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LAG Hamm, Urteil vom 25.09.2009, 19 Sa 383/09
Schlagworte: | Personalakte | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Hamm | |
Aktenzeichen: | 19 Sa 383/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 25.09.2009 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Siegen, Urteil vom 4.12.2008, 1 Ca 1139/08 | |
19 Sa 383/09
1 Ca 1139/08
Arbeitsgericht Siegen
Verkündet am 25.09.2009
Weller Regierungsbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Landesarbeitsgericht Hamm
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
hat die 19. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm
auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.2009
durch den Richter am Arbeitsgericht Kleveman als Vorsitzenden
sowie die ehrenamtlichen Richter Volkenrath und Löcke
für Recht erkannt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 04.12.2008 – 1 Ca 1139/08 wird abgeändert.
Der beklagte Verein wird verurteilt, die mit „Ermahnung" überschriebene Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der beklagte Verein.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten um die Entfernung eines mit „Ermahnung Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 mit Frau H1 K1" betitelten Schreibens der Beklagten aus der Personalakte der Klägerin.
Die Beklagte betreibt in der Form eines eingetragenen Vereins ein soziales Dienstleistungsunternehmen, das in Nordrhein-Westfalen Hilfen für Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bereitstellt. Sitz und Hauptverwaltung befinden sich in G3. Räumlich ist es gegliedert in die Regionen Ruhrgebiet, Westfalen Nord und Westfalen Süd.
Die Beklagte betreibt in der Region Westfalen Süd unter anderem das "Haus am S7" in 56789 B2 L2. In dieser Einrichtung ist die Klägerin seit dem 01.01.1995 als Altenpflegerin gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 3.500,00 EUR tätig auf der Basis eines vom 02.06.1995 datierenden Arbeitsvertrages. In dessen Präambel heißt es: "Caritas ist eine Lebens- und Wesensäußerung der Katholischen Kirche. Der S3 S4. G2 e. V. ist dem deutschen Caritasverband angeschlossen. Seine Einrichtung dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe. Alle in de Einrichtung tätigen Mitarbeiter bilden ohne Rücksicht auf ihre arbeitsrechtliche Stellung und Tätigkeit eine Dienstgemeinschaft und tragen gemeinsam zur Erfüllung der Aufgaben der Einrichtung bei". Gemäß § 6 des Vertrages stimmen die Parteien darüber ein, dass ein grober äußerer Verstoß gegen kirchliche Grundsätze ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist. In § 4 wurde die Klägerin in die Vergütungsgruppe Mt-An Kr. 5 der Anlage 1 b Abschnitt A zum BAT-LWL eingruppiert. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Dienstverhältnis im Übrigen nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Landschaftsverband jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Nach § 8 bestehen weitere Vereinbarungen nicht. Spätere Vereinbarungen bedürfen zur ihrer Gültigkeit der Schriftform unter Bezugnahme auf diesen Vertrag (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Arbeitsvertrages Bl. 7 ff., Anlage K 1 verwiesen).
Kurz vor Ablauf der in § 3 des Arbeitsvertrages vereinbarten sechsmonatigen Probezeit wandte sich die Klägerin, eine bekennende Muslima, mit Schreiben vom 25.03.1996 an die
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Heimleitung des Hauses am S7 und listete unter der Überschrift: "Betrifft: Aufgaben und Tätigkeiten die nicht, in Bezug auf meine Arbeitsbeschäftigung hier im Haus von mir verrichtet und ausgeführt und auch nicht durch mich an andere deligiert werden können" (sic) folgendes aus:
„
alle Aufgaben und Tätigkeiten, die wie man sagt mit der Kirche zu tun oder in Verbindung/Zusammenhang gebracht werden, d.h.:
- keinen Bewohner zur Kirche bringen oder begleiten oder zum Kirchgang auffordern oder daran erinnern, dass beinhaltet auch die Leichenhalle und den Friedhof.
- keine Bekanntmachungen durch Wort mündlich oder durch Zettel mit dem Hinweis, wann wie man sagt, Kirche ist oder das anbringen/aufhängen zur Bekanntgabe.
- kein Lesen und Vorlesen wie man sagt aus der Bibel oder anderen Kirchenblättern oder Kirchenbücher auch keine Gebete lesen oder sprechen.
- kein Singen oder Vorsingen kirchlicher Lieder.
- keine Weihnachts- oder Oster- o. a. kirchliche Feiertagsgeschenke einkaufen/besorgen oder weitergeben oder aus-/verteilen.
- keine Weihnachts- oder Oster- oder sonst den kirchlichen Feiertagen entsprechende Vorbereitungen treffen, organisieren oder ausführen oder anbringen, dazu zählt auch das Raum herrichten für einen, wie man sagt, Gottesdienst oder das Dekorieren wie z. B. Weihnachtsbaum schmücken, Feiertagsfensterbilder herstellen oder anbringen, Tischdecken auflegen und auch das Eier färben oder Plätzchen backen u. a.
- keine Vorbereitungen oder Gespräche während der Sterbebegleitung oder zum Ablauf der Beerdigung eines Bewohners mit dem Pfarrer oder sonst einer beauftragten Person, welche in die kirchlichen Bereiche fallen.
