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13: Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (Richtlinie 2014/67/EU)
Präambel
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 53 Absatz 1 und Artikel 62,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit sind Grundprinzipien des Binnenmarktes der Union, die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert sind. Die Umsetzung dieser Grundsätze wird durch die Union weiterentwickelt und soll gleiche Bedingungen für Unternehmen und die Achtung der Arbeitnehmerrechte gewährleisten.
(2) Die Dienstleistungsfreiheit umfasst das Recht von Unternehmen, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen, in den sie ihre Arbeitnehmer vorübergehend entsenden können, um diese Dienstleistungen dort zu erbringen. Zum Zwecke der Entsendung von Arbeitnehmern muss die Dienstleistungsfreiheit von der Freizügigkeit der Arbeitnehmer unterschieden werden, die allen Bürgern das Recht gibt, sich frei in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort zu arbeiten oder zu leben, und sie vor Diskriminierung bezüglich Beschäftigung, Entlohnung und anderen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im Vergleich zu Angehörigen des betreffenden Staates schützt.
(3) Für Arbeitnehmer, die zur Verrichtung von Arbeiten zum Zweck der Dienstleistungserbringung in einem anderen Mitgliedstaat als den, in dem sie gewöhnlich arbeiten, vorübergehend entsandt werden, enthält die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates einen Kernbestand klar definierter Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, deren Einhaltung von den Dienstleistungserbringern in demjenigen Mitgliedstaat gefordert wird, in den die Arbeitnehmer entsandt werden, um einen Mindestschutz der entsandten Arbeitnehmer zu gewährleisten.
(4) Alle im Rahmen dieser Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen sollten gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, damit kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entsteht, das Beschäftigungspotenzial insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) nicht eingeschränkt wird und zugleich die entsandten Arbeitnehmer geschützt werden.
(5) Um für die Einhaltung der Richtlinie 96/71/EG zu sorgen, ohne den Dienstleistungserbringern unnötige Verwaltungslasten aufzubürden, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die in den Bestimmungen dieser Richtlinie zur Feststellung einer tatsächlichen Entsendung und zur Verhinderung von Missbrauch und Umgehung genannten tatsächlichen Umstände als Anhaltspunkte zu betrachten und nicht erschöpfend sind. Insbesondere sollte es nicht erforderlich sein, dass bei jeder Entsendung jeder Umstand erfüllt ist.
(6) Unbeschadet der Tatsache, dass die Bewertung der als Anhaltspunkte dienenden tatsächlichen Umstände an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden und den Besonderheiten des Sachverhalts Rechnung tragen sollte, sollten die zuständigen Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten bei Sachverhalten, bei denen die gleichen tatsächlichen Umstände vorliegen, nicht zu einer unterschiedlichen rechtlichen Würdigung oder Bewertung kommen.
(7) Um der Umgehung und dem Missbrauch der geltenden Bestimmungen durch Unternehmen, die die im AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit und/oder die Anwendung der Richtlinie 96/71/EG missbräuchlich oder in betrügerischer Absicht nutzen, vorzubeugen sowie diese zu verhindern und zu bekämpfen, sollten die Umsetzung und Überwachung des Konzepts der Entsendung verbessert und einheitlichere Kriterien auf Unionsebene eingeführt werden, um eine einheitliche Auslegung zu erleichtern.
(8) Daher müssen die tatsächlichen Umstände, die den vorübergehenden Charakter einer Entsendung kennzeichnen, und die Bedingung, dass der Arbeitgeber tatsächlich in dem Mitgliedstaat, aus dem entsandt wird, niedergelassen ist, durch die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats, gegebenenfalls in enger Zusammenarbeit mit dem Niederlassungsmitgliedstaat, geprüft werden.
(9) Fließt die Höhe des Umsatzes, den ein Unternehmen in seinem Niederlassungsmitgliedstaat erzielt, in die Beurteilung dessen ein, ob dieses Unternehmen tatsächlich wesentliche Tätigkeiten ausübt, die über rein interne Management- und/oder Verwaltungstätigkeiten hinausgehen, so sollten die zuständigen Behörden die Unterschiede berücksichtigen, die in Bezug auf die Kaufkraft einzelner Währungen bestehen.
