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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/080

Weg­fall der Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung bei län­ge­rer Krank­heit

Oh­ne aus­drück­li­che ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung kann ein Dienst­wa­gen nur bis zum En­de der Ent­gelt­fort­zah­lung be­an­sprucht wer­den: Ar­beits­ge­richt Stutt­gart, Ur­teil vom 25.02.2009, 20 Ca 1933/08
Wenn man krank ist, braucht man kei­nen Dienst­wa­gen - oder ge­ra­de dann?

13.05.2009. Das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart hat ent­schie­den, dass die Be­rech­ti­gung zur Pri­vat­nut­zung ei­nes Dienst­wa­gens mit dem Ab­lauf der sechs­wö­chi­gen Ent­gelt­fort­zah­lung bei Krank­heit en­det.

Ab die­sem Zeit­punkt, d.h. bei ei­ner län­ge­ren krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­un­fä­hig­keit, kann ein Dienst­wa­gen da­her vom Ar­beit­ge­ber her­aus­ver­langt wer­den.

Ei­ne Aus­nah­me gilt nur dann, wenn der Ar­beits­ver­trag aus­drück­lich vor­sieht, dass der Ar­beit­neh­mer den Dienst­wa­gen auch über den sechs­wö­chi­gen Zeit­raum der Ent­gelt­fort­zah­lung hin­aus nut­zen darf: Ar­beits­ge­richt Stutt­gart, Ur­teil vom 25.02.2009, 20 Ca 1933/08.

Wie lan­ge steht Ar­beit­neh­mern im Krank­heits­fall der Dienst­wa­gen zu?

Er­bringt ein Ar­beit­neh­mer sei­ne Ar­beits­leis­tung nicht, erhält er im All­ge­mei­nen kei­nen Lohn. Dies er­gibt sich aus § 326 Abs. 1 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), der be­stimmt, dass die Ge­gen­leis­tung ei­ner ver­trag­li­chen Pflicht, die nicht mehr erfüllt wer­den kann, eben­falls nicht mehr ge­schul­det ist: Da die Ar­beit für die Ver­gan­gen­heit nicht nach­ge­holt wer­den kann, muss auch der Ar­beit­ge­ber die Vergütung nicht zah­len.

Et­was an­de­res gilt al­ler­dings in vie­len be­kann­ten Aus­nah­mefällen: Ist ein Ar­beit­neh­mer bei­spiels­wei­se we­gen Krank­heit nicht der La­ge zu ar­bei­ten, erhält er gemäß § 3 Abs. 1 Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­set­zes (EFZG) für die Dau­er von bis zu sechs Wo­chen den­noch sei­ne ver­trag­lich ver­ein­bar­te Vergütung.

Ver­ein­bart der Ar­beit­ge­ber mit dem Ar­beit­neh­mer die Über­las­sung ei­nes Dienst­wa­gens, der auch für pri­va­te Fahr­ten ver­wen­det wer­den kann, wird der hier­durch gewähr­te Vor­teil, nämlich das Fahr­zeug auch für den Fa­mi­li­en­aus­flug nut­zen zu können, als Teil des Ar­beits­ent­gel­tes be­han­delt.

Da die­ser Teil des Ent­gelts aber nicht in Form von Geld gewährt wird, son­dern da­durch, dass der Ar­beit­ge­ber das Au­to zur Verfügung stellt, liegt ein sog. Sach­be­zug vor. Die­sen muss der Ar­beit­neh­mer ver­steu­ern, und zwar im Fal­le der zu­meist an­ge­wand­ten Ein­pro­zent­re­ge­lung mit ei­nem Pro­zent des Lis­ten­n­eu­prei­ses (brut­to) des Fahr­zeugs pro Mo­nat.

Aber was ge­schieht, wenn der Ar­beit­neh­mer über den Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raum von sechs Wo­chen hin­aus ar­beits­unfähig er­krankt ist? Darf er den Wa­gen in die­ser Zeit wei­ter­hin, al­so aus­sch­ließlich pri­vat, nut­zen? Kann er für die Zeit, in der ihm ein Dienst­wa­gen nicht zur Verfügung ge­stellt wird, Er­satz des Nut­zungs­aus­falls ver­lan­gen? Über die­se Fra­gen hat­te das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart in ei­nem Ur­teil vom 25.02.2009 (20 Ca 1933/08) zu ent­schei­den.