Alkohol – besorgen, anbieten oder ausschenken an Bewohner, Arbeitskollegen oder sonstigen Personen z. B. Besucher des Hauses oder von Bewohnern." (Ablichtung Bl. 12 d. A.).
Mit Schreiben vom 27.03.1996 wandte sich die Heimleitung an die Regionalverwaltung/Personalabteilung des beklagten Vereins und teilte diesem mit: "Frau K1 kann folgende Tätigkeiten im Rahmen Ihres Dienstes als Altenpflegerin aus religiösen Gründen nicht ausführen (auch nicht deligieren):
- keinen Bewohner zur Kirche bringen/begleiten/zum Kirchgang auffordern/erinnern Diese Einschränkung betrifft ebenso den Friedhof und die Friedhofskapelle. Das Betreten des Friedhofes und die Teilnahme an der Beerdigung eines Heimbewohners/-in ist für Frau K1 als Einzelperson möglich, allerdings ebenfalls ohne Betreten der Friedhofskapelle.
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- keine schriftlichen oder mündlichen Bekanntmachungen zu kirchlichen Gottesdiensten weitergeben bzw. anbringen/aufhängen.
- kein Lesen oder Vorlesen aus der Bibel, Kirchenblättern oder Kirchenbüchern, ebenso keine Gebete lesen oder sprechen.
- kein Singen oder Vorsingen kirchlicher Lieder.
- keine kirchlichen Feiertagsgeschenke (Weihnachten/Ostern) einkaufen/besorgen/weitergeben/aus- und verteilen.
- keine den kirchlichen Feiertagen entsprechende (z. B. Weihnachten/Ostern) Vorbereitungen treffen, organisieren, ausführen oder anbringen.
Hierzu zählt auch das Herrichten oder Dekorieren eines Raumes für einen Gottesdienst, das Schmücken des Weihnachtsbaumes, das Herstellen und Anbringen von Feiertags-Fensterbildern, das Auflegen der Tischdecken sowie das Färben von Ostereiern und das Backen von Weihnachtsplätzchen.
- keine Vorbereitung oder Gespräche mit dem Pfarrer oder einer sonstigen kirchlich beauftragten Person während der Sterbebegleitung oder zum Ablauf der Beerdigung eines Heimbewohners/-in.
- kein Besorgen, Anbieten, Ausschenken von Alkohol an Bewohner, Arbeitskollegen oder sonstige Personen, z. B. Besucher.
Ich bitte um Prüfung, ob o. g. Vereinbarung aus der Sicht der Regionalleitung bzw. des Vorstandes mit den Grundsätzen des Sozialwerks S4. G2 (insbesondere der Präambel im Arbeitsvertrag) vereinbar sind. Insgesamt ist Frau K1 eine sehr kompetente und engagierte Mitarbeiterin, die wir gerne auch nach der Probezeit weiter beschäftigen möchten.
Ich bitte um Mitteilung, wie weiter verfahren werden soll." (wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf das in Ablichtung Anlage K2 Bl. 10 f. d. A. verwiesen).
Eine Reaktion auf dieses Schreiben erhielt die Heimleitung nicht, jedenfalls wurde der Klägerin keine Reaktion auf dieses Schreiben mitgeteilt.
Die Klägerin geht davon aus, dass ihr Schreiben vom 25.03. bzw. das Schreiben vom 27.03.1996 als Anlage zur Personalakte der Klägerin beim beklagten Verein genommen worden ist.
Die Heimleitung kommunizierte in der Folgezeit auch nach außen, dass die Klägerin aus religiösen Gründen bestimmte Tätigkeiten bzw. Aufgaben nicht übernehmen könne.
Im Zusammenhang mit einer Reduzierung der Arbeitszeit im April 2000 telefonierte die Klägerin mit der Heimleiterin Frau Z1-K3 und fragte, was denn mit der Zusatzvereinbarung
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vom 27.03.1996 sei. Frau Z1-K3 bestätigte der Klägerin, dass die Zusatzvereinbarung von dem neuen Arbeitsvertrag nicht berührt werde, da es sich lediglich um eine Stundenreduzierung handele. Nach diesem Telefonat hat die Klägerin den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben.
Im ersten Quartal 2007 wurde die Klägerin von der Einrichtungsleitung/Fachleitung gebeten, Angehörige einer kurze Zeit vorher im Heim "Haus am S7" verstorbenen Frau, die eine Urnenbestattung in B2 L2 haben sollte, über den Termin zu unterrichten. Die Klägerin wies diese Bitte unter Hinweis auf ihre religiöse Einstellung zurück, weil an der Urnenbestattung auch ein evangelischer Pfarrer teilnehmen sollte.