(10) Die in dieser Richtlinie festgelegten Kriterien in Bezug auf die Umsetzung und Überwachung der Entsendung können den zuständigen Behörden auch in Bezug darauf dienlich sein, zu ermitteln, ob Arbeitnehmer fälschlicherweise als selbstständig gemeldet sind. Gemäß Richtlinie 96/71/EG wird der Begriff des Arbeitnehmers in dem Sinne verwendet, in dem er im Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird, verwendet wird. Eine weitere Präzisierung und eine verbesserte Überwachung der Entsendung durch die einschlägigen zuständigen Behörden würde die Rechtssicherheit verbessern und ein zweckdienliches Instrument für die wirksame Bekämpfung der Scheinselbständigkeit und für die Gewährleistung, dass entsandte Arbeitnehmer nicht fälschlicherweise als selbständig gemeldet werden, darstellen, womit dazu beigetragen würde, einer Umgehung der geltenden Bestimmungen vorzubeugen sowie diese zu verhindern und zu bekämpfen.
(11) Wenn keine tatsächliche Entsendungssituation vorliegt und es zu einer Rechtskollision kommt, sollte den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates („Rom I“) beziehungsweise dem Übereinkommen von Rom gebührend Rechnung getragen werden, deren Ziel darin besteht, sicherzustellen, dass Arbeitnehmern nicht der Schutz entzogen wird, der ihnen durch Bestimmungen gewährt wird, von denen nicht oder nur zu ihrem Vorteil durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass Bestimmungen bestehen, um nicht tatsächlich entsandte Arbeitnehmer angemessen zu schützten.
(12) Liegt keine Bescheinigung über die anwendbaren Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit gemäß der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vor, so kann dies als Indiz dafür gelten, dass die betreffende Situation nicht als zeitlich begrenzte Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen arbeitet, eingestuft werden sollte.
(13) Wie schon die Richtlinie 96/71/EG sollte auch diese Richtlinie unbeschadet der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates gelten.
(14) Die Verschiedenartigkeit der nationalen Systeme der Arbeitsbeziehungen und die Autonomie der Sozialpartner werden im AEUV ausdrücklich anerkannt.
(15) Den Sozialpartnern kommt in vielen Mitgliedstaaten bei der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen eine wichtige Rolle zu, da sie - im Einklang mit nationalem Recht und/oder den nationalen Gepflogenheiten - die unterschiedlichen Niveaus der anzuwendenden Mindestlohnsätze, alternativ oder gleichzeitig, bestimmen können. Die Sozialpartner sollten diese Sätze mitteilen und über sie informieren.
(16) Die angemessene und wirksame Umsetzung und Durchsetzung sind von zentraler Bedeutung für den Schutz der Rechte entsandter Arbeitnehmer und für die Gewährleistung fairer Ausgangsbedingungen für die Dienstleistungserbringer, während eine mangelhafte Durchsetzung die Wirksamkeit der für diesen Bereich geltenden Regelungen der Union untergräbt. Deshalb ist es wichtig, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls die regionalen und lokalen Behörden eng zusammenarbeiten, wobei auch die bedeutende Rolle der Arbeitsaufsicht und der Sozialpartner nicht zu vernachlässigen ist. Gegenseitiges Vertrauen, Bereitschaft zur Zusammenarbeit, fortlaufender Dialog und gegenseitiges Verständnis sind in dieser Hinsicht von wesentlicher Bedeutung.
(17) Wirksame Überwachungsverfahren in den Mitgliedstaaten sind von wesentlicher Bedeutung für die Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG und dieser Richtlinie und sollten daher in der gesamten Union eingeführt werden.
(18) Schwierigkeiten beim Zugang zu Informationen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen stellen sehr oft den Grund dafür dar, dass die Dienstleistungserbringer die geltenden Bestimmungen nicht anwenden. Die Mitgliedstaaten sollten daher sicherstellen, dass entsprechende Informationen allgemein kostenlos und wirksam zur Verfügung gestellt werden, und zwar nicht nur den Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten, sondern auch den betroffenen entsandten Arbeitnehmern.
