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ARBEITSRECHT AKTUELL // 09/043

Mit­be­stim­mung bei Ge­heim­hal­tungs­ver­ein­ba­run­gen

In­halt­lich stan­dar­di­sier­te Er­klä­run­gen, mit de­nen sich Ar­beit­neh­mer zum Still­schwei­gen über be­trieb­li­che oder ge­schäft­li­che Vor­gän­ge ver­pflich­ten, un­ter­lie­gen nicht un­be­dingt der Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 87/07
Mann hinter hohem Papierstapel Die Klä­rung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten schei­tert oft an for­mal­ju­ris­ti­schen Hür­den

18.03.2009. Ob Er­klä­run­gen, mit de­nen sich Ar­beit­neh­mer zur Ge­heim­hal­tung ver­pflich­ten, der Mit­be­stim­mung un­ter­lie­gen oder nicht, kann man nicht all­ge­mein sa­gen.

Da­her hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung ei­nen Be­schluss des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts (LAG) vom 05.07.2007 (5 TaBV 223/06) be­stä­tigt, wo­nach dem Be­triebs­rat kein Mit­be­stim­mungs­recht ge­mäß § 87 Abs 1 Nr 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) zu­steht, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ner Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, die be­reits ar­beits­ver­trag­lich zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet sind, ei­ne wei­te­re for­mu­lar­mä­ßi­ge Ge­heim­hal­tungs­ver­pflich­tung ab­ver­langt.

Denn im Streit­fall war der Be­triebs­rat mit ei­nem zu all­ge­mein ge­hal­te­nen An­trag auf Fest­stel­lung sei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts ins Ren­nen ge­gan­gen. Und da die­ser An­trag auf Fäl­le um­fass­te, in de­nen ein Mit­be­stim­mungs­recht nicht be­stand, hat das BAG ihn ab­ge­wie­sen: BAG, Be­schluss vom 10.03.2009, 1 ABR 87/07.

Sind ar­beits­ver­trag­li­che Klau­seln über die Pflicht zur Ge­heim­hal­tung mit­be­stim­mungs­pflich­tig?

In ei­nem Be­trieb, in dem ein Be­triebs­rat be­steht, ist der Ar­beit­ge­ber bei vie­len An­wei­sun­gen ver­pflich­tet, Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats zu be­ach­ten. So­weit kei­ne ta­rif­li­che oder ge­setz­li­che Re­ge­lung be­steht, un­ter­wirft § 87 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) ei­ne Rei­he von so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten der zwin­gen­den Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats. In die­sen Fällen ist ein „Al­lein­gang“ des Ar­beit­ge­bers aus­ge­schlos­sen. Kommt kei­ne Ei­ni­gung zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat zu­stan­de, ent­schei­det not­falls die Ei­ni­gungs­stel­le.

An­de­rer­seits steht dem Ar­beit­ge­ber auch in mit­be­stimm­ten Be­trie­ben nach § 106 Ge­wer­be­ord­nung (Ge­wO) ein Di­rek­ti­ons- bzw. Wei­sungs­recht zu, al­so das Recht, die Pflich­ten der Ar­beit­neh­mer ein­sei­tig durch Wei­sun­gen zu kon­kre­ti­sie­ren. Sol­che ar­beits­be­zo­ge­nen Wei­sun­gen kann der Ar­beit­ge­ber oh­ne Mit­wir­kung des Be­triebs­rats er­tei­len. Da­ge­gen un­ter­lie­gen Wei­sun­gen, die das Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer be­tref­fen, wie­der­um der Mit­be­stim­mung, und zwar gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 Be­trVG.

Ein­deu­ti­ge Fälle des mit­be­stim­mungs­pflich­ti­gen „Ord­nungs­ver­hal­tens“ sind z.B. Vor­schrif­ten über Ein­gangs­kon­trol­len, Ar­beits­klei­dung, das Ra­diohören im Be­trieb oder Rauch­ver­bo­te, falls sie über schon be­ste­hen­de ge­setz­li­che Ver­bo­te hin­aus­ge­hen. Mit­be­stim­mungs­frei sind da­ge­gen z.B. An­wei­sun­gen über das Ab­lie­fern von Tätig­keits­be­rich­ten oder die An­ord­nung, in Geschäfts­brie­fen den Vor­na­men zu ver­wen­den. Sol­che An­wei­sun­gen be­tref­fen nicht das Ord­nungs-, son­dern das Ar­beits­ver­hal­ten.

