HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 05.07.2012, C-141/11 - Hörn­feldt

   
Schlagworte: Gleichbehandlung, Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-141/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 05.07.2012
   
Leitsätze: Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, die einem Arbeitgeber erlaubt, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers aus dem bloßen Grund zu beenden, dass dieser das 67. Lebensjahr vollendet hat, und die nicht die Höhe der Rente berücksichtigt, die ein Einzelner beanspruchen können wird, nicht entgegensteht, sofern sie objektiv und angemessen ist, durch ein legitimes Ziel der Beschäftigungs- und der Arbeitsmarktpolitik gerechtfertigt ist und ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist.
Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Zwei­te Kam­mer)

5. Ju­li 2012(*)

„Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf – Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters – Na­tio­na­le Re­ge­lung, die ein an kei­ne Be­din­gun­gen ge­knüpftes Recht gewährt, bis zur Voll­endung des 67. Le­bens­jahrs zu ar­bei­ten, und die au­to­ma­ti­sche Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses am En­de des Mo­nats ge­stat­tet, in dem der Ar­beit­neh­mer die­ses Al­ter er­reicht – Kei­ne Berück­sich­ti­gung der Höhe der Al­ters­ren­te“

In der Rechts­sa­che C‑141/11

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Södertörns tingsrätt (Schwe­den) mit Ent­schei­dung vom 18. März 2011, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 21. März 2011, in dem Ver­fah­ren

Tors­ten Hörn­feldt

ge­gen

Pos­ten Med­de­lan­de AB

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Zwei­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten J. N. Cun­ha Ro­d­ri­gues so­wie der Rich­ter U. Lõhmus, A. Ro­sas, A. Ara­b­ad­jiev (Be­richt­er­stat­ter) und C. G. Fern­lund,

Ge­ne­ral­an­walt: Y. Bot,

Kanz­ler: A. Ca­lot Es­co­bar,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– von T. Hörn­feldt,

– der Pos­ten Med­de­lan­de AB, ver­tre­ten durch L. Bäck­ström,

– der schwe­di­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch A. Falk als Be­vollmäch­tig­te,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch T. Hen­ze und J. Möller als Be­vollmäch­tig­te,

– der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch J. En­e­gren und K. Si­mons­son als Be­vollmäch­tig­te,

auf­grund des nach Anhörung des Ge­ne­ral­an­walts er­gan­ge­nen Be­schlus­ses, oh­ne Schluss­anträge über die Rechts­sa­che zu ent­schei­den,

fol­gen­des

Ur­teil

1

Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16).

2

Es er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits, den Herr Hörn­feldt ge­gen sei­nen frühe­ren Ar­beit­ge­ber Pos­ten Med­de­lan­de AB führt, weil sein Ar­beits­verhält­nis am letz­ten Tag des Mo­nats, in dem er das 67. Le­bens­jahr voll­ende­te, be­en­det wur­de.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

3

Die Erwägungs­gründe 8, 9 und 11 der Richt­li­nie 2000/78 lau­ten:

„(8) In den vom Eu­ropäischen Rat auf sei­ner Ta­gung am 10. und 11. De­zem­ber 1999 in Hel­sin­ki ver­ein­bar­ten beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en für 2000 wird die Not­wen­dig­keit un­ter­stri­chen, ei­nen Ar­beits­markt zu schaf­fen, der die so­zia­le Ein­glie­de­rung fördert, in­dem ein gan­zes Bündel auf­ein­an­der ab­ge­stimm­ter Maßnah­men ge­trof­fen wird, die dar­auf ab­stel­len, die Dis­kri­mi­nie­rung von be­nach­tei­lig­ten Grup­pen, wie den Men­schen mit Be­hin­de­rung, zu bekämp­fen. Fer­ner wird be­tont, dass der Un­terstützung älte­rer Ar­beit­neh­mer mit dem Ziel der Erhöhung ih­res An­teils an der Er­werbs­bevölke­rung be­son­de­re Auf­merk­sam­keit gebührt.

(9) Beschäfti­gung und Be­ruf sind Be­rei­che, die für die Gewähr­leis­tung glei­cher Chan­cen für al­le und für ei­ne vol­le Teil­ha­be der Bürger am wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und so­zia­len Le­ben so­wie für die in­di­vi­du­el­le Ent­fal­tung von ent­schei­den­der Be­deu­tung sind.