(19) Soweit die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen in für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträgen festgelegt sind, sollten die Mitgliedstaaten unter Wahrung der Autonomie der Sozialpartner sicherstellen, dass diese Tarifverträge in einer zugänglichen und transparenten Art und Weise allgemein zur Verfügung gestellt werden.
(20) Zur Verbesserung des Zugangs zu Informationen sollte in den einzelnen Mitgliedstaaten eine einzige Informationsquelle eingerichtet werden. Jeder Mitgliedstaat sollte unter Beachtung der Normen für die Barrierefreiheit im Internet eine einzige offizielle nationale Website sowie weitere angemessene Kommunikationsmittel einrichten. Die Mindestanforderung für die einzige offizielle nationale Website sollte ein Internetportal sein, das als Portal oder Hauptzugangspunkt dienen und in klarer, präziser Weise Links zu den einschlägigen Informationsquellen sowie Kurzinformationen über die Inhalte der Website und der vorhandenen Links bereitstellen sollte. Derartige Websites sollten insbesondere alle Websites umfassen, die im Einklang mit dem Unionsrecht zur Förderung des Unternehmertums und/oder der Entwicklung des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs eingerichtet wurden. Die Mitgliedstaaten sollten Informationen über die in ihrem nationalen Recht niedergelegten Fristen für die Aufbewahrung von Unterlagen durch die Dienstleistungserbringer nach dem Zeitraum der Entsendung bereitstellen.
(21) Den entsandten Arbeitnehmern sollte das Recht zustehen, von dem Aufnahmemitgliedstaat allgemeine Informationen über das auf sie anwendbare nationale Recht und die auf sie anwendbaren nationalen Gepflogenheiten zu erhalten.
(22) Verwaltungszusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten sollten den Bestimmungen zum Schutz personenbezogener Daten gemäß der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und den nationalen Datenschutzvorschriften zur Umsetzung der Unionsrechtsvorschriften entsprechen. In Bezug auf die Verwaltungszusammenarbeit über das Binnenmarkt-Informationssystem (im Folgenden „IMI“ für „Internal Market Information System“) sollten sie zudem der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates entsprechen.
(23) Um die ordnungsgemäße Anwendung des materiellen Rechts über die bei entsandten Arbeitnehmern einzuhaltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sicherzustellen und um dies entsprechend zu überwachen, sollten die Mitgliedstaaten nur bestimmte Verwaltungsanforderungen oder Kontrollmaßnahmen auf Unternehmen anwenden, die Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen entsenden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union können derartige Anforderungen und Maßnahmen durch zwingende Erfordernisse des Allgemeininteresses - so auch dem wirksamen Schutz der Arbeitnehmerrechte - gerechtfertigt sein, soweit sie im Hinblick auf die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels angemessen sind und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Solche Anforderungen und Maßnahmen dürfen nur dann angewandt werden, wenn die zuständigen Behörden ihre Aufsichtsfunktion ohne die angeforderten Informationen nicht wirksam ausüben können und/oder wenn weniger restriktive Maßnahmen nicht sicherstellen würden, dass die Ziele der für notwendig erachteten nationalen Kontrollmaßnahmen erreicht werden.
(24) Die Dienstleistungserbringer sollten dafür sorgen, dass die Identität der entsandten Arbeitnehmer in der Erklärung des Dienstleistungserbringers genannt wird, damit die zuständigen Behörden für die Dauer der Entsendung die Kontrolle der Sachlage am Arbeitsplatz überprüfen können.
(25) Dienstleistungserbringer, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, sollten die zuständigen Behörden in dem Aufnahmemitgliedstaat unverzüglich von bedeutenden Änderungen der in der Erklärung des Dienstleistungserbringers gemachten Angaben in Kenntnis setzen, damit eine Kontrolle des tatsächlichen Sachverhalts am Arbeitsplatz möglich ist.
(26) Die Pflicht, der Kommission Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen mitzuteilen, sollte kein Vorabgenehmigungsverfahren darstellen.
