die Be­ru­fungs­kam­mer nicht selbst da­von zu über­zeu­gen, ob die Un­ter­schrift des Klägers un­ter der „Aus­gleichs­quit­tung“ vom 26. April 2011 echt ist oder nicht. Hierüber ha­ben die Par­tei­en so­wohl in ers­ter als auch in zwei­ter In­stanz nach­drück­lich ge­strit­ten. Der Schrift­sach­verständi­ge Dr. N geht mit ver­blei­ben­den Zwei­feln da­von aus, dass die Un­ter­schrift über der vor­ge­nann­ten Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 mit leicht über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit vom Kläger stammt und die Ur­he­ber­schaft ei­ner an­de­ren Per­son ei­ne nur eher mäßige Wahr­schein­lich­keit bei­zu­mes­sen ist. Mit­hin kann mit leicht über­wie­gen­der Wahr­schein­lich­keit da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der Kläger die im Streit ste­hen­de „Aus­gleichs­quit­tung“ vom 26. April 2011 un­ter­zeich­net hat.

2. Die hier im Streit ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 (Bl. 38 d. A.) ist je­doch nach Auf­fas­sung der Be­ru­fungs­kam­mer un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­li­gend i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dar­in fin­det sich ei­ne von der Be­klag­ten vor­for­mu­lier­te – und nicht ein­zeln mit dem Kläger aus­ge­han­del­te – Aus­gleichs­klau­sel, die ein­sei­tig nur Ansprüche des Klägers er­fasst und die­sem dafür kei­ne ent­spre­chen­de Ge­gen­leis­tung gewährt. Das Schriftstück vom 26. April 2011 lau­tet nämlich:

„F GmbH

AR­BEITS­PA­PIE­RE

an­bei über­rei­chen wir Ih­nen die un­ten auf­geführ­ten Ar­beits­pa­pie­re mit der Bit­te, uns den Emp­fang durch Ih­re Un­ter­schrift und Rück­ga­be die­ses Schrei­bens zu bestäti­gen.

- 10 -

Hier­mit bestäti­ge ich, fol­gen­de Pa­pie­re ord­nungs­gemäß von der Fir­ma F zurück­er­hal­ten zu ha­ben:

x Lohn­steu­er­kar­te * Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung
So­zi­al­ver­si­che­rungs­ab­mel­dung
Lohn­zet­tel
Ur­laubs­nach­weis

Ich (Ar­beit­neh­mer) bestäti­ge, dass ich wei­ter­ge­hen­de Ansprüche aus und in Ver­bin­dung mit dem Ar­beits­verhält­nis und sei­ner Be­en­di­gung nicht mehr ge-gen die Fir­ma F ha­be. Ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge wer­de ich nicht er­he­ben; ei­ne be­reits er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge wer­de ich un­verzüglich zurück­neh­men.

Die vor­ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung ha­be ich sorgfältig ge­le­sen und zur Kennt­nis ge­nom­men.“


Im obe­ren Teil geht es aus­sch­ließlich dar­um, dass die Rück­ga­be ei­ner Lohn­steu­er­kar­te und ei­ner Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung durch Un­ter­schrift bestätigt wer­den soll.

Im un­te­ren Teil geht es aus­sch­ließlich um die Bestäti­gung des Klägers, dass er kei­ne wei­ter­ge­hen­den Ansprüche aus und in Ver­bin­dung mit dem Ar­beits­verhält­nis und sei­ner Be­en­di­gung ge­gen die Be­klag­te mehr ha­be so­wie ei­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge nicht er­he­be und ei­ne be­reits er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge un­verzüglich zurück­neh­me. Am En­de heißt es nur noch, dass die vor­ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung sorgfältig ge­le­sen und zur Kennt­nis ge­nom­men wur­de.

Während in der Mit­te die­ses Schriftstücks ver­schie­de­ne Ar­beits­pa­pie­re, um die es ge­hen kann und die an­zu­kreu­zen sind, je­weils fett­ge­druckt auf­ge­lis­tet sind, ist der übri­ge Text darüber und dar­un­ter nicht fett ge­druckt und in klei­ne­rer Schrift ge­hal­ten.

