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ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 12.05.2011, 5 Ca 5129/10
Schlagworte: | Equal Pay-Anspruch, Leiharbeit, Tarifvertrag | |
Gericht: | Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven | |
Aktenzeichen: | 5 Ca 5129/10 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 12.05.2011 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | ||
Aktenzeichen: 5 Ca 5129/10
Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
...
Kläger
Proz.-Bev.: ...
gegen
...
Beklagte
hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 durch
den Direktor des Arbeitsgerichts ... als Vorsitzenden,
die ehrenamtliche Richterin Frau ...
und den ehrenamtlichen Richter Herr ...
für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.253,30 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf € 234,75 seit dem 20.11.2009, auf weitere € 492,98 seit dem 20.12.2009, auf weitere € 539,93 seit dem 20.1.2010, auf weitere € 492,- seit dem 20.2.2010 und auf weitere € 493,64 seit dem 20.3.2010 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 6/7, der Kläger zu 1/7.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 2.253,30 festgesetzt. Der Verfahrenswert wird wie folgt festgesetzt: Bis zum 17.5.2010 auf € 3.156,58, bis zum 13.4.2011 auf € 2.700,41, ab dem 14.4.2011 auf € 2.253,30.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann die Beklagte Berufung einlegen. Für den Kläger ist kein Rechtsmittel gegeben.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat schriftlich bei dem
Landesarbeitsgericht Bremen
Justizzentrum Am Wall 198
28195 Bremen
eingegangen sein. Sie ist gleichzeitig oder innerhalb einer Frist von zwei Monaten in gleicher Form schriftlich zu begründen.
Beide Fristen beginnen mit Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Die Berufung kann nur durch einen/eine bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin oder durch eine der nach § 11 Absatz 2 Satz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zugelassenen Personen (z. B. Vertreter/-in von Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden) eingelegt werden. Es wird gebeten, sämtliche Schriftsätze in fünffacher Ausfertigung - für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr - bei dem Landesarbeitsgericht einzureichen.
Werden die vorgenannten Vorschriften nicht eingehalten, kann das Landesarbeitsgericht - von seltenen Ausnahmefällen abgesehen - das Urteil nicht mehr abändern.
TATBESTAND
Mit seiner am 30.04.2010 erhobenen Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung von restlichem Arbeitsentgelt und Urlaubsabgeltung sowie Feststellung eines Anspruchs auf „Equal Pay“ geltend gemacht. Hinsichtlich des restlichen Arbeitsentgelts und der Urlaubsabgeltung schlossen die Parteien am 17.05.2010 einen Teil-Vergleich, mit dem dem Kläger die diesbezüglichen Ansprüche zuerkannt wurden (Bl. 5 d. A.).
Nunmehr macht der Kläger einen bezifferten Anspruch auf „Equal Pay“ gem. §§ 9 Ziffer 2, 10 Abs. 4 AÜG geltend.
Der Kläger war vom 19.10.2009 bis zum 28.02.2010 bei der Beklagten als Mechatroniker beschäftigt. Die Beklagte betreibt das Gewerbe der Arbeitnehmerüberlassung, der Kläger war als Leiharbeitnehmer tätig. Nach § 1 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom
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16.10.2009 fanden die zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e.V. abgeschlossenen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Weiter heißt es im Arbeitsvertrag:
„Die Parteien vereinbaren, dass die Bestimmungen der vorgenannten Tarifverträge den Abreden dieses Arbeitsvertrages vorgehen. Dies gilt nicht, soweit diese Tarifverträge eine Abweichung ausdrücklich zulassen oder sich aus den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt.“
§ 17 des Arbeitsvertrages lautet:
„§ 17 Ausschlussfrist / Verfallfristen
Beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von einem Monat nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“
Nach § 4 des Arbeitsvertrages wurde der Kläger in die Entgeltgruppe E4 des Entgeltrahmentarifvertrages mit einem Stundenlohn von € 8,37 brutto eingruppiert. Daneben zahlte die Beklagte eine Zulage von € 1,13 brutto, so dass der Gesamtstundenlohn des Klägers € 9,50 brutto betrug.
