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LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.03.2012, 15 SaGa 2383/11
Schlagworte: | Bewerbung, Anforderungsprofil, Öffentlicher Dienst | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg | |
Aktenzeichen: | 15 SaGa 2383/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 14.03.2012 | |
Leitsätze: | 1. Wird für eine Stelle im öffentlichen Dienst ein Anforderungsprofil mit sachfremden Erwägungen erstellt, dann hat der unterlegene Bewerber in der Regel einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung. 2. Dem steht nicht entgegen, dass bei sachgerechten Erwägungen das Anforderungsprofil möglicherweise in gleicher Weise erstellt worden wäre. 3. Ein Verfügungsgrund entfällt in Konkurrentenrechtstreitigkeiten nicht schon dann, wenn der im I. Rechtszug unterlegene Verfügungskläger die Berufungsbegründungsfrist in vollem Maße ausschöpft. |
|
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 26.10.2011, 8 Ga 32/11 | |
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Verkündet
am 14. März 2012
Geschäftszeichen (bitte immer angeben)
15 SaGa 2383/11
8 Ga 32/11
Arbeitsgericht Potsdam
K., JHS als Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
pp
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 15. Kammer,
auf die mündliche Verhandlung vom 14. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht K. als Vorsitzender
sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn B. und Frau A.
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 26.10.2011 - 8 Ga 32/11 - abgeändert und wie folgt gefasst:
Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, die beabsichtigte Übertragung des der Stelle des Sachbearbeiters/der Sachbearbeiterin für das Referat 11 „Haushalt, Finanzwirtschaftliche Grundsatzfragen, Finanzrevision, Angelegenheiten der EU-Fonds“ gemäß Kennziffer 3/11/2011“ im Ministerium für I. und L. Brandenburg zugrunde liegenden Dienstpostens an Frau C. F. nicht vorzunehmen sowie diese Stelle freizuhalten und nicht zu besetzen, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darüber, ob eine Stelle nach einem durchgeführten Auswahlverfahren bis auf weiteres nicht endgültig besetzt werden darf.
Der 1967 geborene Verfügungskläger (künftig: der Kläger) hat 1996 ein Fachhochschulstudium im Bereich Forstwirtschaft mit der Note „sehr gut“ abgeschlossen. Darüber hinaus hat der Kläger u. a. die Laufbahnprüfung für den gehobenen Forstdienst mit der Note „gut“ abgelegt. Seit 1997 ist er bei dem beklagten Land beschäftigt. Vom 25. September 2000 bis 31. Dezember 2009 war er für eine Tätigkeit bei einer Landtagsfraktion beurlaubt. Dort war er als Referent tätig und wurde in die Entgeltgruppe E14 eingruppiert. Vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2010 befand sich der Kläger in Elternzeit. Seit Juli 2010 ist er als Sachbearbeiter im Referat Grundsatzangelegenheiten Verkehr des Ministeriums für I. und L. beschäftigt und erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E9.
Auf der hier strittigen Stelle wurde und wird Frau F. als Sachbearbeiterin beschäftigt. Sie erhält - wie der Kläger - eine Vergütung nach der Entgeltgruppe E9. Sie ist eine Absolventin eines Instituts für Lehrerbildung. An dieser DDR-Fachschule wurden Unterstufenlehrer sowie Heimerzieher und Pionierleiter ausgebildet. Sie ist seit dem 8. Juli 1991 bei dem beklagten Land tätig.
Nachdem das beklagte Land der Ansicht war, dass die von Frau F. ausgeübte Tätigkeit eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe E11 bedinge, hat es eine entsprechende Stellenausschreibung vorbereitet. Die geplante Stellenausschreibung hat Frau N. am 28. März 2011 an Frau W. per E-Mail geschickt mit der Bitte um Änderungs- oder Ergänzungshinweise.
Diese antwortete am 29. März 2011 u. a. wie folgt:
„Und Frau Fr. F. hat nach meiner Kenntnis kein einschlägiges Studium. Bitte prüfen, ob Ergänzung „gleichwertige Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen“ erforderlich ist.“ (Verwaltungsvorgang Bl. 27)
Im Ausschreibungstext (Bl. 19 d. A.) wurde dann eine entsprechende Ergänzung vorgenommen. Auf diese Stelle haben sich nur der hiesige Kläger und Frau F. beworben.