(11) Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen … des Al­ters … können die Ver­wirk­li­chung der im EG-Ver­trag fest­ge­leg­ten Zie­le un­ter­mi­nie­ren, ins­be­son­de­re die Er­rei­chung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus und ei­nes ho­hen Maßes an so­zia­lem Schutz, die He­bung des Le­bens­stan­dards und der Le­bens­qua­lität, den wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Zu­sam­men­halt, die So­li­da­rität so­wie die Freizügig­keit.“

4

Art. 6 („Ge­recht­fer­tig­te Un­gleich­be­hand­lung“) der Richt­li­nie 2000/78 be­stimmt in Abs. 1 Buchst. a:

„Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

a) die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len“.

Schwe­di­sches Recht

5

Die Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie 2000/78 über Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Al­ters wur­den durch das Ge­setz (2008:567) über Dis­kri­mi­nie­run­gen (dis­kri­mi­ne­rings­la­gen [2008:567]) um­ge­setzt.

6

Die grund­le­gen­den Be­stim­mun­gen über den Kündi­gungs­schutz enthält das Ge­setz (1982:80) über den Kündi­gungs­schutz (la­gen [1982:80] om anställ­nings­skydd, SFS 1982, Nr. 80, im Fol­gen­den: LAS), des­sen § 32a Fol­gen­des vor­sieht:

„Ein Ar­beit­neh­mer hat das Recht, sei­nen Ar­beits­platz bis zum En­de des Mo­nats zu be­hal­ten, in dem er das 67. Le­bens­jahr voll­endet, so­fern aus die­sem Ge­setz nichts an­de­res her­vor­geht.“

7

Nach § 33 LAS muss „ein Ar­beit­ge­ber[, der] möch­te, dass ein Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beits­platz am En­de des Mo­nats, in dem er das 67. Le­bens­jahr voll­endet, auf­gibt, … dies dem Ar­beit­neh­mer schrift­lich min­des­tens ei­nen Mo­nat im Vor­aus mit­tei­len“.

8

Die §§ 32a und 33 LAS bil­den zu­sam­men die so­ge­nann­te „67-Jah­re-Re­gel“. Da­nach ha­ben Ar­beit­neh­mer ein an kei­ne Be­din­gun­gen ge­knüpftes Recht, bis zum En­de des Mo­nats zu ar­bei­ten, in dem sie 67 Jah­re alt wer­den; am En­de die­ses Mo­nats kann das Ar­beits­verhält­nis oh­ne Kündi­gung be­en­det wer­den.

9

Aus den beim Ge­richts­hof ein­ge­reich­ten Ak­ten geht her­vor, dass die na­tio­na­len Be­stim­mun­gen, wo­nach ein Ar­beits­verhält­nis be­en­det wer­den kann, wenn der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te hat oder ein be­stimm­tes Al­ter er­reicht, 1974 im schwe­di­schen Recht ein­geführt wur­den. In den 80er Jah­ren wur­de das Ren­ten­ein­tritts­al­ter und da­mit das Al­ter, bei des­sen Er­rei­chen das Ar­beits­verhält­nis en­de­te, von 67 auf 65 Jah­re ge­senkt. 1991 wur­de das Ren­ten­ein­tritts­al­ter auf 67 Jah­re an­ge­ho­ben, doch war es ge­setz­lich nach wie vor ge­stat­tet, durch Ta­rif­ver­trag zu ver­ein­ba­ren, dass das Ar­beits­verhält­nis vor Er­rei­chen die­ses Al­ters en­det. Nach der 67-Jah­re-Re­gel darf seit dem 31. De­zem­ber 2002 we­der durch In­di­vi­du­al- noch durch Ta­rif­ver­trag ein zwin­gen­des Ren­ten­ein­tritts­al­ter von we­ni­ger als 67 Jah­ren fest­ge­legt wer­den.

10

Nach dem Grund­satz der Berück­sich­ti­gung der während des ge­sam­ten Er­werbs­le­bens er­ziel­ten Einkünf­te, der durch die neue Al­ters­ren­ten­re­ge­lung am 1. Ja­nu­ar 1996 ein­geführt wur­de, die­nen die während des ge­sam­ten Er­werbs­le­bens er­ziel­ten Einkünf­te als Grund­la­ge für die Er­mitt­lung der Höhe der Al­ters­ren­te.

11 Das Ar­beits­verhält­nis von Herrn Hörn­feldt fiel un­ter den Ta­rif­ver­trag zwi­schen der Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung Al­me­ga Tjäns­teförbun­den und der Ge­werk­schaft für Dienst­leis­tun­gen und Kom­mu­ni­ka­ti­on (SE­KO).

