HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 14.08.2007, 9 AZR 943/06

   
Schlagworte: Gleichbehandlung, Diskriminierung: Geschlecht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 9 AZR 943/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 14.08.2007
   
Leitsätze: Der Arbeitgeber verletzt regelmäßig das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts, wenn er bei Auswahlentscheidungen das Geschlecht des ausgeschlossenen Arbeitnehmers zu dessen Lasten berücksichtigt. Dies gilt insbesondere bei der Auswahl der angestellten Lehrkräfte, denen er ohne Änderung des Aufgabengebiets eine Besserstellung in Vorsorge- und Beihilfeangelegenheiten gewährt.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 3.08.2005, 3 Ca 544/04
Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 7.07.2006, 3 Sa 1688/05 B
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


9 AZR 943/06
3 Sa 1688/05 B

Lan­des­ar­beits­ge­richt
Nie­der­sach­sen

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

14. Au­gust 2007

UR­TEIL

Brüne, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Neun­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf Grund der Be­ra­tung vom 14. Au­gust 2007 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Düwell, die Rich­te­rin­nen am Bun­des­ar­beits­ge­richt Rei­ne­cke und Gall­ner so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Ben­rath und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Pie­lenz für Recht er­kannt:
 


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Auf die Re­vi­si­on der Kläge­rin wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Nie­der­sach­sen vom 7. Ju­li 2006 - 3 Sa 1688/05 B - auf­ge­ho­ben.


Auf die Be­ru­fung der Kläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ol­den­burg vom 3. Au­gust 2005 - 3 Ca 544/04 - ab­geändert.
Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, das Ände­rungs­an­ge­bot der Kläge­rin an­zu­neh­men, sie in der Ver­sor­gungs­kas­se zu ver­si­chern und ihr Bei­hil­fen, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen ent­spre­chend den für nie­dersäch­si­sche Be­am­te gel­ten­den Be­stim­mun­gen zu gewähren.

Die Be­klag­te hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ein An­ge­bot der Kläge­rin auf Ände­rung des Ar­beits­ver­trags an­zu­neh­men. Die Kläge­rin ver­langt den Ab­schluss ei­nes „be­am­tenähn­li­chen“ Ver­trags, mit dem ihr Ver­sor­gungs- und Bei­hil­fe­leis­tun­gen, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen ent­spre­chend den für nie­dersäch­si­sche Be­am­te gel­ten­den Be­stim­mun­gen zu­ge­sagt wer­den sol­len.

Die 1967 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit 1995 an­ge­stell­te Leh­re­rin der be­klag­ten Stif­tung. Die Stif­tung un­terhält ein heilpädago­gi­sches Kin­der- und Ju­gend­heim, zu dem auch ei­ne son­derpädago­gi­sche Schu­le gehört. Über 90 % der Schüler sind Jun­gen. In der Schu­le un­ter­rich­ten sechs Lehr­kräfte, vier Männer und zwei Frau­en. Die Ar­beits­verträge der Kläge­rin und ih­rer Kol­le­gin ver­wei­sen auf den Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT). Im Un­ter­schied da­zu se­hen die Ar­beits­verträge des Schul­lei­ters V. und zwei­er männ­li­cher Lehr­kräfte - der Her­ren A. und M. - be­am­tenähni­che Leis­tun­gen wie Ver­sor­gungs- und Bei­hil­fe­leis­tun­gen, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen vor. Ein Leh­rer ist ab­ge­ord­ne­ter Be­am­ter des Lan­des Nie­der­sach­sen.


Im De­zem­ber 2002 teil­ten die bei­den an­ge­stell­ten Leh­rer A. und M. der Be­klag­ten mit, dass sie sich we­gen ih­rer un­be­frie­di­gen­den fi­nan­zi­el­len Ab­si­che­rung mit Be­ginn des Schul­jah­res 2003/2004 um ei­ne An­stel­lung an ei­ner öffent­li­chen Schu­le
 


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be­wer­ben woll­ten. Sie gin­gen von ei­nem po­si­ti­ven Be­scheid aus. Bei­de Leh­rer erklärten, auf ei­ne Be­wer­bung ver­zich­ten zu wol­len, wenn sich ih­re fi­nan­zi­el­le Si­tua­ti­on ver­bes­se­re. Dar­auf­hin schloss die Be­klag­te mit bei­den Lehr­kräften mit Wir­kung vom 1. Au­gust 2003 ei­nen sog. „be­am­tenähn­li­chen“ Dienst­ver­trag.


Als ih­re Kol­le­gen A. und M. be­am­tenähn­li­che Verträge mit der Be­klag­ten schlos­sen, be­fand sich die Kläge­rin in El­tern­zeit. Nach ih­rer Rück­kehr bat sie dar­um, ihr eben­falls ei­nen be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trag an­zu­bie­ten, weil sie mit dem Ge­dan­ken spie­le, an ei­ne staat­li­che Schu­le zu wech­seln. Die Be­klag­te erklärte zunächst oh­ne nähe­re Be­gründung, dem Wunsch der Kläge­rin könne nicht ent­spro­chen wer­den. Ein späte­res Schrei­ben des Rechts­an­walts der Kläge­rin be­ant­wor­te­te die Be­klag­te un­ter dem 19. Mai 2004 er­neut ab­leh­nend. Die­ses Schrei­ben der Be­klag­ten lau­tet aus-zugs­wei­se wie folgt:


„Die Be­triebs­bin­dung ist für das Wai­sen­stift - zu dem die ‚A.-Schu­le’ gehört - auch ei­ne ‚quan­ti­ta­ti­ve Fra­ge’.

Die Schu­le be­fin­det sich in pri­va­ter Träger­schaft. We­der die Schul­größe noch ihr Be­stand sind ga­ran­tiert. Ei­ne stärke­re Re­du­zie­rung der Schüler­zahl, von ei­ner Auflösung ganz ab­ge­se­hen, würde so­fort zu Pro­ble­men führen, weil an­de­re adäqua­te Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten nicht ge­ge­ben wären. Ei­ne Ver­gleich­bar­keit mit dem Land und ver­be­am­te­ten Lehr­kräften ist nicht ge­ge­ben.