Während des Arbeitsverhältnisses war der Kläger bei der ... in der Werkstatt eingesetzt, wo er die Dienstfahrzeuge der ... mit Anlagen für den digitalen Behördenfunk ausrüstete. Im Verlauf des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, dass vergleichbare Mitarbeiter der ... nach Entgeltgruppe 5 des TVöD vergütet werden. Innerhalb der Entgeltgruppe 5 wäre der Kläger nach der Stufe 3 eingruppiert worden. Das Stundenentgelt in der Entgeltgruppe 5 Stufe 3 betrug im Jahr 2009 € 12,63 brutto, für das Jahr 2010 € 12,78 brutto. Im Oktober 2009 hat der Kläger 75 Stunden gearbeitet, im November 2009 157,5 Stunden, im Dezember 2009 172,5 Stunden und im Februar 2010 150,5 Stunden. Ausweislich der Lohnabrechnung für Januar 2010 (Bl. 16 d. A.). hat der Kläger im Januar 2010 142,5 Stunden gearbeitet, ferner wurde (offenbar für den 01.01.2010) Feiertagslohn für 7,5 Stunden abgerechnet. Die Differenz zwischen dem Stundenlohn des Klägers und dem Stundenentgelt für Entgeltgruppe 5 Stufe 3 TVöD betrug 2009 € 3,13 brutto und 2010 € 3,28 brutto.
Am 14.12.2010 entschied das BAG, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Spitzenorganisation ist, die im eigenen Namen Tarifverträge abschließen kann, da sie die hierfür erforderlichen tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Die CGZP ist danach keine
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Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus (1 ABR 19/10). Damit bestätigte das BAG die Vorentscheidung des LAG Berlin Brandenburg vom 07.12.2009 (23 TaBV 1016/09). Die schriftlichen Entscheidungsgründe des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 wurden im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht veröffentlicht, in der „Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht“ wurde die Entscheidung im Heft vom 10.03.2011 im Volltext veröffentlicht. Am 21.02.2011 lag die schriftliche Begründung noch nicht vor. Die Pressesprecherin des BAG erklärte nach dem Berliner Tagesspiegel vom 15.12.2010, dass sich aus dem Beschluss vom 14.12.2010 keine Nachzahlungsverpflichtungen ableiten ließen.
Der Kläger ist der Auffassung, er habe einen Anspruch auf Zahlung der Lohndifferenz. Ein wirksamer Tarifvertrag, der gegenüber der Verpflichtung der Beklagten auf Gewährung von den für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts abweichende Regelungen zulasse, bestehe nicht. Dies folge aus der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 und gelte für die gesamte Zeit des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Er habe daher Anspruch auf Zahlung des Differenzlohns zwischen dem erhaltenen Lohn und dem, was ein vergleichbarer Arbeitnehmer im ... beziehen würde. Im Januar 2010 habe er 150 Stunden gearbeitet. Auf Vertrauensschutz könne die Beklagte sich nicht berufen.
Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von € 2.700,41 brutto zu verurteilen.
Der Kläger beantragt nunmehr unter Rücknahme der weitergehenden Klage,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.253,30 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf € 234,75 seit dem 20.11.2009, auf weitere € 492,98 brutto seit dem 20.12.2009, auf weitere € 539,93 seit dem 20.01.2010, auf weitere € 492,00 seit dem 20.02.2010 und auf weitere € 493,64 seit dem 20.03.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bestehe nicht. Auf die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 könnten Nachzahlungsansprüche nicht gestützt werden. Der Beschluss des BAG sei ausdrücklich gegenwartsbezogen und enthalte keine Aussagen über die Gültigkeit der vor dem 14.12.2010 angewendeten Tarifverträge. Ggf. müsse das Verfahren gem. § 97 Abs. 5 ArbGG ausgesetzt werden, was die Beklagte beantragt. Ungeachtet dessen beständen die Nachzahlungsansprüche des Klägers nicht. Insbesondere bestehe eine Unmöglichkeit der Rückabwicklung. Ferner bestehe bezüglich der Anwendung der Tarifverträge und der hieraus erworbenen Rechte Vertrauensschutz. Das Vertrauen auf die Wirksamkeit der Tarifverträge sei begründet, nachdem das BAG im Jahr 2006 bereits die Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaft Metall festgestellt hatte. Im Januar 2010 habe der Kläger nur 142,5 Stunden gearbeitet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die Klage ist zulässig und in voller Höhe des vom Kläger zuletzt geltend gemachten Anspruchs begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem gezahlten Stundenlohn von € 9,50 und dem für vergleichbare Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb gezahlten Stundenlohn von € 12,63 im Jahre 2009 und € 12,78 im Jahr 2010.