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

12

Herr Hörn­feldt be­gann 1989 beim da­ma­li­gen Post­verk (Post­dienst) zu ar­bei­ten. Ob­wohl er mehr­fach dar­um bat, in größerem Um­fang ar­bei­ten zu dürfen, ar­bei­te­te er von 1989 bis 2006 le­dig­lich ei­nen Tag pro Wo­che auf St­un­den­ba­sis. Von 2006 bis 2008 ar­bei­te­te er im Um­fang von 75 %. Vom 11. Ok­to­ber 2008 bis 31. Mai 2009 stand er in ei­nem un­be­fris­te­ten Ar­beits­verhält­nis im Um­fang von 75 %.

13

Am 15. Mai 2009 voll­ende­te Herr Hörn­feldt sein 67. Le­bens­jahr, und am letz­ten Tag die­ses Mo­nats en­de­te sein Ar­beits­verhält­nis auf­grund der 67-Jah­re-Re­gel, die im LAS und in dem ein­schlägi­gen Kol­lek­tiv­ver­trag fest­ge­legt war. Die Höhe der von Herrn Hörn­feldt seit­her be­zo­ge­nen Al­ters­ren­te soll sich auf 5 847 SEK mo­nat­lich be­lau­fen.

14

Mit sei­ner Kla­ge beim vor­le­gen­den Ge­richt be­gehrt Herr Hörn­feldt die Auf­he­bung der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses mit der Be­gründung, dass die 67-Jah­re-Re­gel ei­ne un­zulässi­ge Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters dar­stel­le.

15

Das vor­le­gen­de Ge­richt ver­tritt – ins­be­son­de­re gestützt auf das Ur­teil vom 22. No­vem­ber 2005, Man­gold (C-144/04, Slg. 2005, I-9981) – die Auf­fas­sung, dass na­tio­na­le Ge­set­ze und na­tio­na­le Ta­rif­verträge, die be­wirk­ten, dass Ar­beits­verhält­nis­se am letz­ten Tag des Mo­nats en­de­ten, in dem der Ar­beit­neh­mer das 67. Le­bens­jahr voll­ende, ei­ne un­mit­tel­bar auf dem Al­ter be­ru­hen­de Un­gleich­be­hand­lung dar­stell­ten. Frag­lich sei da­her, ob die­se Un­gleich­be­hand­lung als ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen und als durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt an­ge­se­hen wer­den könne und ob sie zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sei.

16

Die 67-Jah­re-Re­gel sei ein­geführt wor­den, um den Ein­zel­nen das Recht zu ge­ben, länger zu ar­bei­ten und ih­re Al­ters­ren­te zu ver­bes­sern. Die­se Re­gel las­se sich als Er­geb­nis ei­ner Abwägung zwi­schen Zie­len der Staats­fi­nan­zen, der Beschäfti­gungs­po­li­tik und der Ar­beits­markt­po­li­tik be­grei­fen. Al­ler­dings wer­de das an kei­ne Be­din­gun­gen ge­knüpfte Recht des Ar­beit­ge­bers, das Ar­beits­verhält­nis zum be­tref­fen­den Stich­tag zu be­en­den, in den Vor­ar­bei­ten zur Auf­nah­me die­ser Re­gel in das LAS nicht aus­drück­lich be­gründet.

17

Aus dem Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2007, Pa­la­ci­os de la Vil­la (C-411/05, Slg. 2007, I-8531), ge­he her­vor, dass ei­ne Be­din­gung für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses ei­nes Ar­beit­neh­mers we­gen Er­rei­chens ei­nes be­stimm­ten Al­ters sei, dass der Ar­beit­neh­mer ei­nen An­spruch auf ei­nen fi­nan­zi­el­len Aus­gleich in Ge­stalt ei­ner bei­trags­be­zo­ge­nen Al­ters­ren­te ha­be. Im Ur­teil vom 12. Ok­to­ber 2010, Ro­sen­bladt (C-45/09, Slg. 2010, I-9391), ha­be der Ge­richts­hof da­bei nicht auf die Höhe der Ren­te ver­wie­sen, die die be­trof­fe­nen Per­so­nen er­hiel­ten. Im vor­lie­gen­den Fall ste­he die 67-Jah­re-Re­gel in kei­ner­lei Zu­sam­men­hang mit der Höhe der Ren­te, die der Ar­beit­neh­mer be­an­spru­chen können wer­de.