Bei der Be­trach­tung ist Herr Al. nicht zu berück­sich­ti­gen, weil er Lan­des­be­am­ter ist und ggf. an ei­ne öffent­li­che Schu­le wech­seln könn­te.


Gleich­wohl war ei­ne Be­triebs­bin­dung er­for­der­lich. Wenn ein­mal von Herrn V. mit sei­ner be­son­de­ren Funk­ti­on als Schul­lei­ter ab-ge­se­hen wird - Sie se­hen es ähn­lich -, be­zieht sich die Be­triebs­bin­dung auf zwei Per­so­nen.

Ei­ne For­mel für die rich­ti­ge Zahl gibt es nicht. Es ist bestmöglich zwi­schen Fle­xi­bi­lität und Be­triebs­bin­dung, die auch ei­ne be­son­de­re Bin­dung des Ar­beit­ge­bers ist, ab­ge­wo­gen wor­den.


Ich hal­te es schließlich noch für erwähnens­wert, dass die Schu­le auch mit zwei Aus­hilfs­lehr­kräften ar­bei­tet. We­sent­li­cher Grund ist auch hier, dass Fle­xi­bi­lität not­wen­dig ist.


Ein zwei­ter Haupt­grund ist die Fi­nan­zie­rung der Schu­le. Die Kos­ten wer­den zum größten Teil durch die Fi­nanz­hil­fe des Lan­des ge­deckt (Nds. Schul­ge­setz). We­gen der ver­blei­ben­den Kos­ten, sog. Schul­rest­kos­ten, be­steht ei­ne Ver­ein­ba­rung mit dem Land­kreis F als ört­li­cher Träger der Kin­der- und Ju­gend­hil­fe. Nach die­ser Ver­ein­ba­rung können in Be­zug auf An­ge­stell­te mit ‚be­am­tenähn­li­chen Verträgen’ nur drei Stel­len gel­tend ge­macht wer­den (Herr V., Herr A. und Herr M.).

Und schließlich ein drit­ter Haupt­grund.
 


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Soll­ten die ‚be­am­te­ten’ Lehr­kräfte we­gen Weg­falls der Auf­ga­be ent­spre­chend § 107 Nds. Be­am­ten­ge­setz in den ‚Ru­he­stand’ tre­ten, müss­te das Wai­sen­stift trotz­dem wei­ter­hin ei­ne Um­la­ge zur Ver­sor­gungs­kas­se ent­rich­ten. Die­ses la­tent vor­han­de­ne Ri­si­ko kann nicht noch wei­ter erhöht wer­den, zu­mal die Ent­gelt­re­ge­lun­gen so knapp sind, dass auch kei­ne Rück­stel­lun­gen möglich sind.”


Auch mit der wei­te­ren Leh­re­rin schloss die Be­klag­te kei­nen be­am­tenähn­li­chen Ver­trag. An­ders als die Kläge­rin war ih­re Kol­le­gin älter als 45 Jah­re, als sie sich um den Ab­schluss ei­nes sol­chen Ver­trags bemühte. Nach nie­dersäch­si­schem Be­am­ten­recht konn­te sie des­halb nicht mehr ver­be­am­tet wer­den.


Die Kläge­rin meint in ih­rer seit Ju­li 2004 anhängi­gen Kla­ge, die Be­klag­te ver­s­toße ge­gen den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz iVm. dem in­zwi­schen auf­ge­ho­be­nen § 611a BGB, wenn sie nur mit drei männ­li­chen Lehr­kräften be­am­ten-ähn­li­che Ar­beits­verträge schließe. Ein sach­li­cher Grund für die Dif­fe­ren­zie­rung sei nicht er­sicht­lich.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,


die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin ei­nen Ar­beits­ver­trag an­zu­bie­ten, durch den sie in der Ver­sor­gungs­kas­se ver­si­chert wird und der Bei­hil­fen, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten ent­spre­chend den für nie­dersäch­si­sche Be­am­te gel­ten­den Be­stim­mun­gen gewährt.
Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat gel­tend ge­macht, auf Grund der verstärk­ten Ein­stel­lung von Son­der­schul­leh­rern in den Lan­des­dienst sei zu befürch­ten ge­we­sen, dass Lehr­kräfte ih­rer Schu­le in den Lan­des­dienst wech­sel­ten. Um die spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se der an der Schu­le ganz über­wie­gend be­treu­ten Jun­gen be­frie­di­gen zu können, sei ein ho­her An­teil männ­li­cher Lehr­kräfte er­for­der­lich. Die Be­klag­te ha­be die Leh­rer A. und M. dau­er­haft an die Schu­le bin­den wol­len, um den Fort­be­stand der Ein­rich­tung zu si­chern.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Kläge­rin ih­ren Kla­ge­an­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on ist be­gründet. Die Kläge­rin hat An­spruch auf Ab­schluss ei­nes „be­am­tenähn­li­chen“ Ar­beits­ver­trags.