Das Arbeitsgericht Frankfurt Oder hat in einem vergleichbaren Fall in seiner Entscheidung vom 09.06.2011 (3 Ca 422/11, zitiert nach juris) die folgenden Feststellungen getroffen (Rdnr.45 f.):
„Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem gezahlten Stundenlohn von 6,00 Euro bzw. 6,15 Euro und dem Stundenlohns in Höhe von 12,84 € aus dem Grundsatz des equal pay nach §§ 9 Ziffer 2, 10 Abs. 4 AÜG auf der Basis der in den Abrechnungen angegebenen Stunden.
1. Nach §§ 9 Ziffer 2, 10 Abs. 4 AÜG hat der Leiharbeitnehmer gegen den Verleiher einen Anspruch auf Zahlung des Lohns vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers, wenn seine Vergütung für die Überlassenszeit unter dieser Lohnhöhe liegt. Die o. g. Regelung der §§ 9,10 AÜG fußt auf der Richtlinie 2008/104 EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit vom 5.10.2008 ( Eqal pay Richtlinie) und soll den überlassenen
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Arbeitnehmer wirtschaftlich so stellen wie einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers.
2. Von diesem Grundsatz kann abgewichen werden, wenn ein einschlägiger Tarifvertrag vorliegt, der kraft Tarifbindung für die Arbeitsvertragspartner Anwendung findet oder wenn in dessen Geltungsbereich nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelung vereinbart haben. Ist der vereinbarte Tarifvertrag unwirksam, kommt der Grundsatz des equal pay wieder zum tragen.
Die Parteien haben in ihrem Arbeitsvertrag vom 30.4.2009 die Anwendung des Tarifvertrages, der zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) geschlossenen Tarifverträge vereinbart.
Wie das BAG in seiner Entscheidung vom 14.12.2010 (AZ: 1 ABR 19/10, NZA 2011,289-300) festgestellt hat, ist die CGZP keine tariffähige Organisation. Die CGZP ist keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus (BAG vom 14.12.2010, aaO).
Diese Entscheidung gilt entgegen der Meinung der Beklagten nicht nur für die Zukunft (ex nunc), sondern auch für die Vergangenheit und stellt fest, dass die CGZP auch in der von der Klägerin geltend gemachten Zeitraum nicht tariffähig war und damit keine wirksamen Tarifverträge abschließen konnte. Wie das BAG bereits in seiner Entscheidung vom 15.11.2006 (10 ARZ 665/05, NZA 2007, 448) festgestellt hat entfaltet eine rechtskräftige Entscheidung nach §§ 2a Abs. 1, Nr. 4, 97 Abs. 1 ArbGG nicht nur für die Zukunft Rechtswirkung, sondern auch für die Vergangenheit. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich keine Umstände ergeben, die die Tariffähigkeit entgegen der gerichtlichen Entscheidung bestätigen würden (BAG vom 15.11.2006 aaO).
Zwar hat das BAG in seinem Beschluss vom 14.12.2010 in Randnummer 34 und 63 darauf hingewiesen, dass die Anträge gegenwartsbezogen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sie nur für die Zukunft ab dem 14.12.2010 wirken. Das BAG hat die Satzung der CGZP vom 8.10.2009 überprüft und festgestellt, dass die CGZP aufgrund dieser Satzung nicht tariffähig ist. Eine Arbeitnehmervereinigung ist nach der Rechtsprechung des BAG tariffähig, wenn sie sich als satzungsmäßige Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in der Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt hat und willens ist, Tarifverträge abzuschließen (BAG vom 14.12.2010, aaO, Rn 67). Da nach der Satzung 2009 keine Arbeitnehmer, sondern nur die im CGZP zusammengeschlossenen Arbeitnehmerkoalitionen organisiert sind, ist die CGZP keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung. Damit hat das BAG eindeutig festgestellt, dass die CGZP durch ihre Satzung vom 8.10.2009 nicht tariffähig war, dieser daher zumindest ab dem 8.10.2009 die Tariffähigkeit abgesprochen.
Darüber hinaus hat das BAG festgestellt, dass die Satzung 2009 der Satzung 2005 im Wortlaut entspreche (Rn 110) und eindeutig ist. Damit hat das BAG inzidenter auch die Satzung 2005 überprüft. Für die Tariffähigkeit der CGZP ab 2005 kann daher nichts anderes gelten (so auch Schlegel, NZA 2011, S. 380,381; im Ergebnis auch ArbG Herfort, 4.5.2011, 2 Ca 144/11, zitiert nach Juris ).
