HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

LAG Hamm, Ur­teil vom 29.10.2009, 11 Sa 802/09

   
Schlagworte: Auflösende Bedingung, Befristungskontrollklage, Befristung des Arbeitsvertrags, Zeitvertrag
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Aktenzeichen: 11 Sa 802/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 29.10.2009
   
Leitsätze:

1. Wird ein Arbeitsverhältnis aus Gründen der Vertretung befristet "für die Dauer der Erkrankung der Lehrkraft XY" (Zweckbefristung), so entfällt der Sachgrund der Vertretung mit dem Tod des vertretenen Beschäftigten XY. Aus dem befristeten Beschäftigungsbedarf wird ein unbefristeter Beschäftigungsbedarf.

2. Verstirbt bei einer Doppelbefristung "für die Dauer der Erkrankung des XY / längstens bis zum 31.01.2009" die vertretene Lehrkraft einige Monate vor Erreichen des 31.01.2009 und führt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gleichwohl bis zum Erreichen des 31.01.2009 fort, so gilt das Arbeitsverhältnis gemäß § 15 V TzBfG als auf unbestimmte Zeit verlängert. Es endet nicht mit dem Erreichen des 31.01.2009.

3. Der Argumentation, die Regelung des § 15 V TzBfG sei in Fällen der Doppelbefristung als abbedungen anzusehen, steht das Abweichungsverbot des § 22 I TzBfG entgegen.

4. Gegen die im Schrifttum befürwortete teleologische Reduktion des § 15 V TzBfG in Fällen der Doppelbefristung spricht, dass so dem Arbeitgeber die Entscheidungsalternative eröffnet wäre, das Arbeitsverhältnis trotz Wegfalls des Befristungsgrundes ohne begleitenden Sachgrund befristet fortzuführen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Münster, 12.05.2009, 3 Ca 2237/08
nachgehend:
Bundesarbeitsgericht, 29.06.2011, 7 AZR 6/10
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Hamm, 11 Sa 802/09


Te­nor:

Die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Müns­ter vom 12.05.2009 — 3 Ca 2237/08 — wird auf Kos­ten des be­klag­ten Lan­des zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.


Tat­be­stand:

1
Der Kläger wen­det sich ge­gen die im Ju­ni 2008 ver­ein­bar­te Be­fris­tung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges auf den 31.01.2009. 2

Der Kläger ist am 20.07.1950 ge­bo­ren. Er ist Dipl.-Bio­lo­ge und war länge­re Zeit in der frei­en Wirt­schaft tätig. Nach ei­ner Tätig­keit bei der R4-B2 B3 GmbH ist er seit Sep­tem­ber 2007 wie­der­holt auf der Grund­la­ge be­fris­te­ter Ar­beits­verträge als an­ge­stell­ter Leh­rer im Schul­dienst des be­klag­ten Lan­des tätig. Die ers­ten be­fris­te­ten Ar­beits­verträge er­streck­ten sich vom 03.09.2007 bis zum 31.01.2008 und vom 01.02.2008 bis zum 25.06.2008.

3

Den drit­ten be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag un­ter­zeich­ne­ten die Par­tei­en im Ju­ni 2008. Das be­klag­te Land wur­de durch die Be­zirks­re­gie­rung Müns­ter ver­tre­ten. § 1 und § 2 die­ses Ar­beits­ver­tra­ges lau­ten:

4

5

§1

6

Herr R1 K1 wird ab 26.06.2008 als teil­zeit­beschäftig­te Lehr­kraft mit ei­ner durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 20 Pflicht­stun­den be­fris­tet ein­ge­stellt.

7

Das Ar­beits­verhält­nis ist be­fris­tet für die Dau­er der Er­kran­kung der Lehr­kraft R1 R5, längs­tens bis zum 31.01.2009.

8

§2

9

Für das Ar­beits­verhält­nis gel­ten

10
  • der Ta­rif­ver­trag für den öffent­li­chen Dienst der Länger (TV-L),
  • der Ta­rif­ver­trag zur Über­lei­tung der Beschäftig­ten der Länder in der TV-L und zur Re­ge­lung des Über­g­angs­rechts (TVÜ-Länder) so­wie
  • die Ta­rif­verträge, die den TV-L und den TVÜ-Länder ergänzen, ändern oder er­set­zen,
11

in der Fas­sung, die für den Be­reich der Ta­rif­ge­mein­schaft deut­scher Länder und für das Land Nord­rhein-West­fa­len je­weils gilt.

12

Auf das Ar­beits­verhält­nis fin­de § 21 Ab­satz 1 bis 5 Bun­des­el­tern­geld- und El­tern­zeit­ge­setz An­wen­dung.

13

14

Nach § 3 des Ar­beits­ver­tra­ges ist der Kläger in die Vergütungs­grup­pe 11 TV-L ein­grup­piert. We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des Ver­tra­ges wird auf die ein­ge­reich­te Ko­pie ver­wie­sen (BI. 4,5 GA).

15

Der Leh­rer R1 R5 ver­starb am 06.07.2008 während der Som­mer­fe­ri­en. Der Kläger nahm nach den Som­mer­fe­ri­en auf der Grund­la­ge des Ver­tra­ges vom Ju­ni 2008 die Tätig­keit an der F1-W4-Ge­samt­schu­le in Al auf.