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Unter dem 14. September 2011 (Bl. 246 - 263 VV) hat das beklagte Land einen Auswahlvermerk angefertigt. Dieser endet mit dem Vorschlag, Frau F. die Stelle zu übertragen.
Hiergegen wendet sich die am 17. Oktober 2011 beim Arbeitsgericht Potsdam eingegangene einstweilige Verfügung. Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 26. Oktober 2011 hat das Arbeitsgericht Potsdam den Antrag zurückgewiesen. Das beklagte Land habe das Recht des Kläger auf eine rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung anhand des vom beklagten Landes erstellten Anforderungsprofils und unter Zugrundelegung der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Auswahlkriterien im Verhältnis zur ausgewählten Mitbewerberin Frau F. nicht verletzt.
Dieses Urteil ist dem Kläger am 29. Oktober 2010 zugestellt worden. Die Berufung ging am 29. November 2010 beim Landesarbeitsgericht ein. Nach Verlängerung bis zum 30. Januar 2011 erfolgte die Berufungsbegründung am selben Tag.
Der Kläger ist u. a. der Ansicht, das Arbeitsgericht hätte in rechtswidriger Weise die E-Mail von Frau W. nicht berücksichtigt. Auch hätte die Tätigkeit von Frau F. auf dem hier strittigen Dienstposten in der Zeit vom 12. April 2010 bis 31. Juli 2011 in deren Zeugnis nicht berücksichtigt werden dürfen. Fehlerhaft sei auch, dass die davor liegenden Zeugnisse der Mitbewerberin außer Betracht geblieben seien. Auch sei nicht ersichtlich, wodurch Frau F. ein derart umfangreiches Wissen erlangt haben soll, dass demjenigen eines Fachhochschulabsolventen gleich kommen soll. Insofern hätte sie zu einem Vorstellungsgespräch gar nicht erst eingeladen werden dürfen. Die Ansicht des beklagten Landes sei fehlerhaft, dass er das Merkmal der vertieften Kenntnisse in haushaltsrechtlichen Angelegenheiten nicht erfülle. Das beklagte Land habe in fehlerhafter Weise nicht berücksichtigt, dass er bestimmte Fächer im Rahmen einer universitären Ausbildung (Vordiplom Forstwirtschaft) abgeschlossen habe. Soweit er im Jahre 2011 Prüfungen an der Privaten Hochschule Göttingen absolviert habe, habe das beklagte Land diese ebenfalls fälschlicherweise dem Abschluss als Forstwirt im Jahre 1996 zugeordnet.
Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß,
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unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 26.10.2011 - 8 Ga 32/11 - den Verfügungsbeklagten im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die beabsichtigte Übertragung des der Stelle des Sachbearbeiters/der Sachbearbeiterin für das Referat 11 „Haushalt, Finanzwirtschaftliche Grundsatzfragen, Finanzrevision, Angelegenheiten der EU-Forst“ gemäß Kennziffer 03/11/2011 im Ministerium für I. und L. Brandenburg zugrunde liegenden Dienstpostens an Frau C. F. nicht vorzunehmen sowie diese Stelle freizuhalten und nicht zu besetzen, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land ist der Ansicht, aus der E-Mail von Frau W. könne eine Voreingenommenheit nicht abgeleitet werden. Es sei zulässig gewesen, diese Kriterien zusätzlich in den Ausschreibungstext aufzunehmen. Frau F. verfüge auch über entsprechende Kenntnisse wie diejenigen eines Fachhochschulabsolventen. Dies ergebe sich aus den Seiten 5 und 6 des Auswahlvermerks. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass er über vertiefte Kenntnisse in haushaltsrechtlichen Angelegenheiten verfüge, ergebe sich dies nicht aus der Personalakte und sei daher nicht berücksichtigungsfähig.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Insofern war das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam abzuändern und entsprechend dem zuletzt gestellten Antrag zu entscheiden.
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II.
Die Berufung ist auch begründet. Das beklagte Land ist verpflichtet, die hier strittige Stelle als Sachbearbeiter/Sachbearbeiterin im Haushaltsreferat 11 freizuhalten und nicht endgültig zu besetzen, längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren (§§ 935, 940 ZPO i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG).