(27) Um eine bessere und einheitlichere Anwendung der Richtlinie 96/71/EG sowie ihrer Durchsetzung in der Praxis zu gewährleisten und zum möglichst weitreichenden Abbau der Unterschiede bei der unionsweiten Anwendung und Durchsetzung sollten die Mitgliedstaaten eine wirksame und angemessene Arbeitsaufsicht in ihren Hoheitsgebieten sicherstellen und so unter anderem zu der Bekämpfung von Schwarzarbeit im Rahmen von Entsendungen beitragen, wobei auch andere Gesetzesinitiativen in Betracht gezogen werden sollten, damit dieses Phänomen besser bekämpft werden kann.
(28) Die Mitgliedstaaten sollten dem überprüften Unternehmen gegebenenfalls entsprechend ihrem nationalen Recht und/oder ihren nationalen Gepflogenheiten nach einer Überprüfung oder Kontrolle ein Dokument mit allen relevanten Informationen zur Verfügung stellen.
(29) Die Mitgliedstaaten sollten gewährleisten, dass ausreichendes Personal mit den Kompetenzen und Qualifikationen zur Verfügung steht, die für wirksame Überprüfungen erforderlich sind und benötigt werden, um Auskunftsersuchen des Aufnahmemitgliedstaats oder des Niederlassungsmitgliedstaats gemäß dieser Richtlinie unverzüglich entsprechen zu können.
(30) Arbeitsaufsicht, Sozialpartner und andere Überwachungsbehörden sind in dieser Hinsicht von größter Bedeutung und sollten hier auch weiterhin eine zentrale Rolle übernehmen.
(31) Im Interesse eines flexiblen Umgangs mit der Verschiedenartigkeit der Arbeitsmärkte und der Systeme im Bereich der Arbeitsbeziehungen können ausnahmsweise auch die Sozialpartner und/oder andere Akteure und/oder Stellen die Einhaltung bestimmter Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für entsandte Arbeitnehmer überwachen, sofern sie den betroffenen Personen ein gleichwertiges Schutzniveau gewähren und ihre Überwachungstätigkeit in nichtdiskriminierender und objektiver Weise ausüben.
(32) Die Arbeitsaufsicht der Mitgliedstaaten und andere relevante Überwachungs- und Durchsetzungsbehörden sollten die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs nutzen, die in dem einschlägigen Recht vorgesehen sind, um zu überprüfen, ob die auf entsandte Arbeitnehmer anwendbaren Vorschriften eingehalten wurden.
(33) Die Mitgliedstaaten sind insbesondere aufgerufen, bei der Arbeitsaufsicht einen stärker integrierten Ansatz zu verfolgen. Die Notwendigkeit der Entwicklung gemeinsamer Standards für die Festlegung vergleichbarer Methoden, Praktiken und Mindestvorgaben auf Unionsebene sollte ebenfalls geprüft werden. Die Entwicklung gemeinsamer Standards sollte allerdings nicht zu Einschränkungen der Mitgliedstaaten bei der wirksamen Bekämpfung von Schwarzarbeit führen.
(34) Um die Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG zu erleichtern und ihre wirksamere Anwendung in der Praxis sicherzustellen, sollten wirksame Beschwerdemechanismen vorgesehen werden, über die entsandte Arbeitnehmer Beschwerden vorbringen oder Verfahren anstrengen können, entweder auf direktem Wege oder, mit ihrer Einwilligung, über benannte dritte Stellen, wie z. B. Gewerkschaften, andere Vereinigungen oder gemeinsame Einrichtungen der Sozialpartner. Nationale Verfahrensvorschriften über die Vertretung und Verteidigung vor Gericht sowie die Zuständigkeiten und sonstigen Rechte von Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmervertretern nach nationalem Recht und/oder nationalen Gepflogenheiten sollten davon unberührt bleiben.
(35) Um sicherzustellen, dass ein entsandter Arbeitnehmer ordnungsgemäß entlohnt wird, und sofern Entsendezulagen als Teil des Mindestlohns angesehen werden können, sollten diese Zulagen nur dann vom Lohn in Abzug gebracht werden, wenn dies im nationalen Recht, in Tarifverträgen und/oder den Gepflogenheiten des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehen ist.