16

Am 08.11.2008 ist die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ge­gen die Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges auf den 17 31.01.2009 bei dem Ar­beits­ge­richt Müns­ter ein­ge­gan­gen.

17

In der Fol­ge­zeit schloss der Kläger mit dem be­klag­ten Land, je­weils ver­tre­ten durch die Be­zirks­re­gie­rung Müns­ter, wei­te­re be­fris­te­te Ar­beits­verträge:

18

- Ja­nu­ar 2009: ab 01.02.2009 als teil­zeit­beschäftig­te Lehr­kraft mit ei­ner durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 14 Pflicht­stun­den be­fris­tet für Dau­er der Er­kran­kung der Lehr­kraft El G1, längs­tens bis zum 01.07.2009;

19

- Ja­nu­ar 2009: ab 01.02.2009 als teil­zeit­beschäftig­te Lehr­kraft mit ei­ner durch­schnitt­li­chen re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 11,5 Pflicht­stun­den un­ter "Nut­zung von nicht­be­setz­ten Stel­len­an­tei­len" bis zum 01.07.2009.

20

- Für das ers­te Schul­halb­jahr 2009/2010:

21

Vom 04.09.2009 bis 14.10.2009 mit 11,5 St­un­den;

22

vom 14.08.2009 bis 29.01.2010 über 14 St­un­den

23

(Pro­to­koll vom 29.10.2009, BI. 85 GA).

24

Der Kläger hat die An­sicht ver­tre­ten, durch die wei­te­re Beschäfti­gung über die Dau­er der Er­kran­kung des Herrn R5 hin­aus, die mit des­sen Tod ge­en­det ha­be, sei ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ent­stan­den. Un­ter Be­ach­tung der im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten Dop­pel­be­fris­tung hätte das Ar­beits­verhält­nis kurz­fris­tig nach dem Tod der ver­tre­te­nen Lehr­kraft R5 be­en­det wer­den müssen.

25
Der Kläger hat be­an­tragt, 26
1. fest­zu­stel­len, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht kraft Be­fris­tung mit Ab­lauf des 31.01.2009 sein En­de ge­fun­den hat,
27
2.  das be­klag­te Land zu ver­ur­tei­len, den Kläger über den 31.01.2009 hin­aus als Lehr­kraft im An­ge­stell­ten­verhält­nis in dem Um­fang von ei­ner re­gelmäßigen durch­schnitt­li­chen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 20 Pflicht­stun­den mit Ein­grup­pie­rung in die Ent­gelt­grup­pe 11 TV-L wei­ter­zu­beschäfti­gen.
28
Das be­klag­te Land hat be­tragt, 29

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

30

Das be­klag­te Land hat gel­tend ge­macht, Zweck des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses sei die Ver­tre­tung der er­krank­ten Lehr­kraft R1 R5 und die Über­nah­me der durch die Er­kran­kung der Lehr­kraft R5 nicht wahr­ge­nom­men Un­ter­richts­ver­pflich­tun­gen an der F1-W4-Ge­samt­schu­le Al ge­we­sen. Die Fortführung des Ar­beits­ver­tra­ges über den Tod der ver­tre­te­nen Lehr­kraft hin­aus ha­be der Wahr­neh­mung ge­nau die­ser Un­ter­richts­ver­pflich­tung ge­dient. Denn die Lehr­kraft sei nicht nur durch ih­re Er­kran­kung son­dern an­sch­ließend auch durch ih­ren Tod an der Wahr­neh­mung die­ser Un­ter­richts­ver­pflich­tung ge­hin­dert ge­we­sen. Der hin­ter dem Ver­trag ste­hen­de Be­fris­tungs­zweck be­ste­he so lan­ge fort, bis die va­kan­te Stel­le in ei­nem for­ma­len Aus­wahl­ver­fah­ren be­setzt sei. Das be­klag­te Land müsse als öffent­li­cher Auf­trag­ge­ber ei­ne Aus­wahl nach den Grundsätzen der Bes­ten­aus­le­se durchführen und neh­me die­se Ver­pflich­tung durch for­ma­li­sier­te und zeit­auf­wen­di­ge Aus­wahl­ver­fah­ren (schul­scharf und nach Lis­te) wahr.

31

Das Ar­beits­ge­richt hat fest­ge­stellt, dass das zwi­schen den Par­tei­en be­ste­hen­de Ar­beits­verhält­nis nicht kraft Be­fris­tung mit Ab­lauf des 31.01.2009 sein En­de ge­fun­den hat. Es hat das be­klag­te Land an­trags­gemäß ver­ur­teilt, den Kläger über den 31.01.2009 hin­aus als Lehr­kraft im An­ge­stell­ten­verhält­nis mit ei­ner durch­schnitt­li­chen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 20 Pflicht­stun­den mit Ein­grup­pie­rung in Ent­gelt­grup­pe 11 TV-L wei­ter­zu­beschäfti­gen. Die frist­ge­recht er­ho­be­ne Kla­ge sei zulässig und be­gründet. Die zur Über­prüfung ge­stell­te Be­fris­tung sei un­wirk­sam. Da der Kläger über den Tod der Lehr­kraft R5 hin­aus wei­ter­beschäftigt wor­den sei, sei nach § 15 Abs. 5 Tz­B­fG ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­gründet wor­den.

