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BAG, Urteil vom 07.11.1979, 5 AZR 962/77
Schlagworte: | Abmahnung, Ermahnung, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Betriebsbuße | |
Gericht: | Bundesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 5 AZR 962/77 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 07.11.1979 | |
Leitsätze: | 1. Eine nicht an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gebundene Abmahnung des Arbeitgebers darf keinen über den Warnzweck hinausgehenden Sanktionscharakter haben. Sie darf kein Unwerturteil über die Person des Arbeitnehmers enthalten. Das schließt nicht aus, daß der Arbeitgeber die Schwere der Vertragspflichtverletzung zum Ausdruck bringt oder eine wiederholte Verletzung vertraglicher Pflichten besonders kennzeichnet. 2. Die Formalisierung einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Mißbilligung deutet - insbesondere dann, wenn sie in einer Stufenfolge wie "Verwarnung, Verweis, Versetzung, Entlassung" erscheint - darauf hin, daß die Maßnahme Sanktionscharakter trägt und deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Ein Arbeitgeber, der nur abmahnen will, sollte seine Beanstandung auch so bezeichnen, schon um Mißdeutungen zu vermeiden. |
|
Vorinstanzen: | Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.1977, 8 Sa 201/76 | |
5 AZR 962/77
8 Sa 2o1/76 Baden-Württemberg
(Freiburg)
Verkündet am
7. November 1979
gez. Schartel,
Angestealter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes!
Urteil
In Sachen
PP.
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 128 Abs. 2 ZPO in der Sitzung vom 7. November 1979 durch die Vorsitzende Richterin Professorin Dr. Hilger, die Richter Dr. Heither und Dr. Leinemann sowie die ehrenamtlichen Richter Liebsch und Halberstadt für Recht erkannt:
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2o. Juli 1977 - 8 Sa 2o1/76 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen!
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Tatbestand:
Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei der Beklagten als Fahrbediensteter mit einem monatlichen Verdienst von 1.600,-- DM brutto beschäftigt. Die Fahrbediensteten der Beklagten führen ständig einen Dauerbestand von 1.o8o,-- DM an Fahrscheinen und Bargeld mit sich. Von der Beklagten erhalten sie ein monatliches Mankogeld von 10,-- DM, das sie zum Ausgleich von Fehlbeträgen zu verwenden haben, die sie bei Eigenkontrollen feststellen.
Nach einer von der Beklagten erlassenen Dienstanweisung für den Schaffnerdienst vom 1. Januar 1971 haben die Fahrbediensteten jederzeit den gesamten Fahrscheinbestand, den Verkaufserlös und das Wechselgeld zur Verfügung zu haben. Fahrscheinbestände, Verkaufserlös und Wechselgeld müssen jeweils den Betrag der Grundausstattung ergeben.
Als bei einer Fahrschein- und Geldbestandskontrolle beim Kläger ein Fehlbestand festgestellt wurde, erhielt er mit Datum vom 30. Oktober 1975 folgendes Schreiben:
"Sehr geehrter Herr S,
bei der am 14. l0. 1975 unvermutet vorgenommenen Kontrolle Ihrer Fahrschein- und Geldbestände wurde ein Fehlbetrag in Höhe von 30,85 DM festgestellt. Diesen Betrag haben Sie inzwischen ersetzt.
Nachdem wir Sie bereits am 21. 2. 1974 wegen eines am 18. 2. 1974 festgestellten Fehlbetrages von 35,50 DM verwarnen mußten, erhalten Sie hiermit einen Verweis.
In Ihrem eigenen Interesse empfehlen wir Ihnen dringend, die Fahrschein- und Geldbestände künftig in Ordnung zu halten. Sie müssen nunmehr mit vermehrten Kontrollen rechnen."
Der Kläger begehrt die Rücknahme des Verweises. Er hat vorgetragen:
Der ihm erteilte Verweis beeinträchtige seine Rechtstellung als Arbeitnehmer; er habe daher ein berechtigtes Interesse daran, daß dieser Verweis von der Beklagten zurückgenommen werde. Der Verweis sei auch ungerechtfertigt, weil ihm ein subjektiv vorwerfbares Fehlverhalten von der Beklagten nicht nachgewiesen werden könne.