A. Die nach ih­rem Wort­laut auf Ab­ga­be ei­nes Ver­trags­an­ge­bots ge­rich­te­te Kla­ge ist als An­trag auf Ab­ga­be ei­ner An­nah­me­erklärung zu ver­ste­hen. Pro­zess­hand­lun­gen un­ter­lie­gen der un­ein­ge­schränk­ten Aus­le­gung durch das Re­vi­si­ons­ge­richt (für die st. Rspr. BAG 1. März 2007 - 2 AZR 525/05 - Rn. 16, EzA KSchG § 4 nF Nr. 76; 27. No­vem­ber 2003 - 2 AZR 692/02 - Rn. 33, BA­GE 109, 47). Die Kläge­rin will oh­ne wei­te­ren Zwi­schen­schritt das Zu­stan­de­kom­men ei­nes geänder­ten Ar­beits­ver­trags er­rei­chen. Dafür spricht ua., dass sie schon mit der Kla­ge­be­gründung die ar­beits­recht­li­che „Gleich­stel­lung“ mit ih­ren Kol­le­gen A., M. und V. for­der­te, die nur auf der Grund­la­ge ei­nes geänder­ten Ver­trags be­wirkt wer­den kann. Hierfür woll­te sich die Kläge­rin des pro­zes­su­al sinn­vol­len Mit­tels be­die­nen. Die­ser Wil­le war für die Be­klag­te auch er­kenn­bar. Für ei­nen An­trag auf Ab­ga­be ei­nes An­ge­bots hätte da­ge­gen kein Rechts­schutz­bedürf­nis be­stan­den (zu ei­nem be­reits im Vor­ver­trag vollständig aus­for­mu­lier­ten künf­ti­gen Haupt­ver­trag BGH 12. Ja­nu­ar 2001 - V ZR 468/99 - Rn. 11, NJW 2001, 1272). In Wirk­lich­keit un­ter­brei­te­te die Kläge­rin der Be­klag­ten mit ih­rem An­trag ein ei­ge­nes An­ge­bot und ver­lang­te des­sen An­nah­me, um mit Rechts­kraft des statt­ge­ben­den Ur­teils nach § 894 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Ver­trags­schluss her­bei­zuführen (vgl. da­zu auch Se­nat 23. Ja­nu­ar 2007 - 9 AZR 393/06 - Rn. 11, AP ATG § 2 Nr. 8 = EzA TVG § 4 Al­ters­teil­zeit Nr. 24).

B. Die­ser durch Aus­le­gung ge­won­ne­ne An­trag ist hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Kläge­rin er­strebt die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten zum Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags, der hin­sicht­lich der Ver­sor­gungs- und Bei­hil­fe­leis­tun­gen so­wie der Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen den für nie­dersäch­si­sche Be­am­te gel­ten­den Be­stim­mun­gen ent­spricht.

C. Der An­spruch der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trags be­ruht auf dem ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz iVm. dem bis zum 17. Au­gust 2006 gel­ten­den § 611a BGB.

I. Die für das Ent­gelt von Männern und Frau­en ge­genüber dem all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz spe­zi­el­le­re und späte­re Norm des § 612 Abs. 3 Satz 1

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BGB (vgl. BAG 23. Au­gust 1995 - 5 AZR 942/93 - Rn. 31, BA­GE 80, 343; Oet­ker RdA 2004, 8, 12 f.), die eben­falls bis zum 17. Au­gust 2006 in Kraft war, fin­det hier kei­ne An­wen­dung. Nach § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB durf­te bei ei­nem Ar­beits­verhält­nis für glei­che oder für gleich­wer­ti­ge Ar­beit nicht we­gen des Ge­schlechts des Ar­beit­neh­mers ei­ne ge­rin­ge­re Vergütung ver­ein­bart wer­den als bei ei­nem Ar­beit­neh­mer des an­de­ren Ge­schlechts. Die Kläge­rin be­an­sprucht je­doch kei­ne Vergütung in die­sem Sinn.

1. Der Be­griff der Vergütung iSv. § 612 Abs. 3 BGB um­fasst das in Art. 141 Abs. 2 Un­terabs. 1 EG de­fi­nier­te Ent­gelt (BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 631/05 - Rn. 16, AP TV-So­zSich § 8 Nr. 1 = EzA TVG § 4 Sta­tio­nie­rungs­streit­kräfte Nr. 9; ErfK/Preis 7. Aufl. § 612 BGB Rn. 51). Die­se Re­ge­lung ver­steht „Ent­gelt“ als „die übli­chen Grund oder Min­destlöhne und -gehälter so­wie al­le sons­ti­gen Vergütun­gen ..., die der Ar­beit­ge­ber auf Grund des Dienst­verhält­nis­ses dem Ar­beit­neh­mer un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar in bar oder in Sach­leis­tun­gen zahlt”. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des EuGH gehören hier­zu al­le ge­genwärti­gen oder künf­ti­gen Leis­tun­gen, die der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer auf Grund des Dienst­verhält­nis­ses gewährt, un­abhängig da­von, ob sie auf Grund ei­nes Ar­beits­ver­trags, kraft ei­ner Rechts­vor­schrift oder frei­wil­lig er­bracht wer­den (EuGH 21. Ok­to­ber 1999 - C-333/97 - [Le­wen] Rn. 19, Eu­GHE I 1999, 7243; 4. Ju­ni 1992 - C-360/90 - [Ar­bei­ter­wohl­fahrt] Rn. 12, Eu­GHE I 1992, 3589, je­weils noch zu Art. 119 EG-Ver­trag (jetzt Art. 141 EG)).


Den­noch fal­len nicht al­le Ar­beits­be­din­gun­gen un­ter die­sen wei­ten Ent­gelt­be­griff. Ar­beits­be­din­gun­gen sind ins­be­son­de­re nicht schon des­we­gen Ent­gelt im be­schrie­be­nen Sinn, weil sie fi­nan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen ha­ben. Er­for­der­lich ist ein en­ger Zu­sam­men­hang zwi­schen der Art der Ar­beits­leis­tung und der Höhe des Ar­beits­ent­gelts (st. Rspr. vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lom­mers] Rn. 28, Eu­GHE I 2002, 2891; 30. März 2000 - C-236/98 - [Jämo] Rn. 59, Eu­GHE I 2000, 2189; 15. Ju­ni 1978 - 149/77 - [De­fren­ne III] Rn. 21, Eu­GHE 1978, 1365). Kei­ne Re­ge­lung im Hin­blick auf das Ent­gelt ist es bei­spiels­wei­se, wenn der Ar­beit­ge­ber vor­ran­gig weib­li­chen Ar­beit­neh­mern sub­ven­tio­nier­te Kin­der­ta­gesstätten­plätze an­bie­tet (vgl. EuGH 19. März 2002 - C-476/99 - [Lom­mers] aaO).


