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BAG, Be­schluss vom 15.03.2011, 1 ABR 97/09

   
Schlagworte: Sozialplan
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 ABR 97/09
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 15.03.2011
   
Leitsätze: Ist für eine Betriebsgesellschaft iSd. § 134 Abs. 1 UmwG ein Sozialplan aufzustellen, darf die Einigungsstelle für die Bemessung des Sozialplanvolumens auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Anlagegesellschaft iSd. § 134 Abs. 1 UmwG berücksichtigen. Der Bemessungsdurchgriff ist jedoch der Höhe nach auf die der Betriebsgesellschaft bei der Spaltung entzogenen Vermögensteile begrenzt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Darmstadt, Beschluss vom 14.02.2008, 12 BV 42/07
Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.10.2008, 4 TaBV 68/08
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 ABR 97/09
4 TaBV 68/08

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

15. März 2011

BESCHLUSS

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In dem Be­schluss­ver­fah­ren

mit den Be­tei­lig­ten

An­trag­stel­ler und Rechts­be­schwer­deführer,

2.

Be­schwer­deführer,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der Anhörung vom 15. März 2011 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Wiss­kir­chen und Kunz für Recht er­kannt:
 


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1. Auf die Rechts­be­schwer­de des Ar­beit­ge­bers wird der Be­schluss des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 14. Ok­to­ber 2008 - 4 TaBV 68/08 - auf­ge­ho­ben.


2. Die Be­schwer­de des Be­triebs­rats ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Darm­stadt vom 14. Fe­bru­ar 2008 - 12 BV 42/07 - wird zurück­ge­wie­sen.

Von Rechts we­gen!

Gründe

A. Die Be­tei­lig­ten strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­nes durch Ei­ni­gungs­stel­len­spruch be­schlos­se­nen So­zi­al­plans.

Die Ar­beit­ge­be­rin und späte­re In­sol­venz­schuld­ne­rin be­trieb seit dem Jah­re 2006 ei­ne Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­kli­nik (O). Al­lei­ni­ge Ge­sell­schaf­te­rin der Ar­beit­ge­be­rin ist die Ka San AG (KASA­NAG). Die­se wie­der­um stand im streit-be­fan­ge­nen Zeit­raum zu 93,8 % im Ei­gen­tum der M-Kli­ni­ken AG.


Bis zum Jah­re 2006 be­trieb die KASA­NAG die O zu­sam­men mit fünf wei­te­ren Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­kli­ni­ken. Im Ja­nu­ar 2006 glie­der­te sie die­se im We­ge ei­ner Vermögensüber­tra­gung auf sechs neu ge­gründe­te Ge­sell­schaf­ten aus. Durch no­ta­ri­el­len Ver­trag vom 4. Ja­nu­ar 2006 über­trug sie im We­ge der Aus­glie­de­rung zur Auf­nah­me al­le Rechts­stel­lun­gen, die wirt­schaft­lich zur O gehörten und in der Schluss­bi­lanz zum 30. Ju­ni 2005 ent­hal­ten wa­ren, auf die seit dem Jah­re 2001 be­ste­hen­de „On­ko­lo­gi­sche Fach­kli­nik B GmbH“. Das er­fass­te An­la­ge- und Um­lauf­vermögen war in ei­ner An­la­ge zu dem Aus­glie­de­rungs- und Über­nah­me­ver­trag auf­ge­lis­tet. Hier­zu gehörte nicht die Kli­ni­k­im­mo­bi­lie. Die­se hat­te die KASA­NAG von der nicht mit ihr kon­zern­recht­lich ver­bun­de­nen O GmbH zu ei­nem Pacht­zins von mo­nat­lich 54.000,00 Eu­ro ge­pach­tet. Der Pacht­ver­trag hat­te ei­ne Lauf­zeit bis zum Jahr 2016. Die über­neh­men­de On­ko­lo­gi­sche Fach­kli­nik B GmbH trat in das Pacht­verhält­nis ein. Zur Durchführung der Aus­glie­de­rung wur­de das Stamm­ka­pi­tal der über­neh­men­den Ge­sell­schaft



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von 25.000,00 Eu­ro auf 26.000,00 Eu­ro erhöht. Die Fir­ma der On­ko­lo­gi­schen Fach­kli­nik B GmbH wur­de im Jah­re 2007 in „F GmbH“ geändert. Die fünf wei­te­ren Re­ha­bi­li­ta­ti­ons­kli­ni­ken der KASA­NAG wur­den in ent­spre­chen­der Wei­se aus­glie­dert, wo­bei al­ler­dings der je­wei­li­ge Grund­be­sitz nicht Be­stand­teil der Über­tra­gung war, son­dern bei der KASA­NAG ver­blieb. De­ren bi­lan­zier­tes An­la­ge­vermögen aus Grundstücken und Bau­ten be­lief sich zum 30. Ju­ni 2005 auf 47,9 Mio. Eu­ro.

Nach der Aus­glie­de­rung si­cher­te die KASA­NAG die Wei­terführung des Geschäfts­be­triebs der O, in­dem sie de­ren Ver­bind­lich­kei­ten auf der Grund­la­ge ei­nes mo­nat­lich erhöhten Dar­le­hens erfüll­te. Die­ses be­trug zum 30. Ju­ni 2006 rund 1,74 Mio. Eu­ro und erhöhte sich zum 30. Ju­ni 2007 auf et­wa 3,16 Mio. Eu­ro. Für das Geschäfts­jahr 2006/2007 be­trug der Jah­res­fehl­be­trag der Ar­beit­ge­be­rin 1,63 Mio. Eu­ro. Un­ter Berück­sich­ti­gung des Ver­lust­vor­trags aus dem Vor­jahr er­gab sich ein durch Ei­gen­ka­pi­tal nicht ge­deck­ter Fehl­be­trag von rund 3,0 Mio. Eu­ro. Die KASA­NAG er­wirt­schaf­te­te dem­ge­genüber im Geschäfts­jahr 2006/2007 ei­nen Ge­winn von rund 6,5 Mio. Eu­ro.