32

Das Ur­teil ist dem be­klag­ten Land am 26.05.2009 zu­ge­stellt wor­den. Das be­klag­te Land hat am 08.06.2009 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se am 14.07.2009 be­gründet.

33

Das be­klag­te Land wen­det sich ge­gen die Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­rich­tes, die längs­tens bis zum 31.01.2009 ver­ein­bar­te Be­fris­tung des Ar­beits­ver­tra­ges sei un­wirk­sam. Ei­ne Dop­pel­be­fris­tung sei grundsätz­lich zulässig. In ei­nem Fall wie dem vor­lie­gen­den be­ste­he das Ar­beits­verhält­nis le­dig­lich bis zum Ab­lauf der längs­ten Be­fris­tung fort, hier bis zum 31.01.2009. Da­mit sei dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG genüge ge­tan. Die Rechts­fol­ge des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sei nicht ab­be­dun­gen, da § 15 Abs. 5 Tz­B­fG von dem Re­gel­fall aus­ge­he, dass ne­ben der Zweck­be­fris­tung ei­ne wei­te­re Be­fris­tung im Ar­beits­ver­trag nicht ent­hal­ten sei. Ge­ra­de weil der Kläger we­gen der Höchst­be­fris­tung Kennt­nis da­von ge­habt ha­be, dass das Ar­beits­verhält­nis je­den­falls nicht über den 31.01.2009 hin­aus fort­be­ste­hen wer­den, sei er nicht schutzwürdig und ha­be nicht dar­auf ver­trau­en dürfen, dass das Ar­beits­verhält­nis trotz des To­des des Herrn R5 und der feh­len­den Mit­tei­lung bzw. des feh­len­den Wi­der­spru­ches i. S. v. § 15 Abs. 5 Tz­B­fG auch über den 31.01.2009 hin­aus fort­be­ste­hen wer­de. Der Kläger ha­be ge­wusst, dass das Ar­beits­verhält­nis so oder so am 31.01.2009 en­den wer­de. Dies wäre auch dann der Fall ge­we­sen, wenn Herr R5 nicht ver­stor­ben wäre, son­dern über den 31.01.2009 hin­aus er­krankt ge­we­sen wäre. Zu­dem dürf­te der ver­ein­bar­te Zweck "Dau­er der Er­kran­kung R5" mit des­sen Tod auch nicht ent­fal­len sein - je­den­falls so­lan­ge nicht, wie die Stel­le des Herrn R5 nicht wie­der be­setzt wor­den sei. Ei­ner Mit­tei­lung gemäß § 15 Abs. 5 Tz­B­fG ha­be es da­her nicht be­durft. Mit dem Tod des Herrn R5 sei der Zweck des be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges nicht er­reicht ge­we­sen. Man ha­be selbst­verständ­lich ei­ne an­ge­mes­se­ne Zeit benötigt, um die Stel­le neu zu be­set­zen. Auch der Kläger ha­be nicht da­von aus­ge­hen können, dass am Ta­ge nach dem To­de des Herrn R6 der Ver­tre­tungs­zweck nicht mehr be­ste­he.

34
Das be­klag­te Land be­an­tragt, 35

das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Müns­ter vom 12.05.2009 ab­zuändern und die Kla­ge ins­ge­samt ab­zu­wei­sen.

36
Der Kläger be­an­tragt, 37

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

38

Der Kläger ver­tei­digt das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts. Die Rechts­fol­ge des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sei ein­deu­tig: Wer­de der Ar­beit­neh­mer nach Zweck­er­rei­chung wei­ter­beschäftigt und wer­de ihm die Zweck­er­rei­chung nicht un­verzüglich mit­ge­teilt, so gel­te das Ar­beits­verhält­nis als auf un­be­stimm­te Zeit verlängert. Das vom be­klag­ten Land für zu­tref­fend er­ach­te­te Er­geb­nis könne we­der aus dem Ge­setz­wort­laut her­ge­lei­tet wer­den noch aus dem Rechts­in­sti­tut der Dop­pel­be­fris­tung. Ge­ra­de die Dop­pel­be­fris­tung führe da­zu, dass sich der Ar­beit­neh­mer dar­auf ein­zu­stel­len ha­be, dass das Ar­beits­verhält­nis zum zu­erst ein­tre­ten­den Ter­min en­den wer­de. Aus dem Ar­beits­ver­trag sei ihm be­kannt ge­we­sen, dass sein Ar­beits­verhält­nis be­fris­tet sei für die Dau­er der Er­kran­kung der Lehr­kraft R5. Ver­ster­be Herr R5, so sei er be­griffs­lo­gisch nicht mehr krank. Die Krank­heit daue­re nicht fort und das Ar­beits­verhält­nis en­de. So ha­be er ge­wusst, dass das Ar­beits­verhält­nis mit der Be­en­di­gung der Er­kran­kung des Herrn R5 en­de. Ob und wann die Stel­le wie­der be­setzt wer­de, sei un­be­deu­tend. Die Wie­der­be­set­zung der Stel­le sei nicht qua­si zum wei­te­ren Zweck­be­fris­tungs­tat­be­stand ge­macht wor­den.

