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OT-Mit­glied­schaft: Streik trotz feh­len­der Ta­rif­bin­dung mög­lich

Auch bei ei­nem "Blitz­wech­sel" in ei­ne OT-Mit­glied­schaft wäh­rend lau­fen­der Ta­rif­ver­hand­lun­gen blei­ben Streiks mög­lich: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­teil vom 26.11.2010, 8 Sa 446/10
Streik sechs Streikende Streik trotz OT-Mit­glied­schaft

11.03.2011. Ar­beit­ge­ber ha­ben je nach Sat­zung ih­res Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des die Mög­lich­keit, Mit­glied oh­ne Ta­rif­bin­dung ("OT-Mit­glied") zu sein.

Da­mit kön­nen sie zu re­la­tiv mo­de­ra­ten Mit­glieds­bei­trä­gen die Ser­vice­leis­tun­gen des Ver­ban­des nut­zen, oh­ne dies teu­er über die An­wen­dung von Ent­gelt­ta­rif­ver­trä­gen u.ä. "er­kau­fen" zu müs­sen.

Al­ler­dings müs­sen die un­ter­schied­li­chen Rech­te von Voll­mit­glie­dern und OT-Mit­glie­dern klar ge­re­gelt sein. Wich­tig sind nach der Recht­spre­chung vor al­lem Re­ge­lun­gen, die nur je­nen Mit­glie­dern Ein­fluss auf ta­rif­ver­trags­be­zo­ge­ne Ent­schei­dun­gen des Ver­ban­des ge­stat­ten, die spä­ter auch an den Ver­trag ge­bun­den sind.

Der Wech­sel von ei­ner re­gu­lä­ren Mit­glied­schaft zu ei­ner Mit­glied­schaft oh­ne Ta­rif­bin­dung ("Sta­tus­wech­sel") ist - eben­falls in Ab­hän­gig­keit von der je­wei­li­gen Aus­ge­stal­tung in der Sat­zung des Ar­beit­ge­ber­ver­ban­des - oh­ne Wei­te­res, ggf. so­gar frist­los in Form ei­nes "Blitz­wech­sels" mög­lich. In­ter­es­sant wird das für Ar­beit­ge­ber spe­zi­ell bei lau­fen­den Ta­rif­ver­hand­lun­gen.

Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) hat­te hier je­doch ei­ne Gren­ze ge­zo­gen: Ar­beit­ge­ber, die ih­ren Mit­glie­der­sta­tus wäh­rend ei­nes Ta­rif­streits wech­seln, müs­sen dies der Ge­werk­schaft so recht­zei­tig mit­tei­len, dass die­se mit ih­rem Ver­hal­ten be­zo­gen auf den be­tref­fen­den Ta­rif­ver­trags­in­halt bzw. -ab­schluss noch auf die Sta­tus­ver­än­de­rung re­agie­ren kann.

Wird ge­gen die­se Be­din­gung ver­sto­ßen, bleibt der Ar­beit­ge­ber trotz sei­nes Wech­sels an den Ta­rif­ver­trag ge­bun­den, der Ge­gen­stand der Ver­hand­lun­gen war, d.h. dem er ei­gent­lich ent­kom­men woll­te (vgl. BAG, Ur­teil vom 04.06.2008, 4 AZR 419/07).

Aber selbst bei ei­nem wirk­sa­men Sta­tus­wech­sel stellt sich die Fra­ge, ob ein "ta­rif­flüch­ti­ger" Ar­beit­ge­ber von der Ge­werk­schaft im Rah­men der Ta­rif­ver­hand­lun­gen be­streikt wer­den darf. Die­ses Pro­blem lag ei­nem vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ber­lin-Bran­den­burg En­de No­vem­ber 2010 ent­schie­de­nen Fall zu Grun­de (Ur­teil vom 26.11.2010, 8 Sa 446/10; Vor­in­stanz: Ar­beits­ge­richt Ber­lin, Ur­teil vom 07.01.2010, 33 Ca 14015/09).