Auf­grund des de­fi­zitären Kli­nik­be­triebs be­schloss die Ar­beit­ge­be­rin En­de 2006, die O zu schließen. Sie kündig­te den Pacht­ver­trag so­wie Dienst­leis­tungs­verträge und nahm kei­ne wei­te­ren Pa­ti­en­ten mehr auf.

Nach Schei­tern der So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen mit dem bei der Ar­beit­ge­be­rin be­ste­hen­den Be­triebs­rat be­schloss die Ei­ni­gungs­stel­le durch Spruch vom 20. Sep­tem­ber 2007 ei­nen So­zi­al­plan mit ei­nem Ge­samt­vo­lu­men von rund 1,3 Mio. Eu­ro. Der Spruch wur­de der Ar­beit­ge­be­rin am 26. Sep­tem­ber 2007 zu­ge­lei­tet.

Die Ar­beit­ge­be­rin hat mit ih­rem am 10. Ok­to­ber 2007 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen An­trag gel­tend ge­macht, der Ei­ni­gungs­stel­len­spruch sei un­wirk­sam, weil das Ge­samt­vo­lu­men des So­zi­al­plans im Hin­blick auf die wirt­schaft­li­che Si­tua­ti­on des Un­ter­neh­mens nicht ver­tret­bar sei. Das Un­ter-neh­men sei hoch­de­fi­zitär ge­we­sen und ha­be kei­nen po­si­ti­ven Geschäfts­wert be­ses­sen.
 


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Die Ar­beit­ge­be­rin hat be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 20. Sep­tem­ber 2007 un­wirk­sam ist,

hilfs­wei­se

dem Be­triebs­rat zu un­ter­sa­gen, den Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le vom 20. Sep­tem­ber 2007 durch­zuführen.

Der Be­triebs­rat hat zur Be­gründung sei­nes Ab­wei­sungs­an­trags aus­geführt, bei der Be­stim­mung der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit sei die Leis­tungsfähig­keit der KASA­NAG zu berück­sich­ti­gen ge­we­sen.

Das Ar­beits­ge­richt hat dem Haupt­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin statt­ge­ge­ben; über den Hilfs­an­trag hat es nicht ent­schie­den. Auf die Be­schwer­de des Be­triebs­rats hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt den An­trag zurück­ge­wie­sen.

Über das Vermögen der Ar­beit­ge­be­rin wur­de durch Be­schluss des Amts­ge­richts Ham­burg vom 12. Fe­bru­ar 2009 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Be­tei­lig­te zu 1) zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Mit sei­ner vom Bun­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Rechts­be­schwer­de ver­folgt die­ser die Anträge wei­ter.


B. Die Rechts­be­schwer­de des In­sol­venz­ver­wal­ters ist in Be­zug auf den Haupt­an­trag be­gründet. Der Hilfs­an­trag ist nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len.


I. Be­tei­lig­te des Ver­fah­rens sind der In­sol­venz­ver­wal­ter so­wie der Be­triebs­rat. Die­ser hat nach der Still­le­gung der Kli­nik je­den­falls für die Dau­er des Be­schluss­ver­fah­rens über die Wirk­sam­keit des Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs gemäß § 21b Be­trVG ein Rest­man­dat und ist des­halb nach § 83 Abs. 3 ArbGG zu hören. Die KASA­NAG war da­ge­gen nicht zu be­tei­li­gen. Durch die Ent­schei­dung über die Wirk­sam­keit des So­zi­al­plans wird sie in ih­rer be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Rechts­stel­lung nicht un­mit­tel­bar be­trof­fen.

II. Der An­trag ist zulässig. Strei­ten die Be­triebs­par­tei­en über die Rechts­wirk­sam­keit ei­nes Ei­ni­gungs­stel­len­spruchs, ist die Fest­stel­lung der Un­wirk­sam­keit des Be­schlus­ses und nicht des­sen Auf­he­bung zu be­an­tra­gen (BAG

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23. März 2010 - 1 ABR 82/08 - Rn. 11, AP Be­trVG 1972 § 87 Lohn­ge­stal­tung Nr. 135 = EzA Be­trVG 2001 § 50 Nr. 7).

III. Der An­trag ist be­gründet. Der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le ist un­wirk­sam. Die­se hat das ihr ein­geräum­te Re­ge­lungs­er­mes­sen über­schrit­ten. Der Spruch verstößt ge­gen § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG. Der Ge­samt­be­trag der So­zi­al­plan­leis­tun­gen über­schrei­tet die Gren­zen der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit für die Ar­beit­ge­be­rin. Die wirt­schaft­li­che La­ge ih­rer Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin, der KASA­NAG, war in­so­weit nicht zu berück­sich­ti­gen.


1. Der Ei­ni­gungs­stel­len­spruch un­ter­liegt der ge­richt­li­chen Über­prüfung nach § 76 Abs. 5 Satz 4 Be­trVG. Die Ar­beit­ge­be­rin hat den ihr am 26. Sep­tem­ber 2007 zu­ge­lei­te­ten Ei­ni­gungs­stel­len­spruch in­ner­halb der Zwei­wo­chen­frist am 10. Ok­to­ber 2007 ge­richt­lich an­ge­foch­ten. Ge­gen­stand der ge­richt­li­chen Kon­trol­le nach § 76 Abs. 5 Satz 4, § 112 Abs. 5 Be­trVG ist, ob sich der Spruch der Ei­ni­gungs­stel­le als an­ge­mes­se­ner Aus­gleich der Be­lan­ge des Be­triebs und Un­ter­neh­mens auf der ei­nen und der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer auf der an­de­ren Sei­te er­weist. Maßgeb­lich ist da­bei al­lein die ge­trof­fe­ne Re­ge­lung als sol­che. Ei­ne Über­schrei­tung der Gren­zen des Er­mes­sens muss in der Re­ge­lung selbst als Er­geb­nis des Abwägungs­vor­gangs lie­gen. Auf die von der Ei­ni­gungs­stel­le an­ge­stell­ten Erwägun­gen kommt es nicht an (BAG 24. Au­gust 2004 - 1 ABR 23/03 - zu B III 2 b der Gründe, BA­GE 111, 335). Die Fra­ge, ob die der Ei­ni­gungs­stel­le ge­zo­ge­nen Gren­zen des Er­mes­sens ein-ge­hal­ten sind, un­ter­liegt der un­ein­ge­schränk­ten Über­prüfung durch das Rechts­be­schwer­de­ge­richt. Es geht um die Wirk­sam­keit ei­ner kol­lek­ti­ven Re­ge­lung, die von der Wah­rung des der Ei­ni­gungs­stel­le ein­geräum­ten Ge­stal­tungs­rah­mens abhängig ist. In­so­weit gilt nichts an­de­res als für die ge­richt­li­che Kon­trol­le von Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen (BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 11/02 - zu B II 2 e aa der Gründe, BA­GE 106, 95).