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1. Im Gegensatz zur Auffassung des Arbeitsgerichts kann der Kläger sich mit Erfolg auf einen Verfügungsanspruch berufen, denn das Auswahlverfahren war fehlerhaft und die Erfolgsaussichten einer erneuten Auswahl sind offen.
1.1 Aus Art. 33 Abs. 2 GG wird abgeleitet, dass ein Bewerber um eine öffentliche Stelle im Rahmen des Bewerbungsverfahrensanspruchs verlangen kann, dass sein Anspruch auf Wahrung des Rechts der Chancengleichheit im Auswahlverfahren nicht verletzt wird. Bestehen bei summarischer Prüfung Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Auswahlentscheidung, dann ist die entsprechende Stelle vorläufig freizuhalten (BVerwG 19.12.2011 - 1 WDS-VR 5/11 - Beschluss, juris Rn. 32). Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung zumindest dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei einer erneuten Auswahl offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint. Im Verfahren über seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist derselbe Maßstab wie im Hauptsacheverfahren anzulegen (BVerwG 21.08.2003 - 2 C 14/02 - NJW 2004, 870, juris Rn. 16).
1.2 Im Gegensatz zur Auffassung des Klägers ergibt sich ein Fehler im Auswahlverfahren nicht schon deswegen, weil im letzten Zeugnis der ausgewählten Bewerberin auch diejenige Zeitspanne berücksichtigt wurde, in der sie auf dem hier strittigen Dienstposten beschäftigt war.
Das LAG Thüringen (16.11.2010 - 1 SaGa 6/10 - juris) geht davon aus, dass der Dienstherr das Auswahlverfahren nicht dadurch beeinflussen darf, dass er den beworbenen Dienstposten einem der Mitbewerber anvertraut und letztendlich deshalb eine diesem Mitbewerber günstige Entscheidung begründet. In diesem Fall gebiete es die Tatsache der Fürsorgepflicht, diesen Umstand im Bewerbungsverfahren außer Ansatz zu lassen (a. a. O., Rn. 28). Demgegenüber betont das Bundesarbeitsgericht (19.02.2008 - 9 AZR 70/07 - NZA 2008, 1016, Rn. 38), dass bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung auf den Zeitpunkt dieser Entscheidung abzustellen ist, wobei nicht näher darauf eingegangen wird, ob auch die Erfahrungen bei der vorläufigen Übertragung des Dienstpostens berücksichtigungsfähig sind. Das Bundesverwaltungsgericht (04.11.2010 - 2 C 16/09 - NJW 2011, 695 Rn. 58, 60) hat demgegenüber ausdrücklich festgestellt, dass bei einer Auswahlentscheidung auch die Zeiten und Leistungen berücksichtigt werden können, in denen der ausgesuchte Bewerber in rechtswidriger Weise zum Präsidenten eines
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Oberlandesgerichts ernannt worden war. Diese Ansicht des BVerwG hält die hiesige Kammer für zutreffend.
1.3 Ein Fehler im Auswahlverfahren ergibt sich auch nicht daraus, dass im hiesigen Auswahlverfahren in einem „Vorstellungsgespräch“ aufgrund von vorher festgelegten Fragen Kenntnisse und Fähigkeiten insbesondere im Bereich Haushaltsrecht abgeprüft wurden.
Das Bundesarbeitsgericht (19.02.2008 - 9 AZR 70/07 - NZA 2008, 1016 Rn. 39) geht davon aus, dass ein öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber sich auch durch ein Vorstellungsgespräch ein Bild von der Qualifikation eines Bewerbers verschaffen darf, soweit nach dem Anforderungsprofil diese Qualifikation nicht in einer bestimmten Form nachgewiesen werden muss oder ein bestimmtes Verfahren vorgeschrieben ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht (19.12.2011 - 1 WDS-VR 5/01 - juris Rn. 41) hält es für zulässig, dass sich der Dienstherr im Rahmen der ihm obliegenden Prüfung der persönlichen Eignung der Bewerber auch durch ein Vorstellungsgespräch ein Bild von deren Persönlichkeit verschaffen und sein Eignungsurteil - sei es insgesamt, sei es hinsichtlich eines Teilbereiches der Eignung - von dem Ergebnis des Einstellungsgespräches (mit) abhängig machen darf. Das Bundesverwaltungsgericht hat an dieser Stelle weiterhin betont, dass Vorstellungsgespräche zum Bestandteil eines formalisierten Auswahlverfahrens gemacht werden dürfen. Dies hält die hiesige Kammer für zutreffend.