(36) Die Einhaltung der auf dem Gebiet der Entsendung geltenden Vorschriften in der Praxis und der wirksame Schutz der Arbeitnehmerrechte in dieser Hinsicht ist in Unterauftragsketten ein besonders wichtiges Anliegen und sollte durch geeignete Maßnahmen gemäß dem nationalen Recht und/oder nationalen Gepflogenheiten und unter Einhaltung des Unionsrechts gewährleistet werden. Zu solchen Maßnahmen kann die Einführung - auf freiwilliger Grundlage und nach Anhörung der zuständigen Sozialpartner - eines Mechanismus der direkten Unterauftragshaftung zusätzlich zur oder an Stelle der Haftung des Arbeitgebers gehören, der in Bezug auf ausstehende Nettoentgelte, die den Mindestnettolöhnen entsprechen, und/oder in Bezug auf Beiträge zu gemeinsamen Fonds oder Einrichtungen der Sozialpartner greift, die gesetzlich oder tarifrechtlich geregelt sind, sofern diese unter Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 96/71/EG fallen. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch weiterhin frei, strengere nationale Haftungsregeln vorzusehen oder im Einklang mit nationalem Recht und unter Wahrung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit darüber hinauszugehen.
(37) Mitgliedstaaten, die Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der geltenden Regelungen in Unterauftragsketten eingeführt haben, sollten vorsehen können, dass ein (Unter-)Auftragnehmer unter bestimmten Umständen nicht haftbar sein sollte oder die Haftung beschränkt sein kann, wenn dieser (Unter-)Auftragnehmer seiner Sorgfaltspflicht nachkommt. Diese Maßnahmen sollten im nationalen Recht unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten des betreffenden Mitgliedstaats festgeschrieben werden und können unter anderem Maßnahmen umfassen, die der Auftragnehmer zur Dokumentation der Einhaltung der Verwaltungsanforderungen ergreift, sowie Kontrollmaßnahmen, die eine wirksame Überwachung der Einhaltung der geltenden Bestimmungen für die Entsendung von Arbeitnehmern gewährleisten.
(38) Es gibt Anlass zu der Besorgnis, dass die Mitgliedstaaten nach wie vor große Schwierigkeiten haben, Verwaltungssanktionen und/oder Geldbußen grenzüberschreitend durchzusetzen, und es sollte darauf hingearbeitet werden, dass Verwaltungssanktionen und/oder Geldbußen gegenseitig anerkannt werden.
(39) Die Unterschiede zwischen den Systemen der Mitgliedstaaten zur Durchsetzung verhängter Verwaltungssanktionen und/oder Geldbußen in grenzüberschreitenden Fällen stehen dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts entgegen und machen es sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, entsandten Arbeitnehmern unionsweit ein gleiches Maß an Schutz zu gewährleisten.
(40) Eine wirksame Durchsetzung der materiellrechtlichen Vorschriften für die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen sollte durch spezifische Maßnahmen sichergestellt werden, die auf die grenzüberschreitende Durchsetzung von verhängten finanziellen Verwaltungssanktionen und/oder Geldbußen abstellen. Eine Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich ist daher eine Grundvoraussetzung für die Sicherstellung eines höheren, gleichwertigeren und vergleichbareren Schutzniveaus, wie es für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts notwendig ist.
(41) Durch die Annahme gemeinsamer Vorschriften, die gegenseitige Hilfe und Unterstützung in Bezug auf Durchsetzungsmaßnahmen und die damit zusammenhängenden Kosten bereitstellen, sowie durch die Annahme einheitlicher Anforderungen für die Mitteilung von Entscheidungen über Verwaltungssanktionen und Geldbußen, die für die Nichteinhaltung der Richtlinie 96/71/EG sowie dieser Richtlinie verhängt werden, sollte sich eine Reihe praktischer Probleme bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung lösen lassen und eine bessere Kommunikation und Durchsetzung entsprechender Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten gewährleistet werden.