2. Die Ei­ni­gungs­stel­le war für die Auf­stel­lung ei­nes So­zi­al­plans zuständig. Die Ar­beit­ge­be­rin hat ei­ne so­zi­al­plan­pflich­ti­ge Be­triebs­still­le­gung (§ 111 Satz 3 Nr. 1 Be­trVG) vor­ge­nom­men. Sie war nicht nach § 112a Abs. 2 Satz 1 Be­trVG von der So­zi­al­plan­pflicht be­freit, da sie nicht erst anläss­lich der Aus­glie­de­rung
 


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der O aus der KASA­NAG ge­gründet wur­de, son­dern durch ei­ne Aus­glie­de­rung zur Auf­nah­me iSd. § 123 Abs. 3 Nr. 1 Um­wG auf ei­nen schon seit dem Jah­re 2001 be­ste­hen­den Recht­sträger. Un­abhängig da­von gilt § 112a Abs. 2 Satz 1 Be­trVG auch nicht für Neu­gründun­gen im Zu­sam­men­hang mit der recht­li­chen Um­struk­tu­rie­rung von Un­ter­neh­men und Kon­zer­nen (§ 112 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG).


3. Gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG hat die Ei­ni­gungs­stel­le bei ih­rer Ent­schei­dung über ei­nen So­zi­al­plan so­wohl die so­zia­len Be­lan­ge der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer zu berück­sich­ti­gen als auch auf die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit ih­rer Ent­schei­dung für das Un­ter­neh­men zu ach­ten. Im Rah­men bil­li­gen Er­mes­sens muss sie un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­ge­ben­hei­ten des Ein­zel­falls Leis­tun­gen zum Aus­gleich oder der Mil­de­rung wirt­schaft­li­cher Nach¬tei­le vor­se­hen, da­bei die Aus­sich­ten der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer auf dem Ar­beits­markt berück­sich­ti­gen und bei der Be­mes­sung des Ge­samt­be­trags der So­zi­al­plan­leis­tun­gen dar­auf ach­ten, dass der Fort­be­stand des Un­ter­neh­mens oder die nach der Durchführung der Be­triebsände­rung ver­blei­ben­den Ar­beitsplätze nicht gefähr­det wer­den (§ 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bis 3 Be­trVG). Der Aus­gleichs- und Mil­de­rungs­be­darf der Ar­beit­neh­mer be­misst sich nach den ih­nen ent­ste­hen­den Nach­tei­len. Der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit kommt da­bei ei­ne Kor­rek­tur­funk­ti­on zu. Die Ei­ni­gungs­stel­le hat von dem von ihr vor­ge­se­he­nen Aus­gleich der wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le ab­zu­se­hen, wenn die­ser Aus­gleich den Fort­be­stand des Un­ter­neh­mens gefähr­den würde. Die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit ih­rer Ent­schei­dung stellt da­mit für sie ei­ne Gren­ze der Er­mes­sens­ausübung dar (BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 11/02 - zu B II 2 e der Gründe, BA­GE 106, 95).

4. Das von der Ei­ni­gungs­stel­le für den So­zi­al­plan fest­ge­setz­te Ge­samt­vo­lu­men von rund 1,3 Mio. Eu­ro war für die Ar­beit­ge­be­rin nicht mehr wirt­schaft­lich ver­tret­bar.


a) Die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit iSd. § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG rich­tet sich grundsätz­lich auch dann nach den wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­sen des so­zi­al­plan­pflich­ti­gen Ar­beit­ge­bers, wenn das Un­ter­neh­men ei­nem Kon­zern

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an­gehört. Dies zeigt der ein­deu­ti­ge Wort­laut von § 112 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 Be­trVG. Nur in Be­zug auf Wei­ter­beschäfti­gungsmöglich­kei­ten ist nach § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Be­trVG ei­ne kon­zern­be­zo­ge­ne Be­trach­tung vor­zu­neh­men. Auch die Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en bie­ten kei­ner­lei Hin­weis dar­auf, dass an­stel­le des Un­ter­neh­mens auf die wirt­schaft­li­che La­ge des Kon­zerns ab­zu­stel­len ist (vgl. BT-Drucks. VI/1786 S. 55).

b) § 112 Abs. 5 Be­trVG be­stimmt nicht, wann ein So­zi­al­plan noch wirt­schaft­lich ver­tret­bar ist. Maßgeb­lich sind die Ge­ge­ben­hei­ten des Ein­zel­falls. Da­bei ist grundsätz­lich von Be­deu­tung, ob und wel­che Ein­spa­run­gen für das Un­ter­neh­men mit der Be­triebsände­rung ver­bun­den sind, de­ren Nach­tei­le für die Ar­beit­neh­mer der So­zi­al­plan kom­pen­sie­ren soll. Der Um­stand, dass sich ein Un­ter­neh­men be­reits in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten be­fin­det, ent­bin­det es nach den Wer­tun­gen des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes nicht von der Not­wen­dig­keit, wei­te­re Be­las­tun­gen durch ei­nen So­zi­al­plan auf sich zu neh­men. So­gar in der In­sol­venz sind Be­triebsände­run­gen gemäß § 123 In­sO so­zi­al­plan­pflich­tig. Bei der Prüfung, wie sehr der So­zi­al­plan das Un­ter­neh­men be­las­tet und ob er mögli­cher­wei­se des­sen Fort­be­stand gefähr­det, ist so­wohl das Verhält­nis von Ak­ti­va und Pas­si­va als auch die Li­qui­ditätsla­ge zu berück­sich­ti­gen. Führt die Erfüllung der So­zi­al­plan­ver­bind­lich­kei­ten zu ei­ner Il­li­qui­dität, zur bi­lan­zi­el­len Über­schul­dung oder zu ei­ner nicht mehr ver­tret­ba­ren Schmäle­rung des Ei­gen­ka­pi­tals, ist die Gren­ze der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit re­gelmäßig über­schrit­ten (BAG 6. Mai 2003 - 1 ABR 11/02 - zu B II 2 e cc (3) und (4) der Gründe, BA­GE 106, 95).