Ende August 2007 wollte die Pfarrerin Frau L3 aus B2 L2 wissen, weshalb keine Bewohner mehr zum Gottesdienst kämen. Die Bürohilfe des beklagten Vereins, Frau J1 P1, wollte dieses Telefonat zur Klägerin durchstellen. Daraufhin äußerte die Klägerin gegenüber Frau P1, dass dies nicht in ihren Arbeitsbereich falle und dass sie dafür nicht zuständig sei. Aufgrund ihrer religiösen Einstellung und unter strikter Beachtung der Negativliste in Bezug auf Tätigkeiten, die mit kirchlichen Belangen in Zusammenhang stehen, lehne sie die Weitergabe von diesbezüglichen Informationen ab. Streitig ist, ob zu diesem Zeitpunkt andere Mitarbeiter der Einrichtung sich in der Pause befanden und damit nicht zur Verfügung standen. Die Klägerin meint, die gewünschte Auskunft hätte von ihrem Kollegen vorgenommen werden können, der sich auf der Station im Dienst befunden habe, was der Fachleitung bekannt war. Später erfolgte ein weiterer Anruf der Pfarrerin, der dann von einem Kollegen der Klägerin mitgeteilt wurde, dass bei den Bewohnern kein Interesse an kirchlichen Veranstaltungen bestehe und sie deshalb nicht erschienen. Die Beklagte behauptet, der Vorfall mit dem Telefonat mit der Pfarrerin habe sich anders zugetragen. Die Klägerin habe nicht der Pfarrerin antworten sollen, sondern lediglich die Information weitergeben sollen, dass der nächste Gottesdienst nicht vom katholischen Pfarrer, sondern vom evangelischen Pfarrer übernommen wird.
Am 12.09.2007 wurde die Klägerin zur Heimleitung zu einem persönlichen Gespräch gebeten. Das Gespräch wurde seitens Frau Z1-K3 damit eröffnet, die darauf hinwies, dass innerhalb kürzester Zeitspanne gleich zwei Beschwerden gegen die Klägerin vorlägen. Sie würde die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behindern. Diese behaupteten, die Klägerin würde immer wieder "neue Dinge" im Bezug auf ihre Religion versuchen durchzusetzen. Das Verhalten der Klägerin gehe entschieden zu weit, dies würde man nicht länger dulden. Wenn die Klägerin Angelegenheiten nicht einmal weitergeben würde oder könnte und man dafür extra einen Kollegen ans Telefon holen müsse, damit dieser das
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Gespräch führen könne, dann wäre es sicherlich für die Klägerin besser, wenn sie in einer anderen Einrichtung arbeite und nicht im "Haus am S7", einer kirchlichen Einrichtung. Die Klägerin berief sich ihrerseits auf ihr Schreiben vom 25.03.1996 bzw. das Schreiben "Anlage zum Arbeitsvertrag vom 27.03.1996". Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, wenn sie im Zusammenhang damit bei ihrer religiösen Auffassung verbleibe, müsse man die Angelegenheit prüfen, um zu sehen, welche weiteren Schritte einzuleiten wären. Die Klägerin wurde darauf hingewiesen, dass ihr Verhalten von der Heimleitung als übertrieben angesehen wird und gebeten, noch einmal aufzulisten, welche Tätigkeiten sie nicht ausüben könne.
Am 24.10.2007 wurde die Klägerin erneut zu einem Gespräch mit der Heimleitung im Beisein der Fachleitung gebeten. Frau Z1-K3 erläuterte noch einmal kurz den Gesprächsinhalt vom 12. September 2007 und verwies darauf, das erbetene Schreiben, in dem die Klägerin mitteilen sollte, dass sie den Arbeitsablauf nicht wegen ihrer Religion behindern würde und sich ein solches Vorkommnis, wie geschehen, nicht noch einmal wiederholen würde, sei bislang nicht eingetroffen. Frau Z1-K3 legte der Klägerin dann ein Schreiben vor, welches mit dem Wort "Ermahnung Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 mit Frau H1 K1" überschrieben war und forderte die Klägerin auf, dieses Schreiben an der dafür vorgesehenen Stelle zu unterzeichnen. Die Klägerin bat sich Bedenkzeit aus. Ihr wurde daraufhin ein Exemplar dieses Schreibens ausgehändigt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens Anlage K 2, Bl. 13 d. A. verwiesen).
Mit Schreiben vom 12.11.2007 nahm der spätere Prozessbevollmächtigte der Klägerin für die Klägerin hierzu Stellung. Er verwies darauf, dass sich die Klägerin so verhalten habe, wie es ihr durch ihre Religion vorgegeben sei. Daraus könne der Klägerin kein Vorwurf gemacht werden. Die Klägerin betrachte die Angelegenheit als erledigt (wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtung dieses Schreibens Anlage K 4, Bl. 14 ff. d. A. verwiesen).
Am 27.11.2007 zeigte die Heimleitung der Klägerin ein von der Heimleitung und der Fachleitung unterzeichnetes Schreiben auf ihren Briefbogen, das inhaltlich mit dem Schreiben vom 24.10.2007 identisch ist. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass dieses Schreiben nun ohne Unterschrift der Klägerin zur Personalakte genommen werde.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.12.2007, beim Arbeitsgericht Siegen am 20.12.2007 eingegangen, Klage erhoben.