Lediglich hilfsweise wird darauf verwiesen, dass der vom BAG entschiedene Festestellungsantrag zumindest auf den Zeitpunkt der Antragstellung beim Arbeitsgericht Berlin, somit zum Herbst 2008 zurückwirken muss. Zu diesem Zeitpunkt haben die Antragsteller mit eben diesem Antrag das Antragsverfahren nach §§ 97 Abs. 1, 2a Abs 1
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Ziffer 4 ArbGG eingeleitet, über eben diesen Antrag hat das Arbeitsgericht Berlin am 1.4.2009 gegenwartsbezogen entschieden. Der Instanzenzug (LAG Berlin vom 7.12.2009, 23 TaBV 1016/09 und BAG vom 14.12.2010, 1 ABR 19/10) diente lediglich der Überprüfung der o. g. Entscheidung des ArbG Berlin. Somit fußt die BAG Entscheidung gerade auf dem in Herbst 2008 eingeleiteten Verfahren und entscheidet über die damals wie auch zuletzt gestellten Anträge hinsichtlich der Tariffähigkeit der CGZP. Da sich der Sachverhalt vom Eingang der Antragsschrift beim ArbG Berlin bis zur Entscheidung des BAG nicht geändert hat, lediglich am 8.10.2009 eine neue Satzung mit einem für den Rechtstreit bedeutenden gleichen Inhalt in Kraft getreten ist, wirkt die BAG Entscheidung zumindest bis zum Herbst 2008 zurück.
Da die CGZP während der gesamten Dauer des hiesigen Arbeitsverhältnisses nicht tariffähig war, konnte sie auch keine wirksamen Tarifverträge abschließen. Eine Abweichung von der grundsätzlichen Regelung des Anspruches auf gleichen Lohn nach §§ 9,10 AÜG liegt daher nicht vor.
3. Das Verfahren ist auch nicht auszusetzen.
Nach § 97 Abs. 5 Satz 1 AGG hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung eines Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Ziffer 4 ArbGG auszusetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängig ist, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist.
Die Aussetzung nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ist allerdings nur dann geboten, wenn die Frage der Tarifzuständigkeit oder der Tariffähigkeit zweifelhaft ist (BAG vom 23.10.1996, 4 AZR 409/95 , NZA 1997, 383 – 385). Eine Aussetzung kommt nicht in Betracht, wenn über die Frage der Tariffähigkeit bereits rechtskräftig entschieden ist und keine wesentliche Veränderung des zugrunde liegenden Sachverhalts eingetreten ist (BAG vom 1.2.1983, 1 ABR 33/78, NJW 1984, 1710-1712; ArbG Dortmund, 16.3.2011, 8 Ca 18/11, zitiert nach juris).
Wie oben dargestellt, hat die Kammer keinen Zweifel, dass die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 nicht nur für die Zukunft, sondern auch zumindest für die Dauer des hier streitigen Zeitpunkts wirkt und die Tariffähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit, d. h., ab der Satzung von 2005 nicht gegeben ist ( so auch ArbG Dortmund vom 16.3.2011 aaO). Für eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG besteht daher ein Raum.
4. Die Beklagte kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen und konnte nicht bis zur Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 von der Wirksamkeit der seitens der CGZP geschlossenen Tarifverträge ausgehen.
Die dahingehende Argumentation unter anderem von Thüsing, Mengel (AÜG, 2. Aufl. § 9 Rn. 46 a) ist durch die klaren Worte des BAG: „Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt“ (BAG vom 15.11.2006, Leitsatz und Rn. Nr. 23 aaO) hinfällig. Dem ist nichts hinzuzufügen.“
Die Kammer folgt der Auffassung des Arbeitsgerichts Frankfurt Oder und macht sich die vorstehenden Ausführungen zu eigen (so auch Arbeitsgericht Herford, 2 Ca 144/11 vom 04.05.2011).
Die Kammer folgt mithin nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts Freiburg (3 Ca 497/10 vom 13.04.2011), nach der das BAG mit seinem Beschluss vom 14.12.2010 die
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Tarifunfähigkeit der CGZP nur gegenwartsbezogen festgestellt hat und der Rechtsstreit bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen ist, wenn es um die Tariffähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt geht.