c) Nach die­sen Grundsätzen ist das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die von der Ei­ni­gungs­stel­le be­schlos­se­ne So­zi­al­plan­do­tie­rung von rund 1,3 Mio. Eu­ro die Gren­ze der wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit für die Ar­beit­ge­be­rin über­schrit­ten hat. Zu dem maßgeb­li­chen Zeit­punkt der Auf­stel­lung des So­zi­al­plans am 20. Sep­tem­ber 2007 war die Ar­beit­ge­be­rin bi­lan­zi­ell über­schul­det. Nach der Bi­lanz zum 30. Ju­ni 2007 stand ei­nem Ei­gen­ka­pi­tal von 26.000,00 Eu­ro so­wie Rück­stel­lun­gen von rund 116.500,00 Eu­ro ein nicht durch Ei­gen­ka­pi­tal ge­deck­ter Fehl­be­trag von rund drei Mio. Eu­ro ge­gen-
 


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über. Das An­la­ge­vermögen der Ar­beit­ge­be­rin hat­te ei­nen Bi­lanz­wert von et­wa 170.000,00 Eu­ro, ihr Um­lauf­vermögen be­trug rund 394.000,00 Eu­ro. Grund für die schlech­te wirt­schaft­li­che La­ge war der von der Ar­beit­ge­be­rin in den Geschäfts­jah­ren 2005/2006 und 2006/2007 er­lit­te­ne Ver­lust in Höhe von rund 1,4 und 1,6 Mio. Eu­ro. Da auf­grund der ge­plan­ten Be­triebsände­rung auch nicht mit ei­ner Verände­rung der wirt­schaft­li­chen Si­tua­ti­on zu rech­nen war, er­weist sich das So­zi­al­plan­vo­lu­men von ca. 1,3 Mio. Eu­ro für die Ar­beit­ge­be­rin oh­ne Berück­sich­ti­gung der wirt­schaft­li­chen Leis­tungsfähig­keit der KASA­NAG als nicht mehr wirt­schaft­lich ver­tret­bar. Hier­von ge­hen auch die Be­tei­lig­ten aus.


5. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Lan­des­ar­beits­ge­richts folgt aus § 134 Abs. 1 Um­wG für die Do­tie­rung des So­zi­al­plans kein Be­mes­sungs­durch­griff auf die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit der KASA­NAG. Des­sen Vor­aus­set­zun­gen sind nicht erfüllt. Der Ar­beit­ge­be­rin sind im Zu­ge ih­rer Aus­glie­de­rung aus der KASA­NAG kei­ne für die Be­triebsführung we­sent­li­chen Vermögens­wer­te ent­zo­gen wor­den.


a) Nach § 133 Abs. 1 Um­wG haf­ten die an ei­ner Spal­tung be­tei­lig­ten Recht­sträger ge­samt­schuld­ne­risch für die vor der Spal­tung be­gründe­ten Ver­bind­lich­kei­ten des über­tra­gen­den Recht­strägers. Zu­guns­ten der von ei­ner spal­tungs­be­ding­ten Un­ter­neh­mens­um­struk­tu­rie­rung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer er­wei­tert § 134 Abs. 1 Um­wG die „Haf­tungs­mas­se“ be­grenzt für Ansprüche aus ei­nem So­zi­al­plan (§§ 112, 112a Be­trVG) oder auf ge­setz­li­chen Nach­teils­aus­gleich (§ 113 Be­trVG). Das setzt nach § 134 Abs. 1 Satz 2 Um­wG vor­aus, dass ein Un­ter­neh­men (Aus­gangs­recht­sträger) sein Vermögen in der Wei­se spal­tet, dass die zur Führung ei­nes Be­triebs not­wen­di­gen Vermögens­tei­le bei ei­ner sog. An­la­ge­ge­sell­schaft iSd. § 134 Abs. 1 Um­wG ver­blei­ben, aber ei­ner sog. Be­triebs­ge­sell­schaft iSd. § 134 Abs. 1 Um­wG für die Führung ih­res Be­triebs zur Nut­zung über­las­sen wer­den. In ei­nem sol­chen Fall hat die An­la­ge­ge­sell­schaft für So­zi­al­plan- oder Nach­teils­aus­gleichs­ansprüche der Ar­beit­neh­mer der Be­triebs­ge­sell­schaft für die Dau­er von fünf Jah­ren nach Wirk­sam­wer­den der Spal­tung ein­zu­ste­hen, so­weit an den an der Spal­tung be­tei­lig­ten Recht­strägern
 


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im We­sent­li­chen die­sel­ben Per­so­nen be­tei­ligt sind (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Um­wG).

b) Die Son­der­re­ge­lung des § 134 Abs. 1 Um­wG trägt der Er­kennt­nis Rech­nung, dass ei­ne durch Spal­tung be­wirk­te Vermögens­ver­la­ge­rung auf ei­ne An­la­ge­ge­sell­schaft die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit ei­ner in­ter­es­sen­aus­gleichs- oder so­zi­al­plan­pflich­tig wer­den­den Be­triebs­ge­sell­schaft min­dert, da ein Rück­griff auf die zur Führung des Be­triebs not­wen­di­gen Vermögens­tei­le nach der Spal­tung nicht mehr möglich ist. Zweck des § 134 Abs. 1 Um­wG ist da­her, die Ein­stands­pflicht der An­la­ge­ge­sell­schaft in den Fällen der §§ 111 bis 113 Be­trVG zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer der Be­triebs­ge­sell­schaft für ei­nen Be­reich zu er­wei­tern, der durch die ge­samt­schuld­ne­ri­sche Haf­tung nach § 133 Abs. 1 Um­wG nicht ab­ge­deckt ist (BT-Drucks. 12/6699 S. 122; Schwab in Lut­ter Um­wG 4. Aufl. § 134 Rn. 11).