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Die Klägerin meint, dass die Abmahnung vom 24.10.2007 aus ihrer Personalakte zu entfernen ist. Mit der Aufnehme in die Personalakte habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie dem anwaltlichen Schreiben vom 12.11.2007 keinerlei Bedeutung beimesse. Der Klägerin werde völlig zu Unrecht ein verhaltensbedingtes Fehlverhalten vorgeworfen. Eine derartige Vertragsverletzung einmal unterstellt, sei die Abmahnung jedenfalls unverhältnismäßig.
Mit Schreiben vom 17.01.2008 teilten die Prozessbevollmächtigten des beklagten Vereins dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass es sich bei dem Schreiben vom 24.10.2007 nicht um eine Abmahnung im Rechtssinne handele. Sie baten um Mitteilung, ob die Klage zurückgenommen und der Gütetermin vom 22.01.2008 entfallen könne.
Im Gütetermin regten die Parteivertreter im Hinblick auf eine außergerichtliche Einigung an, das Verfahren zunächst ruhend zu stellen. Im April 2008 fand ein Besprechungstermin der Parteien in B2 L2 statt. Der Verlauf dieses Gesprächs wird von den Parteien unterschiedlich dargestellt (hinsichtlich der Position der Klägerin wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 19.11.2008 verwiesen, hinsichtlich der Position des beklagten Vereins wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 03.09.2008 unter II.). Da die Klägerin nach dem Gespräch vom 16.04.2008 keine verfahrensbeendende Erklärung abgab, obwohl der beklagte Verein der Klägerin mit Schreiben vom 02.07.2008 hierzu eine zweiwöchige Frist gesetzt worden hatte (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Schreibens Anlage K 5, Bl. 57 ff. d. A. verwiesen), beantragte der beklagte Verein die Fortsetzung des Verfahrens.
Ein vom Prozessgericht unter dem 16.04.2008 unterbreiteter Vergleichsvorschlag: "1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die mit „Ermahnung" überschriebene Gesprächsnotiz des Beklagten vom 24.10.2007 keine Abmahnung darstellt und eine solche auch nicht darstellen sollte, insbesondere keine Kündigungsankündigung für den Wiederholungsfall des dort gerügten Verhaltens der Klägerin darstellt.
2. Soweit noch nicht geschehen wird der Beklagte die Klageschrift vom 13.12.2007 zur Personalakte der Klägerin nehmen.
3. ..." (Bl. 27 d. A. ) wurde vom beklagten Verein abgelehnt.
Im Juli 2008 weigerte sich die Klägerin, eine Mitarbeiterinformation zum AGG abzuzeichnen, legte diese ihrem Prozessbevollmächtigten zur Überprüfung vor und gab hierzu über ihren Prozessbevollmächtigten eine Stellungnahme ab.
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Die Klägerin stellte sich in der Folgezeit auf den Standpunkt, aufgrund der Äußerungen des beklagten Vereins müsse zwischen den Parteien geklärt werden, ob die von ihr im März 1996 aufgestellte Negativliste als Zusatzvereinbarung Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien ist und kündigte insoweit im Schriftsatz vom 19.11.2008 einen entsprechenden Feststellungsantrag an. Diesen Antrag hat die Klägerin auf Anraten des Arbeitsgerichts Siegen zurückgenommen.
Sie hat zuletzt beantragt,
die als Ermahnung deklarierte Abmahnung des Beklagten vom 24.10.2007 ist auf Dauer aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen;
hilfsweise: die Klageschrift vom 13.12.2007 seitens des Beklagten zu der Personalakte der Klägerin zu nehmen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der beklagte Verein meint, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil es sich bei dem Schreiben vom 24.10.2007 nicht um eine Abmahnung im Rechtssinne handelt, was mit Schreiben vom 17.01.2008 klargestellt worden sei.
Der beklagte Verein könne und werde die von der Klägerin an den Tag gelegten Verhaltensweisen nicht dulden. Der Klägerin sei bekannt, dass sie in einer caritativen Einrichtung beschäftigt ist. In dem Dienstvertrag vom 02.06.1995 habe sie die Präambel akzeptiert, wonach Caritas eine Lebens- und Wesensäußerung der katholischen Kirche ist und seine Einrichtung der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe ist. Vor diesem Hintergrund könne die Klägerin nicht ernsthaft erwarten, an ihrem Arbeitsplatz nicht gelegentlich mit Begriffen konfrontiert zu werden, die einen christlich-kirchlichen Bezug haben.
Der Vorwurf, der beklagte Verein beeinträchtige die Klägerin durch dienstliche Anweisungen in ihrer Religionszugehörigkeit, sei unzutreffend und werde zurückgewiesen. Hinsichtlich des Schreibens der Klägerin vom 25.03.1996 verweist der beklagte Verein darauf, dass gemäß § 8 des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02.06.1995 spätere Vereinbarungen zu ihrer Gültigkeit der Schriftform unter Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag bedurften. Nichts
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anderes gelte gemäß § 4 Abs. 2 BAT bzw. jetzt gemäß § 2 Abs. 3 TVöD, deren Geltung gemäß § 2 des Arbeitsvertrages schuldrechtlich vereinbart worden ist. Eine Bestätigung des beklagten Vereins, dass den Vorbehalten der Klägerin zugestimmt bzw. der abgeschlossene Dienstvertrag geändert wird, sei zu keinem Zeitpunkt abgegeben worden. Diese könne auch nicht in dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreibens der Einrichtungsleitung an die Regionalverwaltung des beklagten Vereins vom 27.03.1996 gesehen werden.