2. Wird un­ter­stellt, dass die von der Kläge­rin be­gehr­ten Ver­sor­gungs-, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tungs­leis­tun­gen „Vergütung” iSv. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB sind, trifft das je­den­falls auf die ver­lang­ten Bei­hil­fe­leis­tun­gen nicht zu. In­so­weit be­steht kein en­ger Be­zug zwi­schen der Höhe des Ent­gelts und der Art der Ar­beits­leis­tung, ob­wohl die Bei­hil­fen fi­nan­zi­el­le Aus­wir­kun­gen ha­ben. Die Bei­hil­fe­leis­tun­gen de­cken zwar


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ei­nen Teil der durch krank­heits­be­ding­te Ar­beits­unfähig­keit ent­ste­hen­den Kos­ten. Die zu be­han­deln­den Krank­hei­ten ste­hen aber nicht zwin­gend in Zu­sam­men­hang mit der Art der Ar­beits­leis­tung. Dar­an wird deut­lich, dass die Kläge­rin mit ei­nem „be­am­tenähn­li­chen“ Ar­beits­ver­trag mehr als nur Vergütung iSv. § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB er­strebt. Sie ver­langt ein an­de­res ver­trag­li­ches Gefüge, das über bloße Ent­gelt­be­din­gun­gen hin­aus­geht.


II. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat ei­nen An­spruch der Kläge­rin auf Ab­schluss ei­nes Ar­beits­ver­trags, der be­am­tenähn­li­che Ver­sor­gungs- und Bei­hil­fe­leis­tun­gen, Rei­se-und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen vor­sieht, aus­ge­schlos­sen, weil der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht ver­letzt wor­den sei. Dem stimmt der Se­nat nicht zu.

1. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bie­tet dem Ar­beit­ge­ber, 1Arbeitnehmer oder Grup­pen von Ar­beit­neh­mern, die sich in ver­gleich­ba­rer La­ge be­fin­den, gleich­zu­be­han­deln. Der Ar­beit­ge­ber ver­letzt die­sen Grund­satz, wenn sich für ei­ne un­ter­schied­li­che Be­hand­lung kein vernünf­ti­ger, sich aus der Na­tur der Sa­che er­ge­ben­der oder in sons­ti­ger Wei­se sach­lich ein­leuch­ten­der Grund fin­den lässt. Bei frei­wil­li­gen Leis­tun­gen muss der Ar­beit­ge­ber die Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen so ab­gren­zen, dass Ar­beit­neh­mer nicht aus sach­frem­den oder willkürli­chen Gründen aus­ge­schlos­sen wer­den. Der Ar­beit­ge­ber ist grundsätz­lich frei, den Per­so­nen­kreis ab­zu­gren­zen, dem er frei­wil­li­ge Leis­tun­gen zu­kom­men las­sen will, al­so Grup­pen zu bil­den, wenn die­se Grup­pen­bil­dung nicht willkürlich, son­dern sach­lich ge­recht­fer­tigt und recht­lich zulässig ist. Die sach­li­che Recht­fer­ti­gung der Grup­pen­bil­dung kann nur am Zweck der frei­wil­li­gen Leis­tung ge­mes­sen wer­den. Verstößt der Ar­beit­ge­ber bei der Gewährung frei­wil­li­ger Leis­tun­gen ge­gen den Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, hat der be­nach­tei­lig­te Ar­beit­neh­mer An­spruch auf die vor­ent­hal­te­ne Leis­tung (st. Rspr. vgl. Se­nat 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - Rn. 11, NZA 2006, 1217; 15. Fe­bru­ar 2005 - 9 AZR 116/04 - Rn. 37, BA­GE 113, 327).


2. Durch den un­ter­blie­be­nen Ab­schluss ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trags ver­letz­te die Be­klag­te den ar­beits­recht­li­chen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, der durch das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des § 611a BGB kon­kre­ti­siert wird.

a) Die mit drei an­de­ren Ar­beit­neh­mern ge­schlos­se­nen be­am­tenähn­li­chen „Dienst­verträge“ stel­len die­se Ar­beit­neh­mer im Er­geb­nis be­am­te­ten Lehr­kräften gleich. Das zeigt das vor­ge­leg­te Ver­trags­for­mu­lar. Die Vergütung er­folgt zB nach ei­ner be­stimm­ten Be­sol­dungs­grup­pe der Bun­des­be­sol­dungs­ord­nung. Die Ar­beits­zeit rich­tet
 


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sich nach der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Lehr­kräfte an öffent­li­chen Schu­len. Bei­hil­fen, Rei­se- und Um­zugs­kos­ten­er­stat­tun­gen wer­den nach den für Lan­des­be­am­te gel­ten­den Vor­schrif­ten gewährt. Da­mit ist nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts un­strei­tig ei­ne Bes­ser­stel­lung des Schul­lei­ters und der bei­den Leh­rer, die auf der Grund­la­ge ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ver­trags beschäftigt wer­den, ge­genüber den bei­den Leh­re­rin­nen ver­bun­den, de­ren Ar­beits­verträge auf den BAT Be­zug neh­men.


b) Die Kläge­rin ist zwar nicht mit ih­rem Schul­lei­ter, aber mit ih­ren bei­den Kol­le­gen A. und M. ver­gleich­bar.

aa) Ver­gleich­bar sind Ar­beit­neh­mer, wel­che die glei­che Ar­beit ver­rich­ten. Um die glei­che Ar­beit han­delt es sich, wenn Ar­beit­neh­mer an ver­schie­de­nen oder - nach­ein­an­der - an den­sel­ben tech­ni­schen Ar­beitsplätzen iden­ti­sche oder gleich­ar­ti­ge Tätig­kei­ten ausüben. Ob die Ar­beit „gleich“ ist, muss durch ei­nen Ge­samt­ver­gleich der Tätig­kei­ten er­mit­telt wer­den (Se­nat 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - Rn. 28, NZA 2006, 1217).