39

Ent­schei­dungs­gründe:

40

Die Be­ru­fung des be­klag­ten Lan­des ist zulässig und statt­haft gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 c ArbGG. Die Be­ru­fung ist form- und frist­ge­recht ent­spre­chend den An­for­de­run­gen der §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO ein­ge­legt und be­gründet wor­den. Die Be­ru­fung bleibt je­doch in der Sa­che oh­ne Er­folg. Zu Recht hat das Ar­beits­ge­richt die Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung auf den 31.01.2009 fest­ge­stellt und das be­klag­te Land zur Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers ver­ur­teilt. In der im Schrift­tum kon­tro­vers dis­ku­tier­ten Fra­ge, ob ein dop­pel­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis bei Zweck­er­rei­chung vor Ab­lauf der Ka­len­der­be­fris­tung und an­sch­ließen­der Fortführung nach § 15 Abs. 5 Tz­B­fG un­be­fris­tet fort­be­steht oder mit Ab­lauf der Ka­len­der­be­fris­tung en­det, folgt die Be­ru­fungs­kam­mer der erst­ge­nann­ten Auf­fas­sung, wie dies be­reits das Ar­beits­ge­richt ge­tan hat.

41

1. Die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge wahrt die Kla­ge­frist des § 17 Tz­B­fG. Un­pro­ble­ma­tisch ist, dass die Kla­ge be­reits im No­vem­ber 2008 und da­mit deut­lich vor Er­rei­chen des strit­ti­gen Be­fris­tungs­ter­mins am 31.01.2009 er­ho­ben wor­den ist. Es ist an­er­kannt, dass der Ar­beit­neh­mer mit der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge nicht die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ab­war­ten muss. Er kann die Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung be­reits vor Ab­lauf des Ver­trags ge­richt­lich über­prüfen las­sen (BAG 10.03.2004 AP Tz­B­fG § 14 Nr. 11 un­ter I; Dörner, Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag, 2004, Rn. 1006).

42

2. Dem Er­folg der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge steht nicht ent­ge­gen, dass die Par­tei­en nach Zu­stel­lung der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge und nach dem 31.01.2009 wei­te­re be­fris­te­te Ar­beits­verträge ab­ge­schlos­sen ha­ben.

43

Zwar un­ter­liegt bei meh­re­ren auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen grundsätz­lich nur die Be­fris­tung des letz­ten Ver­tra­ges der ge­richt­li­chen Kon­trol­le. Ha­ben die Par­tei­en je­doch den wei­te­ren be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag un­ter dem Vor­be­halt ab­ge­schlos­sen, dass er das Ar­beits­verhält­nis nur re­geln soll, wenn nicht be­reits auf­grund des vor­an­ge­gan­ge­nen Ver­tra­ges ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­steht, ist auch für die im vor­he­ri­gen Ver­trag ver­ein­bar­te Be­fris­tung die ge­richt­li­che Kon­trol­le eröff­net. Ein Vor­be­halt kann aus­drück­lich oder kon­klu­dent ver­ein­bart wer­den. Sch­ließen die Par­tei­en nach Zu­stel­lung ei­ner Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge an den Ar­beit­ge­ber ei­nen wei­te­ren be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ab und tref­fen sie kei­ne Ver­ein­ba­rung darüber, wel­che Aus­wir­kun­gen dies auf den be­reits anhängi­gen Rechts­streit ha­ben soll, ist in der Re­gel ein kon­klu­den­ter Vor­be­halt ver­ein­bart. Dies ist al­ler­dings nicht der Fall, wenn der wei­te­re be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag auf Sei­ten des Ar­beit­ge­bers von ei­ner an­de­ren Dienst­stel­le ab­ge­schlos­sen wird als der vor­an­ge­gan­ge­ne Ver­trag und der Ar­beit­neh­mer des­halb da­von aus­ge­hen muss, dass die am er­neu­ten Ver­trags­schluss be­tei­lig­ten Ver­tre­ter des Ar­beit­ge­bers kei­ne Kennt­nis von der Rechtshängig­keit der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ha­ben (BAG 18.06.2008 AP Tz­B­fG § 14 Rn. 50).

44

Nach die­sen Grundsätzen ist hier ein Vor­be­halt kon­klu­dent ver­ein­bart wor­den. Der ge­richt­li­che zu über­prüfen­de Ver­trag vom Ju­ni 2008 wie auch die nach­fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­verträge sind sei­tens des be­klag­ten Lan­des je­weils durch die Be­zirks­re­gie­rung Müns­ter und da­mit durch die­sel­be Dienst­stel­le ab­ge­schlos­sen wor­den. Die anhängi­ge Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ist in den nach­fol­gen­den Verträgen nicht the­ma­ti­siert, ob­wohl Da­mit ist bei den nach­fol­gen­den Verträgen kon­klu­dent der Vor­be­halt ver­ein­bart, dass die neu­en be­fris­te­ten Ar­beits­verträge das Ar­beits­verhält­nis nur re­geln sol­len, wenn nicht be­reits auf­grund des hier zu über­prüfen­den Ver­tra­ges vom Ju­ni 2008 ein un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis be­steht.