1.4 Ein Fehler im Auswahlverfahren ergibt sich vorliegend aber daraus, dass das Anforderungsprofil in rechtswidriger Weise erstellt wurde.
Wird - wie hier - für eine Stelle im öffentlichen Dienst ein Anforderungsprofil nach sachfremden Erwägungen erstellt, dann hat der unterlegene Bewerber in der Regel einen Anspruch auf erneute Entscheidung über seine Bewerbung.
1.4.1 Bei der Besetzung einer freien Stelle im öffentlichen Dienst hat der Dienstherr zwingend vor der Auswahlentscheidung ein Anforderungsprofil zu erstellen. Hierdurch legt er aufgrund seiner Organisationsgewalt die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest und prägt dadurch den Maßstab für seine Auswahlentscheidung vor (OVG Lüneburg - 17.02.2010 - 5 ME 266/09 - juris Rn. 18). Gerade weil dem Dienstherren ein weites Organisationsermessen zusteht, wird von den Gerichten die Aufstellung des Anforderungsprofils nur in engen Grenzen überprüft. So heißt es hierzu:
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„Die sehr weite Organisationsbefugnis des Dienstherrn, die Funktion eines Dienstpostens nach Art und Umfang sowie die an den Inhaber zu stellenden Anforderungen festzulegen, setzt der gerichtlichen Überprüfung enge Grenzen. Die Ausübung der Organisationsgewalt kann insoweit allein dahingehend überprüft werden, ob die Festlegung des Anforderungsprofils durch Ermessensmissbrauch maßgebend geprägt ist, ob mithin die Gründe des Dienstherrn seiner tatsächlichen Einschätzung entsprochen haben und nicht nur vorgeschoben sind, um eine in Wahrheit allein oder maßgebend mit auf anderen Beweggründen beruhende Entscheidung zu rechtfertigen (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urteil vom 16.08.2001 - BVerwG 2 A 3.00 -, BVerwGE 115, 58 = juris, Rn. 31 f.; Urteil vom 28.11.1991 - BVerwG 2 C 7.89 -, Buchholz 237.7 § 28 NWLBG Nr. 9 = NVwZ 1992, 573 f. = juris, Rn. 8; Nds. OVG, Urteil vom 24.04.2007 - 5 LC 207/06 -; Beschluss vom 06.08.2007 - 5 ME 199/07 -, juris, Rn. 30; Beschluss vom 11.03.2008 - 5 ME 346/07 -, Nds. Rpfl. 2008, 151 = RiA 2008, 236).“ (OVG Lüneburg 17.02.2010 - 5 ME 266/09 – Juris Rn 18).
„Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle ergibt sich daraus, dass durch die Festlegung eines Anforderungsprofils und ihre Kundgabe in der Ausschreibung ein Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen wird. Um zu verhindern, dass das Anforderungsprofil in der Ausschreibung aus unsachlichen Gründen auf einen Parteifreund oder sonstigen Günstling zugeschnitten oder in anderer Weise manipuliert wird und die Ausschreibung nur zum Schein erfolgt, ist es geboten, die Festlegung des Anforderungsprofils im gleichen Umfang gerichtlich zu überprüfen wie die Auswahlentscheidung im übrigen (vgl. Günther, Ausschreibung, ZBR 1987, 321; OVG Koblenz, Urteil vom 14.03.1994 - 13 B 10166/94 OVG -, DÖD 1994, 294). Das bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass das Gericht zu prüfen hat, ob die Verwaltung den ihr gesetzten gesetzlichen Rahmen verkannt hat oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.“ (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht 21.11.1995 - 5 M 6322/95 - NVwZ-RR 1996, 677-678; Juris Rn 10).