55jähri­ger langjährig beschäftig­ter Bau­lei­ter ver­langt über die Zeit der Ent­gelt­fort­zah­lung hin­aus sei­nen Dienst­wa­gen

Der 55jähri­ge Kläger war bei der Be­klag­ten seit 01.08.1990 als Bau­lei­ter beschäftigt. Im zu­grun­de lie­gen­den An­ge­stell­ten­ver­trag vom 24.10.1994 wur­de ihm das Pri­vat­nut­zungs­recht an ei­nem Dienst­fahr­zeug ein­geräumt. Zu­letzt fuhr der Kläger ei­nen VW Pas­sat Kom­bi, der als Sach­be­zug ent­spre­chend der Ein­pro­zent­re­ge­lung ver­steu­ert wur­de.

Der nicht ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­te Kläger war von März bis Mit­te De­zem­ber 2008 durch­ge­hend ar­beits­unfähig er­krankt. Da die Ver­trags­dau­er des Lea­sing­ver­tra­ges zwi­schen­zeit­lich ab­ge­lau­fen war, for­der­te der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer da­zu auf, das Fahr­zeug bis spätes­tens zum 13.11.2008 an ihn zurück­zu­ge­ben. Die­ser Auf­for­de­rung kam der Kläger zwar nach, be­hielt sich aber aus­drück­lich vor, Scha­den­er­satz­ansprüche gel­tend zu ma­chen.

Nach­dem er ab Mit­te De­zem­ber 2008 wie­der ar­beitsfähig war, wur­de ihm vom Ar­beit­ge­ber ge­stat­tet, ei­nen Smart aus dem Fahr­zeug­pool zu nut­zen, was der Kläger ab­lehn­te. Dar­auf­hin stell­te ihm der Ar­beit­ge­ber ei­nen Ford Fo­cus Kom­bi zur Verfügung.

Der Ar­beit­neh­mer war der An­sicht, er ha­be auch für die Ar­beits­unfähig­keits­zei­ten nach Ab­lauf des sechswöchi­gen Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums ei­nen Dienst­wa­gen mit der Möglich­keit der Pri­vat­nut­zungsüber­las­sung be­an­spru­chen können. Er sei für sei­ne pri­va­te Le­bensführung, vor al­lem zur Wahr­neh­mung von Arzt­ter­mi­nen, auf ei­nen Pkw an­ge­wie­sen ge­we­sen. Die Nut­zungsüber­las­sung des Dienst­wa­gens sei so zu be­han­deln wie die Über­las­sung von Werk­miet- oder Werk­dienst­woh­nun­gen, aus de­nen man nach Ab­lauf des Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums auch nicht aus­zie­hen müsse.

Er klag­te da­her auf Scha­den­er­satz we­gen der aus sei­ner Sicht rechts­wid­ri­gen Vor­ent­hal­tung der Pri­vat­nut­zung an ei­nem Dienst­fahr­zeug in der Zeit vom 13.11.2008 bis zum 17.12.2008. Aus­ge­hend von dem steu­er­li­chen Wert der Pri­vat­nut­zungsmöglich­keit ver­lang­te er 327,60 EUR.

Ar­beits­ge­richt Stutt­gart: En­det die Pflicht zur Ent­gelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall, en­det im All­ge­mei­nen auch die Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung

Das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart folg­te den Über­le­gun­gen des kla­gen­den Ar­beit­neh­mers nicht und wies die Kla­ge ab.

Zunächst mein­te das Ar­beits­ge­richt, dass die Ent­gelt­fort­zah­lung nicht mit den Zeiträum­en des Mut­ter­schut­zes ver­gleich­bar sei.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat­te zwar ent­schie­den (Ur­teil vom 11.10.2000, 5 AZR 240/99), dass während der ge­setz­li­chen Mut­ter­schutz­frist auch ei­ne Ver­pflich­tung zur Ge­brauchsüber­las­sung ei­nes Dienst­wa­gens zur pri­va­ten Nut­zung fort­be­ste­he. Im Ge­gen­satz zur Lohn­fort­zah­lung im Krank­heits­fall gibt es hierfür je­doch ei­ne ei­ge­ne ge­setz­li­che Re­ge­lung in Ge­stalt von § 14 Abs. 1 Satz 1 Mut­ter­schutz­ge­setz (MuSchG), aus der sich der An­spruch auf Gewährung des Sach­be­zugs während der Mut­ter­schutz­zei­ten ab­lei­ten lässt.

Aus­drück­lich folg­te das Ar­beits­ge­richt nicht der An­sicht des Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg, das in ei­nem Ur­teil vom 19.02.2007 (10 Sa 2171/06) der Mei­nung war, bei der Ent­schei­dung über die Be­rech­ti­gung zur wei­te­ren Über­las­sung ei­nes Dienst­wa­gens nach Ab­lauf der sechswöchi­gen Ent­gelt­fort­zah­lung müsse man berück­sich­ti­gen, ob bzw. auf­grund wel­cher Umstände der Ar­beit­neh­mer auf die pri­va­te Nut­zung bei sei­ner Le­bensführung an­ge­wie­sen sei.