c) Die Ein­stands­pflicht der An­la­ge­ge­sell­schaft nach § 134 Abs. 1 Um­wG gilt für al­le Ar­ten der Spal­tung iSd. § 123 Um­wG. Sie er­streckt sich des­halb auch auf die Beschäftig­ten ei­ner Be­triebs­ge­sell­schaft, die aus ei­ner Spal­tung in Form ei­ner Aus­glie­de­rung zur Auf­nah­me (§ 123 Abs. 3 Um­wG) her­vor­ge­gan­gen ist.


An­knüpfungs­punkt der in § 134 Abs. 1 Um­wG nor­mier­ten Ein­stands­pflicht ist die Spal­tung des Vermögens ei­nes Recht­strägers. In § 123 Abs. 1 bis Abs. 3 Um­wG sind die Auf­spal­tung, die Ab­spal­tung und die Aus­glie­de­rung als For­men der Spal­tung auf­geführt. Die ein­zel­nen Spal­tungs­ar­ten un­ter­schei­den sich zwar in der Art und Wei­se der Durchführung und da­nach, ob der Aus­gangs­recht­sträger nach Ab­schluss der Spal­tung noch fort­be­steht oder nicht. Je­de die­ser Spal­tungs­for­men kann aber durch die Ein­be­zie­hung ei­nes an­de­ren Recht­strägers zu ei­ner Tren­nung von Pro­duk­ti­ons­fak­to­ren und Ar­beits­verhält­nis­sen führen, die beim Aus­gangs­recht­sträger noch ei­ne Ein­heit ge­bil­det ha­ben, in­dem die Vermögens­tei­le ei­ner An­la­ge­ge­sell­schaft zu­ge­wie­sen und ei­ner Be­triebs­ge­sell­schaft, bei der die Ar­beit­neh­mer beschäftigt sind, zur bloßen Nut­zung über­las­sen wer­den. Dem­nach wird bei je­der Spal­tungs­form, aus der An­la­ge- und Be­triebs­ge­sell­schaf­ten her­vor­ge­hen, die „Haf­tungs­mas­se“
 


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zu­las­ten der Beschäftig­ten der Be­triebs­ge­sell­schaft ver­rin­gert. Dem­ent­spre­chend ver­langt der Schutz­zweck des § 134 Abs. 1 Um­wG, der auf ei­ne zeit­lich be­grenz­te Ein­stands­pflicht der An­la­ge­ge­sell­schaft für erst künf­tig ent­ste­hen­de be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ansprüche der bei der Be­triebs­ge­sell­schaft beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer ge­rich­tet ist, ei­ne Er­stre­ckung des An­wen­dungs­be­reichs die­ser Re­ge­lung auf al­le For­men der Spal­tung iSd. § 123 Um­wG und da­mit auch auf die Aus­glie­de­rung (Fit­ting Be­trVG 25. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 257; sie­he auch Schwab in Lut­ter § 134 Rn. 69 ff.; Hört­nagl in Sch­mitt/Hört­nagl/Stratz Um­wG Um­wStG 5. Aufl. § 134 Um­wG Rn. 20; Wil­lem­sen in Kall­mey­er Um­wG 4. Aufl. § 134 Rn. 5; Ho­hen­statt/Schramm in KK-Um­wG § 134 Rn. 4).

d) § 134 Abs. 1 Um­wG be­stimmt über sei­nen Wort­laut hin­aus nicht nur ei­ne Haf­tung der An­la­ge­ge­sell­schaft für die dar­in ge­nann­ten Ansprüche der Ar­beit­neh­mer der Be­triebs­ge­sell­schaft, son­dern er­laubt auch ei­nen Be­mes­sungs­durch­griff bei der Auf­stel­lung ei­nes So­zi­al­plans für die Be­triebs­ge­sell­schaft.


aa) § 134 Abs. 1 Um­wG ord­net ei­ne Haf­tung der An­la­ge­ge­sell­schaft für Ansprüche der Ar­beit­neh­mer der Be­triebs­ge­sell­schaft nach den §§ 111 bis 113 Be­trVG an. Bei ei­ner aus­sch­ließlich wort­l­au­tori­en­tier­ten Aus­le­gung der Norm würde sich bei So­zi­al­plansprüchen die Ein­stands­pflicht auf die Be­frie­di­gung von Ansprüchen be­schränken, die den Ar­beit­neh­mern aus ei­nem So­zi­al­plan ge­genüber der Be­triebs­ge­sell­schaft zu­ste­hen, von ihr aber nicht erfüllt wer­den können. Ei­ne - vor­ran­gi­ge - Be­mes­sung die­ser Ansprüche nach der wirt­schaft­li­chen Leis­tungsfähig­keit der An­la­ge­ge­sell­schaft käme nicht in Be­tracht.

bb) Ein sol­ches Aus­le­gungs­er­geb­nis steht aber we­der in Ein­klang mit dem in den Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en zum Aus­druck kom­men­den Wil­len des Ge­setz­ge­bers noch mit Sinn und Zweck der Re­ge­lung. Die­se ver­lan­gen über den Wort­laut hin­aus be­reits ei­ne Ein­stands­pflicht der An­la­ge­ge­sell­schaft für die Be­gründung von So­zi­al­plan­ansprüchen im We­ge des Be­mes­sungs­durch­griffs.
 


