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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.03.2010, 14 Sa 2333/09
Schlagworte: | Urlaubsabgeltung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 14 Sa 2333/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 25.03.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 03.06.2009, 44 Ca 2253/09 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2012, 9 AZR 652/10 |
|
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 25. März 2010
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
14 Sa 2333/09
44 Ca 2253/09
Arbeitsgericht Berlin
L., VA
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 14. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2010
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht A. als Vorsitzende
sowie die ehrenamtlichen Richter K. und M.
für Recht erkannt:
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin
vom 3. Juni 2009 - 44 Ca 2253/09 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
A. G. K. H. M.
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Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.
Der am ….. 1966 geborene, heute 44-jährige Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 04. Januar 2008 seit dem 15. Januar 2008 bei dem Beklagten als „Operation-Manager“ zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 5.000,-- € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden an 5 Arbeitstagen in der Woche beschäftigt.
§ 6 des Arbeitsvertrages lautet unter der Überschrift “Urlaub“ wie folgt:
„Der Urlaubsanspruch beträgt 27 Arbeitstage/Werktage. Im Kalenderjahr des Beginns und des Endes des Arbeitsverhältnisses wird für jeden Monat, in dem das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Kalendertage bestand, 1/12 des Jahresurlaubs gewährt.
Der Urlaub wird in Abstimmung der Firmenleitung festgelegt.
Nicht genommener Urlaub kann nur dann auf das folgende Kalenderjahr
übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe dies rechtfertigen. In diesem Fall ist der Urlaub bis zum 31. März des Folgejahres zu nehmen. Bis zum 31 März des Folgejahres nicht genommener Urlaub verfällt.“
Hinsichtlich des vollständigen Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Ablichtung auf Bl. 5 und 6 d. A. Bezug genommen (Anl. K 1).
Mit Schreiben vom 27. Mai 2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2008. Mit Schreiben vom 17. Juni 2008 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut zum 15. Juli 2008.
In der Zeit vom 28. Mai bis zum 30. Juni 2008 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben.
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Mit einer am 17. Juni 2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, dem Beklagten am 02. Juli 2008 zugestellten Klage hatte sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 27. Mai 2008 gewandt und die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 17. Juni 2008 nicht zum 15. Juli 2008, sondern erst zum 31. Juli 2008 beendet werde (38 Ca 9909/08). Durch ein rechtskräftiges Urteil vom 27. November 2008, der Beklagten am 04. Dezember 2008 und dem Kläger am 09. Dezember 2008 zugestellt, hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers weder durch die Kündigung des Beklagten vom 27. Mai 2008 zum 30. Juni 2008 noch durch die Kündigung des Beklagten vom 17. Juni 2008 zum 15. Juli 2008 aufgelöst worden ist, sondern aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 17. Juni 2008 erst zum 31. Juli 2008 geendet hat, die Beklagte zu verschiedenen Zahlungen verurteilt und die Klage hinsichtlich weiterer Zahlungsansprüche abgewiesen.
Mit Schreiben vom 06. Januar 2009 verlangte der Kläger vom Beklagten die Abgeltung von 16 Urlaubstagen in Höhe von 3.692,32 € brutto (Ablichtung Bl. 16 u. 17 d. A., Anl. K 3). Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 lehnte der Beklagte dieses Ansinnen mit der Begründung ab, die Ansprüche seien am 31. Dezember 2008 mangels vorheriger Geltendmachung verfallen (Ablichtung Bl. 18 u. 19 d. A., Anl. K 4).
Mit einer am 02. Februar 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, dem Beklagten am 06. Februar 2009 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.692,32 € brutto verlangt.
Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Durch ein Urteil vom 03. Juni 2009 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei verfallen, weil der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2008 im Zeitpunkt der Geltendmachung mit Schreiben vom 06. Januar 2009
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bereits verfallen gewesen sei. Eine mit der vom EuGH entschiedenen Rechtssache „Sch.-H.“ vergleichbare Fallgestaltung liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 29. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 19. Oktober 2009 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am Montag, dem 30. November 2009 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger tritt dem angefochtenen Urteil entgegen und ist der Ansicht, die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei mit europarechtlichen Vorgaben nicht mehr in Einklang zu bringen und bedürfe der Modifizierung. Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub sei als soziales Grundrecht proklamiert worden, so dass der Urlaub auf jeden Fall gewährt werden müsse. Unmöglichkeit der Urlaubsnahme bzw. der Abgeltung dürfe nicht automatisch zum Verfall des Urlaubsanspruchs führen. Ein Urlaubsanspruch bzw. dessen Abgeltung könne daher nicht verfallen, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt werde und der Kündigungszeitpunkt bzw. das genaue Ende des Arbeitsverhältnisses unklar sei. Zudem sei es rechtlich nicht überzeugend, einem Arbeitnehmer, der im gesamten Kalenderjahr keine Arbeitsleistung erbracht hat, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub zu erhalten und umgekehrt einem anderen Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung verrichtete, denselben Anspruch zu verwehren, nur weil er ihn nicht „rechtzeitig“ geltend mache.
Weiter ist der Kläger der Ansicht, es sei dem Kläger von vorneherein unmöglich gewesen, seinen Urlaubsanspruch in natura zu realisieren, weil die Wartezeit für die Urlaubsgewährung erst am 15. Juli 2008 geendet habe, der Kläger zu diesem Zeitpunkt schon zweimal gekündigt und er zudem vom 28. Mai bis zum 30. Juni 2008 arbeitsunfähig krank gewesen sei. Des Weiteren sei dem Kläger erst mit Rechtskraft des Urteils zum 27. November 2008 zu Beginn des Kalenderjahres 2009 die Höhe seines Urlaubsabgeltungsanspruchs bekannt gewesen.
Ferner ist der Kläger der Ansicht, es sei Pflicht des Arbeitgebers darzulegen warum das Urlaubsjahr ergebnislos verstrichen sei und warum er diesen Umstand nicht zu vertreten habe. Einem Arbeitgeber sei es dabei verwehrt einzuwenden,
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der Arbeitnehmer habe seinen Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht und er habe diese Untätigkeit zu vertreten. Dies ergebe sich aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB und aus § 7 Abs. 1 BUrlG.
Schließlich hat der Kläger angeregt, den Rechtsstreit auszusetzen und dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1.
Ist Art. 7 der RL 2003/88/EG dahingehend zu verstehen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub oder auf finanziellen Ersatz voraussetzt, dass der Arbeitnehmer bei Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Urlaubsjahr tatsächlich einen Antrag auf Gewährung stellt, oder entsteht er auch ohne Antragstellung?
2.
Ist Art. 7 der RL 2003/88/EG dahingehend zu verstehen, dass der Anspruch auf Jahresurlaub oder auf finanziellen Ersatz voraussetzt, dass der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr tatsächlich einen Antrag auf Gewährung stellt, oder trifft die Pflicht zur Urlaubsgewährung den Arbeitgeber unabhängig von einer Antragstellung?
Der Kläger beantragt,
auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 03. Juni 2009, Aktenzeichen 44 Ca 2253/09, abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.692,32 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. August 2008 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts widerspreche gemäß der Entscheidung des EuGH nur insoweit europarechtlichen Vorschriften, als der Verfall des Urlaubs unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers eintrete. Hingen Umstände aber nur vom Willen und Können des Arbeitnehmers ab, bedürfe die nationale Rechtsprechung keiner Modifizierung. Zudem beziehe sich die Entscheidung des EuGH nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub.
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Weiter ist der Beklagte der Ansicht, die Urlaubsgewährung gem. § 7 Abs. 1 BUrlG setze eine Mitwirkung des Arbeitnehmers, gegen die Geltendmachung des Urlaubs, voraus. Der Kläger hätte ohne weiteres fristwahrend seine Rechte geltend machen können, zumal auch nach seiner Rechtsposition das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2008 geendet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 30. November 2009, vom 07. Januar 2010 und vom 05. März 2010 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 25. März 2010 Bezug genommen.