Dem Hin­weis des Klägers auf die recht­li­che Be­hand­lung ei­ner Werk­miet- oder Werk­dienst­woh­nung hielt das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart ent­ge­gen, die­se würden in der Re­gel ge­gen Be­zah­lung ei­nes ge­son­der­ten Miet­zin­ses über­las­sen. Im übri­gen wer­de mit der ge­son­der­ten Ver­mie­tung ei­ner Werk­woh­nung, an­ders als mit der Über­las­sung ei­nes Dienst­wa­gens zum Pri­vat­ge­braucht, nicht die Ar­beits­leis­tung be­zahlt.

Sch­ließlich ist der vom Kläger be­haup­te­te An­spruch nach An­sicht des Ge­richts auch nach dem Grund­satz aus­zu­sch­ließen, dass die Rechts­ord­nung als Ein­heit zu be­trach­ten ist. Nach Ab­lauf des sechswöchi­gen Ent­gelt­fort­zah­lungs­zeit­raums steht ei­nem ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mern nämlich gemäß § 44 Abs. 1 Fünf­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB V) ein Kran­ken­geld­an­spruch ge­gen sei­ne Kran­ken­kas­se zu.

Und der Kran­ken­geld­an­spruch er­rech­net sich gemäß § 47 Abs. 1 SGB V an­hand des er­ziel­ten re­gelmäßigen Ar­beits­ent­gelts. Der Be­griff des Ar­beits­ent­gelts wie­der­um ist de­fi­niert in § 14 Vier­tes Buch So­zi­al­ge­setz­buch (SGB IV) und be­zeich­net, so das Ar­gu­ment des Ar­beits­ge­richts Stutt­gart, al­le lau­fen­den oder ein­ma­li­gen Ein­nah­men aus ei­ner Beschäfti­gung. Auch Sach­bezüge wie die pri­va­te Nut­zungsüber­las­sung ei­nes Dienst­fahr­zeu­ges gehören da­nach zum lau­fen­den Ar­beits­ent­gelt.

Wenn aber, so das Ar­beits­ge­richt Stutt­gart, die gewähr­te Pri­vat­nut­zung ei­nes Dienst­wa­gens als Sach­leis­tungs­be­zug be­reits die Be­mes­sungs­grund­la­ge für das Kran­ken­geld ein­geht, wird dem ar­beits­unfähi­gen Ar­beit­neh­mer die (krank­heits­be­dingt nach Ab­lauf des Sechs­wo­chen­zeit­raums ent­zo­ge­ne) Kfz-Pri­vat­nut­zung be­reits in Form von Kran­ken­geld loh­ner­set­zend gewährt. Dann be­steht aber kein Grund mehr, dem er­krank­ten Ar­beit­neh­mer die Pri­vat­nut­zung auch noch in Na­tur, d.h. letzt­lich in dop­pel­ter Wei­se zu gewähren.

Fa­zit: Die Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts ist über­zeu­gend. Fehlt ei­ne ver­trag­li­che An­spruchs­grund­la­ge, die den Ar­beit­neh­mer da­zu be­rech­tigt, auch nach Ab­lauf der sechswöchi­gen Ent­gelt­fort­zah­lung den Dienst­wa­gen pri­vat nut­zen zu können, steht ihm we­der der Wa­gen noch ein Nut­zungs­aus­fall zu. Ei­ne ana­lo­ge An­wen­dung der Re­ge­lun­gen aus dem Mut­ter­schutz­ge­setz kommt nicht in Be­tracht, weil ei­ne Re­ge­lungslücke nicht be­steht.

Auch wenn der Dienst­wa­gen als Sach­be­zug beim Kran­ken­geld zu berück­sich­ti­gen ist, bleibt den Ver­trags­par­tei­en natürlich die Möglich­keit, die Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung auch für Zei­ten länge­rer Er­kran­kung ver­trag­lich zu ver­ein­ba­ren. Dafür be­steht aus Sicht des Ar­beit­ge­bers kein Grund, wohl aber für Geschäftsführer und lei­ten­de An­ge­stell­te, wenn sie für mehr als sechs Wo­chen Ent­gelt­fort­zah­lung ver­lan­gen können. Dann soll­te man, um Un­klar­hei­ten zu ver­mei­den, auch die Dienst­wa­gen­be­rech­ti­gung ent­spre­chend dem ver­trag­li­chen Ent­gelt­fort-zah­lungs­zeit­raum re­geln.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020

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