45

3. Die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ge­gen die Be­fris­tung auf den 31.01.2009 ist be­gründet. Das Ar­beits­verhält­nis hat nicht auf­grund der im Ju­li 2008 ver­ein­bar­ten Ka­len­der­be­fris­tung mit Ab­lauf des 31.01.2009 ge­en­det. Zwar kann ein Ar­beits­ver­trag ne­ben ei­ner Zweck­be­fris­tung auch ei­ne Ka­len­der­be­fris­tung ent­hal­ten [a)]. Der Kläger hat hier je­doch über den Tod der ver­tre­te­nen Lehr­kraft R5 am 06.07.2008 hin­aus wei­ter­hin un­ter­rich­tet. Das be­klag­te Land hat da­mit das Ar­beits­verhält­nis über den Zeit­punkt der Zweck­be­fris­tung hin­aus fort­ge­setzt. Gemäß § 15 Abs. 5 Tz­B­fG gilt das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis als auf un­be­stimm­te Zeit verlängert [b)]. Der Auf­fas­sung des wohl über­wie­gen­den Teils des Schrift­tums, § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sei in ei­ner Fall­ge­stal­tung wie der vor­lie­gen­den nicht an­zu­wen­den bzw. te­leo­lo­gisch zu re­du­zie­ren, folgt die Be­ru­fungs­kam­mer nicht [c)].

46

a) Die Par­tei­en ha­ben im Ju­ni 2008 für ihr Ar­beits­verhält­nis ei­ne so­ge­nann­te Dop­pel­be­fris­tung ver­ein­bart: "Be­fris­tet für die Dau­er der Er­kran­kung der Lehr­kraft R1 R5 / längs­tens bis zum 31.01.2009":

47

So­weit auf die Dau­er der Er­kran­kung der zu ver­tre­ten­den Lehr­kraft ab­ge­stellt wird, han­delt es sich um ei­ne Zweck­be­fris­tung i. S. d. § 3 Abs.1 S.2 2.Alt. Tz­B­fG. Aus Art, Zweck oder Be­schaf­fen­heit der Ar­beits­leis­tung er­gibt sich die ge­woll­te Dau­er des Ar­beits­ver­tra­ges. Mit dem Zu­satz "längs­tens bis zum 31.01.2009" ist da­ne­ben ei­ne Ka­len­der­be­fris­tung i. S. d. § 3 Abs.2 S.2 1.Alt. Tz­B­fG ver­ein­bart.

48

Der­ar­ti­ge Dop­pel­be­fris­tun­gen können nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung in Wahr­neh­mung der Ver­trags­frei­heit von den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­ein­bart wer­den (BAG 22.04.2009 — 7 AZR 768/07 -; Dörner, a.a.O., Rn. 53; ErfK-Müller-Glöge, 9. Aufl. 2009, § 3 Tz­B­fG Rn. 13; ).

49

Im zu ent­schei­den­den Fall kann da­hin­ge­stellt blei­ben, ob die von dem be­klag­ten Land gewähl­te Ver­trags­for­mu­lie­rung tatsächlich ein­deu­tig in dem re­kla­mier­ten Sinn ist, dass der Ar­beit­ge­ber auch bei Zweck­er­rei­chung vor Ab­lauf der Ka­len­der­be­fris­tung die Op­ti­on be­hal­ten soll, das Ar­beits­verhält­nis gleich­wohl be­fris­tet bis zum Ab­lauf der Ka­len­der­be­fris­tung fort­zuführen. Nicht aus­ge­schlos­sen er­scheint es, die Dop­pel­be­fris­tung ab­wei­chend in dem Sinn zu ver­ste­hen, dass das zu­erst ein­tre­ten­de Er­eig­nis das Ar­beits­verhält­nis auf je­den Fall be­en­den soll, ei­ne Fortführung bis zum 31.01.2009 mit­hin nur bei Aus­blei­ben der Zweck­er­rei­chung bis zu die­sem Da­tum in Be­tracht kom­men soll. Zu­guns­ten des Klägers könn­te die Un­klar­hei­ten­re­gel des § 305 c Abs. 2 BGB an­zu­wen­den sein (vgl. Pa­landt-Hein­richs, BGB, 88.Aufl. 2009, 3 305 c BGB Rn.20 ["schein­bar kun­den­feind­lichs­te Aus­le­gung"]). Dies be­darf kei­ner Ent­schei­dung. Auch un­ter Zu­grun­de­le­gung des von dem be­klag­ten Land fa­vo­ri­sier­ten Ver­trags­verständ­nis­ses ge­langt die Kam­mer zum Er­geb­nis der Be­gründet­heit der Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge.

50

b) Nach § 15 Abs. 5 Tz­B­fG gilt ein be­fris­tet ver­ein­bar­tes Ar­beits­verhält­nis als auf un­be­stimm­te Zeit verlängert, wenn es nach Ab­lauf der Zeit, für die es ein­ge­gan­gen ist, oder nach Zweck­er­rei­chung mit Wis­sen des Ar­beit­ge­bers fort­ge­setzt wird und der Ar­beit­ge­ber nicht un­verzüglich wi­der­spricht oder dem Ar­beit­neh­mer nicht un­verzüglich die Zweck­er­rei­chung mit­teilt. Die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sind hier erfüllt.

51

aa) Das zweck­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist nach Zweck­er­rei­chung fort­ge­setzt wor­den.