18

Vor die­sem Hin­ter­grund hat das Södertörns tingsrätt das Ver­fah­ren aus­ge­setzt und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt:

1. Kann ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift, die wie die 67-Jah­re-Re­gel ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters be­inhal­tet, ge­recht­fer­tigt sein, selbst wenn sich we­der aus dem Zu­sam­men­hang, in dem die Vor­schrift ent­stan­den ist, noch aus an­de­ren An­halts­punk­ten klar er­gibt, wel­ches Ziel oder wel­cher Zweck der Vor­schrift zu­grun­de liegt?

2. Geht ei­ne na­tio­na­le Vor­schrift über die Ver­set­zung in den Ru­he­stand wie die 67-Jah­re-Re­gel, die aus­nahms­los gilt und u. a. nicht die Ren­te berück­sich­tigt, die ein Ein­zel­ner be­an­spru­chen können wird, über das­je­ni­ge hin­aus, was zur Er­rei­chung des an­ge­streb­ten Ziels oder Zwecks an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

19

Mit sei­nen zu­sam­men zu prüfen­den Fra­gen möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, die ei­nem Ar­beit­ge­ber er­laubt, das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Ar­beit­neh­mers aus dem bloßen Grund zu be­en­den, dass die­ser das 67. Le­bens­jahr voll­endet hat, und die nicht die Höhe der Ren­te berück­sich­tigt, die ein Ein­zel­ner be­an­spru­chen können wird.

20

Wie aus der Vor­la­ge­ent­schei­dung und den beim Ge­richts­hof ein­ge­reich­ten Erklärun­gen her­vor­geht, steht außer Fra­ge, dass die 67-Jah­re-Re­gel, wo­nach Ar­beit­neh­mer ein an kei­ne Be­din­gun­gen ge­knüpftes Recht ha­ben, bis zum En­de des Mo­nats zu ar­bei­ten, in dem sie 67 Jah­re alt wer­den, und vor­be­halt­lich ei­ner an­de­ren Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Ar­beit­neh­mer und dem Ar­beit­ge­ber das Ar­beits­verhält­nis am En­de die­ses Mo­nats oh­ne Kündi­gung en­det, ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie 2000/78 dar­stellt.

21

Nach Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 stel­len Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters al­ler­dings kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

22

Um die Vor­la­ge­fra­gen be­ant­wor­ten zu können, ist da­her zu prüfen, ob die 67-Jah­re-Re­gel durch ein le­gi­ti­mes Ziel ge­recht­fer­tigt ist und die Mit­tel zu sei­ner Er­rei­chung an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

23

Zu prüfen ist, wel­che Fol­gen es hat, dass das LAS nicht ge­nau das Ziel nennt, das mit der 67-Jah­re-Re­gel und ins­be­son­de­re mit § 33 LAS ver­folgt wird. Laut vor­le­gen­dem Ge­richt wird im LAS nämlich nicht ein­deu­tig an­ge­ge­ben, wel­ches Ziel die 67-Jah­re-Re­gel mit der Fest­set­zung der Al­ters­gren­ze für Ar­beit­neh­mer auf 67 Jah­re ver­folgt.

24

Die­ser Um­stand ist je­doch nicht aus­schlag­ge­bend. Aus Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 lässt sich nämlich nicht ab­lei­ten, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die das an­ge­streb­te Ziel nicht ge­nau an­gibt, au­to­ma­tisch von ei­ner Recht­fer­ti­gung nach die­ser Be­stim­mung aus­ge­schlos­sen ist. Fehlt es an ei­ner sol­chen ge­nau­en An­ga­be, ist al­ler­dings wich­tig, dass an­de­re – aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der be­tref­fen­den Maßnah­me ab­ge­lei­te­te – An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des hin­ter die­ser Maßnah­me ste­hen­den Ziels ermögli­chen, da­mit des­sen Rechtmäßig­keit so­wie die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüft wer­den können (vgl. Ur­teil vom 21. Ju­li 2011, Fuchs und Köhler, C-159/10 und C-160/10, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 39 und die dort an­geführ­te Recht­spre­chung).