Ergänzend zum Arbeitsgericht Frankfurt/Oder ist auszuführen, dass eine Aussetzung des Verfahrens nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG auch deshalb nicht erforderlich ist, weil das BAG in seiner Entscheidung vom 14.12.2010 eindeutig festgestellt hat, dass die CGZP unter Zugrundelegung der jeweiligen Satzungsbestimmungen seit dem Jahr 2005 nicht tariffähig ist. Das Arbeitsgericht Freiburg räumt selbst ein, dass ein weiteres nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 Abs. 1 ArbGG durchzuführendes Beschlussverfahren deshalb vom Ergebnis her vorgegeben sein dürfte (Arbeitsgericht Freiburg vom 13.04.2011, 3 Ca 497/10, juris, Rn. 17), was zutrifft. Bei dieser Sachlage würde das Erfordernis einer Aussetzung des Verfahrens eine bloße Formalie darstellen und zudem geeignet sein, den Rechtsgewährungsanspruch der betroffenen Arbeitnehmer zu beeinträchtigen, da die Verfahren auf unabsehbare Zeit verzögert werden würden (vgl. Brors, Juris PR Arbeitsrecht 18/2011). Der soziale Schutzzweck von §§ 9 , 10 AÜG, die Leiharbeitnehmer vor Dumpinglöhnen zu schützen und sie zumindest dem Schutz von tatsächlichen Tarifverträgen zu unterstellen, wenn schon nicht der gesetzliche Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ohne Einschränkung gilt, würde erheblich beeinträchtigt, wenn nicht sogar in vielen Fällen zunichte gemacht werden, wenn rein formale Gesichtspunkte dazu führen könnten, dass Verfahren auf unabsehbare Zeit verzögert würden.
Hinsichtlich des von der Beklagten reklamierten Vertrauensschutzes ist die Kammer der Auffassung, dass ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Tarifverträge auch deshalb nicht bestehen kann, weil die CGZP bzw. einzelne ihrer Mitgliedsorganisationen seit geraumer Zeit in der öffentlichen Kritik stehen. So hat die Süddeutsche Zeitung bereits am 05.02.2008 konstatiert, dass sie seit Jahren unter dem Verdacht stehen, Tarifverträge vor allem im Sinne der Arbeitgeber abzuschließen. Die TAZ vom 24.11.2009 setzt sich unter der Überschrift „Christliche Gewerkschaften – Lohndrü-cker im Namen Gottes“ ebenfalls kritisch mit diesen Organisationen auseinander. Frontal 21 des ZDF berichtete am 08.03.2011 darüber, dass Arbeitgeber Christlichen Gewerkschaften Mitglieder zuführen sollen, ohne dass die „Mitglieder“ dazu befragt werden. Wiederum die Süddeutsche Zeitung titelt am 17.12.2010 „Christliche Gewerkschaften – Billig im Namen Jesu“. Ob und inwieweit diese Vorwürfe zutreffen, kann dahinstehen. Jedenfalls kann zur Überzeugung der Kammer angesichts dieser öffentlichen Debatte sich niemand auf Vertrauensschutz hinsichtlich der Wirksamkeit von
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Verträgen dieser Organisationen berufen, auch wenn hinsichtlich einer Organisation die Tariffähigkeit vom BAG bejaht wurde.
Der Forderung des Klägers steht auch nicht die tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfrist entgegen. Das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder führt hierzu aus (a.a.O., Rdnr. 68 ff.):
„Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht verfallen.
Die tariflichen Ausschlussfristen unterliegen dem gleichen Schicksal wie der Tarifvertrag selbst. Entweder kommen sie wegen der fehlenden Tariffähigkeit der CGZP und der sich daraus ergebenden Nichtigkeit des TV oder wegen der Unwirksamkeit der in Bezugnahme nach § 307 Abs. 1 Ziffer 2 BGB nicht zur Anwendung.
Die einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfristen in § 14 des Arbeitsvertrages vom 30.4.2009 halten zwar einer ABG - Kontrolle stand. Sie sind weder überraschend noch mit 3 Monaten Frist für die schriftliche Geltendmachung und 3 weiteren Monaten Frist für die Klageeinreichung zu kurz und benachteiligen die Klägerin nach der Rechtsprechung des BAG nicht unangemessen (Vgl. hierzu BAG vom 28.9.2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149). Die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sind auch unabhängig von der Geltung des Tarifvertrages vereinbart, sodass es hier auf die Wirksamkeit der Tarifverträge nicht ankommt.
Dennoch ist der Anspruch der Klägerin nicht wegen der in § 14 des Arbeitsvertrages vereinbarten Ausschlussfristen verfallen, da der Lauf der Ausschlussfristen frühestens erst mit der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 beginnt.