52

(1) In der ers­ten Al­ter­na­ti­ve der Dop­pel­be­fris­tung ha­ben die Par­tei­en als Zweck der be­fris­te­ten Tätig­keit des Klägers die Ver­tre­tung der er­krank­ten Lehr­kraft R5 für die Dau­er von des­sen Er­kran­kung ver­ein­bart. Die­ser Zweck war mit dem Tod des Leh­rers R5 am 06.07.2008 er­reicht. Die Er­kran­kung des Leh­rers R5 en­de­te mit dem Tod. Ei­ne Ver­tre­tungs­si­tua­ti­on be­stand nicht länger. Ei­ne Rück­kehr des ver­tre­te­nen Ar­beit­neh­mers war aus­ge­schlos­sen. Aus dem bei Ver­trags­schluss be­fris­tet be­ste­hen­den Beschäfti­gungs­be­darf ist mit dem Tod des ver­tre­te­nen Ar­beit­neh­mers ein un­be­fris­te­ter Beschäfti­gungs­be­darf ge­wor­den. Der Sach­grund der Ver­tre­tung en­det mit dem Ter­min, zu dem der ver­tre­ten­de Ar­beit­neh­mer endgültig aus dem Ar­beits­verhält­nis aus­schei­det (vgl. BAG 05.06.2002 AP BGB § 620 Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag).

53

(2) Das be­klag­te Land hat das Ar­beits­verhält­nis über den Ter­min der Zweck­er­rei­chung am 06.07.2008 hin­aus fort­ge­setzt. Trotz des To­des der zu ver­tre­ten­den Lehr­kraft R5 hat das be­klag­te Land den Kläger über den 06.07.2008 hin­aus bis zum Ter­min der Kla­ge­er­he­bung im No­vem­ber 2008 und darüber hin­aus bis zum 31.01.2009 auf der Grund­la­ge des im Ju­ni 2008 un­ter­zeich­ne­ten Ar­beits­ver­tra­ges un­ter­rich­ten las­sen.

54

bb) Die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses nach der Zweck­er­rei­chung durch den Tod des Ar­beit­neh­mers R5 am 06.07.2008 er­folg­te un­strei­tig mit Wis­sen und Wol­len des be­klag­ten Lan­des.

55

cc) Das be­klag­te Land hat der Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses über den 06.07.2008 hin­aus we­der un­verzüglich wi­der­spro­chen noch hat es die Zweck­er­rei­chung dem Kläger un­verzüglich im An­schluss an den 06.07.2008 mit­ge­teilt.

56

dd) Rechts­fol­ge der Ver­wirk­li­chung der Tat­be­stands­merk­ma­le zu aa) bis cc) ist, dass das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en gemäß § 15 Abs. 5 Tz­B­fG als auf un­be­stimm­te Zeit verlängert gilt.

57

c) Der im Schrift­tum wohl über­wie­gen­den Auf­fas­sung, § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sei in ei­ner Fall­ge­stal­tung wie der vor­lie­gen­den nicht an­zu­wen­den bzw. te­leo­lo­gisch zu re­du­zie­ren, ver­mag sich die Be­ru­fungs­kam­mer nicht an­zu­sch­ließen.

58

aa) Die­se Auf­fas­sung lässt sich da­von lei­ten, dass bei ei­ner Dop­pel­be­fris­tung der vor­lie­gen­den Art so­wohl Zweck­be­fris­tung wie auch Ka­len­der­be­fris­tung aus Sicht des Ver­trags­schlus­ses zulässig und wirk­sam nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 Tz­B­fG ver­ein­bart wor­den sind. Ent­schei­det sich der Ar­beit­ge­ber in ei­ner sol­chen Si­tua­ti­on bei vor­zei­ti­ger Zweck­er­rei­chung dafür, nicht nach § 15 Abs. 2 Tz­B­fG zu ver­fah­ren und dem Ar­beit­neh­mer gemäß § 15 Abs. 2 Tz­B­fG das En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses an­zu­zei­gen, son­dern den Ar­beit­neh­mer bis zum Ab­lauf der Ka­len­der­be­fris­tung zu beschäfti­gen, so soll das nach die­ser Auf­fas­sung unschädlich sein. Das Ar­beits­verhält­nis en­det nach die­ser Auf­fas­sung mit dem Er­rei­chen des Ka­len­der­ter­mins, ein Dau­er­ar­beits­verhält­nis ent­steht nicht (Dörner, aaO, Rn. 55). § 15 Abs. 5 Tz­B­fG soll im Fal­le ei­ner wirk­sam ver­ein­bar­ten Dop­pel­be­fris­tung bei ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung über den zu­erst rea­li­sier­ten Be­en­di­gungs­zeit­punkt hin­aus bis zum Ein­tritt des zwei­ten Be­en­di­gungs­tat­be­stan­des nicht an­zu­wen­den sein (Ar­nold/Gräfl, Tz­B­fG, 2. Aufl. 2007, § 3 Tz­B­fG Rn. 20 [Gräfl] so­wie § 15 Tz­B­fG, Rn. 93 [Ar­nold]; wohl auch: Stau­din­ger-Preis, Neu­be­ar­bei­tung 2002, § 620 BGB Rn. 32,33). Die­ses Er­geb­nis wird z.T. mit ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG be­gründet (Mei­nel u.a., Tz­B­fG, 3. Aufl. 2009, § 15 Tz­B­fG, Rn. 69; KR-Ba­der, 9. Aufl. 2009, § 3 Tz­B­fG Rn. 48, MK-Hes­se, 5. Aufl. 2009, § 15 Tz­B­fG Rn. 55). Da­ne­ben fin­det sich das Ar­gu­ment, so­bald die ers­te Be­fris­tungs­be­gren­zung (Sach­grund mit Zweck­be­fris­tung) grei­fe, lie­ge in der zwei­ten Be­fris­tungs­be­gren­zung (ei­genständi­ger Sach­grund mit Zeit­be­fris­tung) der nach § 15 Abs. 5 Tz­B­fG er­for­der­li­che Wi­der­spruch, wel­cher ei­nen Über­gang in ei­ne un­be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis ver­hin­de­re (KR-Lip­ke, 9. Aufl. 2009, § 21 BEEG Rn. 17 e; Sie­vers, Tz­B­fG, 2. Aufl. 2007, § 3 Tz­B­fG Rn. 19).