25

Wie sich der Vor­la­ge­ent­schei­dung ent­neh­men lässt, sind in den Vor­ar­bei­ten zum LAS und zum Ge­setz (2008:567) über Dis­kri­mi­nie­run­gen meh­re­re Zie­le ge­nannt, die sich auf die Beschäfti­gungs- und die Ar­beits­markt­po­li­tik be­zie­hen. Die 67-Jah­re-Re­gel die­ne ins­be­son­de­re da­zu, die künf­ti­ge Ren­te zu ver­bes­sern, in­dem noch nach Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs ge­ar­bei­tet wer­den dürfe, und den Ar­beits­kräfte­man­gel aus­zu­glei­chen, der auf­grund der be­vor­ste­hen­den Ren­ten­abgänge zu er­war­ten sei. Das vor­le­gen­de Ge­richt weist außer­dem dar­auf hin, dass die 67-Jah­re-Re­gel nach An­sicht des Om­buds­manns ge­gen Dis­kri­mi­nie­rung (Dis­kri­mi­ne­ring­som­buds­man­nen) da­durch ge­recht­fer­tigt sei, dass sie Platz für jünge­re Ar­beit­neh­mer auf dem Ar­beits­markt schaf­fe.

26

Die schwe­di­sche Re­gie­rung macht gel­tend, dass die 67-Jah­re-Re­gel ers­tens ver­hin­dern sol­le, dass Ar­beits­verhält­nis­se un­ter für die Ar­beit­neh­mer er­nied­ri­gen­den Be­din­gun­gen auf­grund ih­res fort­ge­schrit­te­nen Al­ters be­en­det würden, zwei­tens ei­ne An­pas­sung der Al­ters­ren­ten­re­ge­lun­gen an den Grund­satz der Berück­sich­ti­gung der während des ge­sam­ten Er­werbs­le­bens er­ziel­ten Einkünf­te ermögli­chen sol­le, drit­tens die Schran­ken für die­je­ni­gen ab­bau­en sol­le, die nach Er­rei­chen des Al­ters von 65 Jah­ren wei­ter ar­bei­ten woll­ten, vier­tens ei­ne An­pas­sung an de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lun­gen an­stre­be und der Ge­fahr ei­nes Ar­beits­kräfte­man­gels zu­vor­kom­men sol­le so­wie fünf­tens da­zu be­rech­ti­gen, nicht aber da­zu ver­pflich­ten sol­le, b is zur Voll­endung des 67. Le­bens­jahrs zu ar­bei­ten, in­dem das Beschäfti­gungs­verhält­nis nach Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs fort­ge­setzt wer­den könne. Die Fest­set­zung ei­nes zwin­gen­den Ru­he­stands­al­ters er­leich­te­re zu­dem den Zu­gang jun­ger Leu­te zum Ar­beits­markt.

27

Ei­ne sol­che Al­ters­gren­ze spieg­le den po­li­ti­schen und so­zia­len Kon­sens wi­der, der seit Lan­gem zwi­schen den So­zi­al­part­nern be­ste­he. Die­ser Kon­sens sei Aus­druck des beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Ziels, älte­ren Ar­beit­neh­mern An­rei­ze dafür zu ge­ben, ih­re be­ruf­li­che Lauf­bahn fort­zu­set­zen, und schaf­fe ei­nen Aus­gleich zwi­schen den In­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer, lan­ge zu ar­bei­ten, und dem Be­stre­ben, ei­nen scho­nen­den Über­gang vom Be­rufs­le­ben zum Ru­he­stand zu fördern.

28

Der Ge­richts­hof hat in die­sem Zu­sam­men­hang ent­schie­den, dass die au­to­ma­ti­sche Be­en­di­gung der Ar­beits­verhält­nis­se von Beschäftig­ten, die die das Al­ter und die Bei­trags­zah­lung be­tref­fen­den Vor­aus­set­zun­gen für den Be­zug ei­ner Al­ters­ren­te erfüllen, seit Lan­gem Teil des Ar­beits­rechts zahl­rei­cher Mit­glied­staa­ten und in den Be­zie­hun­gen des Ar­beits­le­bens weit­hin üblich ist. Die­ser Me­cha­nis­mus be­ruht auf ei­nem Aus­gleich zwi­schen po­li­ti­schen, wirt­schaft­li­chen, so­zia­len, de­mo­gra­fi­schen und/oder haus­halts­be­zo­ge­nen Erwägun­gen und hängt von der Ent­schei­dung ab, die Le­bens­ar­beits­zeit der Ar­beit­neh­mer zu verlängern oder, im Ge­gen­teil, de­ren frühe­ren Ein­tritt in den Ru­he­stand vor­zu­se­hen (Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nr. 44).

29

Die Förde­rung von Ein­stel­lun­gen ist nach der Recht­spre­chung un­be­streit­bar ein le­gi­ti­mes Ziel der So­zi­al- oder Beschäfti­gungs­po­li­tik der Mit­glied­staa­ten, zu­mal wenn es dar­um geht, den Zu­gang jünge­rer Per­so­nen zur Ausübung ei­nes Be­rufs zu fördern (Ur­tei­le vom 18. No­vem­ber 2010, Ge­or­giev, C-250/09 und C-268/09, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 45, so­wie Fuchs und Köhler, Rand­nr. 49).

