- -> zur Mobil-Ansicht
- Arbeitsrecht aktuell
- Arbeitsrecht 2023
- Arbeitsrecht 2022
- Arbeitsrecht 2021
- Arbeitsrecht 2020
- Arbeitsrecht 2019
- Arbeitsrecht 2018
- Arbeitsrecht 2017
- Arbeitsrecht 2016
- Arbeitsrecht 2015
- Arbeitsrecht 2014
- Arbeitsrecht 2013
- Arbeitsrecht 2012
- Arbeitsrecht 2011
- Arbeitsrecht 2010
- Arbeitsrecht 2009
- Arbeitsrecht 2008
- Arbeitsrecht 2007
- Arbeitsrecht 2006
- Arbeitsrecht 2005
- Arbeitsrecht 2004
- Arbeitsrecht 2003
- Arbeitsrecht 2002
- Arbeitsrecht 2001
- Tipps und Tricks
- Handbuch Arbeitsrecht
- Gesetze zum Arbeitsrecht
- Urteile zum Arbeitsrecht
- Arbeitsrecht Muster
- Videos
- Impressum-Generator
- Webinare zum Arbeitsrecht
-
Kanzlei Berlin
030 - 26 39 62 0
berlin@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Frankfurt
069 - 71 03 30 04
frankfurt@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hamburg
040 - 69 20 68 04
hamburg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Hannover
0511 - 89 97 701
hannover@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Köln
0221 - 70 90 718
koeln@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei München
089 - 21 56 88 63
muenchen@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Nürnberg
0911 - 95 33 207
nuernberg@hensche.de
AnfahrtDetails -
Kanzlei Stuttgart
0711 - 47 09 710
stuttgart@hensche.de
AnfahrtDetails
Tariffähigkeit einer Gewerkschaft bestimmt sich nicht nach der Zahl der Tarifabschlüsse
22.03.2011. Arbeitnehmer aller Berufe haben das grundrechtlich geschützte Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen ("Koalitionen") zu bilden (Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz - GG).
Gesetzlich nicht geregelt ist, wann sich eine Arbeitnehmerkoalition mit Fug und Recht "Gewerkschaft" nennen darf. Diese Unterscheidung ist aber wichtig: Denn die Koalitionsfreiheit bedeutet noch nicht, dass auch jede Arbeitnehmerkoalition Tarifverträge abschließen darf. Tariffähig sind nur Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber und Arbeitgebervereinigungen (§ 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz - TVG).
Anders gesagt: Alle Gewerkschaften sind Arbeitnehmerkoalitionen, aber nicht jede Arbeitnehmerkoalition ist auch eine Gewerkschaft und damit tariffähig.
Welche Voraussetzungen eine Arbeitnehmervereinigung erfüllen muss, um als Gewerkschaft zu gelten bzw. um tariffähig zu sein, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Danach muss eine Arbeitnehmerkoalition folgende Bedingungen erfüllen, um als Gewerkschaft zu gelten:
- Sie muss frei gebildet sein, d.h. auf freiwilliger privatrechtlicher Grundlage.
- Sie muss den Abschluss von Tarifverträgen anstreben, d.h. „tarifwillig“ sein.
- Sie muss auf Dauer angelegt sein, d.h. eine feste Struktur besitzen.
- Sie muss von anderen Verbänden und vor allem von der Arbeitgeberseite unabhängig sein.
- Sie muss das Tarif- und Arbeitskampfrecht anerkennen und nach demokratischen Grundsätzen organisiert sein.
- Sie muss „sozial mächtig“ sein, d.h. „durchsetzungsstark“. Die Bereitschaft zum Streik ist dafür nicht unbedingt erforderlich, aber jedenfalls die Fähigkeit, wirksam Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben und ihr tarifvertragliche Zugeständnisse abzutrotzen.
Hinter diesen Voraussetzungen steht das Ziel, die Tarifautonomie als Regelungsmechanismus und damit die Arbeitnehmerinteressen zu schützen. Denn da Tarifverträge aufgrund gesetzlicher Öffnungsklauseln auch zulasten der Arbeitnehmerseite von gesetzlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften abweichen dürfen, kann es rechtlich nicht zulässig sein, dass arbeitgeberabhängige Schein-Gewerkschaften Tarifverträge abschließen, die letztlich nur der Arbeitgeberseite nützen. Die "Tarifverträge" der CGZP sind ein bekanntes Beispiel für diese Gefahr.
"Sozial mächtig" ist eine Arbeitnehmerkoalition, wenn sie
- aufgrund ihrer Mitgliederzahl und
- aufgrund ihrer Organisationsstärke
von der Arbeitgeberseite ernst genommen werden muss. Das geschieht normalerweise
- durch Streiks und Streikdrohungen.