Es ist nicht er­sicht­lich, dass der Kläger für den Ver­zicht auf die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge bzw. die Ver­pflich­tung, ei­ne be­reits er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge zurück­zu­neh­men, ei­ne ir­gend­wie ge­ar­te­te Ge­gen­leis­tung er­hal­ten hat. Je­den­falls geht die­ses aus dem Schriftstück vom 26. April 2011 nicht her­vor. Viel­mehr er­litt der Kläger, der seit 2006 bei der Be­klag­ten als Bau­wer­ker beschäftigt ist, am 30. Sep­tem­ber 2009 ei­nen Ar­beits­un­fall. Er wur­de erst am 14. März 2011 aus der Re­ha­bi­li­ta­ti­on ar­beitsfähig ent­las­sen. We­ni­ger als sechs Wo­chen da­nach soll der Kläger am 26. April 2011 die hier

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im Streit ste­hen­de Aus­gleichs­quit­tung un­ter­zeich­net ha­ben, mit der er be­tref­fend die Kündi­gung vom 20. April 2011 ei­nen Ver­zicht auf die Er­he­bung ei­ner Kündi­gungs­schutz­kla­ge aus­ge-spro­chen ha­ben soll bzw. die Ver­pflich­tung ein­ge­gan­gen ist, ei­ne be­reits er­ho­be­ne Kündi­gungs­schutz­kla­ge un­verzüglich zurück­zu­neh­men, und zwar oh­ne ent­spre­chen­de Ge­gen­leis­tung. Die­se Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 be­nach­tei­ligt den Kläger des­halb un­an­ge­mes­sen. Die Be­ru­fungs­kam­mer schließt sich dies­bezüglich auch zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen den zu­tref­fen­den Ausführun­gen des Bun­des­ar­beits­ge­richts im Ur­teil vom 21. Ju­ni 2011 – 9 AZR 203/10 – an und nimmt auf die­se auch zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen Be­zug.

Zu­sam­men­ge­fasst: Der Kläger war nach sei­nem Ar­beits­un­fall vom 30. Sep­tem­ber 2009 rund acht­zehn Mo­na­te ar­beits­unfähig. Er wur­de erst zum 14. März 2011 ar­beitsfähig ent­las­sen. Be­reits am 20. April 2011 sprach die Be­klag­te ihm ge­genüber die hier im Streit ste­hen­de Kündi­gung aus. Selbst dann, wenn die Be­ru­fungs­kam­mer da­von aus­geht, dass der Kläger das Schriftstück vom 26. April 2011 un­ter­zeich­net hat, be­inhal­tet die­se kei­ne wirk­sa­me Aus­gleichs­quit­tung. Die­se ist nämlich als Aus­gleichs­klau­sel zu qua­li­fi­zie­ren, mit der nur ein­sei­tig Ansprüche des Klägers er­fasst und dafür kei­ne ent­spre­chen­de Ge­gen­leis­tung gewährt wur­de. Für den Ver­zicht auf die Er­he­bung der Kündi­gungs­schutz­kla­ge bzw. die Ver­pflich­tung, ei­ne sol­che un­verzüglich zurück­zu­neh­men, ist dem Kläger nämlich kei­ner­lei Ge­gen­leis­tung gewährt wor­den.

3. Aus dem vor­ste­hen­dem folgt:

a)

Zunächst war fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en nicht durch die Kündi­gung vom 20. April 2011, dem Kläger am 26. April 2011 aus­gehändigt, be­en­det wor­den ist. Das Kündi­gungs­schutz­ge­setz fin­det un­strei­tig An­wen­dung. Das Vor­brin­gen der Be­klag­ten be­gründet un­ter kei­nem recht­li­chen Ge­sichts­punkt die An­nah­me, dass es sich hier­bei um ei­ne rechts­wirk­sa­me krank­heits­be­ding­te Kündi­gung han­delt. Da­zu trägt die Be­klag­te vor, der Kläger sei vom 30. Sep­tem­ber 2009 bis zum 14. März 2011 fort­lau­fend ar­beits­unfähig er­krankt ge­we­sen. Das ist zu­tref­fend. Der Kläger er­litt am 30. Sep­tem­ber 2009 ei­nen Ar­beits­un­fall (u. a. Schädel­dach­frak­tur). Der Kläger wur­de erst zum 14. März 2011 aus der Re­ha­bi­li­ta­ti­on ar­beitsfähig ent­las­sen. Die Be­klag­te hat vor­ge­tra­gen, der