bb) Nach die­sen Maßstäben ist die Kläge­rin mit ih­rem Schul­lei­ter nicht ver­gleich­bar. Er lei­tet die Schu­le und ver­tritt die Be­klag­te als Schulträge­rin nach in­nen und außen. Sei­ne Stel­lung und sein Auf­ga­ben­ge­biet un­ter­schei­den sich da­mit deut­lich von der Funk­ti­on der Kläge­rin, die im We­sent­li­chen un­ter­rich­tet und die zu­gehöri­gen Zu­sam­men­hangstätig­kei­ten ver­sieht. Mit ih­ren Kol­le­gen A. und M., die eben­falls un­ter-rich­ten, ist die Kläge­rin nach Sta­tus und Auf­ga­ben­stel­lung da­ge­gen oh­ne wei­te­res ver­gleich­bar.


c) Die un­ter­schied­li­che Be­hand­lung der Kläge­rin und ih­rer bei­den männ­li­chen Kol­le­gen ist nach dem Zweck, den die Be­klag­te mit ih­ren frei­wil­li­gen Leis­tun­gen ver­folgt, nicht durch ei­nen sach­li­chen Grund ge­recht­fer­tigt.

aa) Dem Lan­des­ar­beits­ge­richt ist dar­in zu­zu­stim­men, dass die Be­klag­te auf die von zwei Lehr­kräften geäußer­te Ab­sicht re­agier­te, sich für den staat­li­chen Schul­dienst zu be­wer­ben. Bei­de Lehr­kräfte nutz­ten die Möglich­keit ei­ner Be­wer­bung beim Land Nie­der­sach­sen, um ih­re Po­si­ti­on in den Ver­hand­lun­gen über ei­nen be­am­tenähn­li­chen Ver­trag zu stärken. Den­noch han­delt es sich bei ih­ren Verträgen nicht um in­di­vi­du­el­le Ver­ein­ba­run­gen, die zum Schutz der Ver­trags­frei­heit aus dem An­wen­dungs­be­reich des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes her­aus­ge­nom­men sind. Viel­mehr ver­folg­te die Be­klag­te ei­nen be­stimm­ten Zweck, nämlich die bei­den Leh­rer A. und M. an die Schu­le zu bin-
 


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den. Sie ver­fuhr da­bei ent­ge­gen der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts nach ei­nem ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip.

bb) Die Be­klag­te be­nach­tei­lig­te die Kläge­rin ge­genüber ih­ren männ­li­chen Kol­le­gen A. und M. we­gen ih­res Ge­schlechts. Sie ver­stieß da­mit ge­gen § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der ar­beits­recht­li­che Gleich­be­hand­lungs­an­spruch wird stets ver­letzt, wenn der Ar­beit­ge­ber ge­gen ei­ne die sach­frem­de Un­gleich­be­hand­lung von Ar­beit­neh­mern aus­drück­lich ver­bie­ten­de Norm, wie hier § 611a BGB, verstößt (Se­nat 11. April 2006 - 9 AZR 528/05 - Rn. 12, NZA 2006, 1217).

(1) Auf den Streit­fall ist nicht das am 18. Au­gust 2006 in Kraft ge­tre­te­ne All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz, son­dern der mitt­ler­wei­le auf­ge­ho­be­ne § 611a BGB an­zu­wen­den. Nach der Über­g­angs­vor­schrift des § 33 Abs. 1 AGG ist bei Be­nach­tei­li­gun­gen nach den §§ 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB oder se­xu­el­len Belästi­gun­gen nach dem Beschäftig­ten­schutz­ge­setz das vor dem 18. Au­gust 2006 maßgeb­li­che Recht an­zu­wen­den. Ge­meint sind Be­nach­tei­li­gun­gen, die zeit­lich vor In­kraft­tre­ten des AGG lie­gen (BT-Drucks. 16/1780 S. 53). Dem­nach kommt es auf den Zeit­punkt der Vor­nah­me der Be­nach­tei­li­gungs­hand­lung an. In der Re­gel ist die zu­grun­de lie­gen­de Ent­schei­dung des Ar­beit­ge­bers maßgeb­lich, et­wa die Ent­schei­dung, ei­nen Be­wer­ber nicht ein­zu­stel­len oder ei­nem Ar­beit­neh­mer die Bes­ser­stel­lung durch „Beförde­rung“ zu ver­wei­gern. Hier wei­ger­te sich die Be­klag­te be­reits im Jahr 2004 und da­mit vor In­kraft­tre­ten des AGG, ei­nen be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trag mit der Kläge­rin zu schließen. Da­ge­gen hat sich die Kläge­rin mit ih­rer seit Ju­li 2004 anhängi­gen Kla­ge ge­wandt.

(2) Bis zum In­kraft­tre­ten des AGG ent­hielt § 611a BGB das Ver­bot der ge­schlechts­be­zo­ge­nen Be­nach­tei­li­gung durch den Ar­beit­ge­ber, ins­be­son­de­re bei der Ein­stel­lung und während der Durchführung des Ar­beits­verhält­nis­ses. Mit der Vor­schrift wur­den Art. 141 EG und die hier­zu er­las­se­ne Richt­li­nie 76/207/EWG zur Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung von Männern und Frau­en hin­sicht­lich des Zu­gangs zur Beschäfti­gung, zur Be­rufs­bil­dung und zum be­ruf­li­chen Auf­stieg so­wie in Be­zug auf die Ar­beits­be­din­gun­gen vom 9. Fe­bru­ar 1976 (ABl. EG Nr. L 39 vom 14. Fe­bru­ar 1976 S. 40) in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt.