Die Akte im Rechtsstreit 38 Ca 9909/08 - Arbeitsgericht Berlin - ist Gegenstand der Berufungsverhandlung vom 25. März 2010 gewesen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft und frist- und formgerecht im Sinne der §§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
B.
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 3.692,32 € brutto für in der Zeit vom 15. Januar bis 31. Juli 2008 nicht gewährte 16 Urlaubstage.
- 8 -
I.
Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 7 Abs. 4 BUrlG.
1.
Ursprünglich hatte der Kläger für sein in der Zeit vom 15. Januar bis zum 31. Juli 2008 bestehendes Arbeitsverhältnis gem. § 6 Abs. 1 des Arbeitsvertrages einen Urlaubsanspruch von 16 Tagen erworben, den der Beklagte dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Juli 2008 nicht mehr gewähren konnte; gem. § 7 Abs. 4 BUrlG war er abzugelten.
2.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist jedoch am 31. Dezember 2008 verfallen (§ 7 Abs. 3 S. 1 u. 2 BUrlG und § 6 Abs. 3 des Arbeitsvertrages).
a)
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist der Urlaubsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG ein Surrogat (Ersatz) für den wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr erfüllbaren Urlaubsanspruch. Er entsteht, ohne dass es dafür weitere Handlungen des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers bedarf, mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Zeitpunkt wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Abgeltungsanspruch um. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können zwar Arbeitspflichten durch Gewährung von Urlaub nicht mehr beseitigt werden. Dennoch soll nach § 7 Abs. 4 BUrlG der Arbeitnehmer so gestellt werden, als würde weiterhin bis zum Ende des Urlaubsjahres oder ggf. des Übertragungszeitraums die Arbeitspflicht durch Gewährung des Urlaubs suspendiert werden können und daher weiterhin ein Urlaubsentgeltanspruch, also ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts ohne Arbeitsleistung, möglich sein. Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist daher kein Abfindungsanspruch, für den es auf eine Bindung an die Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs und seiner Erfüllung nicht ankommt, sondern er ist als Erfüllungssurrogat für den wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zu verwirklichenden Urlaub an die gleichen Voraussetzungen gebunden wie zuvor der Urlaubsanspruch. Kann daher aufgrund des Abgeltungsanspruchs nach § 7 Abs. 4 BUrlG der Arbeitnehmer verlangen, jedenfalls für das ihm zu zahlende Urlaubsentgelt so gestellt zu werden, als ob
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das Arbeitsverhältnis fortbestünde, unterliegt der Urlaubsabgeltungsanspruch ebenso der Befristung wie der Urlaubsanspruch selbst (vgl. z. B. BAG, 19.01.93, 9 AZR 8/92, AP Nr. 63 zu § 1 BUrlG Abgeltung und BAG, 21.09.99, 9 AZR 705/98, AP Nr. 77 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
b.)
Der Urlaubsanspruch des Klägers war während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstanden und wandelte sich am 31. Juli 2008 in einen Abgeltungsanspruch um, der auf den 31. Dezember 2008 befristet war. Eine Übertragung auf das Jahr 2009 fand nicht statt, weil weder dringende betriebliche noch in der Person des Klägers liegende Gründe dies rechtfertigten (§ 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG und § 6 Abs. 3 des Arbeitsvertrages). Dringende betriebliche Gründe sind weder erkennbar noch denkbar. In der Person des Klägers liegende Gründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Kläger war lediglich in der Zeit vom 28. Mai bis zum 30. Juni 2008 arbeitsunfähig krank geschrieben und meldete sich zum 01. Juli 2008 arbeitslos. Hätte das Arbeitsverhältnis über den 31. Juli 2008 hinaus fortbestanden, hätte der Kläger - hypothetisch - seinen gesamten Jahresurlaub nehmen können.
c.)
Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus einer richtlinienkonformen Fortbildung des § 7 Abs. 3 und 4 BUrlG nicht, dass im vorliegenden Fall der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers nicht verfallen ist.
aa.)
Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 20.01.09, C-350/06 und C-520/06 „G. Sch.-H.“, NZA 2009, 135) ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugzeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krank geschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte. Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie steht einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit der Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten
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vorsieht, nicht entgegen. Diese Modalitäten können sogar den Verlust des Anspruchs am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten. Das gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm von der Richtlinie verliehenen Urlaubsanspruch auszuüben.
Aus dieser Rechtsprechung schließt der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts, dass der EuGH die Aufrechterhaltung des Urlaubsanspruchs in den Ausnahmefällen, in denen vom Willen des Arbeitnehmers unabhängige Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstehen, an enge Voraussetzungen bindet. Der Arbeitnehmer darf bei Krankheit wegen der daraus herrührenden Arbeitsunfähigkeit nicht dazu in der Lage gewesen sein, seinen Urlaubsanspruch bis zum Ende des Urlaubsjahres oder eines einzelstaatlich vorgesehenen Übertragungszeitraum zu verwirklichen (vgl. BAG, 24.03.09, 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538).
Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BAG, der sich die Kammer anschließt, ist § 7 BUrlG richtlinienkonform durch teleologische Reduktion dahin fortzubilden, dass die zeitlichen Beschränkungen des Urlaubsanspruchs in § 7 Abs. 1, 3 und 4 BUrlG im Falle der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums nicht bestehen. Die Reduktion erfasst auch den Urlaubsabgeltungsanspruch aus § 7 Abs. 4 BurlG (BAG, 24.03.09, 9 AZR 938/07 a. a. O.).
bb.)
Ob ein Urlaubsanspruch oder ein Urlaubsabgeltungsanspruch auch in anderen Ausnahmefällen, in denen vom Willen des Arbeitnehmers unabhängige Gründe der Urlaubsgewährung entgegenstehen, nicht zum Ende des Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums nicht verfallen darf, konnte im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.
Denn ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor. Der Kläger wusste, dass sein Arbeitsverhältnis spätestens zum 31. Juli 2008 beendet war, weil er mit seiner am 17. Juni 2008 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Klage (38 Ca 9909/08) lediglich die Feststellung begehrt hatte, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31. Juli 2008 fortbesteht. Seitdem stand fest, dass das Arbeitsverhältnis spätestens ab dem 01. August 2008 nicht mehr bestehen und der entstandene
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Urlaubsanspruch sich spätestens am 31. Juli 2008 in einen Urlaubsabgeltungsanspruch umwandeln würde (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Der Kläger hätte den Urlaub im Falle des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses - hypothetisch - auch noch nehmen können, weil er schon ab dem 01. Juli 2008 wieder arbeitsfähig war (s. bereits oben b).
II.
Der Kläger hat auch keinen Schadenersatzanspruch in Höhe von 3.692,32 € brutto gem. §§ 286 Abs. 1, 275 Abs. 1, 283, 287 S. 2, 280 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB.
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann ein Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag als Schadenersatz für den infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, sofern er seinen Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte (vgl. z. B. BAG, 18.01.00, 9 AZR 803/98, zitiert aus juris m. w. N.). Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist hierfür nicht ausreichend (vgl. BAG a. a. O. und BAG, 18.09.01, 9 AZR 571/00, zitiert aus juris sowie BAG, 21.09.99, 9 AZR 705/98, AP Nr. 77 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
2.
Der Kläger hat den Beklagten vor dem Erlöschen des Urlaubsabgeltungsanspruches am 31. Dezember 2008 nicht in Verzug gesetzt, sondern den Urlaubsabgeltungsanspruch erstmals mit Schreiben vom 06. Januar 2009 geltend gemacht. Entgegen der Ansicht des Klägers war der Beklagte nicht verpflichtet, von sich aus tätig zu werden.