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§ 134 Abs. 1 Um­wG wur­de auf An­re­gung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Ar­beit in den Re­gie­rungs­ent­wurf des Ge­set­zes zur Be­rei­ni­gung des Um­wand­lungs­rechts auf­ge­nom­men. Da­mit wur­de das Ziel ver­folgt, die von ei­ner Be­triebs­spal­tung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer vor ei­ner da­durch be­ding­ten Schmäle­rung der Haf­tungs­mas­se zu schützen (BT-Drucks. 12/6699 S. 122). Die Vor­schrift soll ei­ner „Flucht aus der Haf­tung“ für erst nach der Spal­tung ent­ste­hen­de So­zi­al­plan- und Nach­teils­aus­gleichs­ansprüche durch ei­ne Spal­tung in Be­triebs- und An­la­ge­ge­sell­schaft ent­ge­gen­wir­ken. Die­ser Schutz-zweck wird aber nur er­reicht, wenn schon bei der Be­mes­sung der So­zi­al­plan­leis­tun­gen auch das Vermögen der An­la­ge­ge­sell­schaft zur Verfügung steht, denn ei­ne in­fol­ge der Spal­tung vermögens­lo­se Be­triebs­ge­sell­schaft kann kei­nen So­zi­al­plan auf­stel­len, der den be­rech­tig­ten Be­lan­gen ih­rer Beschäftig­ten genügt. Ihr fehlt das Be­triebs­vermögen, des­sen Wert nach den Grundsätzen des § 112 Be­trVG her­an­zu­zie­hen ist, um ei­nen sub­stan­ti­el­len Aus­gleich, zu­min­dest aber ei­ne Mil­de­rung der den Ar­beit­neh­mern durch ei­ne Be­triebsände­rung ent­ste­hen­den Nach­tei­le zu er­rei­chen (Boecken Un­ter­neh­mensum­wand­lun­gen und Ar­beits­recht Rn. 250; Fit­ting §§ 112, 112a Rn. 257; ErfK/Ka­nia 11. Aufl. § 112a Be­trVG Rn. 38; Mai­er-Rei­mer in Sem­ler/Sten­gel Um­wG 2. Aufl. § 134 Rn. 41; Schwab in Lut­ter § 134 Rn. 85; Men­gel Um­wand­lun­gen im Ar­beits­recht S. 244; Dei­nert RdA 2001, 368, 370; aA Hört­nagl in Sch­mitt/Hört­nagl/Stratz § 134 Um­wG Rn. 41; Wil­lem­sen in Kall­mey­er § 134 Rn. 19; Ho­hen­statt/Schramm in KK-Um­wG § 134 Rn. 23; Ri­char­di/Thüsing Be­trVG 12. Aufl. § 112 Rn. 146).

e) Der Be­mes­sungs­durch­griff nach § 134 Abs. 1 Um­wG auf die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit der An­la­ge­ge­sell­schaft bei der Fest­le­gung des So­zi­al­plan­vo­lu­mens für die Be­triebs­ge­sell­schaft ist je­doch nicht un­be­schränkt. Er ist der Höhe nach auf die bei der Spal­tung ent­zo­ge­nen Vermögens­tei­le be­grenzt. Dies folgt aus dem sys­te­ma­ti­schen Zu­sam­men­hang zwi­schen § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG und § 134 Abs. 1 Um­wG so­wie dem sich dar­aus er­ge­ben­den Re­ge­lungs­zweck. Die wirt­schaft­li­che Ver­tret­bar­keit ei­nes So­zi­al­plans be­misst sich gemäß § 112 Abs. 5 Satz 1 Be­trVG nach den Verhält­nis­sen des Un­ter­neh­mens. Das ist die aus ei­ner Spal­tung iSd. § 123 iVm. § 134 Abs. 1 Um­wG
 


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her­vor­ge­gan­ge­ne Be­triebs­ge­sell­schaft. De­ren ei­ge­ne wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit wird je­doch durch die in § 134 Abs. 1 Um­wG be­zeich­ne­te Spal­tung ver­rin­gert, weil ihr durch die Tren­nung von Be­triebs- und An­la­ge­vermögen Letz­te­res ent­zo­gen wird. Al­lein an die­sen Vor­gang und nicht an die Her­auslösung aus ei­nem wirt­schaft­lich leis­tungsfähi­gen Recht­sträger knüpft § 134 Abs. 1 Um­wG die Ein­stands­pflicht der An­la­ge­ge­sell­schaft (BT-Drucks. 12/6699 S. 122). Dem muss auch die Be­stim­mung des Um­fangs des Be­mes­sungs­durch­griffs bei der Fest­le­gung des So­zi­al­plan­vo­lu­mens Rech­nung tra­gen. Die­ser kann sich des­halb nur auf den Wert des der je­wei­li­gen Be­triebs­ge­sell­schaft ent­zo­ge­nen An­la­ge­vermögens be­zie­hen. Nur in­so­weit ist ein Be­mes­sungs­durch­griff nach dem Re­ge­lungs­zweck ge­recht­fer­tigt.


f) Nach die­sen Grundsätzen ist der Ei­ni­gungs­stel­len­spruch er­mes­sens­feh­ler­haft. Das dar­in fest­ge­setz­te So­zi­al­plan­vo­lu­men ist wirt­schaft­lich nicht mehr ver­tret­bar. Ein Be­mes­sungs­durch­griff auf das Vermögen der KASA­NAG nach § 134 Abs. 1 Um­wG war der Ei­ni­gungs­stel­le ver­wehrt. Der Ar­beit­ge­be­rin wur­de in­fol­ge der Aus­glie­de­rung - an­ders als den an­de­ren Kli­ni­ken der KASA-NAG - kein Grund­vermögen ent­zo­gen, weil die Kli­ni­k­im­mo­bi­lie nicht in ih­rem Ei­gen­tum stand, son­dern von ei­ner außer­halb des KASA­NAG-Kon­zerns ste­hen­den Ge­sell­schaft ge­pach­tet wur­de. Ei­ne Berück­sich­ti­gung des sons­ti­gen Vermögens der KASA­NAG bei der Be­mes­sung der So­zi­al­plan­do­tie­rung schei­det aus.