Ein Ar­beit­ge­ber wan­del­te hier sei­ne Voll­mit­glied­schaft in ei­ne OT-Mit­glied­schaft um, nach­dem ei­ne Ge­werk­schaft den mit sei­nem Ar­beit­ge­ber­ver­band be­ste­hen­den Ta­rif­ver­trag ge­kün­digt hat­te. Zu­gleich be­grün­de­te er ei­ne Voll­mit­glied­schaft in ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber­ver­band.

Die­ser Vor­gang wur­de der Ge­werk­schaft von dem "neu­en" Ar­beit­ge­ber­ver­band und dem Ar­beit­ge­ber selbst auch zeit­nah mit­ge­teilt. Der "al­te" Ar­beit­ge­ber­ver­band hin­ge­gen teil­te den Wech­sel in die OT-Mit­glied­schaft erst Mo­na­te spä­ter mit. Zwi­schen­zeit­lich war es zu ei­nem ganz­tä­gi­gen Warn­streik bei dem Ar­beit­ge­ber ge­kom­men.

Er konn­te an die­sem Tag sei­ne Pro­duk­ti­on nicht auf­neh­men und ver­klag­te des­halb die Ge­werk­schaft auf Scha­dens­er­satz in Hö­he von rund 35.000 Eu­ro. Er stell­te sich da­bei auf den Stand­punkt, der Streik sei we­gen der feh­len­den Ta­rif­bin­dung und we­gen des aus­rei­chend mit­ge­teil­ten Sta­tus­wech­sels rechts­wid­rig.

Da­mit hat­te er we­der in der ers­ten noch in der zwei­ten In­stanz Er­folg. Das LAG mein­te, die Wirk­sam­keit des Wech­sels von der re­gu­lä­ren Mit­glied­schaft in die OT-Mit­glied­schaft sei nicht aus­schlag­ge­bend für die Ant­wort auf die Fra­ge, ob der Warn­streik zu­läs­sig war.

Denn im­mer­hin war der Ar­beit­ge­ber wei­ter­hin Ver­bands­mit­glied und hat­te da­mit "zu­min­dest in­for­mel­le" Ein­fluss­mög­lich­kei­ten auf des­sen Ver­hal­ten. Er war da­mit je­den­falls im Rah­men ei­nes so ge­nann­ten Sym­pa­thie- bzw. So­li­da­ri­täts­streiks ein zu­läs­si­ges Streik­ziel. Auch im üb­ri­gen hat­te die Ge­werk­schaft die nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu be­rück­sich­ti­gen­den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes recht­mä­ßi­gen Streiks be­ach­tet, so je­den­falls das Ge­richt. Man­gels rechts­wid­ri­gen Ver­hal­tens war die Kla­ge des­halb aus sei­ner Sicht ab­zu­wei­sen. Es ließ al­ler­dings die Re­vi­si­on ge­gen sei­ne Ent­schei­dung zu.

Das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg ist nicht rechts­kräf­tig. Die Re­vi­si­on ist beim Bun­des­ar­beits­ge­richt un­ter dem Ak­ten­zei­chen 1 AZR 775/10 an­hän­gig.

Fa­zit: Zwar ist das letz­te Wort in dem Fall noch nicht ge­spro­chen, es spricht aber ei­ni­ges da­für, dass das BAG sei­ne Vor­in­stan­zen be­stä­ti­gen wird. Ar­beit­ge­ber müs­sen sich je­den­falls für den Mo­ment dar­auf ein­stel­len, trotz ei­nes Sta­tus­wech­sels be­streikt zu wer­den.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) über den Fall ent­schie­den und das Ur­teil des LAG auf­ge­ho­ben. Das voll­stän­dig be­grün­de­te Ur­teil des BAG und ei­ne Be­spre­chung die­ses Ur­teils fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 28. März 2018

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