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Kläger sei ab dem 11. April 2011 er­neut ar­beits­unfähig ge­we­sen. Die­se Ar­beits­unfähig­keit ha­be auf dem Ar­beits­un­fall be­ruht. Er sei le­dig­lich vom 14. März bis 11. April 2011 ar­beitsfähig ge­we­sen. Ei­ne ne­ga­ti­ve Ge­sund­heits­pro­gno­se lie­ge vor. Durch den Aus­fall des Klägers sei­en auch be­trieb­li­che und wirt­schaft­li­che In­ter­es­sen der Be­klag­ten be­ein­träch­tigt ge­we­sen. Ins­be­son­de­re sei die Be­klag­te durch Ent­gelt­fort­zah­lun­gen be­las­tet wor­den.

Fer­ner sei es zur Störun­gen im Be­triebs­ab­lauf ge­kom­men. Letzt­lich sei zu berück­sich­ti­gen, dass der Kläger zum Zeit­punkt des Aus­spruchs der Kündi­gung seit ca. 19 Mo­na­ten, bis auf ei­ne Un­ter­bre­chung von vier Wo­chen, fort­lau­fend ar­beits­unfähig krank ge­schrie­ben ge­we­sen sei. Bei al­le­dem berück­sich­tigt die Be­klag­te nicht aus­rei­chend, dass aus­sch­ließli­cher Grund für die Ar­beits­unfähig­keit des Klägers ein Ar­beits­un­fall war. Im Ab­schluss­be­richt der me­di­zi­nisch-be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on vom 11. März 2011 heißt es auf Sei­te 6 (Bl. 12 d. A.) u. a.:

„Zu­sam­men­fas­sung und Emp­feh­lun­gen zur be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on

Im Rah­men der Be­las­tungs­er­pro­bung und des Ar­beits­trai­nings er­reich­te Herr Tan­ger­mann bei körper­li­chen Leis­tungs­an­for­de­run­gen gu­te Er­geb­nis­se. Ein­schränkun­gen in der Ko­gni­ti­on be­ste­hen aus neu­ro­lo­gi­scher Sicht nicht.

Die Be­last­bar­keit konn­te im Ver­lauf deut­lich ge­stei­gert wer­den. Der Pa­ti­ent selbst be­schreibt wei­ter­hin kon­di­tio­nel­le Ein­schränkun­gen bei Tätig­kei­ten in Zwangs­hal­tun­gen durch ei­ne Luft­knapp­heit.

Aus Sicht der Be­rufs- und Ar­beits­the­ra­peu­ten be­ste­hen der­zeit kei­ne Ein­schränkun­gen in der ak­tu­el­len be­ruf­li­chen Leis­tungsfähig­keit.

Herr T wird ar­beitsfähig zum 14.03.2011 ent­las­sen.

Die Ar­beits­be­last­bar­keit wird über 6 St­un­den und mehr ein­geschätzt.

In ei­nem Ab­schluss­gespräch mit Herrn T, sei­nem Ar­beit­ge­ber und dem Kos­tenträger wur­den die Er­geb­nis­se der me­di­zi­nisch-be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on be­spro­chen.

Wir hof­fen, dass wir mit un­se­rer Maßnah­me zur Wie­der­ein­glie­de­rung von Herr T in Ar­beit und Be­ruf bei­tra­gen konn­ten. Für Rück­fra­gen steht Ih­nen die Lei­te­rin der Me­di­zi­nisch-be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on, Frau R , gern zur Verfügung.“

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In der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung im Rah­men der ar­beits­me­di­zi­ni­schen Vor­sor­ge­un­ter­su-chung vom 11. April 2011 (Bl. 14 d. A.) heißt es u. a.

