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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/037

Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung ent­spre­chend ei­nem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers

Über­nimmt der Ar­beit­ge­ber die Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung nach dem Ent­wurf des Ar­beit­neh­mers, muss er be­wei­sen, dass der Ent­wurf falsch ist: Lan­des­ar­beits­ge­richt Köln, Be­schluss vom 02.01.2009, 9 Ta 530/08
Zeugnis mit Stempel, Datum und Unterschrift Über die Fra­ge, ob ein Zeug­nis "wahr" ist, wird oft ver­bis­sen ge­strit­ten

10.03.2009. Oft ver­pflich­ten sich Ar­beit­ge­ber in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich da­zu, ei­nen Zeug­nis­ent­wurf des Ar­beit­neh­mers aus­zu­fer­ti­gen, d.h. es wird dem Ar­beit­neh­mer über­las­sen, sich selbst sein Zeug­nis zu schrei­ben.

Will der Ar­beit­ge­ber dann spä­ter den vom Ar­beit­neh­mer über­reich­ten Ent­wurf nicht aus­fer­ti­gen bzw. weicht er von die­sem Ent­wurf ab, muss er be­wei­sen, dass der Ent­wurf falsch ist.

Führt der Ar­beit­ge­ber den Nach­weis der Un­rich­tig­keit bei der Voll­stre­ckung ei­nes sol­chen Ver­gleichs nicht, kann ge­gen ihn ein Zwangs­geld ver­hängt wer­den, um ihn zur Um­set­zung des For­mu­lie­rungs­vor­schlags des Ar­beit­neh­mers zu zwin­gen.

Das hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln vor kur­zem ent­schie­den: LAG Köln, Be­schluss vom 02.01.2009, 9 Ta 530/08.

Wann kann der Ar­beit­ge­ber von ei­nem Zeug­nis­ent­wurf des Ar­beit­neh­mers ab­wei­chen, wenn er sich zur Zeug­nis­er­tei­lung gemäß dem Ar­beit­neh­mer-Ent­wurf ver­pflich­tet hat?

Ar­beit­neh­mer be­ein­flus­sen in den letz­ten Jah­ren zu­neh­mend di­rekt die in­halt­li­che Ge­stal­tung des - ei­gent­lich vom Ar­beit­ge­ber zu schrei­ben­den - Ar­beits­zeug­nis­ses. Oft wer­den gan­ze Zeug­nis­se vom An­fang bis zum En­de vom Ar­beit­neh­mer selbst ver­faßt, teils auch un­ter Mit­hil­fe ei­nes den Ar­beit­neh­mer un­terstützen­den Rechts­an­wal­tes.

Vie­le Ar­beit­ge­ber ha­ben sich auf die­se Pra­xis in der Wei­se ein­ge­stellt, dass sie, nicht zu­letzt aus Gründen der Zeit­er­spar­nis und der Ver­mei­dung von Kon­flik­ten, den Ar­beit­neh­mer rund­her­aus auf­for­dern, sich „sein Zeug­nis selbst zu schrei­ben“.

Vor die­sem Hin­ter­grund ist es nicht er­staun­lich, dass die­se gängi­ge „Be­ur­tei­lung in ei­ge­ner Sa­che“ mitt­ler­wei­le auch bei ar­beits­ge­richt­li­chen Pro­zes­sen ei­ne Rol­le spielt:

Während nämlich vor Ge­richt ge­schlos­se­ne Ver­glei­che in der Ver­gan­gen­heit bes­ten­falls die Zeug­nis­no­te re­gel­ten, d.h. zum Bei­spiel die Ver­ein­ba­rung ent­hiel­ten, dass der ver­klag­te Ar­beit­ge­ber dem kla­gen­den Ar­beit­neh­mer ein Zeug­nis mit ei­ner ab­sch­ließen­den Dan­kes- und Be­dau­erns­for­mel und ei­ner ver­ein­ba­run­ges­gemäß gu­ten oder sehr gu­ten Be­no­tung er­tei­len müsse, wird in letz­ter Zeit zu­neh­mend per Ver­gleich ver­ein­bart, dass der Ar­beit­ge­ber da­zu ver­pflich­tet ist, ein Zeug­nis ent­spre­chend ei­nem vom Ar­beit­neh­mer aus­zu­ar­bei­ten­den For­mu­lie­rungs­vor­schlag zu aus­zu­stel­len.