Die Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden, welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden (ErfK-Preis, 11. Aufl. 2011, § 194 – 218 BGB Rn 32).
a. Der Beginn der Ausschlussfrist setzt die Fälligkeit des Anspruchs voraus. Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Der Begriff der Fälligkeit wird dabei von den Gerichten für Arbeitssachen unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichts-punkte interessengerecht ausgelegt (BAG 1.3.2006, 5 AZR 511/05, NZA 2006, 783 Rn 14; BAG vom 28.9.2005, 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 Rn 33). Hierbei wird Rückgriff genommen auf die Regelungen zur Verjährung.
Für die Verjährung von Ansprüchen nach §§ 194 ff. BGB ist neben den objektiven Voraussetzungen auch eine subjektive Komponente nach § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB notwendig. Der Wertung des § 199 Abs. 1 Satz 2 BGB ist auch in den Ausschlussfristen dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Fristenbeginn die Fälligkeit des Anspruchs maßgebend ist. Nur wenn der Anspruch erkennbar und durchsetzbar ist, ist er fällig. Eine andere Regelung wäre mit dem Grundgedanken, wonach für den Beginn der Verjährungsfrist Voraussetzung ist, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, unvereinbar ist (BAG 1.3.2006 aaO.).
Im Verjährungsrecht ist auch anerkannt, dass der Verjährungsbeginn dann wegen Rechtsunkenntnis hinausgeschoben sein kann, wenn die Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft ist, sodass sie selbst ein rechtskundiger Dritter nicht einzuschätzen vermag. In
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diesen Fällen fehle es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH 25.2.1999 – IX ZR 30/98, NJW 1999, 2041).
Auch die Literatur geht davon aus, dass die Reform des Verjährungsrechts konkrete Auswirkungen auf den Beginn der Ausschlussfristen hat und stellt auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Nichtkenntnis als Fristenbeginn ab (Thüsing, BB 2005, 1566).
Es ist damit zumindest nicht grob fahrlässig, wenn der Arbeitnehmer bei unklarer Rechtslage eine rechtskräftige Entscheidung der Obergerichte abwartet.
Bei Anwendung dieser Kriterien wurde der Lauf der Ausschlussfrist erst frühestens am 14.12.2010 in Gang gesetzt. Bis zur Entscheidung des BAG an diesem Tag zur Tariffähigkeit der CGZP lag eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vor. In der Literatur gab es zahlreiche, sich widersprechende Rechtspositionen. So gingen z.B. Jacobs (ZfA 2010, 27), Thüsing (2. Aufl. § 9 AÜG Rn 46) und Lembke (NZA 2008, 451) von der Wirksamkeit der Tarifverträge der CGZP aus, Schüren (NZA 2008, 453) und Brors (AuR 2010, 406) verneinten sie. Bis zur Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 war daher eine Prognose über die Tariffähigkeit der CGZP und damit auch der Wirksamkeit der Tarifverträge völlig unsicher (so auch Schüren, AuR 2011, 142, 144). Für die Klägerin und viele Arbeitnehmer war es ungewiss, ob ein Anspruch besteht oder nicht. Hierbei ist zu bedenken, dass der Anspruch equal pay aus § 10 Abs. 4 AÜG erst entsteht, wenn ein Tarifvertrag nicht oder nicht mehr zur Anwendung kommt. Erst in dem Moment, in dem die Nichtigkeit des Tarifvertrags rechtskräftig festgestellt ist, wird diese Rechtsunsicherheit beseitigt. Ob es hierbei auf das Datum der Entscheidung, die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch Presseerklärung oder Medien oder auf den Zugang des abgesetzten Urteils ankommt, war hier nicht zu entscheiden, da die Klägerin innerhalb von 3 Monaten nach dem 14.12.20010 Klage eingereicht hat und diese zugestellt wurde.
Es war daher nicht grob fahrlässig, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die bestehenden Rechte auf eqal pay nicht vor Entscheidung der BAG über die Tariffähigkeit der CGZP und die Wirksamkeit der Tarifverträge eingeklagt haben.
b. Ein Abstellen auf eine frühere Geltendmachung des Anspruchs vor dem 14.12.2010 entspricht auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Das BAG hat für die Vereinbarung von Ausschlussfristen in einer Betriebsvereinbarung entschieden, dass es dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht entspreche, von Arbeitnehmern zu verlangen, zusammen mit der Kündigungsschutzklage auch das jeweilige Annahmeverzugsentgelt gerichtlich geltend zu machen. Es verwies dabei auch auf die beachtliche Kostenlast, die nach § 12a ArbGG nicht erstattet wird (BAG vom 12.12.2006, 1 AZR 96/06, NZA 2007, 453-458; Kothe, JR 2009,88).