§ 611a BGB un­ter­sagt so­wohl die un­mit­tel­ba­re als auch die mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Ge­schlechts. Ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung liegt vor, wenn di­rekt nach dem Ge­schlecht der Be­trof­fe­nen un­ter­schie­den wird. Gilt ei­ne Maßnah­me in glei­cher Wei­se für Männer und Frau­en, kann dar­in gleich­wohl ei­ne mit­tel­ba­re Be-

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nach­tei­li­gung lie­gen, wenn das be­nach­tei­li­gen­de Merk­mal zwar nicht di­rekt an das Ge­schlecht an­knüpft, das Merk­mal tatsächlich je­doch über­wie­gend von nur ei­nem Ge­schlecht ver­wirk­licht wird (Se­nat 18. Fe­bru­ar 2003 - 9 AZR 272/01 - Rn. 27, BA­GE 105, 123).


(3) Ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts hat die Kläge­rin aus­rei­chen­de Tat­sa­chen iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB dafür vor­ge­tra­gen, dass ei­ne ge­schlechts­be­zo­ge­ne Be­nach­tei­li­gung nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB ver­mu­tet wer­den muss. Die Be­klag­te hat die zu­grun­de lie­gen­den Umstände nach den Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts nicht be­strit­ten. Nach dem Vor­brin­gen der Be­klag­ten ist das männ­li­che Ge­schlecht ins­be­son­de­re nicht un­ver­zicht­ba­re Vor­aus­set­zung für die aus­zuüben­de Tätig­keit. Nicht auf das Ge­schlecht be­zo­ge­ne, sach­li­che Gründe, die ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung der Kläge­rin recht­fer­tig­ten, feh­len eben­falls.


(a) Ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung der Kläge­rin liegt dar­in, dass die Be­klag­te mit al­len männ­li­chen Lehr­kräften be­am­tenähn­li­che Ar­beits­verträge ge­schlos­sen hat, so­weit sie nicht schon Lan­des­be­am­te sind. In die­sem Zu­sam­men­hang muss der Schul­lei­ter außer Acht blei­ben. Ent­spre­chen­des gilt we­gen des Bin­dungs­zwecks, den die Be­klag­te mit der Bes­ser­stel­lung ver­folg­te, auch für die älte­re Kol­le­gin der Kläge­rin. Die­se kam auf Grund ih­res Al­ters von über 45 Jah­ren nicht mehr für ei­ne Ver­be­am­tung im Land Nie­der­sach­sen in Be­tracht.


Dem­nach bil­de­te die Be­klag­te für die Bes­ser­stel­lung un­zwei­fel­haft ge­schlechts­be­zo­ge­ne Grup­pen. Die bei­den ver­gleich­ba­ren männ­li­chen Lehr­kräfte er­hiel­ten be­am­tenähn­li­che Verträge. Die Kläge­rin blieb als ein­zi­ge ver­gleich­ba­re weib­li­che Lehr­kraft un­berück­sich­tigt. Die In­dizwir­kung der ob­jek­tiv ge­schlechts­be­zo­ge­nen Grup­pen­bil­dung wird noch verstärkt, weil die Be­klag­te die Be­vor­zu­gung der bei­den männ­li­chen Lehr­kräfte da­mit be­gründe­te, dass an der Schu­le im Durch­schnitt weit über 90 % Jun­gen un­ter­rich­tet würden. Um die spe­zi­fi­schen Bedürf­nis­se der Jun­gen zu be­frie­di­gen, sei ein ho­her An­teil männ­li­cher Lehr­kräfte not­wen­dig. Die­ser Vor­trag in­di­ziert, dass den Kol­le­gen der Kläge­rin be­am­tenähn­li­che Verträge ge­ra­de des­we­gen an­ge­bo­ten wur­den, weil sie Männer sind.


Auf Grund die­ser Umstände muss da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Kläge­rin we­gen ih­res Ge­schlechts ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung als ih­re männ­li­chen Kol­le­gen A. und M. er­fuhr und un­mit­tel­bar we­gen ih­res Ge­schlechts be­nach­tei­ligt wur­de.

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(b) An­halts­punk­te, die dar­auf schließen las­sen, dass das Ge­schlecht un­ver­zicht­ba­re Vor­aus­set­zung für die aus­zuüben­de Tätig­keit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB ist, feh­len. Es sind auch kei­ne nicht auf das Ge­schlecht be­zo­ge­nen, sach­li­chen Gründe für die Un­gleich­be­hand­lung der Kläge­rin iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB er­sicht­lich.

(aa) Das Merk­mal der Un­ver­zicht­bar­keit in § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB geht über den bloßen sach­li­chen Grund hin­aus, der die Un­gleich­be­hand­lung recht­fer­tigt (vgl. Thüsing RdA 2001, 319, 320). Bei Un­ver­zicht­bar­keit im en­ge­ren Sinn ist an Fälle zu den­ken, in de­nen ei­nem Ar­beit­neh­mer die Erfüllung der ge­schlechts­neu­tral for­mu­lier­ten Ar­beits­auf­ga­be tatsächlich oder recht­lich unmöglich ist. Un­ver­zicht­bar­keit im wei­te­ren Sinn ist in Kon­stel­la­tio­nen zu be­ja­hen, in de­nen ein be­stimm­tes Ge­schlecht die Ar­beits­leis­tung zwar er­brin­gen kann, je­doch schlech­ter als das an­de­re Ge­schlecht, und die­ser Qua­li­fi­ka­ti­ons­nach­teil auf bio­lo­gi­schen Gründen be­ruht (vgl. Thüsing RdA 2001, 319, 324).

(bb) Ei­ne sol­che Un­ver­zicht­bar­keit oder zu­min­dest ei­ne sach­li­che Recht­fer­ti­gung der Un­gleich­be­hand­lung iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ist selbst dann nicht an­zu­neh­men, wenn das er­zie­he­ri­sche Kon­zept der Be­klag­ten und ih­re mit Schrei­ben vom 19. Mai 2004 gel­tend ge­mach­ten fi­nan­zi­el­len Über­le­gun­gen in ih­rem Zu­sam­men­hang gewürdigt wer­den.