Da ei­ne sol­che Re­ge­lung dem Ar­beit­ge­ber nicht je­den Ein­wand ge­gen die Zeug­nis­for­mu­lie­run­gen des Ar­beit­neh­mers ab­schnei­den soll, wird die Zeug­nis­klau­sel oft mit dem Zu­satz ver­bun­den, dass der Ar­beit­ge­ber nur aus wich­ti­gem Grun­de be­rech­tigt sein soll, von dem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers ab­zu­wei­chen.

Mit der Fra­ge, ob ei­ne sol­che, das Zeug­nis be­tref­fen­de Ver­gleichs­re­ge­lung auch in der Zwangs­voll­stre­ckung brauch­bar ist, d.h. dem Ar­beit­neh­mer zur Durch­set­zung sei­ner Wunsch­vor­stel­lun­gen bezüglich des Zeug­nis­ses ver­hilft, hat sich das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Köln in ei­nem Be­schluss vom vom 02.01.2009, 9 Ta 530/08, geäußert.

Der Streit­fall: Ver­gleich mit "Frank­fur­ter For­mel" zum The­ma Zeug­nis und späte­rem Streit über die Rich­tig­keit ei­nes vom Ar­beit­neh­mer er­stell­ten Ent­wurfs

Der kla­gen­de Ar­beit­neh­mer und der ver­klag­te Ar­beit­ge­ber hat­ten sich im We­ge ei­nes vor dem Ar­beits­ge­richt Köln ge­schlos­se­nen Ver­gleichs dar­auf ge­ei­nigt, dass der Ar­beit­ge­ber ein Zeug­nis ent­spre­chend ei­nem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers zu er­tei­len hätte und von die­sem nur aus wich­ti­gem Grun­de ab­wei­chen könn­te.

Im fol­gen­den, d.h. bei der Durchführung des Ver­gleichs strit­ten die Par­tei­en über die Fra­ge, ob der Ar­beit­ge­ber sei­ner im Ver­gleich fest­ge­leg­ten Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung nach­ge­kom­men sei oder nicht. Zwar hat­te der Ar­beit­neh­mer ei­nen For­mu­lie­rungs­vor­schlag ein­ge­reicht, doch hat­te der Ar­beit­ge­ber die­sen nicht ganz im Sin­ne des Ar­beit­neh­mers um­ge­setzt.

Kon­kret fan­den sich in dem er­teil­ten Zeug­nis Schreib­feh­ler und gram­ma­ti­ka­li­sche Feh­ler. Außer­dem ver­wen­de­te der Ar­beit­ge­ber bei der Aufzählung der ver­schie­de­nen Tätig­kei­ten des Ar­beit­neh­mers Num­mern, d.h. er mach­te aus ei­ner nicht nu­me­rier­ten Lis­te von Ar­beits­auf­ga­ben in dem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers ei­ne nu­me­rier­te Lis­te. Sch­ließlich at­tes­tier­te er dem Ar­beit­neh­mer nur die „Be­die­nung“, nicht aber auch die in dem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers erwähn­te „War­tung“ ei­ner Druck­ma­schi­ne.

We­gen die­ser und an­de­rer Mängel des er­teil­ten Zeug­nis­ses be­an­trag­te der Ar­beit­neh­mer beim Ar­beits­ge­richt Köln, ge­gen den Ar­beit­ge­ber ein Zwangs­geld fest­zu­set­zen, um die­sen zur Ände­rung des Zeug­nis­ses zu be­we­gen. Das Ar­beits­ge­richt Köln gab dem Zwangs­geld­an­trag statt (Be­schluss vom 13.11.2008, 17 Ca 2876/08), al­ler­dings nicht zu dem Zweck, den Ar­beit­ge­ber zur Be­sei­ti­gung der oben ge­nann­ten Mängel zu be­we­gen (Schreib­feh­ler, Nu­me­rie­rung der Auf­ga­ben­lis­te, Erwähnung der Druck­ma­schi­nen­war­tung).

Ge­gen die­sen Be­schluss wand­ten sich Ar­beit­neh­mer und Ar­beit­ge­ber glei­cher­maßen mit der so­for­ti­gen Be­schwer­de. Der Ar­beit­neh­mer er­streb­te ei­ne Er­wei­te­rung des be­reits er­gan­ge­nen Zwangs­geld­be­schlus­ses, der Ar­beit­ge­ber des­sen Auf­he­bung, und zwar mit dem Ar­gu­ment, er sei sei­ner Zeug­nis­er­tei­lungs­pflicht be­reits nach­ge­kom­men.