Diese Druckmittel setzen voraus, dass entweder viele Arbeitnehmer und/oder aufgrund ihrer Spezialisierung wichtige Arbeitnehmergruppen dem gewerkschaftlichen Streikaufruf folgen.
In einer grundlegenden Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2006, in der es um die Tariffähigkeit der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM) ging, hat das BAG als weiteres ergänzendes Kriterium für die soziale Mächtigkeit auch
- eine langjährige aktive Teilnahme an der Tarifpraxis
in die Beurteilung einbezogen (Beschluss vom 28.03.2006, 1 ABR 58/04). Eine größere Anzahl abgeschlossener Tarifverträgen soll danach ein Indiz für die tatsächliche Fähigkeit zur Vorbereitung und zum Abschluss von Tarifverträgen sein.
Diese Aussage hat das BAG nunmehr, im Oktober 2010, in einem Verfahrens über die Tariffähigkeit der 2002 gegründeten Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe und Holzverarbeitung (GKH) etwas abgeschwächt.
Die ersten beiden Instanzen, das Arbeitsgericht Paderborn (Beschluss vom 14.03.2008, 2 BV 30/07) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (LAG Hamm, Beschluss vom 13.03.2009, 10 TaBV 89/08), hielten die GKH unter Hinweis auf die rund 120 von ihr abgeschlossenen Tarifverträge für "sozial mächtig" und damit für tariffähig.
Das wollte der Verfahrensgegner, die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall), nicht hinnehmen und legte Rechtsbeschwerde zum BAG ein. Denn in der Organisation der GKH sind Mitglieder einer anderen Gewerkschaft tätig, und außerdem veröffentlichte die GKH ihre Mitgliederzahlen nicht. Abgesehen davon waren viele der Tarifverträge nicht von der GKH allein, sondern in Tarifgemeinschaft mit einer anderen Gewerkschaft abgeschlossen worden.
In der jetzt ergangenen Entscheidung stellt das BAG klar, dass bei einer "noch jungen Arbeitnehmerkoalition" Tarifverträge kein Indiz für ihre soziale Mächtigkeit sind. Denn die Tariffähigkeit ist keine Folge des Abschlusses von Tarifverträgen, sondern ist umgekehrt Voraussetzung der Wirksamkeit solcher Tarifverträge. Die Koalition muss daher schon von Anfang an ein "ernst zu nehmender Gegner" gewesen sein und nicht nur eine vom Arbeitgeber dankbar angenommene Gelegenheit, von den gesetzlichen Öffnungsklauseln zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen.
Das BAG konnte nicht abschließend über die Tariffähigkeit der GKH entscheiden, sondern musste den Fall zurück an das LAG verweisen, da noch Feststellungen zu den Mitgliederzahlen und zum organisatorischem Aufbau zu treffen waren.
Fazit: Die Entscheidung des BAG ist richtig, weil mit den dort genannten Grundsätzen verhindert wird, dass sich "Papiertiger" bzw. "Phantomgewerkschaften" zum Nachteil von Arbeitnehmern etablieren. Das BAG hat in diesem Zusammenhang angedeutet, dass die GKH nach den bisherigen Feststellungen wohl nicht tariffähig ist. Es spricht daher einiges dafür, dass sie keine "echte" Gewerkschaft ist. Die hier besprochene Entscheidung hat auch Auswirkungen auf den Streit über die Tariffähigkeit der CGZP.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 05.10.2010, 1 ABR 88/09
- Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 13.03.2009, 10 TaBV 89/08
- Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 23.09.2011, 10 TaBV 14/11
- Handbuch Arbeitsrecht: CGZP
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik und Streikrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 18/155 Tariffähigkeit einer Gewerkschaft hängt weiter von ihrer Mächtigkeit ab
- Arbeitsrecht aktuell: 11/034 BAG: Die CGZP kann keine Tarifverträge abschließen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/079 Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ) gibt sich geschlagen
- Arbeitsrecht aktuell: 09/134 Zur Tariffähigkeit der CGZP
Hinweis: Nachdem das BAG den Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen hatte, entschied das LAG Hamm abweichend von seinem ursprünglichen Beschluss (Beschluss vom 13.03.2009, 10 TaBV 89/08) und damit gegen die Tariffähigkeit der GKH. Den vollständig begründeten Beschluss des LAG Hamm aus dem Jahre 2011 finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 11. Juli 2018
Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:
Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
Christoph Hildebrandt Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hildebrandt@hensche.de | |
Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |
Bewertung:
HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.
Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw.
bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig.
Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.
© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de