HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

HANDBUCH ARBEITSRECHT

Nach­teils­aus­gleich

In­for­ma­tio­nen zum The­ma Nach­teils­aus­gleich: Hen­sche Rechts­an­wäl­te, Kanz­lei für Ar­beits­recht
Hunderteuroscheine

Auf die­ser Sei­te fin­den Sie In­for­ma­tio­nen zu der Fra­ge, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Ar­beit­ge­ber bei Ver­let­zung sei­ner ge­setz­li­chen Pflich­ten im Zu­sam­men­hang mit dem In­ter­es­sen­aus­gleich da­zu ver­pflich­tet ist, den von ei­ner Be­trieb­s­än­de­rung be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern ei­nen Nach­teils­aus­gleich zu ge­wäh­ren.

Im ein­zel­nen fin­den Sie Hin­wei­se da­zu, wann der Ar­beit­ge­ber ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich ver­sucht hat, wann er in recht­lich un­zu­läs­si­ger Wei­se, d.h. „oh­ne zwin­gen­den Grund“ von ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich ab­weicht und wie hoch ein ge­richt­lich zu­ge­spro­che­ner Nach­teils­aus­gleich sein kann.

von Rechts­an­walt Dr. Mar­tin Hen­sche, Fach­an­walt für Ar­beits­recht, Ber­lin

Was ver­steht man un­ter ei­nem Nach­teils­aus­gleich?

Ei­nen Nach­teils­aus­gleich können Ar­beit­neh­mer vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, wenn die­ser sich im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Be­triebsände­rung nicht an die Vor­schrif­ten des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes (Be­trVG) hält, in­dem er 

  • ent­we­der kei­nen oder kei­nen aus­rei­chen­den, bei Be­triebsände­run­gen stets vor­ge­schrie­be­nen Ver­such un­ter­nimmt, mit dem Be­triebs­rat ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich zu ver­ein­ba­ren, oder in­dem er
  • von ei­nem ver­ein­bar­ten In­ter­es­sen­aus­gleich oh­ne aus­rei­chen­den Grund ab­weicht.

Wer­den Ar­beit­neh­mer von ei­nem sol­chen, ge­gen die Be­triebs­ver­fas­sung ver­s­toßen­dem Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers be­trof­fen, ins­be­son­de­re in­dem sie ih­ren Ar­beits­platz auf­grund be­triebs­be­ding­ter Kündi­gun­gen ver­lo­ren ha­ben, können sie

  • im Fal­le ei­ner Ent­las­sung ei­ner Ab­fin­dung ver­lan­gen, d.h. es be­steht ein ge­setz­li­cher An­spruch auf Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung, und
  • im Fal­le sons­ti­ger wirt­schaft­li­che Nach­tei­le der Aus­gleich für die Dau­er von ma­xi­mal zwölf Mo­na­ten ver­lan­gen.

Der Nach­teils­aus­gleich be­steht al­so ent­we­der in ei­nem Ab­fin­dungs­an­spruch bei Ver­lust des Ar­beits­plat­zes oder in ei­nem An­spruch auf Aus­gleich an­de­rer wirt­schaft­li­cher Nach­tei­le.

Er stellt die wich­tigs­te „Stra­fe“ dar, die der Ar­beit­ge­ber ris­kiert, wenn er bei ei­ner ge­plan­ten Be­triebsände­rung den An­spruch des Be­triebs­rats auf Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich miss­ach­tet. Die­se ge­setz­lich an­ge­ord­ne­te fi­nan­zi­el­le Sank­ti­on ist des­halb so be­deut­sam, weil der Be­triebs­rat zwar ei­nen So­zi­al­plan, aber kei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich er­zwin­gen kann, d.h. in be­zug auf ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich nur ei­nen Ver­hand­lungs­an­spruch hat. Ge­setz­li­che Grund­la­ge für den An­spruch auf Nach­teils­aus­gleich ist § 113 Be­trVG.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen, un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen der Ar­beit­ge­ber über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich ver­han­deln muss und wie die­se Ver­hand­lun­gen ab­lau­fen, fin­den Sie un­ter den Stich­wor­ten „Be­triebsände­rung“ und „In­ter­es­sen­aus­gleich“.

Wann hat der Ar­beit­ge­ber ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich "ver­sucht"?