Das Arbeitsgericht Siegen hat durch Urteil vom 04.12.2008 – 1 Ca 1139/08 die Klage sowohl bezüglich des Haupt- als auch des Hilfsantrages abgewiesen.
Es hat zur Begründung ausgeführt, bei der Ermahnung vom 24.10.2007 handele es sich nicht um eine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinn. Vor diesem Hintergrund sei die ständige Rechtsprechung zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Entfernung einer unberechtigten Abmahnung aus seiner Personalakte nicht einschlägig. Auch im Übrigen bestehe kein Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte. Der Arbeitnehmer habe nicht das Recht, die Entfernung einer jedweden, seiner Arbeitsweise sein Verhalten missbilligenden Äußerung seines Arbeitgebers, der in schriftlicher Form zu seiner Personalakte gelangt ist, zu verlangen. Die Aufnahme einer Ermahnung in die Personalakte des Arbeitnehmers beeinträchtigte den Arbeitnehmer nicht in gleichem Umfang wie eine erteilte Abmahnung in seinem Persönlichkeitsrecht und seinem beruflichen Fortkommen.
Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Die Klägerin habe zwar einen Anspruch darauf, ähnlich wie bei einer Abmahnung eine Gegendarstellung zu einer Ermahnung zu ihrer Personalakte zu geben. Die Klageschrift vom 13.12.2007 stelle jedoch keine Gegendarstellung in diesem Sinne dar. Denn die Klägerin nehme nicht nur konkret zum Inhalt der Ermahnung vom 24.10.2007 Stellung, sondern setzte sich darüber hinaus auch mit anderen Vorkommnissen im Arbeitsverhältnis und dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien auseinander. Die Klägerin habe keinen Anspruch darauf, dass auch diese Ausführungen in der Klageschrift und damit die Klageschrift als solche zur Personalakte genommen werde.
Gegen dieses der Klägerin am 18.12.2008 zugestellte Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit einer unterzeichneten Berufungsschrift vom 14.01.2009, am gleichen Tag beim Landesarbeitsgericht Hamm eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zur Begründung der Berufung bis zum 19.03.2009 mit Schriftsatz vom 16.03.2009 beim Landesarbeitsgericht am 17.03.2009 eingegangen, begründet.
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Die Klägerin sei nach wie vor der Auffassung, dass das Schreiben des beklagten Vereins vom 24.10.2007 die rechtliche Qualifikation einer Abmahnung habe. Der Klägerin werde ein massiver Vorwurf gemacht. Sie werde unmissverständlich darauf hingewiesen, dass bei einer Wiederholung eines solchen Vorfalls man sich gezwungen sieht, arbeitsrechtliche Konsequenzen einzuleiten. Nach Auffassung der Klägerin beinhalte die Ankündigung, arbeitsrechtliche Konsequenzen einzuleiten, eine kündigungsrechtliche Warnfunktion. Im konkreten Fall habe die Klägerin den Hinweis nur so verstehen können, dass im Wiederholungsfall eine Kündigung ausgesprochen würde. Unerheblich sei, ob der Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits erklärt habe, das Schreiben vom 24.10.2007 solle keine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne darstellen. Entscheidend sei, zu welcher Beurteilung das Schreiben beim Arbeitnehmer geführt habe.
Das Arbeitsgericht Siegen habe zumindest dem Hilfsantrag der Klägerin stattgeben müssen, zumal das Gericht selbst mit einem Vergleichsvorschlag Aufnahme der Klageschrift als Gegendarstellung angeregt habe. Die Klageschrift beinhalte eine Stellungnahme zum Schreiben des beklagten Vereins vom 24.10.200. Unerheblich sei, ob in der Klageschrift auch noch zu anderen Vorkommnissen im Arbeitsverhältnis Stellung genommen werde.
Die Klägerin hat zuletzt der Klagerücknahme im Übrigen beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichts Siegen – 1 Ca 1139/08 vom 04.12.2008 die Beklagte zu verurteilen, die mit "Ermahnung" überschriebene Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Der beklagte Verein beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung der Klägerin bereits für unzulässig, da sich die Klägerin in der Berufungsbegründung mit den wesentlichen Entscheidungsgründen nicht eingehend auseinander gesetzt habe, sondern vielmehr im wesentlichen ihre Rechtsauffassung aufrecht erhalten habe, dass das Schreiben vom 24.10.2007 die rechtliche Qualifikation einer Abmahnung habe. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht den Antrag aus insgesamt zutreffenden Gründen abgewiesen. § 83 Abs. 2 BetrVG sei bei dem Beklagten als Mitglied
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des Caritas wegen § 108 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht anzuwenden. Der gemäß § 2 des Arbeitsvertrages der Parteien inzwischen auf das Arbeitsverhältnis anwendbare TVöD-VKA enthalte in seinem § 3 Abs. 5 keine vergleichbare Regelung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.