59

bb) Die­ser Auf­fas­sung wird ent­ge­gen­ge­hal­ten, sie sei nicht mit §§ § 15 Abs. 5, 22 Abs. 1 Tz­B­fG in Ein­klang zu brin­gen. Von § 15 Abs. 5 Tz­B­fG könne nach § 22 Abs. 1 Tz­B­fG nicht zum Nach­teil des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den. Die Rechts­la­ge nach dem Tz­B­fG un­ter­schei­de sich in­so­weit von der frühe­ren Rechts­la­ge un­ter Gel­tung des (ab­ding­ba­ren) § 625 BGB. Durch die Ver­ein­ba­rung der Dop­pel­be­fris­tung könne die Rechts­fol­ge des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG nicht ab­be­dun­gen wer­den (APS-Back­haus, 3. Aufl. 2007, § 15 Tz­B­fG Rn. 89 - 91 u. § 3 Tz­B­fG Rn. 30; KR-Fi­scher­mei­er, 9. Aufl. 2009, § 625 BGB Rn. 11 a ; ErfK-Müller-Glöge, 9. Aufl. 2009, § 3 Tz­B­fG Rn. 13 u. § 15 Tz­B­fG Rn. 31; Boecken-Jous­sen, Tz­B­fG, 2007, § 3 Tz­B­fG Rn. 29 — 32 [Jous­sen]).

60

cc) Wie be­reits das Ar­beits­ge­richt schließt sich auch die Be­ru­fungs­kam­mer der letzt­ge­nann­ten Auf­fas­sung an. Das Er­geb­nis der Un­wirk­sam­keit der Ka­len­der­be­fris­tung zum 31.01.2009 ist ge­bo­ten durch die zwin­gen­de Wir­kung der §§ 15 Abs. 5, 22 Abs.1 Tz­B­fG.

61

Ei­nen An­satz­punkt für ei­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG sieht die Kam­mer nicht. Ein sol­ches Er­geb­nis ist we­der durch Sinn und Zweck des § 15 Abs. 5 Tz­B­fG noch durch den vor­ran­gi­gen Zweck ei­ner an­de­ren Norm des Be­fris­tungs­rechts an­ge­zeigt (zu die­ser Vor­aus­set­zung ei­ner te­leo­lo­gi­schen Re­duk­ti­on: BAG 07.10.2004 — 2 AZR 81/04 — AP KSchG 1969 § 15 Nr. 56 un­ter II 4). We­der Sinn und Zweck des Tz­B­fG noch ein an­er­ken­nens­wer­tes prak­ti­sches Bedürf­nis spre­chen dafür, dem Ar­beit­ge­ber in Fällen wie dem vor­lie­gen­den ei­ne Ent­schei­dungs­al­ter­na­ti­ve zu eröff­nen, das zunächst wirk­sam be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis bei Zweck­er­rei­chung ent­we­der zu be­en­den oder es nach Weg­fall des recht­fer­ti­gen­den Sach­grun­des gleich­wohl und nun oh­ne be­glei­ten­den Sach­grund bis zum Er­rei­chen des Ka­len­der­ter­mins fort­zuführen. Das Tz­B­fG zielt dar­auf ab, Be­fris­tun­gen nur un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 14 Tz­B­fG zu­zu­las­sen. Außer­halb der Fall­ge­stal­tun­gen der sach­grund­los zulässi­gen Be­fris­tun­gen nach § 14 Abs. 2, Abs. 2 a, Abs.3 Tz­B­fG er­for­dert dies das Vor­lie­gen ei­nes Sach­grun­des. Die­ser Grund­ent­schei­dung des Tz­B­fG wird durch ei­ne An­wen­dung des § 15 Abs.5 Tz­B­fG oh­ne te­leo­lo­gi­sche Re­duk­ti­on in Fällen der vor­lie­gen­den Art zur Gel­tung ver­hol­fen. Ei­ne be­fris­te­te Fortführung oh­ne be­glei­ten­den Sach­grund ist un­zulässig. Für ei­ne Ein­schränkung der Rechts­fol­ge des § 15 Abs.5 Tz­B­fG trotz Vor­lie­gens sei­ner Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen sieht die Be­ru­fungs­kam­mer des­halb kei­ne Ver­an­las­sung.