6. Ein Be­mes­sungs­durch­griff auf das Vermögen der KASA­NAG er­gibt sich auch nicht aus den Grundsätzen der Exis­tenz­ver­nich­tungs­haf­tung im GmbH-Kon­zern.


a) Nach der neue­ren Rspr. des Bun­des­ge­richts­hofs und der Auf­ga­be der Haf­tungs­grundsätze im sog. qua­li­fi­ziert fak­ti­schen Kon­zern (vgl. da­zu 29. März 1993 - II ZR 265/91 - [TBB] BGHZ 122, 123) be­stimmt sich die Haf­tung des Al­lein­ge­sell­schaf­ters ei­ner GmbH bei des­sen Ein­griff in de­ren Ge­sell­schafts­vermögen nun­mehr nach den Grundsätzen ei­ner Exis­tenz­ver­nich­tungs­haf­tung als be­son­de­rer Fall­grup­pe ei­ner vorsätz­li­chen sit­ten­wid­ri­gen Schädi­gung iSd. § 826 BGB (16. Ju­li 2007 - II ZR 3/04 - [Tri­ho­tel] BGHZ 173, 246). Da­nach


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muss der Al­lein­ge­sell­schaf­ter ei­ner GmbH für die­je­ni­gen Nach­tei­le ein­ste­hen, die de­ren Gläubi­gern da­durch ent­ste­hen, dass er der Ge­sell­schaft vorsätz­lich Vermögen ent­zieht, das je­ne zur Erfüllung ih­rer Ver­bind­lich­kei­ten benötigt. In­so­weit haf­tet der Al­lein­ge­sell­schaf­ter im We­ge ei­ner - scha­dens­er­satz­recht­li­chen - In­nen­haf­tung ge­genüber der Ge­sell­schaft für miss­bräuch­li­che, zur In­sol­venz der Ge­sell­schaft führen­de oder die­se ver­tie­fen­de kom­pen­sa­ti­ons­lo­se Ein­grif­fe in das zur vor­ran­gi­gen Be­frie­di­gung der Ge­sell­schaftsgläubi­ger die­nen­de Ge­sell­schafts­vermögen (BGH 16. Ju­li 2007 - II ZR 3/04 - aaO). Das bloße Un­ter­las­sen ei­ner hin­rei­chen­den Ka­pi­tal­aus­stat­tung der GmbH durch ih­ren Al­lein­ge­sell­schaf­ter (sog. Un­ter­ka­pi­ta­li­sie­rung) löst ei­ne sol­che Haf­tung da­ge­gen nicht aus. Der GmbH-Ge­sell­schaf­ter ist grundsätz­lich nicht ver­pflich­tet, der GmbH ein - ggf. „mit­wach­sen­des“ - Fi­nanz­pols­ter zur Verfügung zu stel­len, falls sich her­aus­stellt, dass die­se - sei es von vorn­her­ein, sei es im Nach­hin­ein - hin­sicht­lich ih­res am Geschäfts­um­fang ge­mes­se­nen fi­nan­zi­el­len Be­darfs zu nied­rig aus­ge­stat­tet ist. Viel­mehr ist der Ge­sell­schaf­ter in sei­ner „Fi­nan­zie­rungs­ent­schei­dung“ grundsätz­lich frei, bei Er­kennt­nis ei­ner fi­nan­zi­el­len Kri­sen­si­tua­ti­on die Ge­sell­schaft in dem dafür vor­ge­se­he­nen ge­setz­li­chen Ver­fah­ren zu li­qui­die­ren (BGH 28. April 2008 - II ZR 264/06 - [Gam­ma] BGHZ 176, 204).

b) Nach die­sen Grundsätzen zählt der Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Exis­tenz­ver­nich­tungs­haf­tung zum Vermögen der Ge­sell­schaft, die Gläubi­ge­rin die­ses An­spruchs ist. Des­halb spricht vie­les dafür, ihn auch bei der Be­ur­tei­lung der Vermögens­la­ge der Ge­sell­schaft und der dar­an knüpfen­den wirt­schaft­li­chen Ver­tret­bar­keit ei­nes So­zi­al­plans zu berück­sich­ti­gen (Fit­ting §§ 112, 112a Rn. 258). Das be­darf je­doch kei­ner ab­sch­ließen­den Ent­schei­dung. Nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts fehlt es an An­halts­punk­ten dafür, dass die KASA­NAG der Ar­beit­ge­be­rin in haf­tungs­recht­lich re­le­van­ter Wei­se Vermögen ent­zo­gen hat. Da­zu kann sich der Be­triebs­rat nicht auf ei­ne aus sei­ner Sicht un­zu­rei­chen­de Ka­pi­tal­aus­stat­tung der Ar­beit­ge­be­rin im Zu­ge ih­rer Aus­glie­de­rung aus der KASA­NAG be­ru­fen. Das Un­ter­las­sen ei­ner - in wel­cher Höhe auch im­mer - ge­bo­te­nen fi­nan­zi­el­len Aus­stat­tung ist kein Ein­griff in das zweck­ge­bun­de­ne, den Gläubi­gern als Haf­tungs­fonds die­nen­de Ge­sell­schafts-

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vermögen. Ein ge­gen die KASA­NAG ge­rich­te­ter Scha­dens­er­satz­an­spruch kann auch nicht dar­auf gestützt wer­den, dass die Ar­beit­ge­be­rin zum Zeit­punkt der Aus­glie­de­rung „hoch de­fi­zitär“ und auf­grund des Aus­glie­de­rungs- und Über­lei­tungs­ver­trags an ei­nen kos­ten­in­ten­si­ven Pacht­ver­trag ge­bun­den war. Al­lein hier­aus lässt sich nicht schließen, dass die Nach­tei­le aus der Geschäftstätig­keit der Ar­beit­ge­be­rin not­wen­dig de­ren Gläubi­ger tref­fen muss­ten (zu die­ser Fall­grup­pe des § 826 BGB vgl. BGH 28. April 2008 - II ZR 264/06 - [Gam­ma] Rn. 27, BGHZ 176, 204). Nach § 2 des Aus­glie­de­rungs­ver­trags sind die dar­in auf­geführ­ten Vermögens­wer­te und Rechts­stel­lun­gen von der KASA­NAG auf die Ar­beit­ge­be­rin über­tra­gen wor­den. Die­se hat da­mit auch die aus den Ver­trags­be­zie­hun­gen re­sul­tie­ren­den Ein­nah­men er­zielt. Die Ver­lus­te wur­den wei­ter­hin durch ein Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen der KASA­NAG aus­ge­gli­chen. Da­mit sind kei­nes­wegs al­lein die Ge­win­ne bei der KASA­NAG ver­blie­ben und die Ver­lus­te der Ar­beit­ge­be­rin zu­ge­schrie­ben wor­den (da­zu BAG 10. Fe­bru­ar 1999 - 5 AZR 677/97 - zu II 2 der Gründe, AP Gmb­HG § 13 Nr. 6 = EzA AktG § 303 Nr. 9). Auch die En­de des Jah­res 2006 ge­trof­fe­ne Ent­schei­dung der KASA­NAG, den Be­trieb der O ein­zu­stel­len, lässt nicht zwin­gend dar­auf schließen, die Aus­glie­de­rung ha­be al­lein die­ses Ziel ver­folgt.