Die Bedenken des beklagten Vereins gegen die Zulässigkeit der Berufung greifen nicht durch. Die in § 520 Abs. 3 S. 2 ZPO gewählte Formulierung "die Berufungsbegründungsschrift muss enthalten" bedeutet nicht, dass notwendigerweise zu allen drei der unter Nr. 2) bis 4) angeführten Berufungsgründen Ausführungen zu machen sind. Vielmehr kann sich die Berufungsbegründung darauf beschränken, nur einen der genannten Berufungsgründe zur Rechtfertigung der Berufung heranzuziehen. Hier hat die Klägerin ihre Berufung auf die Rüge der Rechtsverletzung, § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO beschränkt und sich auf die Ziffer 2), d. h. die Anwendung des materiellen Rechts gestützt. Wer die materielle Rechtsanwendung des Erstgerichts bemängelt, muss ausführen, welche anders lautenden eigenen Rechtsansichten er vertritt. Dies ergibt sich hier hinreichend aus der Berufungsbegründungsschrift.
Bei teilbaren Streitgegenständen, wie hier beispielsweise Haupt- und Hilfsantrag, muss zu jedem Teil eine den Anforderungen des § 520 Abs. 2 genügende Berufungsbegründung geliefert werden, andernfalls ist die Berufung hinsichtlich des nichtbegründeten Teils unzulässig. Die Klägerin hat auch zum Hilfsantrag ausführlich vorgetragen, warum sie die Anwendung des materiellen Rechts für unzutreffend hält.
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II.
Auch in der Sache hat die Berufung Erfolg. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht die Klage in dem den Gegenstand der Berufung ergebenden Umfang abgewiesen.
Die Klägerin hat in entsprechender Anwendung der Bestimmungen der §§ 242,1004 BGB einen Anspruch auf Entfernung des vom 24.10.2007 datierenden Schreibens "Ermahnung Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 mit Frau H1 K1" aus ihrer Personalakte.
1.
In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist ganz überwiegend anerkannt, dass ein Arbeitnehmer sich gegen die aus seiner Sicht unberechtigte Abmahnung auch durch Erhebung einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu Wehr setzen kann. Einer derartigen Klage fehlt nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Die Zulässigkeit einer solchen Klage ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer berechtigt ist, eine Gegendarstellung zur Personalakte abzugeben und/oder die Berechtigung der Abmahnung in einem späteren Kündigungsschutzprozess nachprüfen zu lassen.
Das Rechtsschutzbedürfnis an der Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte wird damit begründet, dass eine unberechtigte Abmahnung die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers sein kann und eine solche Gefahr mit ihrer Einführung in die Personalakte besteht (BAG vom 05.08.1992 – 5 AZR 531/91; BAG vom 15.07.1992 – 7 AZR 466/91; BAG vom 14.09.1994 – 5 AZR 632/93; BAG vom 15.04.1999 – 7AZR 716/97; BAG vom 11.12.2001 – 9 AZR 964/00; KR/Fischermeyer, 8. Auflage, § 626 BGB, Rdnr. 282 f., APS/Dörner, 3. Auflage, § 1 KSchG, Rdnr. 415, Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 9. Auflage, Rdnr. 10; ErfK/Dieterich, 8. Auflage, Art. 2 GG, Rdnr. 103 m. w. N.).
Der Arbeitnehmer kann daher von seinem Arbeitgeber die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte verlangen, wenn diese aus formellen Gründen unwirksam ist, wenn sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (BAG vom 10.11.1993 – 7 AZR 682/92 unter 1. der Gründe, ständige Rechtsprechung, so BAG vom 11.12.2001 – 9 AZR 964/00), in ihr das Verhalten des Arbeitnehmers unrichtig rechtlich gewürdigt ist, sie nicht verhältnismäßig ist (BAG vom 10.11.1993, a. a. O., unter 6.) oder ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte nicht mehr besteht
- 13 -
(BAG vom 11.12.2001, a. a. O. sowie vom 18.11.1986 – 7 AZR 674/84 unter II. 4. der Gründe).
2.
Die vorstehend zitierte Rechtsprechung gilt entgegen der Rechtsansicht des beklagten Vereins, der sich das Arbeitsgericht Siegen angeschlossen hat, nicht nur für förmliche Abmahnungen, sondern für sämtliche schriftlichen Rügen, Verwarnungen und andere Schreiben, die zu den Personalakten genommen werden und die weitere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers nachteilig beeinflussen können.