62

Der An­nah­me, durch die Ver­ein­ba­rung der Dop­pel­be­fris­tung sei ein Wi­der­spruch i. S. d. § 15 Abs. 5 letz­ter Halb­satz Tz­B­fG ge­ge­ben (s.o.), steht ent­ge­gen, dass der Wi­der­spruch nach § 15 Abs. 5 Tz­B­fG nach all­ge­mei­ner Auf­fas­sung zwar be­reits vor Er­rei­chen des End­ter­mins des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses erklärt wer­den kann, nicht aber be­reits zu Be­ginn des be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis­ses zu­gleich mit dem Ver­trags­schluss (vor­sorg­lich) ver­ein­bart wer­den kann. Dies wäre ei­ne nach § 22 Abs.1 Tz­B­fG un­zulässi­ge Ab­wei­chung von § 15 Abs. 5 Tz­B­fG (Dörner, aaO, Rn. 938; Sie­vers, Tz­B­fG, 2.Aufl. 2007, § 15 Tz­B­fG Rn. 50).

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dd) Ob sich et­was an­de­res er­gibt, wenn bei ei­ner Dop­pel­be­fris­tung die Zweck­be­fris­tung und die Ka­len­der­be­fris­tung durch je­weils un­ter­schied­li­che Sach­gründe ge­recht­fer­tigt wer­den, kann of­fen blei­ben. Ei­ne sol­che Fall­ge­stal­tung ist hier nicht ge­ge­ben. Zwar be­ruft sich das be­klag­te Land dar­auf, nach dem Tod des Leh­rers R5 ha­be zunächst ein wei­te­rer be­fris­te­ter Beschäfti­gungs­be­darf für den Kläger be­stan­den, weil die nach den Re­geln des Art. 33 Abs. 2 GG vor­zu­neh­men­de endgülti­ge Be­set­zung der Stel­le Zeit be­an­spru­che. Auch ist an­er­kannt, dass sich ein Sach­grund für die Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses dar­aus er­ge­ben kann, dass ein nach Ar­ti­kel 33 Abs. 2 GG durch­zuführen­des endgülti­ges Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­ren Zeit in An­spruch nimmt und während die­ses Zeit­rau­mes ein vorüber­ge­hen­der Beschäfti­gungs­be­darf für ei­nen be­fris­tet ein­zu­stel­len­den Ar­beit­neh­mer be­ste­hen kann (BAG 16.03.2005 AP Tz­B­fG § 14 Nr. 16). Das be­klag­te Land hat hier je­doch nicht auf­ge­zeigt, dass bei Ver­trags­schluss im Ju­ni 2008 die hin­rei­chend si­che­re Pro­gno­se be­gründet war, dass ein et­waig er­for­der­lich wer­den­des endgülti­ges Stel­len­be­set­zungs­ver­fah­rens für die Stel­le des Leh­rers R5 ei­nen Zeit­raum bis zum 31.01.2009 in An­spruch neh­men würde. Wie bei al­len Be­fris­tungs­gründen des § 14 Abs. 1 Tz­B­fG ist auch bei ei­ner so be­gründe­ten Be­fris­tung zu for­dern, dass im Zeit­punkt der Be­fris­tungs­ver­ein­ba­rung auf­grund kon­kre­ter Tat­sa­chen hin­rei­chend fun­diert da­mit zu rech­nen ist, dass der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer nur für ei­ne vorüber­ge­hen­de Zeit beschäfti­gen kann. Das ver­langt ei­ne Pro­gno­se des Ar­beit­ge­bers zur Dau­er des be­fris­te­ten Beschäfti­gungs­be­darfs. Für die­se Pro­gno­se hat der Ar­beit­ge­ber, be­zo­gen auf den Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses, Tat­sa­chen vor­zu­tra­gen, die Grund­la­ge sei­ner Pro­gno­se­ent­schei­dung sind (BAG 16.03.2005 AP Tz­B­fG § 14 Nr. 16; BAG 07.07.1999 AP BGB § 620 Be­fris­te­ter Ar­beits­ver­trag Nr. 211). Nach dem un­ter­brei­te­ten Sach­ver­halt können kei­ne Tat­sa­chen für ei­ne fun­dier­te Pro­gno­se fest­ge­stellt wer­den, dass aus Sicht des Ju­ni 2008 für ei­ne et­waig er­for­der­li­che Nach­be­set­zung der Stel­le R5 ein Zeit­raum bis zum 31.01.2009 zu ver­an­schla­gen ge­we­sen wäre.

64

4. Da es nach den vor­ste­hen­den Ausführun­gen bei der Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung auf den 31.01.2009 ver­bleibt, war das be­klag­te Land an­trags­gemäß zur Wei­ter­beschäfti­gung des Klägers für die Dau­er des Be­fris­tungs­rechts­streits zu ver­ur­tei­len (vgl. BAG 26.06.1996 AP BGB § 620 Be­din­gung Nr. 23; BAG 13.06.1985 AP BGB Beschäfti­gungs­pflicht Nr. 19).

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5. Das mit sei­ner Be­ru­fung un­ter­le­ge­ne be­klag­te Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kos­ten des Be­ru­fungs­ver­fah­rens zu tra­gen. We­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che hat die Kam­mer nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die Re­vi­si­on zum Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­sen.

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