„Die gerichtliche Nachprüfung des Anforderungsprofils einer Ausschreibung beschränkt sich deshalb darauf, ob eine sachgerechte Orientierung an den Aufgaben des jeweiligen Dienstpostens vorliegt und sachfremde Erwägungen außen vor geblieben sind (VGH Kassel, Beschluss vom 20.09.1994, 1 TG 1261/94; OVG Lüneburg, Beschluss vom 21.11.1995, NVwZ-RR 1996, 677 <678>).“ (VG Hamburg 30.07.1999 – 20 VG 2493/99 – Juris Rn 22).
1.4.2 Bei Anwendung dieser Kriterien, die die erkennende Kammer für zutreffend hält, ist festzustellen, dass das beklagte Land bei der Aufstellung des Anforderungsprofils sachfremde Erwägungen angestellt hat.
So heißt es in der E-Mail von Frau W. ausdrücklich, dass ihrer Kenntnis nach Frau F. über kein einschlägiges Studium verfüge. Sie bittet insofern um Überprüfung, ob eine Ergänzung hinsichtlich der gleichwertigen Kenntnisse etc. „erforderlich ist“. Dadurch wird deutlich
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gemacht, dass das Anforderungsprofil jedenfalls in diesem Punkt an die Qualifikation von Frau F. angepasst werden soll. Die Erforderlichkeit der Ergänzung wird ausschließlich davon abhängig gemacht, ob Frau F. über das bisher einschlägige Kriterium des Fachhochschulabschlusses verfügt. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Ergänzung nicht als erforderlich angesehen wird, falls Frau F. schon einen Fachhochschulabschluss gehabt hätte. In der Phase der Aufstellung des Anforderungsprofils kann es jedoch nicht darauf angekommen, welche Qualifikationen die Personen besitzen, die möglicherweise als Bewerber in Betracht kommen oder gar vom Dienstherrn bevorzugt berücksichtigt werden sollen. Das Anforderungsprofil hat sich ausschließlich an den objektiven Erfordernissen zu orientieren, die für die entsprechende Tätigkeit erforderlich sind. Diese objektive Herangehensweise hat das beklagte Land gerade nicht verfolgt.
Offen kann bleiben, ob entsprechend der Erörterung im Berufungstermin das beklagte Land nur im hiesigen Einzelfall oder auch sonst die Qualifikationsanforderungen des Anforderungsprofils an den Fähigkeiten der Beschäftigten ausrichtet, deren Bewerbung erwartet wird und die später ausgewählt werden. Hierfür könnte der Auswahlvermerk vom 26. Mai 2011 bzgl. der Stelle im Referat 10 „Koordination, Kommunikation, Internationales“ (Bl. 273 ff. VV) sprechen. Dort hatte sich ebenfalls nur der Kläger und als zweiter Beschäftigter ein Beamter beworben, wobei der Beamte letztendlich ausgewählt wurde. Nach dem Auswahlvermerk war als notwendige Qualifikation nur die „Laufbahnbefähigung des gehobenen nichttechnischen Dienstes“ verlangt. Ein gleichwertiges Fachhochschulstudium oder sonstige gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten werden nicht erwähnt. Da der öffentliche Dienstherr an sein Anforderungsprofil gebunden ist, hätten somit Bewerber außerhalb des Beamtenverhältnisses nicht in die Auswahl einbezogen werden dürfen. Im Übrigen kann eine falsche Ausschreibung bezogen auf die Bewerbergruppen Angestellte und/oder Beamte geeignete Bewerber von der Bewerbung abhalten mit der Folge, dass ein solcher Fehler es rechtfertigt, ein Bewerbungsverfahren abzubrechen und die Stelle neu auszuschreiben (BAG, 24.03.2009 - 9 AZR 277/08 - NZA 2009, 901, juris Rn. 29).
1.4.3 Dem steht nicht entgegen, dass bei Anstellung sachgerechter Erwägungen das Anforderungsprofil möglicherweise in gleicher Weise erstellt worden wäre (vgl. BAG, 12.09.2006 - 9 AZR 807/05 - NZA 2007, 507, juris Rn. 34).