30

Da­her sind Zie­le der Art, wie die schwe­di­sche Re­gie­rung sie an­geführt hat, grundsätz­lich als sol­che an­zu­se­hen, die ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters wie die in § 33 LAS vor­ge­se­he­ne im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 als „ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen“ er­schei­nen las­sen und „im Rah­men des na­tio­na­len Rechts“ recht­fer­ti­gen (vgl. ent­spre­chend Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nr. 45).

31

Fer­ner muss, wie schon aus dem Wort­laut von Art. 6 Abs. 1 her­vor­geht, ge­prüft wer­den, ob die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

32

An­ge­sichts des wei­ten Er­mes­sens­spiel­raums, der den Mit­glied­staa­ten und ge­ge­be­nen­falls den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler Ebe­ne nicht nur bei der Ent­schei­dung über die Ver­fol­gung ei­nes be­stimm­ten so­zi­al- und beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Ziels, son­dern auch bei der Fest­le­gung der für sei­ne Er­rei­chung ge­eig­ne­ten Maßnah­men zu­steht, er­scheint es nicht un­vernünf­tig, wenn sie der Auf­fas­sung sind, dass ei­ne Maßnah­me wie die 67-Jah­re-Re­gel zur Er­rei­chung der vor­ge­nann­ten Zie­le an­ge­mes­sen sein kann (vgl. in die­sem Sin­ne ent­spre­chend Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nrn. 41 und 69).

33

Zum ei­nen kann an­ge­nom­men wer­den, dass die 67-Jah­re-Re­gel, in­dem sie da­zu be­rech­tigt, bis zur Voll­endung des 67. Le­bens­jahrs zu ar­bei­ten, es ermöglicht, die Schran­ken für die­je­ni­gen ab­zu­bau­en, die nach Er­rei­chen des Al­ters von 65 Jah­ren wei­ter ar­bei­ten wol­len, die Al­ters­ren­ten­re­ge­lun­gen an den Grund­satz der Berück­sich­ti­gung der während des ge­sam­ten Er­werbs­le­bens er­ziel­ten Einkünf­te an­zu­pas­sen, ei­ne An­pas­sung an de­mo­gra­fi­sche Ent­wick­lun­gen vor­zu­neh­men und der Ge­fahr ei­nes Ar­beits­kräfte­man­gels zu­vor­zu­kom­men.

34

Zum an­de­ren kann da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die 67-Jah­re-Re­gel, in­dem sie dem Ar­beit­ge­ber er­laubt, das Ar­beits­verhält­nis zu be­en­den, wenn der Ar­beit­neh­mer das 67. Le­bens­jahr voll­endet hat, es ermöglicht, zu ver­hin­dern, dass Ar­beits­verhält­nis­se un­ter für Ar­beit­neh­mer im fort­ge­schrit­te­nen Al­ter er­nied­ri­gen­den Be­din­gun­gen be­en­det wer­den. Eben­so vor­stell­bar ist, dass die­se Re­gel, wenn die Zahl der Beschäftig­ten we­gen der La­ge auf dem be­tref­fen­den Ar­beits­markt oder im be­tref­fen­den Un­ter­neh­men be­schränkt ist, den Zu­gang jünge­rer Per­so­nen zum Ar­beits­markt und/oder ih­ren Ver­leib auf die­sem Markt er­leich­tert.

35

Das vor­le­gen­de Ge­richt ist sich nicht si­cher, ob der in § 33 LAS vor­ge­se­he­ne Me­cha­nis­mus der au­to­ma­ti­schen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses un­be­dingt er­for­der­lich ist, da die­se Be­stim­mung nicht vor­sieht, dass die Höhe der Ren­te berück­sich­tigt wird, die ein Ein­zel­ner be­an­spru­chen können wird.

36

Herr Hörn­feldt trägt hier­zu vor, er sei, weil er über lan­ge Zeit Teil­zeit­ar­beit ge­leis­tet ha­be, außer­gewöhn­lich kurz auf dem Ar­beits­markt ge­blie­ben, und sei­ne Al­ters­ren­te sei da­her un­verhält­nismäßig nied­rig. Bestünde sein Ar­beits­verhält­nis noch zwei oder drei Jah­re fort, würde sich sei­ne Al­ters­ren­te um un­gefähr 2 000 SEK mo­nat­lich erhöhen. Für Ar­beit­neh­mer, die wie er wei­ter ar­bei­ten woll­ten, sei da­her ei­ne Aus­nah­me von der 67-Jah­re-Re­gel zu­zu­las­sen.