Auch unberechtigte formelle Rügen können Grundlage für eine falsche Beurteilung sein und dadurch das berufliche Fortkommen behindern. Sie können den Arbeitnehmer darüber hinaus auch in seine Ehre berühren und damit sein Persönlichkeitsrecht verletzen (st. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG vom 22.05.1978 – 5 AZR 801/76 (Aktennotiz); BAG vom 30.01.1979 – 1 AZR 342/76 (Vermerk über eine Ermahnung); BAG vom 07.11.1979 – 5 AZR 962/77 (Verweis); BAG vom 18.08.1982 – 5 AZR 310/80 (Aktennotiz) sowie vom 27.11.1985 – 5 AZR 101/84 (Schreiben mit Kündigungsandrohung), ArbG Braunschweig vom 09.12.2004 - 8 Ca 351/04, Rdnr. 28; Beckerle, Die Abmahnung, 9. Aufl. 2005, Rdnr. 356).
In dem Verfahren 5 AZR 310/80 ging es um eine Aktennotiz vom 23.02.1979, die der Personalleiter zur Personalakte der Klägerin genommen hatte und die mit den Worten endet:"... um zu verhindern, dass wegen dieser wenig gewichtigen Rüge ein umfangreicher Prozess geführt würde, in dem sowohl die Kolleginnen als auch der Betriebsrat als Zeugen hätten aussagen müssen, habe ich trotz der Hinweise des Richters an die Gegenseite, das diese den Prozess wahrscheinlich verlieren würde, erklärt, die Rüge aus der Akte zu entfernen, aber gleichzeitig angekündigt, die Angelegenheit in einem Aktenvermerk festzuhalten".
Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage auf Entfernung der Aktennotiz statt. In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht folgendes ausgeführt: "Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer die Berechtigung einer missbilligenden Äußerung durch den Arbeitgeber wegen vertragswidrigen Verhaltens gerichtlich nachprüfen lassen, sofern diese missbilligende Äußerung nach Form und Inhalt geeignet ist, ihn seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen" (Rdnr. 18 m. w. N.). Zu den auf ihre Berechtigung nachprüfbaren Äußerungen des Arbeitgebers gehören in erster Linie die zu den Personalakten genommenen schriftlichen Abmahnungen. ... Aber auch andere
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schriftliche Äußerungen des Arbeitgebers, die die Leistung oder das Verhalten eines Arbeitnehmers rügen, kann der Arbeitnehmer mit einer Klage angreifen. Nachprüfbar sind die missbilligenden Äußerungen des Arbeitgebers, die nach Form oder Inhalt den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung beeinträchtigen können (BAG (vom 22.02.1978 – 5 AZR 801/76), AP Nr. 84 zu § 611 BGB, Fürsorgepflicht unter II. 1. der Gründe). Beeinträchtigt wird die Rechtsstellung des Arbeitnehmers dann, wenn eine zu den Personalakten genommene missbilligende Äußerung, sofern sie unberechtigt ist, die Grundlage für eine falsche Beurteilung des Arbeitnehmers abgeben und dadurch sein berufliches Fortkommen behindern kann. Sie ist daher, auch wenn sie den Arbeitnehmer nicht ausdrücklich ermahnt, sein Fehlverhalten zu ändern oder aufzugeben, wie eine Abmahnung gerichtlich nachprüfbar" (a.a.O. Rdnrn. 19 – 20).
3.
Bei der Gesprächsnotiz vom 24.10.2007 handelt es sich um eine solche auf ihre Berechtigung nachprüfbare missbilligende Äußerung.
a.
Entgegen der von dem beklagten Verein vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, wie die missbilligende Äußerung vom Arbeitgeber bezeichnet wird. Maßgeblich ist vielmehr, welchen Inhalt die Äußerung hat und ob sie nach Form und Inhalt geeignet ist, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers zu beeinträchtigen.
b.
Ihrem Inhalt nach enthält die Gesprächsnotiz eine Ermahnung und damit eine Rüge der Klägerin. In dem Schreiben wird festgehalten, dass die Heimleitung von dem Vorfall (Verweigerung der Weitergabe von Informationen hinsichtlich der Organisation des Gottesdienstes) vom 12.09.2007 Kenntnis bekommen hat und die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass dieses Verhalten auf keinen Fall geduldet wird, damit die Arbeitsabläufe in der Einrichtung und die Arbeit Anderer nicht in erheblichem Maße beeinträchtigt oder erschwert wird.
c.
Über diese Rüge hinaus enthält die Ermahnung die Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen in dem ausgeführt wird: "Sollte sich eine solcher Vorfall wiederholen, sehe ich mich daher gezwungen arbeitsrechtliche Konsequenzen einzuleiten".
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Diese missbilligende Äußerung ist nach Form und Inhalt geeignet, die Klägerin in ihrer Rechtsstellung zu beeinträchtigen. Sie muss befürchten, dass einer Wiederholung des gerügten Verhaltens arbeitsrechtliche Konsequenzen ergriffen werden.
Personalakten sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über die persönlichen und dienstlichen Verhältnisses des Arbeitnehmers geben. Mit diesem Zweck der Personalakte verträgt sich keine Beanstandung des Arbeitgebers, die sachlich unzutreffend ist, so dass auch ein derartiges mit "Ermahnung" überschriebenes Schreiben des Arbeitgebers juistiziabel ist.
4.
Die Ermahnung beeinträchtigt die Klägerin in ihrer Rechtsstellung.
a.