„Un­ter­su­chung: G 25 Fahr-, Steu­er- und Über­wa­chungstätig­keit An­for­de­rungs­stu­fe 2 Nach­un­ter­su­chung

Da­tum: 08.04.2011

Er­geb­nis: kei­ne ges. Be­den­ken un­ter best. Vor­aus­set­zun­gen

Nächs­te Un­ter­su­chung:

Be­mer­kun­gen für AG: - Wie­der­ein­glie­de­rung nach Ham­bur­ger Mo­dell – Ein­satz erst­mal zu ebe­ner Er­de- Wie­der­vor­stel­lung am En­de der Wie­der­ein­glie­de­rung“


Im vor­ge­nann­ten Ab­schluss­be­richt vom 11.03.2011 heißt es zu­dem u. a., dass in ei­nem Ab­schluss­gespräch mit dem Kläger, sei­nem Ar­beit­ge­ber und dem Kos­tenträger die Er­geb­nis­se der me­di­zi­nisch-be­ruf­li­chen Re­ha­bi­li­ta­ti­on be­spro­chen wor­den sind. In der ärzt­li­chen Be­schei­ni­gung im Rah­men der ar­beits­me­di­zi­ni­schen Vor­un­ter­su­chung vom 11. April 2011 heißt es, dass ei­ne Wie­der­ein­glie­de­rung nach dem Ham­bur­ger Mo­dell mit ei­nem Ein­satz erst ein­mal zu ebe­ner Er­de er­fol­gen soll. Be­reits neun Ta­ge später hat die Be­klag­te ge­genüber dem Kläger die vor­lie­gen­de streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen und zwar aus krank­heits­be­ding­ten Gründen. Die Kündi­gungs­be­gründung der Be­klag­ten er­scheint mit Blick auf den vor­ge­nann­ten Ab­schluss­be­richt der M -Kli­nik NRC M vom 11.03.2011 und mit Blick auf die ärzt­li­che Be­schei­ni­gung im Rah­men der ar­beits­me­di­zi­ni­schen Vor­sor­ge­un­ter­su­chung vom 11. April 2011 als un­halt­bar. Der Kläger hat ei­nen er­heb­li­chen Ar­beits­un­fall er­lit­ten und war des­halb rund acht­zehn Mo­na­te ar­beits­unfähig. Es ist auch nicht an­satz­wei­se er­kenn­bar, dass die Be­klag­te hier die Wie­der­ein­glie­de­rung des Klägers un­ter des­sen Ein­satz erst ein­mal zu ebe­ner Er­de in der vor­ge­se­he­nen Wei­se ord­nungs­gemäß und mit den not­wen­di­gen nach­hal­ti­gen Bemühun­gen be­glei­tet hat, be­vor sie die hier streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung aus­ge­spro­chen hat. Ein Zeit­raum von neun Ta­gen genügt da­zu si­cher nicht. Mit Blick auf die­se Si­tua­ti­on ist der Kläger im Zu­sam­men-hang mit dem Schriftstück vom 26. April 2011 aus der Sicht der Be­ru­fungs­kam­mer auch des­halb be­son­ders un­an­ge­mes­sen be­nach­tei­ligt wor­den, weil die streit­ge­genständ­li­che Kündi­gung vom 20. April 2011 mögli­cher­wei­se auch ei­ne er­folg­rei­che be­ruf­li­che Re­ha­bi­li­ta­ti­on des Klägers im Un­ter­neh­men der Be­klag­ten ver­ei­telt hat, ob­wohl die­ser sei­nen Ar­beits­un­fall dort er­lit­ten hat.

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b)