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Der hiesige Kläger ist in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch allein schon dadurch verletzt, dass jedenfalls entscheidungsbefugte Beschäftigte des beklagten Landes einseitig zu Gunsten möglicher Bewerber Partei ergriffen haben. Hierdurch wird eine Befangenheit demonstriert, die für den Kläger allerdings erst nach Akteneinsicht erkennbar wurde. Angesichts des Beurteilungsspielraumes des beklagten Landes bei Aufstellung des Anforderungsprofils wird der Kläger in seinem Anspruch, chancengleich berücksichtigt zu werden, allein durch die sachwidrigen Erwägungen verletzt. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei rein an der Sache ausgerichteten Erwägungen das Anforderungsprofil auch bzgl. der übrigen Kriterien anders ausgefallen wäre.
1.4.4 Die Erfolgsaussichten für den Kläger, bei einer erneuten Auswahlentscheidung möglicherweise zu obsiegen, sind offen.
Das Anforderungsprofil ist Grundlage für die Beurteilung der Bewerber. Wenn schon diese Grundlage fehlerhaft erstellt worden ist, dann kann es nicht zu einer fehlerfreien Auswahlentscheidung kommen, da die Auswahl sich an diesem Anforderungsprofil zu orientieren hat. Insofern ist unerheblich, dass der Kläger hinsichtlich der vertieften Kenntnisse in haushaltsrechtlichen Angelegenheiten im Auswahlvermerk als nicht geeignet eingestuft wurde. Es ist nicht einmal gesichert, dass bei einem erneuten Auswahlverfahren dieses Kriterium in gleicher Weise als zwingendes Kriterium ausgestaltet wird.
1.5 Das Auswahlverfahren ist auch deswegen fehlerhaft, weil das beklagte Land im Auswahlvermerk auf Seiten 5 f. (Bl. 250 f. VV) in nicht nachvollziehbarer Weise angenommen hat, dass die ausgewählte Bewerberin über gleichwertige Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt wie sie mit einem abgeschlossenen Fachhochschulstudium vorzugsweise der Fachrichtung Betriebswirtschaft erworben werden. Dies ist fast ausschließlich damit begründet worden, dass die Bewerberin seit Ende 1996 als Sachbearbeiterin im Haushalt tätig gewesen sei. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass die gleichwertigen Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen im Sinne der Eingruppierungsmerkmale nicht dadurch nachgewiesen werden können, dass der jeweilige Beschäftigte auf einem eng begrenzten Teilgebiet tätig war (BAG, 25.03.1998 - 4 AZR 670/96 - ZTR 1999, 29, juris Rn. 27). Insofern reicht es auch hier nicht aus, dass die ausgewählte Bewerberin als Sachbearbeiterin ausschließlich im Bereich
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Haushalt tätig war. Soweit in dem Vermerk auch auf entsprechende Schulungen verwiesen wird, ist dies ebenfalls unzureichend. Zum einen sind dies erneut Schulungen im Bereich Haushaltsrecht. Ein Fachhochschulstudium vermittelt jedoch sehr viel breiter angelegte Fähigkeiten und Kenntnisse. Ansonsten verweist das beklagte Land auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 13. März 2012 nur darauf, dass die ausgewählte Bewerberin 1997 an einer Fortbildung zum allgemeinen Verwaltungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht teilgenommen habe. Über den Umfang dieser Fortbildung und ihre Inhalte wird nichts mitgeteilt, so dass eine sachgerechte Beurteilung nicht vorgenommen werden kann.
1.6 Das Auswahlverfahren ist auch deswegen mit Mängeln behaftet, weil auf Seite 4 f. des Auswahlvermerks vom 14. September 2011 (Bl. 249 f. VV) die Leistung der ausgewählten Bewerberin ausschließlich auf Basis des Zeugnisses vom 25. Juli 2011 vorgenommen wird, das den Zeitraum 12. April 2010 bis 31. Juli 2011 erfüllt.
Demgegenüber entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass neben aktuellen dienstlichen Beurteilungen auch frühere dienstliche Beurteilungen zu berücksichtigen sind. Sie seien auch nicht als Hilfskriterien für die Auswahlentscheidung heranzuziehen. Vielmehr handele es sich um Erkenntnisse, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen gegenüber Hilfskriterien vorrangig sind (BVerwG 21.08.2003 - 2 C 14/02 - NJW 2004, 870, juris Rn. 23).
