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Zutrittsrecht zum Betrieb für gewerkschaftliche Mitgliederwerbung
14.12.2010. Die Frage, wann und in welchem Umfang betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte Betriebe betreten und dort Mitgliederwerbung betreiben können, ist gesetzlich nicht geregelt und zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern umstritten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat zwar im Jahre 2006 entschieden, dass betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte im Prinzip ein Recht zum Betriebszutritt zwecks Mitgliederwerbung haben (BAG, Urteil vom 28.02.2006, 1 AZR 460/04), doch war bislang noch nicht geklärt, unter welchen Umständen und in welchem zeitlichen Umfang ein solches Recht besteht.
Zu dieser praktisch wichtigen Frage hat das BAG vor kurzem ein Grundsatzurteil gefällt: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.06.2010, 1 AZR 179/09.
- Das gewerkschaftliche Recht zum Zutritt in den Betrieb: Teil des Koalitionsgrundrechts
- Der Fall des BAG: Streit um das Zutrittsrecht der IG Bauen-Agrar-Umwelt zu einem Baubetrieb
- Bundesarbeitsgericht: Zutritt einmal pro Halbjahr unter Beachtung einer Ankündigungsfrist von einer Woche ist in der Regel angemessen
Das gewerkschaftliche Recht zum Zutritt in den Betrieb: Teil des Koalitionsgrundrechts
Gewerkschaften sind darauf angewiesen, neue Mitglieder zu gewinnen. Am besten gelingt das dort, wo Arbeitnehmer nicht nur zufällig an einem Werbestand der Gewerkschaft vorbeilaufen, sondern sich dort aufhalten, wo die tarifpolitische Arbeit der Gewerkschaft spürbar wird. Dieser Ort ist der Betrieb. Nur dort trifft die Gewerkschaft auf Arbeitnehmer, die sich für die konkrete branchenbezogene Arbeit der Gewerkschaft interessieren.
Soll die gewerkschaftliche Werbung effektiv sein, so braucht es dafür außerdem professionell auftretende Beauftragte, die es meist nur außerhalb des Betriebs gibt. Aus Sicht der Gewerkschaften ist daher das Recht zum Zutritt betriebsfremder Beauftragter zum Betrieb für die Mitgliederwerbung unverzichtbar.
Abgesichert ist dieses Recht durch Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG), der das Recht von Arbeitnehmern (und Arbeitgebern) garantiert, sich zu Koalitionen zusammenzuschließen. Kein effektiver gewerkschaftlicher Zusammenschluss ohne betriebliche Mitgliederwerbung, so das Argument der Gewerschaften. Doch auch die Arbeitgeber können mit Grundrechten dagegenhalten, nämlich mit dem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 GG) und der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG).
Letztlich kollidieren hier auf beiden Seiten grundrechtlich geschützte Positionen, deren Ausgleich eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers wäre. Der hält sich aber aus diesem Streit seit jeher "fein heraus", um sich nicht bei der Arbeitgeber- oder der Arbeitnehmerseite unbeliebt zu machen. So enthält zwar das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in seinem § 2 Abs. 2 ein Zutrittsrecht der Gewerkschaften zum Betrieb, allerdings nur zum Zwecke der Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben und nicht, um neue Mitglieder zu werben.
Die Frage, wann und in welchem Umfang Gewerkschaften im Betrieb Mitgliederwerbung betreiben können, ist daher gesetzlich nicht geregelt und zwischen Gewerschaften und Arbeitgebervertretern umstritten. Hier waren die Arbeitgeber lange Zeit juristisch im Vorteil, nämlich solange das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Meinung vertrat, dass Art. 9 Abs. 3 GG nur solche gewerkschaftlichen Tätigkeiten schützt, die für den Erhalt und die Sicherung des Bestandes der Gewerkschaft unerlässlich sind und damit zum „Kernbereich“ der gewerkschaftlichen Betätigungen gehören.
Diese Betrachungsweise, die sog. "Kernbereichslehre", hat das BVerfG aber in einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 1995 aufgegeben (BVerfG, Beschluss vom 14.11.1995, 1 BvR 601/92). Seitdem gilt, dass Art. 9 Abs. 3 GG alle und nicht nur einen "Kernbereich" gewerkschaftlicher Betätigungen schützt. Auf dieser Grundlage hat das BAG im Jahre 2006 entschieden, dass betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte im Prinzip ein Recht zum Betriebszutritt zwecks Mitgliederwerbung haben (BAG, Urteil vom 28.02.2006, 1 AZR 460/04).