Die missbilligende Äußerung des beklagten Vereins ist zwar formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Der beklagte Verein war nach § 3, insbesondere § 3 Abs. 5 TVöD-VKA, nicht verpflichtet, die Klägerin vor Aufnahme in die Personalakte anzuhören. Sie hat dies dennoch im Gespräch vom 24.10.2007 getan und der Klägerin eine Ablichtung der "Ermahnung" als Entwurf ausgehändigt.
b.
Es kann dahin gestellt bleiben, ob in der Ermahnung das Verhalten der Klägerin rechtlich unrichtig gewürdigt ist oder ob die Ermahnung – wie die Klägerin meint - unverhältnismäßig ist.
c.
Denn im vorliegenden Fall ist die streitbefangene Ermahnung nach Auffassung der Kammer durch Zeitablauf obsolet geworden und muss schon aus diesem Grund aus der Personalakte der Klägerin entfernt werden.
Ob eine Abmahnung (oder eine andere missbilligende Äußerung des Arbeitgebers) nach Ablauf einer bestimmten Zeit wirkungslos geworden ist, lässt sich nur aufgrund aller Umstände des Einzelfalles beurteilen (BAG vom 18.11.1986 – 7 AZR 674/84, BAG vom 21.05.1987 – 2 AZR 213/86 sowie BAG vom 27.01.1988 – 5 AZR 604/86). Seit der Fixierung der schriftlichen Ermahnung vom 24.10.2007 und dem Gespräch der Parteien hierüber sind bei Beratung über das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Siegen etwa zwei Jahre vergangen.
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Zwar ist nicht allein wegen dieser Dauer die Gesprächsnotiz aus der Personalakte zu entfernen. Vielmehr sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Art der Verfehlung des Arbeitnehmers sowie sein weiteres Verhalten und die Einstellung des Arbeitgebers hierzu im Anschluss an die Abmahnung. Hierbei ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die in der Abmahnung erhobenen Vorwürfe geringfügig sind. Denn die Vorwürfe einer Vertragspflichtverletzung gegenüber der Klägerin betreffen nicht etwa deren Hauptleistungspflicht als Altenpflegerin, sondern eine vertragliche Nebenpflicht, hier die Kommunikation mit externen Anrufern. Sie selbst hatte die Angelegenheit vor Aufnehme der Gesprächsnotiz in die Personalakte nach dem Anwaltsschreiben als erledigt angesehen. Die beanstandete Verhaltensweise der Klägerin hat sich unstreitig nicht wiederholt. Die Klägerin ist wegen dieses oder eines ähnlichen Vorfalls nicht erneut abgemahnt worden. Der von dem beklagten Verein herangezogene Disput um die Quittierung der Informationen über das AGG ist beigelegt. Andererseits hat der beklagte Verein – allein schon durch das Gespräch vom der Parteien vom 24.10.2007, diesen Rechtsstreit und das Gespräch vom 16.04.2008 – hinreichend deutlich gemacht, dass er es künftig nicht dulden will, wenn die Klägerin unter Berufung auf ihrer religiösen Einstellung über bestimmte Themen mit außerstehenden Dritten nicht kommunizieren will. Dies scheint gefruchtet zu haben. Da sich seit dem Herbst 2007 kein gleichartiger Vorfall ereignet hat, ist es dem beklagten Verein verwehrt, nach fast zwei Jahren diese Ermahnung weiter in der Personalakte der Klägerin aufzubewahren.
Vor diesem Hintergrund besteht im vorliegenden Verfahren kein Anlass, zur praktischen Konkordanz der wechselseitigen Grundrechte und Glaubenseinstellungen detailliert Stellung zu nehmen. Insoweit ist die Sach- und Rechtslage mit den Parteien im Termin am 30.06.2009 erörtert worden. Sofern die Parteien in dieser Frage einer grundlegenden Klärung zu führen wollten, wäre es an der Zeit, entweder eine einvernehmliche Einigung darüber zu erzielen, inwieweit die Klägerin sich auf die sogenannte "Negativliste" vom 25.03.1996 berufen kann. Falls hierüber keine Einigung erzielt werden kann, müsste gegebenenfalls arbeitsgerichtlich geklärt werden, ob diese Negativliste Bestandteil des Arbeitsverhältnisses der Parteien geworden ist. Auch zu dieser Frage hat die Kammer Hinweise erteilt.
Da die Kammer dem Hauptantrag stattgegeben hat, ist der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung angefallen.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der beklagte Verein hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er unterlegen ist.
IV.
Die Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das erkennende Gericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt, auch bezüglich der Justiziabilität einer "missbilligender Äußerung" des Arbeitgebers, die in die Personalakte aufgenommen wird. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist für die klagende Partei ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Gegen dieses Urteil ist für die beklagte Partei mangels ausdrücklicher Zulassung die Revision nicht statthaft, § 72 Abs. 1 ArbGG. Wegen der Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde beim Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt, Fax-Nr. 0361/2636-2000 anzufechten, wird die beklagte Partei auf die Anforderungen des § 72 a ArbGG verwiesen.
Kleveman
Volkenrath
Löcke
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