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Bei der Art des Geschäftsbetriebes könne nicht ausgeschlossen werden, daß gelegentliche Fehlbeträge aufträten. Die Beklagte habe dem durch die Zubilligung eines Mankogeldes von 10,-- DM monatlich Rechnung getragen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den mit Schreiben vom 30. Oktober 1975 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Verweis zurückzunehmen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und entgegnet:
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei dem Arbeitnehmer nur in den Fällen Rechtsschutz zuzubilligen, in denen eine Rüge auf einer unwahren oder unrichtigen Behauptung beruhe. Soweit es lediglich um die subjektive Würdigung eines unstrittigen Sachverhalts gehe, sei kein Rechtsweg gegeben. Die gegenteilige Auffassung würde die freie Meinungsäußerung des Arbeitgebers unangemessen beschränken und in der Praxis zu unerträglichen Konsequenzen führen. Die Rüge sei auch objektiv gerechtfertigt, da der Kläger die ihm arbeitsvertraglich obliegende Sorgfaltspflicht in Geldangelegenheiten verletzt habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig; am Rechtsschutzinteresse fehlt es nicht.
Der Arbeitnehmer kann zwar nicht gegen jede Beanstandung seines Arbeitgebers mit einer Klage vorgehen. Er kann aber die Berechtigung einer mißbilligenden Äußerung durch den Arbeitgeber wegen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens gerichtlich nachprüfen lassen, sofern diese mißbilligende Äußerung nach Form und Inhalt geeignet ist, ihn in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen. Zu den Handlungen, die die Rechtsstellung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können, gehören formelle zu den Personalakten
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genommene schriftliche Verwarnungen. Bei derartigen formellen Rügen ist nicht auszuschließen, daß sie, sofern sie unberechtigt sind, später die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers abgeben und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern oder andere seine Rechtsstellung beeinträchtigende arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Folge haben (BAG, Urteile vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 801/76 - AP Iqr. 84 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht (zu II 1 der Gründe) und vom 30. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - DB 1979, 1511 = demnächst) AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße (zu II der Gründe)).
Das Schreiben der Beklagten vom 30. Oktober 1975 enthält eine solche formelle Verwarnung. Deshalb kann der Kläger diese Verwarnung zur gerichtlichen Nachprüfung stellen, und zwar unabhängig davon, ob sie auf unwahren oder richtigen Behauptungen beruht. Ob die Verwarnung berechtigt ist oder nicht, kann nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage sein; das soll vielmehr gerade durch die gerichtliche Überprüfung geklärt werden.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die in dem Schreiben vom 30. Oktober 1975 enthaltene Verwarnung nicht als eine der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegende Betriebsbuße angesehen.
a) Eine Betriebsbuße dient der Ahndung von Verstößen gegen die betriebliche Ordnung. Das bedeutet zweierlei: Zum einen kommt die Betriebsbuße nur für Verstöße in Betracht, die sich gegen die betriebliche Ordnung richten, die mithin ein gemeinschaftswidriges Verhalten darstellen. Es muß - wie dies vielfach bezeichnet wird - immer ein kollektiver Bezug vorhanden sein (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG, Urteile vom 5. Dezember 1975 - 1 AZR 94/74 - = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße (zu 1 der Gründe), auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, vom 22. Februar 1978 - 5 AZR 8o1/76 - = AP Nr. 84 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht (zu I 1 der Gründe) und vom 3o. Januar 1979 - 1 AZR 342/76 - DB 1979, 1511 = (demnächst) AP
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Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße (zu I 1 a der Gründe)). Zum anderen hat die Betriebsbuße Strafcharakter (BAG aa0). Sie soll nicht nur pflichtgemäßes Verhalten des Arbeitnehmers bewirken, sondern sie soll auch begangenes Unrecht sanktionieren (vgl. für viele Wiese in GK-BetrVG, § 87 RdNr. 63 b).
b) Der Senat braucht nicht zu prüfen, welche Grenzen solchen Betriebsstrafen gezogen sind, die in jedem Fall nur auf der Grundlage einer mit dem Betriebsrat vereinbarten Bußordnung zulässig sind und die auch im Einzelfall nur unter Mitbestimmung des Betriebsrats verhängt werden dürfen. Nach der Auslegung des Schreibens vom 3o. Oktober 1975 durch das Landesarbeitsgericht war der darin ausgesprochene "Verweis" nicht als Betriebsbuße in dem gekennzeichneten Sinn aufzufassen, sondern als eine von der Beklagten in Ausübung ihres vertraglichen Rügerechts ausgesprochene "Abmahnung". Durch eine solche Abmahnung weist der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer aufgrund seiner Gläubigerbefugnis auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht auf Verletzungen der Vertragspflicht aufmerksam. Zugleich fordert er für die Zukunft vertragstreues Verhalten und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für erneuten Vertragsverletzung an.