37

Das in der Richt­li­nie 2000/78 auf­ge­stell­te Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters ist im Licht des in Art. 15 Abs. 1 der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ropäischen Uni­on an­er­kann­ten Rechts, zu ar­bei­ten, zu se­hen. Dar­aus folgt, dass auf die Teil­nah­me älte­rer Ar­beit­neh­mer am Be­rufs­le­ben und da­mit am wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und so­zia­len Le­ben be­son­de­res Au­gen­merk zu rich­ten ist. Ihr Ver­blei­ben im Be­rufs­le­ben fördert die Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung, die ein im 25. Erwägungs­grund der Richt­li­nie 2000/78 an­er­kann­tes Ziel ist. Es trägt außer­dem ent­spre­chend dem in den Erwägungs­gründen 8, 9 und 11 zum Aus­druck ge­brach­ten An­lie­gen des Uni­ons­ge­setz­ge­bers zu ih­rer persönli­chen Ent­fal­tung und Le­bens­qua­lität bei (Ur­teil Fuchs und Köhler, Rand­nrn. 62 und 63).

38

Um zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­che Maßnah­me über das zur Er­rei­chung der an­ge­streb­ten Zie­le Er­for­der­li­che hin­aus­geht und die In­ter­es­sen von Ar­beit­neh­mern, die das 67. Le­bens­jahr voll­enden, übermäßig be­ein­träch­tigt, ist sie in dem Re­ge­lungs­kon­text zu be­trach­ten, in den sie sich einfügt, und sind so­wohl die Nach­tei­le, die sie für die Be­trof­fe­nen be­wir­ken kann, als auch die Vor­tei­le zu berück­sich­ti­gen, die sie für die Ge­sell­schaft im All­ge­mei­nen und die die­se bil­den­den In­di­vi­du­en be­deu­tet (Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nr. 73).

39

Hier­zu ist ers­tens fest­zu­stel­len, dass die So­zi­al­part­ner nach der 67-Jah­re-Re­gel in In­di­vi­du­al- oder Ta­rif­verträgen vom Me­cha­nis­mus der au­to­ma­ti­schen Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses erst ab Voll­endung des 67. Le­bens­jahrs des Ar­beit­neh­mers Ge­brauch ma­chen dürfen, da § 32a LAS un­ter­sagt, ein zwin­gen­des Ren­ten­ein­tritts­al­ter von we­ni­ger als 67 Jah­ren vor­zu­se­hen. § 32a LAS ver­leiht dem Ar­beit­neh­mer so­mit ein an kei­ne Be­din­gun­gen ge­knüpftes Recht, ei­ne Be­rufstätig­keit aus­zuüben, bis er das Al­ter von 67 Jah­ren er­reicht, ins­be­son­de­re um die Einkünf­te zu erhöhen, auf de­ren Grund­la­ge sei­ne Al­ters­ren­te be­rech­net wird, und so de­ren Be­trag an­zu­he­ben.

40

Zwei­tens hat die von Rechts we­gen ein­tre­ten­de Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses, die aus ei­ner Maßnah­me wie der in § 33 LAS vor­ge­se­he­nen re­sul­tiert, nicht die au­to­ma­ti­sche Wir­kung, dass die Be­trof­fe­nen ge­zwun­gen wer­den, endgültig aus dem Ar­beits­markt aus­zu­schei­den. Zum ei­nen wird nämlich mit die­ser Be­stim­mung kei­ne zwin­gen­de Re­ge­lung zur Ver­set­zung in den Ru­he­stand von Amts we­gen ein­geführt. Sie sieht Vor­aus­set­zun­gen vor, un­ter de­nen ein Ar­beit­ge­ber vom Grund­satz des Ver­bots der Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen des Al­ters ab­wei­chen und ein Ar­beits­verhält­nis ei­nes Beschäftig­ten be­en­den kann, weil die­ser das 67. Le­bens­jahr voll­endet hat.

41

Zum an­de­ren hat die schwe­di­sche Re­gie­rung vor­ge­tra­gen, dass der Ar­beit­ge­ber, wenn das Ar­beits­verhält­nis be­en­det wer­de, dem be­tref­fen­den Ar­beit­neh­mer ein be­fris­te­tes Ar­beits­verhält­nis an­bie­ten könne. Der Ar­beit­ge­ber und der Ar­beit­neh­mer könn­ten die Dau­er die­ses Verhält­nis­ses frei ver­ein­ba­ren und es er­for­der­li­chen­falls auch verlängern.