Die ausgewählte Bewerberin verfügte mindestens noch über die Zeugnisse vom 20. Januar 2010 und 13. April 2010. Das beklagte Land verdeutlicht auch nicht, wie es innerhalb eines Jahres bezogen auf das letzte Zeugnis zu einer Leistungssteigerung um zwei Stufen kommen konnte.
1.7 Das Auswahlverfahren ist auch möglicherweise deswegen fehlerhaft, weil auf Seite 12 f. des Auswahlvermerks vom 14. September 2011 Leistungen des Klägers ausschließlich seinem Fachhochschuldiplom vom 1. März 1996 zugeordnet wurden, obwohl sie teilweise früher im Bereich einer universitären Ausbildung oder später im Jahre 2011 im Rahmen der Ausbildung an einer privaten Hochschule abgeleistet wurden. Insofern kann offen bleiben, ob das beklagt Land diesen Fehler angesichts der zur Verfügung gestellten Unterlagen hätte erkennen können.
2. Der Kläger kann sich auch mit Erfolg auf einen Anordnungsgrund berufen.
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Der Anordnungsgrund ergibt sich schon daraus, dass entsprechend der ständigen Rechtsprechung der Dienstherr bzw. Arbeitgeber nach Abschluss des einstweiligen Rechtschutzverfahrens durch zwei Instanzen (und ggf. Einlegung einer Verfassungsbeschwerde) befugt ist, die strittige Stelle endgültig zu besetzen. Der Bewerberverfahrensanspruch liefe leer, wenn trotz Fehler im Auswahlverfahren der Bewerber insofern nur auf das Hauptsacheverfahren verwiesen wäre. Insofern ist es rechtlich geboten, die strittige Stelle jedenfalls bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch einstweilige Anordnung nicht endgültig besetzen zu lassen.
Der Verfügungsgrund fehlt vorliegend auch nicht deswegen, weil teilweise angenommen wird, dass es dem im ersten Rechtszug unterlegenen Verfügungskläger nach Sinn und Zweck des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verwehrt sei, insbesondere die Berufungsbegründungsfrist in vollem Maße auszuschöpfen (LAG Hamm, 10.02.2006
- 7 Sa 2307/05 - juris; LAG Hamm, 12.06.2001 - 11 Sa 776/01 - juris). Bezogen auf ein Wettbewerbsverbot oder die Freistellung von der Arbeitspflicht wird argumentiert, dass der Hinweis eines drohenden Schadens durch den unterlegenen Verfügungskläger nicht mehr glaubhaft sei, sobald er im Berufungsrechtszug die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist voll ausschöpfe.
Es kann offen bleiben, ob diese Überlegungen zutreffend sind. Der Gesetzgeber hat jedenfalls trotz Kenntnis eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hinsichtlich der Fristen keine unterschiedlichen Regelungen getroffen. Für die hiesigen Konkurrentenrechtsstreitigkeiten lassen sich die Erwägungen des LAG Hamm jedenfalls nicht übertragen (offen gelassen: LAG Berlin-Brandenburg, 25.01.2012 - 4 SaGa 1824/11). In den hiesigen Konkurrentenrechtsstreitigkeiten wächst ein Schaden nicht von Tag zu Tag weiter an. Es geht ausschließlich darum, die endgültige Besetzung der Stelle zu verhindern. Dieses Interesse ist nach wenigen Tagen genauso bedroht wie nach einigen Monaten. Im Übrigen könnte ein Verfügungskläger nach Verneinung des Verfügungsgrundes sein Interesse im Hauptsacheverfahren gar nicht mehr weiter mit Erfolg vorbringen. Der Dienstherr wäre berechtigt, die Stelle endgültig zu besetzen. Ein Hauptsacheverfahren auf Vornahme eines neuen Auswahlverfahrens liefe ins Leere. Im Übrigen dürfte angesichts der gravierenden Folgen einer solchen Rechtsprechung, die sich in zeitlicher Hinsicht auch nicht kalkulieren lässt, nach dem Gebot des fairen Verfahrens zumindest zu fordern sein, dass vorab ein entsprechender richterlicher Hinweis ergeht.
- 13 -
III.
Das beklagte Land hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht zulässig (§ 72 Abs. 4 ArbGG).
K.
B.
A.
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