Die nicht an das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gebundene Abmahnung des Arbeitgebers darf keinen zweck hinausgehenden Sanktionscharakter haben. Unwerturteil über die Person des Arbeitnehmers enthalten. Das schließt nicht aus, daß der Arbeitgeber die Schwere der Vertragspflichtverletzung zum Ausdruck bringt oder eine wiederholte Verletzung vertraglicher Pflichten besonders kennzeichnet.
c) Wenn ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zugleich gegen die betriebliche Ordnung verstößt, kann der Arbeitgeber es entweder bei einer vertraglichen Abmahnung bewenden lassen oder er kann sich, sofern eine Bußordnung in dem Betrieb besteht, mit dem Betriebsrat über die Verhängung einer Betriebsbuße einigen. Ob eine mißbilligende Äußerung des Arbeitgebers eine - ohne Mitbestimmung des Betriebsrats unzulässige - Betriebsbuße oder eine Abmahnung bedeutet, muß im Zweifelsfall durch Auslegung ermittelt werden.
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Der Senat hatte Bedenken, ob die Verwendung des typisch disziplinarrechechen Ausdrucks "Verweis" nicht anzeigt, daß die Beklagte in Wahrheit eine Buße verhängen wollte. Die Formalisierung einer Mißbilligung deutet- insbesondere dann, wenn sie in einer Stufenfolge wie "Verwarnung, Verweis, Versetzung, Entlassung" erscheint - darauf hin, daß eine Maßnahme des Arbeitgebers Sanktionscharakter trägt und deshalb der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (vgl. Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., Band II, § 87 RdNr. 74; Wiese, GK-BetrVG, § 87 RdNr. 63 g, jeweils m.w.N.). Ein Arbeitgeber, der nur abmahnen will, sollte seine Beanstandung, schon um Mißdeutungen zu vermeiden, auch so bezeichnen.
Es ist aber unter den hier gegebenen Umständen nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht "ungeachtet der verwendeten Bezeichnung" das Schreiben vom 3o. Oktober 1975 als lediglich individualrechtliche Rüge verstanden hat; zumal der Bezeichnung einer Abmahnung als "Verwarnung, Verweis oder Ermahnung" in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bisher keine Bedeutung beigemessen worden ist. Das beim Kläger feststellte Manko berührt die betriebliche Ordnung kaum. Das Landesarbeitsgericht sagt mit Recht, daß die Beklagte dem Kläger eine Verletzung der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden, durch die Dienstanweisung für Schaffner konkretisierten Vertragspflicht vorhält. Die angekündigten Folgen beschränken sich auf verstärkte Kontrollen; das ist keine Strafmaßnahme. Die Revision hat die Auslegung des Schreibens vom 3o. Oktober 1975 als mitbestimmungsfreie Abmahnung auch nicht angegriffen.