LAG Köln: Über­nimmt der Ar­beit­ge­ber die Pflicht zur Zeug­nis­er­tei­lung nach dem Ent­wurf des Ar­beit­neh­mers, muss er be­wei­sen, dass der Ent­wurf falsch ist

Das LAG Köln gab dem Ar­beit­neh­mer recht, d.h. es er­wei­ter­te auf sei­ne so­for­ti­ge Be­schwer­de hin den Zweck des fest­ge­setz­ten Zwangs­gel­des und wies den An­trag des Ar­beit­ge­bers auf Auf­he­bung des Zwangs­geld­be­schlus­ses zurück.

Zur Be­gründung heißt es in dem Be­schluss des Lan­des­ar­beits­ge­richts Köln:

Wenn sich ein Ar­beit­ge­ber in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­gleich zu ver­pflich­tet, ein Ar­beits­zeug­nis nach ei­nem For­mu­lie­rungs­vor­schlag des Ar­beit­neh­mers zu er­tei­len, von dem er nur aus wich­ti­gem Grund ab­wei­chen darf, dann sind dem Ar­beit­ge­ber Ab­wei­chun­gen vom Vor­schlag des Ar­beit­neh­mers nur ge­stat­tet, wenn die­ser aus fol­gen­den Gründen nicht um­ge­setzt wer­den kann:

  • Der Vor­schlag enthält Schreib­feh­ler oder gram­ma­ti­ka­li­sche Feh­ler.
  • Der Vor­schlag enthält in­halt­lich un­rich­ti­ge An­ga­ben.

Die­se bei­den Möglich­kei­ten, vom Vor­schlag ab­zu­wei­chen, schei­nen auf den ers­ten Blick sehr weit ge­fasst zu sein, so dass man Zwei­fel dar­an ha­ben könn­te, dass ei­ne Zeug­nis­klau­sel mit Vor­schlags­recht des Ar­beit­neh­mers prak­tisch brauch­bar bzw. voll­streck­bar ist.

Al­ler­dings macht das LAG ei­ne wei­te­re, prak­tisch we­sent­li­che Vor­ga­be: Der Ar­beit­ge­ber muss im Ver­fah­ren der Zwangs­voll­stre­ckung den Nach­weis führen, dass der Vor­schlag des Ar­beit­neh­mers un­ter den oben ge­nann­ten bei­den Mängeln (Schreib­feh­ler oder gram­ma­ti­ka­li­sche Feh­ler oder in­halt­li­che Un­rich­tig­keit) lei­det.

Das heißt prak­tisch ge­se­hen: Was auch im­mer der Ar­beit­neh­mer in „sei­nen“ Zeug­nis­ent­wurf hin­ein­schreibt, ist bis zum Nach­weis des Ge­gen­teils, den der Ar­beit­ge­ber führen müss­te, als rich­tig an­zu­se­hen.

Für den vor­lie­gen­den Fall zog das LAG Köln dar­aus un­ter an­de­rem den Schluss, dass der Ar­beit­ge­ber dem Ar­beit­neh­mer auch die Ma­schi­nen­war­tung im Zeug­nis zu be­schei­ni­gen ha­be, da er – der Ar­beit­ge­ber – nicht nach­ge­wie­sen ha­be, dass der Ar­beit­neh­mer sol­che Ar­bei­ten nicht ver­rich­tet hätte.

Fa­zit: Die mitt­ler­wei­le gängi­ge Wei­se, sich auf den In­halt ei­nes Zeug­nis­ses durch ar­beits­ge­richt­li­chen Ver­gleich im Kündi­gungs­schutz­ver­fah­ren so zu verständi­gen, dass der Ar­beit­neh­mer sich sein Zeug­nis selbst schreibt (bzw. die­ses „ent­wirft“) und der Ar­beit­ge­ber es aus­fer­tigt, ist für den Ar­beit­neh­mer verläss­lich. Der Ar­beit­neh­mer muss nicht da­mit rech­nen, dass er trotz ei­ner sol­chen Ver­gleichs­klau­sel im Fal­le ei­nes späte­ren Streits um den Zeug­nis­in­halt „nichts in der Hand hat“.

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Letzte Überarbeitung: 1. November 2018

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