Wie die­se Bei­spie­le zei­gen, ist die Un­ter­schei­dung zwi­schen Ord­nungs- und Ar­beits­ver­hal­ten oft schwie­rig. Un­ter­schied­lich be­ur­teilt wird z.B. die Auf­for­de­rung des Ar­beit­ge­bers, be­stimm­te Erklärun­gen wie et­wa Ver­schwie­gen­heits­erklärun­gen ab­zu­ge­ben.

Oft fin­den sich hier­zu Re­ge­lun­gen im Ar­beits­ver­trag, was dar­auf schließen lässt, dass die darüber hin­aus­ge­hen­de schrift­li­che Fest­le­gung von Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten nur das oh­ne­hin be­reits ver­trag­lich ge­schul­de­te Ar­beits­ver­hal­ten, nicht aber das Zu­sam­men­le­ben im Be­trieb (Ord­nungs­ver­hal­ten) be­trifft. An­de­rer­seits be­trifft die Um­set­zung von Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten wie­der­um nicht nur den Ar­beits­ver­trag, son­dern auch das Zu­sam­men­le­ben der Ar­beit­neh­mer im Be­trieb und da­mit das Ord­nungs­ver­hal­ten.

Zu der Fra­ge, wo in sol­chen Fällen die Gren­ze zwi­schen Ar­beits- und Ord­nungs­ver­hal­ten verläuft, hat das BAG in ei­nem Be­schluss vom 10.03.2009 (1 ABR 87/07) Stel­lung ge­nom­men.

Der Streit­fall: Be­triebs­rat möch­te für die Zu­kunft fest­ge­stellt ha­ben, dass der Ar­beit­ge­ber ihn bei Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­run­gen be­tei­li­gen muss

An­trag­stel­ler war der Be­triebs­rat ei­nes Un­ter­neh­mens, das die Be­treu­ung von EDV-Re­ser­vie­rungs­sys­te­men von Rei­sebüros be­treibt. Im Rah­men ei­nes be­stimm­ten Pro­jek­tes er­hiel­ten ei­ni­ge Mit­ar­bei­ter spe­zi­el­le Kennt­nis­se, die den Cha­rak­ter von Geschäfts- und Be­triebs­ge­heim­nis­sen hat­ten. Die Ar­beits­verträge der ent­spre­chen­den Mit­ar­bei­ter ent­hiel­ten be­reits ei­ne Ge­heim­hal­tungs­klau­sel.

Der Ar­beit­ge­ber ver­ein­bar­te im Rah­men der Durchführung des Pro­jek­tes mit den Ar­beit­neh­mern ei­ne zusätz­li­che for­mu­larmäßige Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­rung, die die ar­beits­ver­trag­li­che Klau­sel in Be­zug auf das Pro­jekt kon­kre­ti­sier­te. Da­bei be­tei­lig­te er den Be­triebs­rat nicht.

Der Be­triebs­rat setz­te sich hier­ge­gen ge­richt­lich zur Wehr und be­an­trag­te beim Ar­beits­ge­richt (ArbG) Frank­furt am Main die Ver­pflich­tung des Ar­beit­ge­bers, den Ab­schluss von Ver­schwie­gen­heits­ver­pflich­tun­gen oh­ne Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats zu un­ter­las­sen. Das Ar­beits­ge­richt wies den An­trag mit Be­schluss vom 12.09.2006 (8/7 BV 355/06) zurück. Zur Be­gründung stützt sich das Ge­richt auf die Tat­sa­che, dass die Ge­heim­hal­tung an sich be­reits ein­zel­ver­trag­lich ver­ein­bart sei und durch die strei­ti­ge Fol­ge­ver­ein­ba­run­gen nur näher aus­ge­stal­tet wer­de.

In der vom Be­triebs­rat hier­ge­gen er­ho­be­nen Be­schwer­de zum Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) be­an­trag­te die­ser nicht mehr die Un­ter­las­sung von Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­run­gen, da das strei­ti­ge Pro­jekt in­zwi­schen ab­ge­schlos­sen war. Der Be­triebs­rat woll­te nur noch für die Zu­kunft fest­ge­stellt se­hen, dass der Ar­beit­ge­ber ihn bei Ver­schwie­gen­heits­ver­ein­ba­run­gen zu be­tei­li­gen ha­be.

Auch mit die­sen geänder­ten Anträgen hat­te der Be­triebs­rat vor dem LAG kei­nen Er­folg, d.h. es wies die Be­schwer­de zurück (Hes­si­sches LAG, Be­schluss vom 05.07.2007, 5 TaBV 223/06).