2. a) Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht auch darin, daß das Rücknahmebegehren des Klägers nicht gerechtfertigt ist. Der dem Kläger mit Schreiben vom 3o. Oktober 1975 erteilte Verweis beruht unstreitig auf einem wahren und zutreffenden Sachverhalt. Der Kläger bestreitet nicht, daß er bereits am 21. Februar 1974 wegen eines am 18. Februar 1974 festgestellten Fehlbetrages verwarnt und daß bei der am 14. Oktober 1975 unvermutet vorgenommenen Kontrolle erneut ein Fehlbetrag in Höhe von 3o,85 DM festgestellt wurde. Durch dieses Fehlverhalten hat der Kläger gegen
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seine arbeitsvertragliche Sorgfaltspflicht beim Verkauf von Fahrscheinen und der Verwahrung des eingenommenen Geldes verstoßen, wie sie sich insbesondere aus der Dienstanweisung für den Schaffnerdienst ergibt. Die Beklagte war berechtigt, im Rahmen des ihr zustehenden vertraglichen Rügerechts diese Nachlässigkeit des Klägers abzumahnen, ihm dringend zu empfehlen, die Fahrschein-und Geldbestände künftig in Ordnung zu halten und ihm vermehrte Kontrollen anzukündigen. Die von der Beklagten ausgesprochene Abmahnung dient im Gegenteil auch dem wohlverstandenen Interesse des Klägers. Es ist daran zu erinnern, daß der Arbeitgeber bei Störungen im sog. Leistungsbereich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sogar verpflichtet ist, den Arbeitnehmer zunächst abzumahnen, bevor er ihm wegen eines Fehlverhaltens kündigt (vgl. AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung (zu 4 c der Gründe) und das zu I bereits genannte Urteil vom 30. Januar 1979 (zu I 1 b der Gründen)).
b) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob das festgestellte Manko dem Kläger subjektiv vorwerfbar ist. Das folgt daraus, daß die Beanstandung der Beklagten keinen Strafcharakter trägt. Für die vertragliche Abmahnung kommt es nur darauf an, ob der Arbeitnehmer seine Vertragspflichten objektiv verletzt hat. Auch der Umstand, daß Fehlbestände bei Fahrbediensteten des öffentlichen Nahverkehrs nichts außergewöhnliches sind und die Beklagte mit Rücksicht darauf ihren Fahrbediensteten ein monatliches Mankogeld von l0,-- DM zum Ausgleich etwaiger Fehlbeträge gewährt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Wenn die Beklagte wegen des erhöhten Risikos beim Fahrscheinverkauf, vor allem in den Stoßzeiten des Verkehrs, diesen Ausgleich gibt, erklärt sie damit nicht im Widerspruch zu ihrer Dienstanweisung Fehlbeträge für gerechtfertigt, erst recht nicht Fehlbeträge, die wie im Falls Klägers die 10,-- DM-Grenze überschreiten.
Weiter meint die Revision, die Feststellung eines Fehlbestandes bei einer Selbstkontrolle mit anschließendem Ausgleich mittels Mankogeldes und die Feststellung eines Fehlbestandes bei einer zufälligen Kontrolle durch Dritte und ebenfalls Ausgleichung durch Mankogeld seien zwei völlig identische Situationen, die von der
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Beklagten nicht unterschiedlich behandelt werden dürften. Das ist nicht richtig. Zum einen erhält die Beklagte von festgestellten Fehlbeständen bei Selbstkontrolle in der Regel keine Kenntnis und kann daher auch keine Maßnahmen ergreifen. Zum anderen korrigiert im ersten Fall der Fahrbedienstete seinen Fehler ohne Mitwirkung Dritter von sich aus. Bei Fehlbeständen, die bei unvermuteten Kontrollen durch die Beklagte festgestellt werden, wird das Fehlverhalten nicht vom Fahrbediensteten selbst erkannt und ausgeglichen, sondern erst durch die Kontrolle Dritter offenkundig. Es ist daher nur natürlich, daß beide Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden. Die Revision irrt ferner, wenn sie meint, der ausgesprochene Verweis sei schon deshalb unzulässig, weil die Beklagte festgestellte Zuvielbeträge anstandslos hingenommen habe. Auch hier verkennt die Revision, daß aus dem rügelosen Hinnehmen von Zuvielbeträgen für die Beklagte nicht die Verpflichtung folgt, auch Fehlbestände ohne Rüge zu akzeptieren.
c) Der schriftlich erteilte Verweis ist schließlich, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht unverhältnismäßig im Vergleich zum Fehlverhalten des Klägers, dies schon deshalb nicht, weil die Beklagte auf Sanktionen verzichtet und sich mit einer Abmahnung begnügt hat. Daß die Beklagte die Abmahnung in die Personalakten des Klägers aufgenommen hat, ist sachgerecht. Ihr Schreiben enthält weder unwahre Behauptungen, noch verletzt es durch seine Form die Ehre des Klägers.
gez.: Dr. Hilger
Dr. Heither
Dr. Leinmann
Liebsch
Halberstadt
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