Die vor der Entscheidung des BAG bestandene unklare Rechtslage steht außerhalb der Rechtsbeziehungen der Parteien und kann wegen der Besonderheit des Verfahrens nach § 97 ArbGG auch von diesen nicht isoliert geklärt werden. Auch wenn die Klägerin eine Entgeltklage eingereicht hätte, so hätte die Frage der Tariffähigkeit der CGZP nicht inzidenter von dem Arbeitsgericht geprüft werden können, sondern es hätte ein Statusverfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG eingeleitet werden müssen.
Dies ist jedoch einem normalen Leiharbeitnehmer/einer normalen Leiharbeitnehmerin nicht zumutbar. Wie Schüren an einem Beispiel plastisch dargelegt hat, trägt der Arbeitnehmer auch bei einer obsiegenden Entscheidung in einem Statusverfahren nach § 97 ArbGG die erstinstanzlichen Kosten des Verfahrens. Da diese bei den hohen Streitwerten eines solchen Verfahrens allein an Anwaltskosten mehrere Tausend € betragen können, wären die Kosten höher als der Nachzahlungsanspruch des
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Arbeitnehmers, sodass der Arbeitnehmer selbst bei vollständigem Erfolg einen wirtschaftlichen Verlust erleiden würde (Schüren, AuR 2011, 142, 144).
Auch das BVerfG geht davon aus, dass Ausschlussfristen im Hinblick auf Entgeltansprüche dann nicht zur Anwendung kommen dürfen, wenn das dem Zahlungsanspruch zugrunde liegende Rechtsverhältnis (dort der Bestand des Arbeitsverhältnisses) noch unklar ist (BVerfG 1.12.2010 – 1 BvR 1682/07 – NZA 2011, 354). Die dort als Argument angeführten Kostenbarrieren sind auf den hiesigen Fall übertragbar.
Ob es hierbei auf das Datum der Entscheidung des BAG, der Bekanntgabe durch Presseerklärung oder der Zustellung des abgesetzten Urteils ankommt mag dahingestellt bleiben. Die von der Klägerin am 8.3.2011 eingereichte Klage ist der Beklagten am 11.3.2011 zugegangen. Damit ist der erste und zweite Teil der dreimonatigen Ausschlussfrist eingehalten, auch wenn man von dem frühesten Termin am 14.12.2010 ausgeht.“
Die Kammer folgt auch diesen überzeugenden Ausführungen. Weitergehend ist sie der Auffassung, dass eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage nicht nur bis zum 14.12.2010 bestand. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass unmittelbar nach dem 14.12.2010 Äußerungen der Sprecherin des BAG publiziert wurden, nach denen sich aus dem Beschluss keine Nachzahlungsverpflichtungen ableiten lassen und dass die schriftliche Entscheidungsbegründung, die hierzu möglicherweise Klarheit schaffen könnte, erst später vorlag. Für den Kläger konnte daher Klarheit darüber, ob die Geltendmachung eines Anspruchs auf Equal Pay auf die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 gestützt werden könnte, erst vorliegen, nachdem die Entscheidungsgründe vollständig vorlagen. Eine Veröffentlichung in der Fachpresse ist erst im März 2011 erfolgt, erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Ausschlussfrist von drei Monaten in Gang gesetzt werden. Seine Klage hat der Kläger am 30.04.2010 erhoben und in dieser dem Grunde nach seine Ansprüche auf Equal Pay bereits geltend gemacht, was zur Wahrung der Frist ausreichte. Zu diesem Zeitpunkt war die dreimonatige Verfallfrist noch nicht abgelaufen.