An­ders als in ei­nem vom BAG ent­schie­de­nen Fall, in dem das BAG ei­ne an­ge­stell­ten Wirt­schafts­re­dak­teu­ren vom Ar­beit­ge­ber ab­ver­lang­te Erklärung über Wert­pa­pier­be­sitz als mit­be­stim­mungs­pflich­tig an­ge­se­hen hat­te (BAG, Be­schluss vom 28.05.2002, 1 ABR 32/01), ge­he es im vor­lie­gen­den Fall nicht um ei­ne be­stimm­te Grup­pe von Ar­beit­neh­mern, son­dern ein be­stimm­tes Pro­jekt. Die Ver­schwie­gen­heits­erklärun­gen be­tra­fen da­her nach An­sicht des LAG vor­lie­gend eher das Ar­beits- als das Ord­nungs­ver­hal­ten der Ar­beit­neh­mer.

Dem Be­triebs­rat half auch die Be­ru­fung auf ei­nen an­de­ren, vom LAG Hamm ent­schie­de­nen Fall nichts, in dem es um die Aus­ge­stal­tung von Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten gemäß ei­ner be­reits be­ste­hen­den Be­triebs­ver­ein­ba­rung ging (LAG Hamm, Be­schluss vom 17.12.1980, 12 TaBV 61/80). Auch die­ser Fall sei an­ders ge­la­gert, so das Hes­si­sche LAG, da es bei dem Fall des LAG Hamm um die Aus­ge­stal­tung kol­lek­ti­ver, sich aus ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­ge­ben­der Ge­heim­hal­tungs­pflich­ten ging.

Ge­gen die­se Ent­schei­dung er­hob der Be­triebs­rat Rechts­be­schwer­de zum BAG.

BAG: Der auf die Zu­kunft ge­rich­te­te An­trag des Be­triebs­rats ist ein un­be­gründe­ter "Glo­balan­trag" und da­her ab­zu­wei­sen

Das BAG bestätig­te den Be­schluss des Hes­si­schen LAG im Er­geb­nis.

So­weit der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung ent­nom­men wer­den kann, be­tont das Bun­des­ar­beits­ge­richt, dass der Be­triebs­rat je­den­falls nicht bei je­der Ver­ein­ba­rung zur Ver­schwie­gen­heit ein Mit­be­stim­mungs­recht hat. So­mit sei der vom Be­triebs­rat ge­stell­te, auf al­le künf­ti­gen Ver­pflich­tun­gen zur Ver­schwie­gen­heit be­zo­ge­ne Fest­stel­lungs­an­trag zu weit ge­fasst.

Es gibt nämlich Fälle, so das BAG, in de­nen ein Mit­be­stim­mungs­recht we­gen feh­len­den Be­zugs zum Ord­nungs­ver­hal­ten oder we­gen ei­ner vor­ran­gi­gen ge­setz­li­chen Re­ge­lung (z.B. § 17 Ge­setz ge­gen den un­lau­te­ren Wett­be­werb - UWG) aus­schei­det. Der „Glo­balan­trag“ des Be­triebs­rats war da­her un­be­gründet, da er sich un­ter an­de­ren auch auf sol­che Fälle be­zog, in de­nen dem Be­triebs­rat kein Mit­be­stim­mungs­recht zu­steht. Da­her war er (zwar zulässig, aber:) in der Sa­che un­be­gründet und da­her ab­zu­wei­sen.

Fa­zit: Die Ar­gu­men­ta­ti­on des BAG ist zwar ziem­lich „for­mal­ju­ris­tisch“, aber kor­rekt. Lei­der klärt sie nicht, wo bei Ver­schwie­gen­heits­erklärun­gen die Gren­ze zwi­schen Ar­beits- und Ord­nungs­ver­hal­ten zu zie­hen ist.

Mit die­ser Ent­schei­dung ist für die Zu­kunft kein wirk­li­ches "Plus" an Rechts­klar­heit ver­bun­den. Für Be­triebsräte heißt das aber auch, dass ein Mit­be­stim­mungs­recht bei Ver­pflich­tun­gen zur Ver­schwie­gen­heit nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Viel­mehr ist die Rechts­la­ge recht kom­pli­ziert, so dass es an­ge­zeigt sein kann, das Be­ste­hen ei­nes Mit­be­stim­mungs­rechts ge­richt­lich klären zu las­sen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 18. Dezember 2017

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