(aaa) Der ho­he Jun­ge­nan­teil der Schu­le recht­fer­tigt es nicht, bei der ge­bo­te­nen Aus­wah­l­ent­schei­dung aus­sch­ließlich auf das Ge­schlecht ab­zu­stel­len.

Wie die Ent­schei­dung zur Ein­stel­lung zwei­er Leh­re­rin­nen zeigt, geht die Be­klag­te selbst da­von aus, dass nicht al­le Lehr­kräfte der son­derpädago­gi­schen Schu­le Männer sein müssen. Da­mit kann das männ­li­che Ge­schlecht we­der im en­ge­ren noch im wei­te­ren Sinn un­ver­zicht­bar für die aus­zuüben­den Lehr- und Zu­sam­men­hangstätig­kei­ten sein. Frau­en ist die Lehrtätig­keit tatsächlich und recht­lich möglich. Sie sind für die Lehrtätig­keit auch nicht schlech­ter qua­li­fi­ziert.

So­weit die Be­klag­te gel­tend macht, ein ho­her An­teil männ­li­cher Lehr­kräfte sei we­gen des über­pro­por­tio­na­len An­teils männ­li­cher Schüler von über 90 % er­for­der­lich, steht die­ses er­zie­he­ri­sche Kon­zept dem Ab­schluss ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trags mit der Kläge­rin gleich­falls nicht ent­ge­gen. Das Kon­zept be­inhal­tet kei­nen sach­li­chen Grund für die Un­gleich­be­hand­lung. Der­zeit sind ein­sch­ließlich des Schul­lei­ters vier von sechs Lehr­kräften an der Schu­le der Be­klag­ten Männer. Bis auf den ab­ge­ord­ne­ten Lan­des­be­am­ten sind al­le an­de­ren männ­li­chen Lehr­kräfte we­gen ih­rer


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be­am­tenähn­li­chen Verträge verstärkt an die Be­klag­te ge­bun­den. Da­mit ist ein ho­her An­teil männ­li­cher Lehr­kräfte gewähr­leis­tet. Zu­dem ver­langt § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB ei­nen „nicht auf das Ge­schlecht be­zo­ge­nen, sach­li­chen Grund“.

(bbb) Ein sach­li­cher Grund ist auch nicht dar­in zu se­hen, dass die Kläge­rin ih­ren Ab­kehr­wil­len we­ni­ger deut­lich ar­ti­ku­lier­te als ih­re Kol­le­gen. Die Leh­rer A. und M. erklärten im De­zem­ber 2002 zwar aus­drück­lich, sie be­ab­sich­tig­ten, sich für das Schul­jahr 2003/2004 um ei­ne Stel­le an ei­ner öffent­li­chen Schu­le zu be­wer­ben. Die Kläge­rin führ­te da­ge­gen aus, sie spie­le mit dem Ge­dan­ken, an ei­ne staat­li­che Schu­le zu wech­seln. Die­se For­mu­lie­rung brach­te aber hin­rei­chend deut­lich zum Aus­druck, dass die Kläge­rin ei­nen Wech­sel in den Staats­dienst er­wog. Auch ih­re Kol­le­gen A. und M. hat­ten nicht erklärt, sich be­reits um Stel­len im Lan­des­dienst be­wor­ben zu ha­ben. Sie hat­ten nur geäußert, die­sen Schritt tun zu wol­len, wenn sich ih­re fi­nan­zi­el­le Si­tua­ti­on bei der Be­klag­ten nicht ände­re.


(ccc) Die von der Be­klag­ten vor­ge­brach­ten Kos­ten­be­las­tun­gen recht­fer­ti­gen die Un­gleich­be­hand­lung der Kläge­rin eben­falls nicht.

Das gilt zunächst für die Ver­ein­ba­rung mit dem Land­kreis F als Träger der sog. Schul­rest­kos­ten, wo­nach die Be­klag­te le­dig­lich drei be­am­tenähn­li­che Verträge schließen durf­te. Auch das Ri­si­ko der Be­klag­ten, für die be­am­tenähn­li­chen Lehr­kräfte we­gen Weg­falls der Auf­ga­be ent­spre­chend § 107 Nie­dersäch­si­sches Be­am­ten­ge­setz bei Ein­tritt in den Ru­he­stand wei­ter ei­ne Um­la­ge zur Ver­sor­gungs­kas­se ent­rich­ten zu müssen, bil­det kei­nen sach­li­chen Grund. Der Be­klag­ten ist dar­in zu­zu­stim­men, dass mit je­dem neu­en be­am­tenähn­li­chen Ver­trag ih­re Kos­ten und Ri­si­ken stei­gen. Die­se zusätz­li­chen Be­las­tun­gen ent­ste­hen je­doch un­abhängig da­von, wel­cher kon­kre­ten Lehr­kraft ein be­am­tenähn­li­cher Ver­trag an­ge­bo­ten wird.

Die durch den Schul­rest­kos­tenträger vor­ge­ge­be­ne Be­gren­zung auf drei be­am­tenähn­li­che Verträge ge­bot da­her vor Ab­schluss der be­am­tenähn­li­chen Verträge mit den Leh­rern A. und M. ei­ne Aus­wah­l­ent­schei­dung un­ter Ein­be­zie­hung der Kläge­rin. Bei ihr durf­te die Be­klag­te nicht auf das Ge­schlecht ab­stel­len.

Ei­ne Be­nach­tei­li­gung we­gen des Ge­schlechts iSv. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ist schon dann an­zu­neh­men, wenn die recht­li­che Un­gleich­be­hand­lung an das Ge­schlecht an­knüpft. Es kommt nicht dar­auf an, ob da­ne­ben auch an­de­re Gründe maßgeb­lich wa­ren. Die Be­ach­tung des ver­fas­sungs­recht­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bots soll nach dem Sinn des § 611a Abs. 1 BGB auch für den Ar­beit­ge­ber bei Ein­stel­lungs­ent­schei­dun­gen

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oder Aus­wah­l­ent­schei­dun­gen während des be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis­ses ver­bind­lich ge­macht wer­den. Stellt der Ar­beit­ge­ber so­wohl Männer als auch Frau­en für ver­gleich­ba­re Tätig­kei­ten ein, darf er das Ge­schlecht bei späte­ren Aus­wah­l­ent­schei­dun­gen, die oh­ne in­halt­li­che Ände­rung des Auf­ga­ben­ge­biets ei­ne Bes­ser­stel­lung ein­zel­ner Ar­beit­neh­mer be­wir­ken, re­gelmäßig nicht zu Las­ten ei­nes in die Aus­wahl ein­zu­be­zie­hen­den Ar­beit­neh­mers berück­sich­ti­gen. Be­steht kein sach­li­cher Grund für die Un­gleich­be­hand­lung, verstößt der Ar­beit­ge­ber schon dann ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­grund­satz, wenn in dem Mo­tivbündel, das sei­ne Ent­schei­dung be­ein­flusst, das Ge­schlecht des ab­ge­wie­se­nen oder - hier - nicht in die Aus­wahl ein­be­zo­ge­nen Ar­beit­neh­mers als ne­ga­ti­ves oder aber das an­de­re Ge­schlecht als po­si­ti­ves Kri­te­ri­um ent­hal­ten ist (vgl. zu Ein­stel­lungs­ent­schei­dun­gen BVerfG 16. No­vem­ber 1993 - 1 BvR 258/86 - Rn. 49, BVerfGE 89, 276; da­zu auch BVerfG 23. Au­gust 2000 - 1 BvR 1032/00 - Rn. 4, AP BGB § 611a Nr. 19).


Der An­nah­me ei­ner un­mit­tel­ba­ren ge­schlechts­be­zo­ge­nen Dis­kri­mi­nie­rung der Kläge­rin steht nicht ent­ge­gen, dass sie sich im Zeit­punkt der Ver­trags­schlüsse mit den Her­ren A. und M. im Jahr 2003 we­gen ih­rer El­tern­zeit nicht um die Bes­ser­stel­lung „be­wor­ben“ hat­te, dh. noch kein An­ge­bot auf Ab­schluss ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ver­trags ab­ge­ge­ben hat­te. Bei frei­wil­li­gen Leis­tun­gen des Ar­beit­ge­bers, die nach ei­nem ge­ne­ra­li­sie­ren­den Prin­zip gewährt wer­den, muss der Ar­beit­ge­ber die Leis­tungs­vor­aus­set­zun­gen aus ei­ge­nem An­trieb in ei­ner Wei­se ab­gren­zen, die es ver­hin­dert, dass Ar­beit­neh­mer aus sach­frem­den Gründen aus­ge­schlos­sen wer­den.


Nur auf die­se Wei­se kann dem Schutz­zweck des § 611a BGB genügt wer­den, der nicht nur der Er­rei­chung der Zie­le des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG dient, son­dern wei­ter­ge­hend auch die Zie­le des Art. 3 Abs. 2 GG ver­wirk­li­chen soll. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sind Männer und Frau­en gleich­be­rech­tigt. Über das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 GG hin­aus stellt Art. 3 Abs. 2 GG ein Gleich­be­rech­ti­gungs­ge­bot auf und er­streckt die­ses Ge­bot auf die ge­sell­schaft­li­che Wirk­lich­keit. Art. 3 Abs. 2 GG will die Le­bens­verhält­nis­se der Ge­schlech­ter an­glei­chen und ih­re Gleich­be­rech­ti­gung durch­set­zen. § 611a BGB dehnt das mit dem Gleich­be­hand­lungs­ge­bot des Art. 3 Abs. 2 GG ver­bun­de­ne Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot des Art. 3 Abs. 3 GG auf pri­va­te Ar­beits­be­zie­hun­gen aus und soll Männern und Frau­en glei­che Chan­cen im Be­ruf si­chern. § 611a BGB ist des­halb im Licht von Art. 3 Abs. 2 GG aus­zu­le­gen und an­zu­wen­den. Die Aus­le­gung der Norm darf nicht da­zu führen, dass der Ar­beit­ge­ber es in der Hand hat, durch ei­ne ge­eig­ne­te Ver­fah­rens­ge­stal­tung die Chan­cen von Be­wer­bern um Ar­beitsplätze oder um Bes­ser­stel­lun­gen im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis we­gen ih­res
 


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Ge­schlechts so zu min­dern, dass sei­ne Ent­schei­dung prak­tisch un­an­greif­bar wird (vgl. in ei­ner Ein­stel­lungs­kon­stel­la­ti­on BVerfG 21. Sep­tem­ber 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 12 f., AP BGB § 611a Nr. 24 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 4).

d) Die Kläge­rin hat An­spruch auf die vor­ent­hal­te­ne Leis­tung, den Ab­schluss ei­nes be­am­tenähn­li­chen Ar­beits­ver­trags. Die Be­klag­te hat kei­ne Tat­sa­chen dafür vor­ge­bracht, dass es auch bei be­nach­tei­li­gungs­frei­er Aus­wahl nicht zum Ver­trags­schluss mit der Kläge­rin ge­kom­men wäre (vgl. den Rechts­ge­dan­ken des § 611a Abs. 3 Satz 1 BGB).

D. Die Be­klag­te hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen. 

Düwell 

Ver­merk: Die Rich­te­rin am BAG Rei­ne­cke ist in­fol­ge Dienst­unfähig­keit an der Un­ter­schrift ver­hin­dert. Düwell 

Gall­ner

Pie­lenz 

Ben­rath

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