(42) Hat der Dienstleistungserbringer seinen Sitz tatsächlich nicht in dem Niederlassungsmitgliedstaat oder sind die Anschrift oder die Unternehmensdaten falsch, so sollten die zuständigen Behörden das Verfahren nicht aus formalen Gründen einstellen, sondern ihre Untersuchungen fortsetzen, um die Identität der für die Entsendung verantwortlichen natürlichen oder juristischen Person festzustellen.
(43) Die Anerkennung von Entscheidungen, mit der eine Verwaltungssanktion und/oder Geldbuße verhängt wird, und von Ersuchen um Beitreibung einer Sanktion und/oder Geldbuße sollte auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen. Daher sollten die Gründe für eine Nichtanerkennung oder eine Ablehnung der Beitreibung einer Verwaltungssanktion und/oder Geldbuße auf das erforderliche Minimum beschränkt werden.
(44) Ungeachtet der Festlegung einheitlicherer Vorschriften für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Verwaltungssanktionen und/oder Geldbußen und der Notwendigkeit einer größeren Zahl gemeinsamer Kriterien, um Folgemaßnahmen in Fällen der Nichtbezahlung derselben wirksamer zu gestalten, sollte dies nicht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Bestimmung ihrer Systeme hinsichtlich Sanktionen und Geldbußen oder Beitreibungsmaßnahmen gemäß ihres nationalen Rechts berühren. Daher kann das Instrument für den Vollzug oder die Vollstreckung für solche Sanktionen und/oder Geldbußen unter Berücksichtigung des nationalen Rechts und/oder nationaler Gepflogenheiten in dem ersuchten Mitgliedstaat gegebenenfalls durch einen Vollzugs- oder Vollstreckungstitel im ersuchten Mitgliedstaat ergänzt, begleitet oder ersetzt werden.
(45) Die einheitlicheren Vorschriften sollten nicht zu einer Änderung der Verpflichtung zur Achtung der in Artikel 6 der Vertrags über die Europäische Union (EUV) verankerten Grundrechte und -freiheiten von Beklagten sowie der auf Beklagte anwendbaren allgemeinen Rechtsgrundsätze, wie dem Recht auf Anhörung, dem Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, dem Recht auf ein unparteiisches Gericht oder dem Grundsatz, dass man wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden kann, führen.
(46) Diese Richtlinie verfolgt weder das Ziel, die Vorschriften im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, der gerichtlichen Zuständigkeit oder der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu harmonisieren, noch das Ziel, Fragen des anwendbaren Rechts zu regeln.
(47) Die Mitgliedstaaten sollten für den Fall der Nichtbeachtung der in dieser Richtlinie festgelegten Verpflichtungen geeignete Maßnahmen ergreifen, einschließlich Verwaltungs- und Gerichtsverfahren, und sollten bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktionen vorsehen.
(48) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt sind, wozu insbesondere der Schutz personenbezogener Daten (Artikel 8), die Berufsfreiheit und das Recht zu arbeiten (Artikel 15), die unternehmerische Freiheit (Artikel 16), das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen (Artikel 28), gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (Artikel 31), das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (Artikel 47), die Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte (Artikel 48) sowie das Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden (Artikel 50) zählen, und muss in Übereinstimmung mit diesen Rechten und Grundsätzen durchgeführt werden.
(49) Im Hinblick auf eine bessere und einheitlichere Anwendung der Richtlinie 96/71/EG und eine bessere Verwaltungszusammenarbeit ist es angezeigt, ein System für den elektronischen Informationsaustausch vorzusehen; die zuständigen Behörden sollten soweit wie möglich das IMI nutzen. Dies sollte jedoch nicht der Anwendung bestehender und künftiger bilateraler Vereinbarungen oder Regelungen für die Verwaltungszusammenarbeit und die gegenseitige Amtshilfe entgegenstehen.
(50) Da das Ziel dieser Richtlinie, nämlich einen allgemeinen gemeinsamen Rahmen einer Reihe angemessener Bestimmungen, Maßnahmen und Kontrollmechanismen festzulegen, die für eine bessere und einheitlichere Durchführung, Anwendung und Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG in der Praxis notwendig sind, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann und wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus.
(51) Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde gemäß Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 konsultiert und hat am 19. Juli 2012 eine Stellungnahme abgegeben -
HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: