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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 19.02.2007, 10 Sa 2171/06

   
Schlagworte: Dienstwagen
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 10 Sa 2171/06
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 19.02.2007
   
Leitsätze:

Ist ein Dienstwagen für die Dauer des Arbeitsverhältnisses auch zur Privatnutzung überlassen, rechtfertigt die Versetzung vom Außen- in den Innendienst keine Herausgabe des Pkw.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 07.12.2006, 18 Ga 21676/06
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 19.02.2007

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

10 Sa 2171/06

18 Ga 21676/06
Ar­beits­ge­richt Ber­lin

H., JAng
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Im Na­men des Vol­kes

 

Ur­teil

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 10. Kam­mer, auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 19.02.2007 durch den Vor­sit­zen­der Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt
W.-M. als Vor­sit­zen­der
so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Frau B. und Herr K.

für Recht er­kannt:

I. Auf die Be­ru­fung der Verfügungskläge­rin wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 07.12.2006 - 18 Ga 21676/06 - ab­geändert:

Dem Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, bei Mei­dung ei­nes vom Ge­richt fest­zu­set­zen­den Zwangs­gel­des bis zu 50.000,00 EUR bzw. Zwangs­haft den Dienst­wa­gen Pkw Mar­ke Mer­ce­des C 220 CDI, Fahr­ge­stell­num­mer WDB2032081F798023 mit dem amt­li­chen Kenn­zei­chen B -….. an die Verfügungskläge­rin her­aus­zu­ge­ben.

II. Die Kos­ten der ers­ten In­stanz trägt die Verfügungskläge­rin. Die Kos­ten der Be­ru­fung hat der Verfügungs­be­klag­te zu tra­gen.

 

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T a t b e s t a n d

Die Par­tei­en strei­ten um die Her­aus­ga­be ei­nes dem Verfügungs­be­klag­ten von der Verfügungskläge­rin über­las­se­nen PKW Mer­ce­des C 220 CDI.

Der Verfügungs­be­klag­te ist seit dem 1. Ju­li 2004 bei der Verfügungskläge­rin auf­grund ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges vom 7. Ju­li 2004 beschäftigt. Er ist Mit­glied des Be­triebs­ra­tes. In § 4 Abs.2 des Ar­beits­ver­tra­ges ha­ben die Par­tei­en ver­ein­bart:

"Die Ge­sell­schaft stellt dem Mit­ar­bei­ter für die Dau­er des An­stel­lungs­ver­tra­ges ei­nen an­ge­mes­se­nen Dienst­wa­gen zur Verfügung, der auch zu Pri­vat­fahr­ten be­nutzt wer­den kann. Be­triebs- und Un­ter­halts­kos­ten trägt die Ge­sell­schaft. Die Ver­steue­rung des geld­wer­ten Vor­teils für die pri­va­te Nut­zung trägt der Mit­ar­bei­ter. Es gilt die Dienst­wa­gen­re­ge­lung in der je­weils ak­tu­el­len Ver­si­on."

Ent­spre­chend hat die Verfügungskläge­rin dem Verfügungs­be­klag­ten ei­nen PKW Mer­ce­des C 220 CDI über­las­sen.

In der Dienst­wa­gen-Re­ge­lung der Verfügungskläge­rin wird zwi­schen dem Lea­sing-Ver­trag (Ver­trag zwi­schen der Verfügungskläge­rin und dem Lea­sing­ge­ber) und dem Nut­zungs­ver­trag (Ver­trag zwi­schen den Par­tei­en) un­ter­schie­den. Nach § 7 der Dienst­wa­gen-Re­ge­lung en­det der Nut­zungs­ver­trag, wenn der Lea­sing­ver­trag en­det.

Nach­dem der Verfügungs­be­klag­te zunächst im Außen­dienst der Verfügungskläge­rin beschäftigt war, wur­de er mit Zu­stim­mung des Be­triebs­ra­tes mit Wir­kung vom 1. No­vem­ber 2006 in den In­nen­dienst ver­setzt. Über die Fra­ge der Wirk­sam­keit die­ser Ver­set­zung strei­ten die Par­tei­en der­zeit erst­in­stanz­lich vor dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin.

Da­nach for­der­te die Verfügungskläge­rin den Verfügungs­be­klag­ten mehr­fach zur Her­aus­ga­be des PKWs auf, vor­pro­zes­su­al zu­letzt mit an­walt­li­chem Schrei­ben vom 8. No­vem­ber 2006.

 

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Der Verfügungs­be­klag­te war seit dem 1. Ok­to­ber 2006 ar­beits­unfähig er­krankt. Nach­dem er am 13. No­vem­ber 2006 ei­nen Tag ge­ar­bei­tet hat­te, er­krank­te er er­neut. Sein An­spruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung en­de­te am 26.12.2006. Nach ei­ner Mit­tei­lung des Verfügungs­be­klag­ten vom 14. Fe­bru­ar 2007 ist er wei­ter­hin - vor­aus­sicht­lich bis 28. Fe­bru­ar 2007 – ar­beits­unfähig krank.

Mit ih­rem am 30. No­vem­ber 2006 beim Ar­beits­ge­richt Ber­lin ein­ge­gan­ge­nen An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung hat die Verfügungskläge­rin die Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs ver­langt. Der Verfügungs­be­klag­te ist dem An­trag ent­ge­gen­ge­tre­ten.

Von der wei­te­ren Dar­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Sach- und Streit­stan­des wird gemäß § 69 Abs. 2 Ar­beits­ge­richts­ge­setz (ArbGG) ab­ge­se­hen.

Das Ar­beits­ge­richt hat den An­trag mit am 7. De­zem­ber 2006 verkünde­tem Ur­teil zurück­ge­wie­sen und zur Be­gründung im We­sent­li­chen aus­geführt, dass der Wort­laut des Ar­beits­ver­tra­ges nicht die von der Verfügungskläge­rin an­ge­nom­me­ne Aus­le­gung zu­las­se, dass der Dienst­wa­gen nur für die Dau­er der Außen­diensttätig­keit über­las­sen wor­den sei. An­de­re An­spruchs­grund­la­gen für das Ver­lan­gen ei­ner vor­zei­ti­gen Rück­ga­be des Fahr­zeugs lägen nicht vor. Ei­ne vor­zei­ti­ge Her­aus­ga­be des Fahr­zeugs sei nur für den Fall der Kündi­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses so­wie bei Be­en­di­gung des Nut­zer­ver­tra­ges gemäß § 7 der Dienst­wa­gen­re­ge­lung denk­bar. Letz­te­res sei nach § 8 Nr.1 der Dienst­wa­gen­re­ge­lung nur bei der der Verfügungskläge­rin ge­stat­te­ten vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Lea­sing­ver­tra­ges der Fall. Das Vor­lie­gen ei­nes sol­chen Fal­les be­haup­te die Verfügungskläge­rin aber nicht.

Ge­gen die­ses der Verfügungskläge­rin am 13. De­zem­ber 2006 zu­ge­stell­te Ur­teil legt die­se am 19. De­zem­ber 2006 Be­ru­fung ein und be­gründe­te die­se auch so­gleich.

Mit Schrei­ben vom 8. De­zem­ber 2006 an die D. AG Nie­der­las­sung D., Herrn M. G., hat­te die Verfügungskläge­rin den Lea­sing­ver­trag über das dem Verfügungs­be­klag­ten über­las­se­ne Fahr­zeug gekündigt. Der In­halt des Schrei­bens lau­tet im We­sent­li­chen:

 

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„Sehr ge­ehr­ter Herr G.,

wir kündi­gen mit so­for­ti­ger Wir­kung den o.g. Lea­sing-Ver­trag.
Bit­te tei­len Sie uns den Ter­min der Ab­ho­lung so­wie den Überg­a­be­ort mit und bestäti­gen uns den Ein­gang der Kündi­gung schrift­lich.“

Die­ses Schrei­ben hat die Verfügungskläge­rin in Ko­pie vor­ge­legt. Mit ei­nem nicht un­ter­zeich­ne­ten Schrei­ben der D.Lea­sing vom 21. De­zem­ber 2006 an die Verfügungskläge­rin teil­te die­se mit:

„un­ter Be­zug­nah­me auf Ihr Schrei­ben vom 08.12.2006 bestäti­gen wir die Ver­trags­be­en­di­gung zum 30.12.2006“.

So­dann wa­ren in die­sem Schrei­ben Ab­rech­nungs­mo­da­litäten auf­geführt. Das Schrei­ben en­det mit ei­ner Un­ter­schrif­ten­zei­le und dem da­vor ste­hen­den Text:

„Mit der vor­zei­ti­gen Ver­trags­auflösung zu den oben ge­nann­ten Be­din­gun­gen bin ich ein­ver­stan­den.“

Der Verfügungs­be­klag­te hat das Fahr­zeug bis­her nicht her­aus­ge­ge­ben.

In der Be­ru­fung setz­te die Verfügungskläge­rin sich ei­ner­seits mit der Aus­le­gung der Ver­trags­klau­sel aus­ein­an­der und ver­wies im Übri­gen auf die zwi­schen­zeit­lich er­folg­te Kündi­gung des Lea­sing­ver­tra­ges. Darüber hin­aus hat die Verfügungskläge­rin vor­ge­tra­gen, dass der Verfügungs­be­klag­te das Fahr­zeug auch her­aus­zu­ge­ben ha­be, weil er nach Aus­lau­fen der Ent­gelt­fort­zah­lung am 26. De­zem­ber 2006 kei­nen An­spruch auf den mit der Fahr­zeugüber­las­sung ver­bun­de­nen geld­wer­ten Vor­teil mehr ha­be.

Der Verfügungs­grund wer­de durch den Verfügungs­an­spruch in­di­ziert, weil der Her­aus­ga­be­an­spruch auf den Be­sitz­schutz­an­spruch zur Ab­wehr ver­bo­te­ner Ei­gen­macht gestützt wer­de. Da­ne­ben müsse die

 

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Verfügungskläge­rin die Lea­sing­ra­ten bis zur Rück­ga­be des Fahr­zeugs an die Lea­sing­ge­sell­schaft wei­ter­zah­len.

Die Verfügungskläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin be­an­tragt,

Das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ber­lin (Az.: 18 Ga 21676/06) vom 7. De­zem­ber 2006 wird ab­geändert.

Dem Verfügungs­be­klag­ten wird auf­ge­ge­ben, bei Mei­dung ei­nes vom Ge­richt fest­zu­set­zen­den Zwangs­gel­des bis zu 50.000,00 Eu­ro bzw. Zwangs­haft, den Dienst­wa­gen PKW, Mar­ke Mer­ce­des C 220 CDI, Fahr­ge­stell­num­mer WDB2032081F798023, mit dem amt­li­chen Kenn­zei­chen B-…, an die An­trag­stel­le­rin her­aus­zu­ge­ben.

Der Verfügungs­be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Der Verfügungs­be­klag­te hält die Kündi­gung des Lea­sing­ver­tra­ges nicht für wirk­sam. Herr G. sei nicht zum Emp­fang von Kündi­gun­gen be­rech­tigt. Lea­sing­verträge würden auch nicht über die D.AG, son­dern über die D. Ser­vices und die D. Bank ab­ge­wi­ckelt. Das sei­en an­de­re ju­ris­ti­sche Per­so­nen.

Ein Verfügungs­grund sei nicht ge­ge­ben, weil die Verfügungskläge­rin kei­ner­lei In­ter­es­se an der vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Lea­sing­ver­tra­ges ha­be.

We­gen des wei­te­ren Vor­brin­gens der Par­tei­en in der Be­ru­fungs­in­stanz wird auf den vor­ge­tra­ge­nen In­halt der Be­ru­fungs­be­gründung vom 19. De­zem­ber 2006, der Be­ru­fungs­be­ant­wor­tung vom 5. Fe­bru­ar 2007, so­wie des Schrift­sat­zes der Verfügungskläge­rin vom 15. Fe­bru­ar 2007 je­weils nebst An­la­gen so­wie das Sit­zungs­pro­to­koll Be­zug ge­nom­men.

 

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.

Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statt­haf­te Be­ru­fung der Verfügungskläge­rin ist form- und frist­ge­recht im Sin­ne der §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Zi­vil­pro­zess­ord­nung (ZPO) ein­ge­legt und be­gründet wor­den.


II.

Die Be­ru­fung hat auch in der Sa­che Er­folg.

Der Lea­sing­ver­trag ist durch die Kündi­gung sei­tens der Verfügungskläge­rin vom 8. De­zem­ber 2006 be­en­det wor­den. Dem gekündig­ten Lea­sing-Ver­trag folgt nach der im Ar­beits­ver­trag der Par­tei­en in Be­zug ge­nom­me­nen Dienst­wa­gen-Re­ge­lung die Her­aus­ga­be­ver­pflich­tung für den Verfügungs­be­klag­ten.

1.
Ein Verfügungs­an­spruch ist ge­ge­ben.

1.1
Zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt in der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung fest­ge­stellt, dass die ver­trag­li­che Re­ge­lung der Par­tei­en zur Über­las­sung des Dienst­wa­gens le­dig­lich an das Be­ste­hen ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses ge­knüpft ist. In ei­nem ver­gleich­ba­ren Fall hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­ne na­he­zu wort­glei­che ver­trag­li­che Re­ge­lung ent­spre­chend gewürdigt (BAG, Ur­teil vom 16. No­vem­ber 1995 – 8 AZR 240/95). Dem folgt auch die er­ken­nen­de Kam­mer.

1.2
Da­nach hat der Verfügungs­be­klag­te grundsätz­lich ei­nen ver­trag­li­chen An­spruch auf die Über­las­sung ei­nes Fir­men-PKW auch zur pri­va­ten Nut­zung ent­spre­chend § 4 Zif­fer 2 des An­stel­lungs­ver­tra­ges. Grundsätz­lich hat der Verfügungs­be­klag­te auch min­des­tens An­spruch auf die Zur­verfügung­stel­lung ei­nes Dienst­wa­gens vom Typ Mer­ce­des C 220 CDI T

 

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Avant­gar­de, 110 kW, Au­to­ma­tik, da die Dienst­wa­gen-Re­ge­lung in § 4 le­dig­lich zwei Fahr­zeug-Ka­te­go­ri­en be­inhal­tet und es sich bei dem Mer­ce­des C 220 CDI um die kleins­te Ka­te­go­rie han­delt.

1.3
Ob das Her­aus­ga­be­ver­lan­gen der Verfügungskläge­rin den­noch al­lein des­halb schon ge­recht­fer­tigt ist, weil ih­re Ent­gelt­fort­zah­lungs­pflicht ge­genüber dem Verfügungs­be­klag­ten der­zeit be­en­det ist, be­darf in die­sem einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren kei­ner ab­sch­ließen­den Ent­schei­dung. Al­ler­dings neigt die Kam­mer da­zu, nicht al­lein aus dem Weg­fall der Ent­gelt­fort­zah­lung die Her­aus­ga­be­ver­pflich­tung an­zu­neh­men. Fi­scher hat­te da­zu in ei­nem Auf­satz „Der pri­vat ge­nutz­te Dienst­wa­gen und das En­de des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­rau­mes“ (Fach­an­walt Ar­beits­recht 2003, 105, 107) aus­geführt:

„Die Rechts­la­ge ist ähn­lich, wie im Fal­le der Über­las­sung ei­ner Werk­dienst­woh­nung. In der Ent­schei­dung vom 11. 10. 2000 (5 AZR 240/99) hat das BAG aus­drück­lich ent­schie­den, dass für die Be­trach­tung von Nut­zungs­rech­ten an Fir­men­fahr­zeu­gen auch die La­ge bei Werk­miet- oder bei Werk­dienst­woh­nun­gen ver­glei­chend her­an­ge­zo­gen wer­den kann. Das BAG weist zu Recht auf den oben schon an­ge­spro­che­nen Ge­sichts­punkt hin, dass Sach­bezüge eben nicht nur un­ter fi­nan­zi­el­len Ge­sichts­punk­ten, son­dern auch un­ter Ge­sichts­punk­ten der Le­bensführung zu be­trach­ten sind. Nie­mand käme z. B. auf den Ge­dan­ken, an­zu­neh­men, dass mit Ab­lauf des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­rau­mes ein Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet wäre, aus ei­ner Werk­miet- oder Werk­dienst­woh­nung aus­zu­zie­hen und die­se an den Ar­beit­ge­ber zurück­zu­ge­ben, um dann nach Wie­der­her­stel­lung der Ar­beitsfähig­keit wie­der ein­zu­zie­hen. Ähn­li­che Über­le­gun­gen gel­ten, wenn der Ar­beit­ge­ber ar­beits­ver­trag­lich ei­ne freie Un­ter­kunft zur Verfügung stellt. Hier wird zu­tref­fend an­ge­nom­men, dass ein sol­cher An­spruch auch über den Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raum hin­aus fort­be­steht. Für ei­ne an­de­re recht­li­che Be­wer­tung im Rah­men des hier erörter­ten Pro­blems er­ge­ben sich kei­ner­lei An­halts­punk­te. Im Ge­gen­teil, maßgeb­lich ist die An­bin­dung des Be­sitz­rech­tes an den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses. Da das Ar­beits­verhält­nis auch bei länge­rer Er­kran­kung und bei Ab­lauf des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­rau­mes nicht en­det, ja nicht ein­mal ru­hend ge­stellt wird, son­dern fort­be­steht, le­dig­lich die bei­den Haupt­leis­tungs­pflich­ten sind nicht mehr re­le­vant, bleibt das Be­sitz­recht des Ar­beit­neh­mers be­ste­hen.

So­mit ist ein Her­aus­ga­be­an­spruch des Ar­beit­ge­bers, ent­ge­gen der oben zi­tier­ten bis­her all­ge­mein for­mu­lier­ten Auf­fas­sung, nicht exis­tent.“

 

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1.4
Al­ler­dings hat der Verfügungs­be­klag­te das Fahr­zeug her­aus­zu­ge­ben, weil die Verfügungskläge­rin den Lea­sing­ver­trag gekündigt hat.

1.4.1
Die Kündi­gung ist ei­ne ein­sei­ti­ge emp­fangs­bedürf­ti­ge un­wi­der­ruf­li­che Wil­lens­erklärung. Ab­ge­ge­ben ist die Erklärung, wenn der Erklären­de sei­nen rechts­geschäft­li­chen Wil­len so geäußert hat, dass an der Endgültig­keit der Äußerung kein Zwei­fel möglich ist.

Die Erklärung muss grundsätz­lich an den Erklärungs­empfänger ge­rich­tet wer­den. Al­ler­dings fin­den die von Recht­spre­chung und Schrift­tum zu § 130 BGB ent­wi­ckel­ten Rechts­grundsätze über den Zu­gang von Wil­lens­erklärun­gen im Fal­le der Ab­ga­be ge­genüber ei­nem Ab­we­sen­den ent­spre­chen­de An­wen­dung. Ei­ne Kündi­gung kann des­halb mit ih­rer Ab­ga­be ge­genüber ei­ner als Emp­fangs­bo­te in Be­tracht kom­men­den Per­son zu­gleich als ei­nem an­de­ren zu­ge­gan­gen an­ge­se­hen wer­den, wenn sie an den an­de­ren ge­rich­tet ist.

1.4.2
Der kaufmänni­sche Lei­ter Schmidt und die Per­so­nal­lei­te­rin E. ha­ben un­ter Hin­weis auf ih­re Pro­ku­ra die Kündi­gungs­erklärung un­ter­zeich­net. Dass die­se bei­den Per­so­nen sol­che Erklärun­gen im Na­men der Verfügungskläge­rin ab­ge­ben dürfen, hat der Verfügungs­be­klag­te nicht in Zwei­fel ge­zo­gen und war des­halb an­zu­neh­men.

Die Kündi­gungs­erklärung ist auch ein­deu­tig. Sie ließ kei­ner­lei Zwei­fel of­fen, dass die Verfügungskläge­rin mit so­for­ti­ger Wir­kung den Lea­sing-Ver­trag über das dem Verfügungs­be­klag­ten über­las­se­ne Fahr­zeug gekündigt hat.

Adres­siert war die Kündi­gungs­erklärung an die D. AG, Nie­der­las­sung D. zu Händen M. G.. Wie die Verfügungskläge­rin im Kam­mer­ter­min aus­geführt hat, ist Herr G. nach ih­rer An­sicht der An­sprech­part­ner der Verfügungskläge­rin in al­len Kfz-Lea­sing-An­ge­le­gen­hei­ten.

 

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Die Kam­mer ging da­von aus, dass es im Geschäfts­le­ben durch­aus üblich ist, dass ein An­sprech­part­ner in ei­ner Ge­sell­schaft als Emp­fangs­bo­te auch für Wil­lens­erklärun­gen, die ge­genüber an­de­ren ver­bun­de­nen Ge­sell­schaf­ten ab­ge­ge­ben wer­den, fun­giert. Letzt­lich kann aber da­hin­ste­hen, ob Herr G. tatsächlich für die ver­schie­de­nen D.-Ge­sell­schaf­ten ei­ne sol­che Funk­ti­on in­ne­hat­te. Denn al­lein auf­grund des In­halts des Kündi­gungs­schrei­bens war of­fen­sicht­lich, dass es sich an die D.-Ge­sell­schaft rich­te­te, die Ver­trags­part­ner des Lea­sing­ver­tra­ges mit der Verfügungskläge­rin war. Dass das Kündi­gungs­schrei­ben letzt­lich auch die D. Lea­sing GmbH er­reicht hat, er­gibt sich aus dem Schrei­ben die­ser Ge­sell­schaft vom 21.12.2006 an die Verfügungskläge­rin. In­so­fern war je­den­falls zum Zeit­punkt der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Be­ru­fungs­ge­richt die Kündi­gung dem rich­ti­gen Adres­sa­ten zu­ge­gan­gen.

Es kann da­hin­ste­hen, ob das Schrei­ben der D. Lea­sing GmbH vom 21.12.2006 die Kündi­gung bestätigt hat und die Verfügungskläge­rin le­dig­lich noch ihr Ein­verständ­nis mit der Ver­ein­ba­rung über die Rück­ga­be­mo­da­litäten ge­ben soll­te oder ob, wie vom Verfügungs­be­klag­ten an­ge­nom­men, noch ei­ne Auf­he­bungs­ver­ein­ba­rung zum Lea­sing-Ver­trag ge­schlos­sen wer­den soll­te. Denn die Kündi­gung ist wie vor­ste­hend aus­geführt wirk­sam erklärt wor­den.

Ob die Kündi­gung des Lea­sing-Ver­tra­ges im Verhält­nis der Verfügungskläge­rin zum Lea­sing­ge­ber ge­ge­be­nen­falls nach ge­richt­li­cher Prüfung recht­lich Be­stand hat, ist für die Be­rech­ti­gung des Her­aus­ga­be­ver­lan­gens ge­genüber dem Verfügungs­be­klag­ten un­er­heb­lich. Denn nach § 8 der Dienst­wa­gen­re­ge­lung führt die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung des Lea­sing-Ver­tra­ges zur vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Nut­zer­ver­tra­ges. Ge­ra­de aus § 8 Zif­fer 1 Satz 2 der Dienst­wa­gen-Re­ge­lung, wo­nach die Verfügungskläge­rin in ei­nem sol­chen Fall „al­le fi­nan­zi­el­len Kon­se­quen­zen“ ge­genüber dem Lea­sing­ge­ber trägt, er­gibt sich, dass die Kündi­gung des Lea­sing-Ver­tra­ges al­lein aus­rei­chend für ei­ne Be­en­di­gung des Nut­zer­ver­tra­ges ist. Auf ei­ne recht­li­che Beständig­keit die­ser Be­en­di­gung kommt es nicht an.

 

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Bei die­ser Re­ge­lung han­delt es sich auch nicht um ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Verfügungs­be­klag­ten. Denn der An­spruch auf (er­neu­te) Fahr­zeugüber­las­sung ist von die­ser Re­ge­lung un­berührt.

2.
Auch der not­wen­di­ge Verfügungs­grund ist ge­ge­ben.

2.1
Wird im Rah­men der einst­wei­li­gen Verfügung die Her­aus­ga­be ei­nes Dienst­wa­gens, der dem Ar­beit­neh­mer auch zur Pri­vat­nut­zung zur Verfügung steht, an den Ar­beit­ge­ber ver­langt, han­delt es sich um ei­ne so ge­nann­te Leis­tungs- oder Be­frie­dungs­verfügung. Nach den all­ge­mei­nen Grundsätzen ist die­se nur aus­nahms­wei­se zulässig, wenn der An­trag­stel­ler auf die so­for­ti­ge Erfüllung so drin­gend an­ge­wie­sen ist, dass er ein or­dent­li­ches Ver­fah­ren nicht ab­war­ten kann. Dem kann nicht ent­ge­gen ge­hal­ten wer­den, dass ei­ne späte­re Rück­ga­be auch über die Gewährung von Scha­den­er­satz ge­re­gelt wer­den kann. Es ist all­ge­mein an­er­kannt, dass ein Gläubi­ger sich im Rah­men des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes nicht auf mögli­che Scha­dens­er­satz­ansprüche ver­wei­sen las­sen muss (vgl. Sch., Die Si­che­rung des Her­aus­ga­be­an­spruchs am Dienst­wa­gen nach Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses mit­tels einst­wei­li­ger Verfügung, BB 2002, 992, 995).

2.2
Die Verfügungskläge­rin hat die Kündi­gung des Lea­sing-Ver­tra­ges dar­ge­legt. Da­mit ist of­fen­sicht­lich, dass sie das Fahr­zeug zur Rück­ga­be an den Lea­sing­ge­ber benötigt. Dem­ge­genüber hat der Verfügungs­be­klag­te kei­ne be­son­de­ren Gründe über den ver­trag­li­chen An­spruch an sich hin­aus vor­ge­tra­gen, dass er drin­gend und zwar auf ge­ra­de die­ses Fahr­zeug an­ge­wie­sen ist.

Des­halb führt auch ei­ne In­ter­es­sen­abwägung zu kei­nem an­de­ren Er­geb­nis. Nach § 8 der Dienst­wa­gen­re­ge­lung führt die vor­zei­ti­ge Be­en­di­gung des Lea­sing-Ver­tra­ges zur vor­zei­ti­gen Be­en­di­gung des Nut­zer­ver­tra­ges. Und bei die­ser Re­ge­lung han­delt es sich, wie be­reits aus­geführt, auch nicht um ei­ne un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung des Verfügungs­be­klag­ten. Denn der

 

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An­spruch auf (er­neu­te) Fahr­zeugüber­las­sung ist von die­ser Re­ge­lung un­berührt.


III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Ver­bin­dung mit §§ 91, 96 ZPO. Als un­ter­le­ge­ne Par­tei hat der Verfügungs­be­klag­te grundsätz­lich die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen. Da die Verfügungskläge­rin je­doch erst nach Verkündung der an­ge­foch­te­nen Ent­schei­dung den Lea­sing-Ver­trag gekündigt hat und ih­re An­grif­fe ge­gen das erst­in­stanz­li­che Ur­teil hin­sicht­lich der Aus­le­gung von § 4 Abs.2 des Ar­beits­ver­tra­ges er­folg­los wa­ren, wa­ren ihr die Kos­ten der ers­ten In­stanz auf­zu­er­le­gen.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Ge­gen die­se Ent­schei­dung ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben (§ 72 Abs.4 ArbGG).  


M. W.-M.

B. K.

 

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