42

Drit­tens stellt die 67-Jah­re-Re­gel nicht nur dar­auf ab, dass ein be­stimm­tes Al­ter er­reicht ist, son­dern berück­sich­tigt auch, dass dem Ar­beit­neh­mer am En­de sei­ner be­ruf­li­chen Lauf­bahn ein fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich durch ei­nen Ein­kom­mens­er­satz in Ge­stalt ei­ner Al­ters­ren­te zu­gu­te­kommt (vgl. in die­sem Sin­ne ent­spre­chend Ur­teil Ro­sen­bladt, Rand­nr. 48).

43

Aus den beim Ge­richts­hof ein­ge­reich­ten Erklärun­gen geht nämlich her­vor, dass das in § 33 LAS fest­ge­leg­te Al­ter zum ei­nen dem Al­ter ent­spricht, das im ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Zeit­raum das ge­setz­li­che Ren­ten­ein­tritts­al­ter war, und zum an­de­ren höher als das Al­ter ist, ab dem ein An­spruch auf ei­ne Al­ters­ren­te be­steht, die im All­ge­mei­nen aus drei Be­stand­tei­len be­steht, nämlich aus der Ein­kom­mens­ren­te, der Prämi­en­ren­te und der Zu­satz­ren­te.

44

Vier­tens geht aus den beim Ge­richts­hof ein­ge­reich­ten Erklärun­gen her­vor, dass, wer kei­ne ein­kom­mens­be­zo­ge­ne Al­ters­ren­te oder nur ei­ne nied­ri­ge Ren­te be­an­spru­chen kann, ab Voll­endung des 65. Le­bens­jahrs ei­ne Ren­te in Form ei­ner Grund­ver­sor­gung be­zie­hen kann, die in ei­ner Ga­ran­tie­ren­te, Wohn­geld und/oder ei­ner Un­ter­halts­bei­hil­fe für älte­re Men­schen be­steht.

45

In die­sem Zu­sam­men­hang ist zu be­ach­ten, dass der Ge­richts­hof in Rand­nr. 47 des Ur­teils Ro­sen­bladt zu dem Schluss ge­langt ist, dass kei­ne übermäßige Be­ein­träch­ti­gung der be­rech­tig­ten In­ter­es­sen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer vor­lag, ob­wohl in der Rechts­sa­che, in der die­ses Ur­teil er­gan­gen ist, das Ren­ten­al­ter nied­ri­ger als das nach § 33 LAS war und Frau Ro­sen­bladt ei­ne Ren­te be­zog, die deut­lich nied­ri­ger war als die, auf die Herr Hörn­feldt An­spruch hat.

46

An­ge­sichts all die­ser Umstände, de­ren Ve­ri­fi­zie­rung Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist, kann nicht mit Er­folg gel­tend ge­macht wer­den, dass die Richt­li­nie 2000/78 ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­ste­he.

47

Folg­lich ist auf die Vor­la­ge­fra­gen zu ant­wor­ten, dass Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 2000/78 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen, die ei­nem Ar­beit­ge­ber er­laubt, das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Ar­beit­neh­mers aus dem bloßen Grund zu be­en­den, dass die­ser das 67. Le­bens­jahr voll­endet hat, und die nicht die Höhe der Ren­te berück­sich­tigt, die ein Ein­zel­ner be­an­spru­chen können wird, nicht ent­ge­gen­steht, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist, durch ein le­gi­ti­mes Ziel der Beschäfti­gungs- und der Ar­beits­markt­po­li­tik ge­recht­fer­tigt ist und ein an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels ist.

Kos­ten

48

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Zwei­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art. 6 Abs. 1 Un­terabs. 2 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen, die ei­nem Ar­beit­ge­ber er­laubt, das Ar­beits­verhält­nis ei­nes Ar­beit­neh­mers aus dem bloßen Grund zu be­en­den, dass die­ser das 67. Le­bens­jahr voll­endet hat, und die nicht die Höhe der Ren­te berück­sich­tigt, die ein Ein­zel­ner be­an­spru­chen können wird, nicht ent­ge­gen­steht, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen ist, durch ein le­gi­ti­mes Ziel der Beschäfti­gungs- und der Ar­beits­markt­po­li­tik ge­recht­fer­tigt ist und ein an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels ist.

Un­ter­schrif­ten


** Ver­fah­rens­spra­che: Schwe­disch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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