7. Ein Be­mes­sungs­durch­griff kommt auch aus an­de­ren Gründen nicht in Be­tracht.

a) Die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit der KASA­NAG konn­te von der Ei­ni­gungs­stel­le ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­triebs­rats nicht in ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 302 Abs. 1 AktG berück­sich­tigt wer­den. Nach die­ser auf abhängi­ge Ge­sell­schaf­ten in der Rechts­form ei­ner GmbH ent­spre­chend an­wend­ba­ren Be­stim­mung ist das herr­schen­de Un­ter­neh­men bei Be­ste­hen ei­nes Be­herr­schungs- oder Ge­winn­abführungs­ver­trags grundsätz­lich ver­pflich­tet, je­den während der Ver­trags­dau­er bei der abhängi­gen Ge­sell­schaft ent­ste­hen­den Jah­res­fehl­be­trag aus­zu­glei­chen, so­weit die­ser nicht durch Ent­nah­men aus in­ner­ver­trag­li­chen Ge­winnrück­la­gen ge­deckt wer­den kann (Em­me­rich/ Ha­ber­sack Ak­ti­en- und GmbH-Kon­zern­recht 6. Aufl. § 302 Rn. 16 und 25). Ob sich hier­aus auch ein Be­mes­sungs­durch­griff bei der Fest­set­zung des So­zi­al-
 


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plan­vo­lu­mens auf das herr­schen­de Un­ter­neh­men er­gibt, kann vor­lie­gend da­hin­ste­hen, denn das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, dass zum Zeit­punkt der Auf­stel­lung des So­zi­al­plans zwi­schen der KASA­NAG und der Ar­beit­ge­be­rin ein Be­herr­schungs- oder Ge­winn­abführungs­ver­trag be­stand. Im Übri­gen ist ein et­wai­ger Ver­trag nicht ins Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wor­den. Nach dem auch auf zwei Ge­sell­schaf­ten mit be­schränk­ter Haf­tung an­wend­ba­ren § 294 Abs. 2 AktG er­langt ein sol­cher Un­ter­neh­mens­ver­trag je­doch erst mit sei­ner Ein­tra­gung ins Han­dels­re­gis­ter Wirk­sam­keit (BGH 24. Ok­to­ber 1988 - II ZB 7/88 - zu IV 2 c der Gründe, BGHZ 105, 324).


b) Auch aus den der Ar­beit­ge­be­rin von der KASA­NAG mo­nat­lich zur Verfügung ge­stell­ten Dar­le­hen er­gibt sich kein Be­mes­sungs­durch­griff bei der Be­stim­mung des So­zi­al­plan­vo­lu­mens. Es gibt nach dem Vor­trag der Be­tei­lig­ten kei­nen An­halts­punkt dafür, dass die Ar­beit­ge­be­rin ei­nen An­spruch ge­gen die KASA­NAG auf Zuführung neue­rer Fi­nanz­mit­tel hat. Ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zen­de Dar­le­hen können in der Kri­se der Ge­sell­schaft al­len­falls nicht zurück­ge­for­dert wer­den (da­zu BGH 26. Ja­nu­ar 2009 - II ZR 260/07 - [Gut Bu­schow] BGHZ 179, 249; 20. Sep­tem­ber 2010 - II ZR 296/08 - [STAR 21] BGHZ 187, 69).

c) Eben­so we­nig er­gibt sich aus § 317 Abs. 1 AktG ein Be­mes­sungs­durch­griff auf die KASA­NAG. Die­se Vor­schrift ist auf die fak­tisch abhängi­ge GmbH nicht an­zu­wen­den (BGH 17. Sep­tem­ber 2001 - II ZR 178/99 - BGHZ 149, 10; Münch­Kom­m­AktG/Alt­mep­pen 3. Aufl. Vor­bem. zu § 311 Rn. 80; Hüffer AktG 9. Aufl. § 311 Rn. 51 mwN).

IV. Der Hilfs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist nicht zur Ent­schei­dung an­ge­fal­len. Die­se hat zwar in der Anhörung vor dem Se­nat klar­ge­stellt, dass der An­trag für den Fall des Ob­sie­gens ge­stellt war. Das Ar­beits­ge­richt hat ihn im Tat­be­stand auf­geführt, je­doch nicht über ihn ent­schie­den. Die Ar­beit­ge­be­rin hätte da­nach gemäß dem auch in Be­schluss­ver­fah­ren an­wend­ba­ren § 320 Abs. 1 ZPO ei­ne Tat­be­stands­be­rich­ti­gung be­an­tra­gen und an­sch­ließend ei­nen Ergänzungs­be­schluss (§ 321 Abs. 1 ZPO) be­an­tra­gen müssen (BAG 20. April 2010 - 1 ABR 78/08 - Rn. 35, AP GG Art. 5 Abs. 1 Pres­se­frei­heit Nr. 9 = EzA Be­trVG 2001
 


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§ 118 Nr. 9). Dies ist un­ter­blie­ben. Mit Ab­lauf der zweiwöchi­gen An­trags­frist des § 321 Abs. 2 ZPO ist da­mit die Rechtshängig­keit des Hilfs­an­trags ent­fal­len.


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