Gemäß § 113 Abs. 3 Be­trVG schul­det der Ar­beit­ge­ber ei­nen Nach­teils­aus­gleich (Ab­fin­dung oder sons­ti­gen fi­nan­zi­el­len Aus­gleich), wenn er im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Be­triebsände­rung Ar­beit­neh­mer entläßt oder ih­nen an­de­re wirt­schaft­li­che Nach­tei­le zu­mu­tet, oh­ne über die Be­triebsände­rung ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich "ver­sucht" zu ha­ben. Vor die­sem Hin­ter­grund ist es von er­heb­li­chem prak­ti­schen In­ter­es­se zu wis­sen, was der Ar­beit­ge­ber bei der Vor­be­rei­tung ei­ner Be­triebsände­rung im ein­zel­nen tun muss, da­mit er auf der si­che­ren Sei­te ist, so dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nicht mit Aus­sicht auf Er­folg be­haup­ten können, er ha­be kei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich "ver­sucht".

Nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG) muss der Ar­beit­ge­ber

  • nach vor­he­ri­ger In­for­ma­ti­on des Be­triebs­rats und
  • nach vor­he­ri­gen Be­ra­tun­gen mit dem Be­triebs­rat
  • die Ei­ni­gungs­stel­le an­ru­fen, um vor der Ei­ni­gungs­stel­le (wei­ter) über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich zu ver­han­deln.

Die Ei­ni­gungs­stel­le ist be­trieb­li­cher Schieds­aus­schuss, in dem der Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat un­ter dem Vor­sitz ei­nes neu­tra­len Drit­ten (meist ei­nes Ar­beits­rich­ters) ver­tre­ten sind. Nähe­re In­for­ma­tio­nen hier­zu fin­den Sie un­ter "Ei­ni­gungs­stel­le".

Da ein In­ter­es­sen­aus­gleich auch vor der Ei­ni­gungs­stel­le nicht er­zwun­gen wer­den kann, kann es vor­kom­men, daß der Ar­beit­ge­ber die Ei­ni­gungs­stel­le ver­geb­lich an­ruft. An­de­rer­seits ist die An­ru­fung der Ei­ni­gungs­stel­le und das Ver­han­deln vor ihr ein klar de­fi­nier­tes Er­eig­nis ist, das auch für den Ar­beit­ge­ber von Vor­teil ist: Schei­tern nämlich auch die Ver­hand­lun­gen vor der Ei­ni­gungs­stel­le, steht zu­min­dest fest, daß der Ar­beit­ge­ber ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich (ernst­haft) "ver­sucht" hat.

Letzt­lich hat der Be­triebs­rat durch die­se Recht­spre­chung die Möglich­keit, bei den Ver­hand­lun­gen über ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich auf Zeit zu spie­len, was ihm bei wirt­schaft­lich drin­gend not­wen­di­gen Be­triebsände­run­gen ei­ne ge­wis­se Ver­hand­lungs­macht gibt, die ihm an sich bei den in­halt­li­chen Gesprächen über ei­nen mögli­chen In­ter­es­sen­aus­gleich nach dem Ge­setz fehlt (er­zwing­bar ist ja nur der So­zi­al­plan).

Wann weicht der Ar­beit­ge­ber von ei­nem In­ter­es­sen­aus­gleich „oh­ne zwin­gen­den Grund“ ab?

Ei­ne Ab­wei­chung vom In­ter­es­sen­aus­gleich liegt nur vor, wenn der Ar­beit­ge­ber „über­zieht“, d.h. den im In­ter­es­sen­aus­gleich fest­ge­leg­ten Rah­men zu­las­ten der Ar­beit­neh­mer über­schrei­tet, al­so z.B. mehr Ar­beit­neh­mer entlässt als im In­ter­es­sen­aus­gleich vor­ge­se­hen. Ver­zich­tet der Ar­beit­ge­ber da­ge­gen auf die im In­ter­es­sen­aus­gleich vor­ge­se­he­ne Be­triebsände­rung ganz oder teil­wei­se, liegt kei­ne zum Nach­teils­aus­gleich ver­pflich­ten­de „Ab­wei­chung“ vor.

Dass aus­nahms­wei­se ein­mal ein „zwin­gen­der Grund“ für die Ab­wei­chung vom In­ter­es­sen­aus­gleich vor­liegt, muss der Ar­beit­ge­ber vor Ge­richt dar­le­gen. Da­bei hat er ei­nen schwe­ren Stand. An­er­kannt sind nur Ex­tremfälle wie z.B. ei­ne dro­hen­de In­sol­venz des Un­ter­neh­mens, die nur durch die Ab­wei­chung vom In­ter­es­sen­aus­gleich ver­mie­den wer­den kann.