Hinzu kommt, dass im vorliegenden Fall die vertragliche Ausschlussfrist einer AGB Kontrolle nicht standhält. Nach § 307 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Wiederum das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder führt dazu zutreffend aus (a.a.O., Rdnr. 64):
„Nach dem Bestimmtheitsgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen in einem Arbeitsvertrag so genau beschrieben
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werden, dass keine vermeidbaren Unklarheiten und keine ungerechtfertigten Spielräume für den Verwender entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners/des Verwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (BGH, Urteil vom 03.03.2004, VIII ZR 153/03). Dabei ist zudem zu beachten, dass eine Verweisung auf die Vorschriften eines Tarifvertrages, auch wenn sie dynamisch ausgestaltet ist, für sich genommen noch nicht zur Intransparenz führt. Sinn des Transparenzgebots ist nämlich, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst wenn die Gefahr besteht, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Bestimmungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 BGB vor (BAG vom 01.09.2010, 5 AZR 517/09 in NZA 2011, 575 – 576; BAG vom 10.12.2008, 4 AZR 801/07; BAG vom 14.03.2007, 5 AZR 640/06).“
Im vorliegenden Fall ist die Bestimmung nicht klar und verständlich und führt zur Gefahr, dass der Arbeitnehmer deshalb seine Rechte nicht wahrnimmt. Dabei kann nicht nur auf die vertragliche Ausschlussfrist als solche abgestellt werden. Für die Klärung, was im Vertragsverhältnis der Parteien gelten soll, ist vielmehr die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages zur Geltung der CGZP Tarifverträge und ihres Verhältnisses zu arbeitsvertraglichen Vereinbarungen heranzuziehen. Danach sollen die Tarifverträge den Abreden des Arbeitsvertrages vorgehen. Dies soll aber nicht gelten, soweit sich aus den Bestimmungen des Arbeitsvertrages eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung ergibt. Vorliegend ist unklar und unverständlich, welche Bestimmung denn nun gelten soll und/oder ob für verschiedene Ansprüche verschiedene Verfallregeln gelten sollen. Die arbeitsvertragliche Verfallfrist gilt für beiderseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Die tarifliche Verfallfrist in Ziffer 19 des Manteltarifvertrages gilt hingegen für sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, die Ausschlussfrist beträgt zwei Monate. Welche Regelung für den Arbeitnehmer günstiger ist, ergibt sich aus den Regelungsinhalten nicht, da die Regelungen für beide Vertragsparteien gelten. Unklar ist ferner, ob der Geltungsbereich der Verfallfrist nur Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, dafür aber sämtliche, erfasst, wie der Tarifvertrag besagt, oder auch solche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wie der Arbeitsvertrag formuliert. Im Tarifvertrag ist zudem geregelt, dass die Verfallfrist nicht gilt, wenn der Anspruchsberechtigte trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert war, die Frist einzuhalten, was aber nicht für Ansprüche gelten soll, die auf eine unerlaubte Handlung gestützt werden. Einen derartigen Ausnahmetatbestand enthält die vertragliche Verfallfrist nicht. Der Vergleich der arbeitsvertraglichen Verfallfrist mit der des zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages gültigen Manteltarifvertrages vom 29.11.2004 zeigt also, dass hinsichtlich einer ganzen Reihe von Fragen unklar bleibt, welcher Regelungsbereich durch Verfallfristen erfasst wird, welche Verfallfrist gelten soll und ob es
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Ausnahmen hiervon gibt. Es kann daher dahinstehen, dass der anschließende Manteltarifvertrag vom 15.03.2010 eine Ausschlussfrist von drei Monaten vorsieht, was immerhin zur Angleichung der Grundfrist aus dem Arbeitsvertrag und dem Tarifvertrag führte. Angesichts der Perspektive weiterer tariflicher Veränderungen ändert das aber nichts daran, dass offen bleibt, welche einzelnen Bestimmungen im Einzelfall Vorrang haben sollen. Dies führt dazu, dass die tarifliche Ausschlussfrist in § 17 des Arbeitsvertrages wegen Unklarheit und Unverständlichkeit als Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist.
Der Anspruch des Klägers ist dem Grunde nach daher gegeben.
Der Höhe nach ist der Anspruch im Wesentlichen unstreitig. Streit herrscht nur über die Frage, ob für Januar 2010 150 Stunden zu Grunde zu legen sind oder 142,5. Aus der Lohnabrechnung für Januar folgt, dass der Kläger tatsächlich 142,5 Stunden gearbeitet hat. Er hat aber gleichwohl Anspruch auf den Ausgleich des Differenzlohn für 150 Stunden, da die restlichen 7,5 Stunden als Feiertagslohn gem. § 2 des Gesetzes über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall zu vergüten waren und dem Kläger gem. § 10 Abs. 4 AÜG daher die Lohndifferenz auch für diese Stunden zusteht.
Die Zinsforderung ist begründet aus §§ 286 Abs.2, 288 Abs. 1 BGB. Die Lohnforderungen des Klägers waren jeweils zum 20. des Folgemonats fällig.
Der Wert des Streitgegenstandes war gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen, seine Höhe folgt aus §§ 3ff. ZPO. Wegen der teilweisen Klagrücknahme und wegen des Teil-Vergleichs war außerdem zur Bestimmung der Kostenquote ein Verfahrenswert festzusetzen
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 98 ZPO und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien.
Gem. § 62 Abs. 1 ArbGG ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
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