Bislang nicht klar entschieden ist allerdings die Frage, in welchem zeitlichen Umfang ein gewerkschaftliches Zutrittsrecht besteht und mit welchen zeitlichen Eingrenzungen man es daher vor Gericht einklagen sollte. Diese 2006 noch offen gelassene Frage hat das BAG nunmehr beantwortet (Urteil vom 22.06.2010, 1 AZR 179/09).
Der Fall des BAG: Streit um das Zutrittsrecht der IG Bauen-Agrar-Umwelt zu einem Baubetrieb
Die Industriegewerkschaft (IG) Bauen-Agrar-Umwelt klagte gegen ein Bauunternehmen auf Zutritt zu dessen Betriebsstätten. In dem Betrieb des beklagten Arbeitgebers fand der Bundesrahmentarifvertrag für das Bauhauptgewerbe (BRTV BAU) Anwendung, allerdings nicht aufgrund einer (hier nicht gegebenen) Tarifgebundenheit des Arbeitgebers, sondern aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung des BRTV. Vertragspartei dieses Tarifvertrages ist aber die IG Bauen-Agrar-Umwelt.
IG Bauen-Agrar-Umwelt hatte im Jahre 2007 einige Male den Betrieb des Arbeitgebers durch betriebsfremde Beauftragte betreten, um dort neue Mitglieder zu werben. Ende 2007 untersagte der Arbeitgeber den Zutritt. Daraufhin zog die Gewerkschaft vor das Arbeitsgericht Neuruppin und begehrte ein wöchentliches Zutrittsrecht während der Pausenzeiten. Hilfsweise forderte sie Zutritt alle zwei Wochen, höchst hilfsweise einmal pro Monat. Sowohl das Arbeitsgericht Neuruppin (Urteil vom 06.03.2008, 1 Ca 1495/07) als auch das Landesartbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wiesen die Klage ab (Urteil vom 05.11.2008, 23 Sa 919/08).
Bundesarbeitsgericht: Zutritt einmal pro Halbjahr unter Beachtung einer Ankündigungsfrist von einer Woche ist in der Regel angemessen
Auch das BAG entschied gegen die Gewerkschaft, allerdings mit einer für diese trotz alledem positiven Begründung.
Zwar gewährt der BRTV in seinem § 13, der von der IG Bauen-Agrar-Umwe als Anspruchsgrundlage herangezogen wurde, kein Zutrittsrecht zwecks Mitgliederwerbung. Vielmehr ist der Gewerkschaft der Zutritt nach dieser Vorschrift nur erlaubt, um die Einhaltung betrieblicher Schutzvorschriften bei Unterkünften und Aufenthaltsräumen zu überprüfen. Auch Art. 51 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg hält nur ein Zutrittsrecht „nach Maßgabe der Gesetze“ und damit ein von vornherein beschränktes Recht. Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundlagen können Gewerkschaften daher nicht Zutritt zwecks Mitgliederwerbung verlangen.
Erfreulich klar und damit praxistauglich sind auch die positiven Kernaussagen des BAG: Danach spricht "in der Regel" nichts dagegen, wenn die Gewerkschaft einmal pro Kalenderhalbjahr einen Betrieb zum Zwecke der Mitgliederwerbung betreten möchte. Überwiegende Interessen des Arbeitgebers können einem zeitlich so gestreckten Zutritt in der Regel nicht entgegenstehen.
Weitere Voraussetzung für das halbjährliche Zutrittsrecht ist, dass die Gewerkschaft vorab auch eine "angemessene Ankündigungsfrist" einhält; sie beträgt im Regelfall eine Woche. Gestützt werden diese Aussagen des BAG durch § 43 Abs. 4 BetrVG. Danach kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft pro Kalenderhalbjahr die Einberufung einer Betriebsversammlung verlangen, und an dieser kann sie durch betriebsfremde Beauftragte teilnehmen und daher auch den Betrieb betreten.
Fazit: Einmal pro Halbjahr können Gewerkschaften - notfalls mit gerichtlicher Hilfe - Zutritt zu Betrieben zwecks Mitgliederwerbung durch betriebsfremde Beauftragte verlangen, falls sie eine einwöchige Ankündigungsfrist einhalten. Reicht der Gewerkschaft dies nicht aus, so muss sie einen darüber hinausgehenden Zutrittswunsch konkret begründen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.06.2010, 1 AZR 179/09
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.11.2008, 23 Sa 919/08
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.02.2006, 1 AZR 460/04
- Arbeitsrecht aktuell: 11/052 Zur Zulässigkeit der Mitgliederwerbung von Gewerkschaften in Einrichtungen der Kirche
- Arbeitsrecht aktuell: 11/015 Die zehn wichtigsten arbeitsrechtlichen Entscheidungen des Jahres 2010
Letzte Überarbeitung: 1. Juni 2014
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