Wie hoch kann die als Nach­teils­aus­gleich zu zah­len­de Ab­fin­dung aus­fal­len?

Ist der Ar­beit­ge­ber gemäß § 113 Abs. 1 Be­trVG zum Nach­teils­aus­gleich ver­pflich­tet, weil er zum Bei­spiel von den Um­fang der im In­ter­es­sen­aus­gleich fest­ge­leg­ten Ent­las­sun­gen über­schrit­ten hat (Abs. 1) oder ei­nen In­ter­es­sen­aus­gleich gar nicht erst ver­sucht hat (Abs. 3), so hat er als Nach­teils­aus­gleich an die ent­las­se­nen Ar­beit­neh­mer Ab­fin­dun­gen zu zah­len.

Die Ab­fin­dun­gen sind ent­spre­chend § 10 Kündi­gungs­schutz­ge­setz (KSchG) fest­zu­set­zen. Nach die­ser Vor­schrift ist im all­ge­mei­nen als Ab­fin­dung ein Be­trag von bis zu zwölf Mo­nats­ver­diens­ten fest­zu­set­zen. Ist der Ar­beit­neh­mer 50 Jah­re oder älter und hat das Ar­beits­verhält­nis min­des­tens 15 Jah­re be­stan­den, ist ein Be­trag bis zu 15 Mo­nats­ver­diens­ten fest­zu­set­zen. Ei­ne noch höhe­re Ober­gren­ze der Ab­fin­dung gilt, wenn der Ar­beit­neh­mer 55 Jah­re alt ist und das Ar­beits­verhält­nis 20 Jah­re be­stan­den hat. Dann ist ei­ne Ab­fin­dung von bis zu 18 Mo­nats­ver­diens­ten fest­zu­set­zen.

Da die­se Re­ge­lung nur Ober­gren­zen enthält, lässt sich ihr nicht ent­neh­men, wel­che Ab­fin­dungshöhe das Ge­setz denn nun als an­ge­mes­sen an­sieht. Die Ab­fin­dung ist da­her (bis zu den o.g. Höchst­gren­zen von zwölf, 15 oder 18 Mo­nats­ver­diens­ten) in das Er­mes­sen des Ge­richts ge­stellt. Dem­ent­spre­chend muss ei­ne Kla­ge auf Zah­lung ei­nes Nach­teils­aus­gleichs kei­nen be­zif­fer­ten Kla­ge­an­trag ent­hal­ten, son­dern kann die Höhe der Ab­fin­dung in das Er­mes­sen des Ge­richts stel­len.

Wo fin­den Sie mehr zum The­ma Nach­teils­aus­gleich?

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Letzte Überarbeitung: 12. August 2020

Was können wir für Sie tun?

Wenn Sie als Ar­beit­ge­ber, Be­triebs­rat oder Ar­beit­neh­mer Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Be­trieb­s­än­de­rung ha­ben, z.B. we­gen ei­ner grö­ße­ren An­zahl von be­triebs­be­ding­ten Ent­las­sun­gen, und wenn des­halb das The­ma Nach­teils­aus­gleich im Raum steht, un­ter­stüt­zen wir Sie je­der­zeit ger­ne.

Wir be­ra­ten und ver­tre­ten Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rä­te auch bei der Pla­nung und Durch­füh­rung von In­ter­es­sen­aus­gleichs- und So­zi­al­plan­ver­hand­lun­gen, und hel­fen bei der rechts­si­che­ren Vor­be­rei­tung und Ab­ga­be von Mas­sen­ent­las­sungs­an­zei­gen.

Be­triebs­rä­te ver­tre­ten wir auf der Grund­la­ge ei­ner ent­spre­chen­den Be­schluss­fas­sung, die uns als Kanz­lei be­auf­tragt, und ei­ner Kos­ten­über­nah­me­er­klä­rung des Ar­beit­ge­bers ent­spre­chend die­sem Be­triebs­rats­be­schluss. Bit­te be­ach­ten Sie, dass die Be­auf­tra­gung ei­ner Rechts­an­walts­kanz­lei im­mer ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Be­schluss­fas­sung vor­aus­setzt. Am bes­ten spre­chen Sie uns früh­zei­tig an, um ei­ne kor­rek­te Be­schluss­fas­sung si­cher­zu­stel­len.

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