Die Be­klag­te war an­trags­gemäß zu ver­ur­tei­len, den Kläger zu un­veränder­ten Be­din­gun­gen als Bau­wer­ker wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die­se Ent­schei­dung be­ruht auf dem Ur­teil des Großen Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 27. Fe­bru­ar 1985 – GS 1/84 = AP-Nr. 14 zu § 611 BGB – Beschäfti­gungs­pflicht. Die­ser Wei­ter­beschäfti­gungs­an­spruch er­gibt sich nach zu­tref­fen­der Auf­fas­sung des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­mit­tel­bar aus der sich aus § 242 BGB un­ter Berück­sich­ti­gung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Wer­tent­schei­dung der Ar­ti­kel 1 und 2 Grund­ge­setz über den Persönlich­keits­schutz für den Ar­beit­ge­ber er­ge­ben­den ar­beits­ver­trag­li­chen Förde­rungs­pflicht der Beschäfti­gungs­in­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers. Dem ste­hen im vor­lie­gen­den Fal­le kei­ne er­sicht­li­chen schutz­wer­ten In­ter­es­sen der be­klag­ten Ar­beit­ge­be­rin ent­ge­gen, zu­mal die­se sich nach wie vor an ei­ner ord­nungs­gemäßen Re­ha­bi­li­ta­ti­on bzw. Wie­der­ein­glie­de­rung des Klägers in das Ar­beits­le­ben nach des­sen Ent­las­sung als ar­beitsfähig zum 14. März 2011 zu be­tei­li­gen hat.

c)

Be­reits das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg hat durch sein Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2011 die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten aus­ge­spro­chen, an den Kläger für den Zeit­raum vom 14. März 2011 bis zum 10. April 2011 ei­ne Ur­laubs­vergütung in Höhe von 1.680,00 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 27. Mai 2011 zu zah­len.

d)

Nichts an­de­res gilt für die aus­ge­ur­teil­te Ent­gelt­fort­zah­lung in Höhe von 2.520,00 Eu­ro brut­to zuzüglich 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Zu­stel­lung des Schrift­sat­zes vom 04. No­vem­ber 2011. Da­zu hat das Ar­beits­ge­richt Mag­de­burg in sei­nem Ur­teil vom 29. No­vem­ber 2011 auf Sei­te 6 (Bl. 101 d. A.) le­dig­lich aus­geführt, mit der Aus­gleichs­quit­tung ha­be der Kläger auch auf et­wai­ge Ent­gelt­fort­zah­lungs­ansprüche ver­zich­tet. Da die Aus­gleichs­quit­tung vom 26. April 2011 aus der Sicht der Be­ru­fungs­kam­mer rechts­un­wirk­sam ist, ist dies nicht der Fall. Dem­gemäß ist die Be­klag­te für den Zeit­raum vom 18. April bis 27. Mai 2011 zur Ent­gelt­fort­zah­lung ver­pflich­tet.


Nach al­le­dem war wie er­kannt zu ent­schei­den.

- 15-

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf §91 ZPO.

 

IV.


R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :


Ge­gen die­ses Ur­teil kann die Be­klag­te Re­vi­si­on ein­le­gen.

Die Re­vi­si­ons­schrift muss in­ner­halb ei­nes Mo­nats, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift in­ner­halb von zwei Mo­na­ten nach Zu­stel­lung die­ses Ur­teils bei dem


Bun­des­ar­beits­ge­richt
Hu­go-Preuß-Platz 1
99084 Er­furt


ein­ge­hen.

Die Re­vi­si­ons­schrift und die Re­vi­si­ons­be­gründung müssen von ei­nem bei ei­nem deut­schen Ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­an­walt un­ter­zeich­net sein.

Vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt sind außer Rechts­anwälten auch Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­ber­verbänden so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der als Be­vollmäch­tig­te ver­tre­tungs­be­fugt. Als Be­vollmäch­tig­te zu­ge­las­sen sind auch ju­ris­ti­sche Per­so­nen, die die Vor­aus­set­zung gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 5 ArbGG erfüllen. Die han­deln­den Per­so­nen müssen die Befähi­gung zum Rich­ter­amt ha­ben.

Die Re­vi­si­ons­schrift, die Re­vi­si­ons­be­gründungs­schrift und die sons­ti­gen wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren sol­len 7-fach – für je­den wei­te­ren Be­tei­lig­ten ein Ex­em­plar mehr – ein­ge­reicht wer­den.

Auf die Möglich­keit der Ein­rei­chung elek­tro­ni­scher Do­ku­men­te beim Bun­des­ar­beits­ge­richt nach § 46 c ArbGG i. V. m. den be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen nach der Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ar­beits­ge­richt vom 09. März 2006, BGBl. 2006 Teil I Nr. 12, S. 519 f., aus­ge­ge­ben zu Bonn am 15. März 2006, wird hin­ge­wie­sen.

Für den Kläger ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.

 


 

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