Der Arbeitnehmer hat zwar nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Der Arbeitgeber ist aber nach § 7 Abs. 1 BUrlG nicht verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Das gilt im unangefochten bestehenden Arbeitsverhältnis. Für das gekündigte Arbeitsverhält-
nis gilt nichts anderes. Der Urlaub ist in beiden Fällen vom Arbeitnehmer ausdrücklich i. S. v. § 286 Abs. 1 BGB geltend zu machen. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen. Ebenso hat der
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Arbeitnehmer einen Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs ausdrücklich geltend zu machen (vgl. BAG, 18.09.01, 9 AZR 571/00, zitiert aus juris und BAG, 21.09.99, 9 AZR 705/98, AP Nr. 77 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
Unerheblich ist, dass die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruches im Jahr 2008 möglicherweise noch nicht abschließend berechnet werden konnte, weil der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst im Januar 2009 rechtskräftig festgestellt worden ist. Zum einen hätte der Kläger, der das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 2008 gerichtlich geltend gemacht hatte, dementsprechend den Urlaubsabgeltungsanspruch geltend machen können. Zum anderen wusste der Kläger spätestens ab Zustellung des Urteils in dem Rechtsstreit 38 Ca 9909/08 vom 27. November 2009 am 09. Dezember 2009, dass seine Klage insoweit erfolgreich war.
Warum der Kläger die Geltendmachung des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Jahr 2008 unterließ, ist nicht nachvollziehbar, zumal der Kläger in dem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 38 Ca 9909/08 zahlreiche Zahlungsansprüche zum Streitgegenstand gemacht hatte. Ebenso hätte er den Urlaubsabgeltungsanspruch geltend machen können.
Dem steht § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegen. Aus dem oben Stehenden ergibt sich, dass eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch die Beklagte i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB nicht vorliegt.
III.
Für eine Aussetzung des Rechtsstreits und eine Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung gem. Art. 234 Abs. 3 EG besteht kein Grund.
1.
Ob ein Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 Abs. 3 EG einzuleiten ist, ist davon abhängig, ob das letztinstanzliche nationale Gericht mit vertretbaren Gründen davon ausgehen kann, dass die maßgebliche Rechtsfrage durch den EuGH bereits entschieden ist oder dass die richtige Antwort auf diese Rechtsfrage offenkundig ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss
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vom 25.02.2010, 1 BvR 230/09 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH).
2.
Für die erste vom Kläger vorgeschlagene Vorlagefrage besteht kein Erfordernis. Denn sowohl der Urlaubsanspruch als auch der Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen unzweifelhaft unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einen Antrag auf Urlaubsgewährung stellt, auch wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis im Urlaubsjahr kündigt.
3.
Auch die Vorlage der zweiten vom Kläger vorgeschlagenen Frage erübrigt sich. Nach deutschem Recht setzt ist die Entstehung des Urlaubsanspruchs und/oder des Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht voraus, dass der Arbeitnehmer diesen geltend macht; der Arbeitgeber ist aber auch nicht verpflichtet, von sich aus tätig zu werden. Die Fälle der Leistungsstörungen richten sich nach dem BGB. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Sch.-H. (Urteil vom 20.01.09, C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135) steht dem nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG grundsätzlich einer nationalen Regelung, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums beinhalten, nicht entgegen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit hatte, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben (EuGH a. a. O. Rd. Nr. 43).
C.
I.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
II.
Die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG kam nicht in Betracht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und ist am Einzelfall orientiert.
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Auch eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist nicht erkennbar. Es besteht kein Grund zu der Annahme, dass das BAG seine Rechtsprechung, der Urlaubsabgeltungsanspruch sei ein Surrogat des Urlaubsanspruches, aufgeben wird; aus dem Urteil des BAG vom 24.03.09, 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538) ist dies nicht ersichtlich. Die Ausführungen des EuGH in dem Urteil in der Rechtssache Schultz-Hoff (Urteil vom 20.01.09, C-350/06 und C-520/06, NZA 2009, 135) erfordern eine Aufgabe dieser Rechtsprechung jedenfalls nicht.
III.
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel als solches nicht gegeben. Der Kläger wird jedoch auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde, § 72 a ArbGG, hingewiesen.
Sch.
(geb. A.)
K.
M.
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